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Beschütze ihn!

von

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Spiegelbilder

Tatsächlich gelang es Stiles alsbald einzuschlafen, auch wenn er nicht wirklich Ruhe fand. Er stöhnte, seufzte und wand sich im Schlaf, murmelte vor sich hin und schreckte gelegentlich hoch. Derek sprach dann beruhigend auf ihn ein, versicherte dem Jüngeren, dass er in Sicherheit wäre und griff sogar einige Male nach seiner Hand, um ihm die Schmerzen zu nehmen.

Wann immer Derek sicher war, dass sein Patient einen Augenblick lang ruhig war, machte er einen kurzen Gang um das Haus, um sicher zu stellen, dass sich keiner ihrer Feinde in der Nähe befand, doch im Wald war es ruhig und sie waren weit und breit die einzigen menschlichen Wesen in dieser Gegend.
 

Es dauerte über drei Stunden, ehe Stiles endlich in einen heilsamen Tiefschlaf fiel, ruhig und gleichmäßig atmete und sich nicht mehr regte. Erst jetzt kam auch Derek innerlich zur Ruhe, konnte ein wenig in seinem Buch lesen und schloss sogar ein paar Mal die Augen, doch selbstverständlich ohne selbst einzuschlafen, denn er hatte hier einen Auftrag zu erledigen und diesen nahm er ausgesprochen ernst. Und anders als ein Mensch konnte der Werwolf, wenn nötig, bis zu drei Tage ohne Schlaf auskommen, ohne dass seine Konzentration litt.
 

Der Verletzte schlief beinahe zehn Stunden durch, womit sein Bodyguard sehr einverstanden war, denn erstens konnte ein schlafender Stiles einem nicht auf die Testikel gehen und zweitens war der Schlaf für seinen malträtierten Körper der optimale Zustand, um den entstandenen Schaden zu reparieren. Und tatsächlich gab der Mensch nach dem Erwachen an, nur noch leichte Kopfschmerzen zu haben und weder Übelkeit noch Schwindel zu verspüren. Derek atmete erleichtert auf, denn auch wenn er es nicht zugeben wollte, die Kopfverletzung des Jungen hatte ihm große Sorgen bereitet. Der Werwolf stellte Stiles zur Sicherheit noch ein paar Fragen, um Gedächtnislücken auszuschließen, doch scheinbar hatte der Mensch den gestrigen Angriff ohne bleibende Schäden überstanden. Nun musste Derek es nur noch schaffen, dass dies auch so blieb.
 

Wie auf´s Stichwort erklärte Stiles nun:

„Siehst du, alles halb so wild.“ Dann forderte er: „Finde heraus, wo die Anderen sind und lass´ uns losfahren!“
 

„Du kannst nicht einmal laufen, hast höchstwahrscheinlich ein bis zwei gebrochene Rippen und deine Gehirnerschütterung braucht mindestens eine volle Woche, bis sie ausgeheilt ist, vielleicht sogar länger, solange wie du gestern bewusstlos warst. Ich es da nicht ein wenig überambitioniert, in den Krieg ziehen zu wollen?“ knurrte Derek mit aller Nachsicht, die er angesichts der Idiotie seines Patienten und Schutzbefohlenen aufbringen konnte.
 

Hierauf entflammte ein kleiner Zwist zwischen den beiden, welcher sich in Windeseile zu einem ausgewachsenen Streit auswuchs.
 

Stiles behauptete im Verlauf des Disputs, Derek sei eine überbeschützerische Pest am Arsch und wahrscheinlich wollte er sich am Ende wohl bloß selbst vor dem Kampf drücken, weil er für solche Auseinandersetzungen langsam zu fett, zu alt und zu träge werde?
 

Der Werwolf sprang daraufhin derart hitzig von seinem Stuhl auf, dass dieser heftig zu Boden knallte und es ein Wunder war, dass er nicht zu Bruch ging. Grollend entgegnete Derek, dass er ja wohl keineswegs fett, sondern athletisch, im allerbesten Werwolfs-Alter und körperlich in Höchstform sei und außerdem ohne großartig darüber nachdenken zu müssen, auf Anhieb eine Millionen Dinge wüsste, die er lieber tun würde, als für ein größenwahnsinniges Kleinkind die Krankenschwester spielen, aber so hatte sein Alpha es eben angeordnet, also hatte er in den sauren Apfel gebissen. Und überhaupt, wo blieb hier eigentlich die Dankbarkeit für seine übergroße Aufopferungsbereitschaft?
 

Der Begriff „Kleinkind“ war offensichtlich ein Reizwort für den Jüngeren, der dann ein Szenario entwarf, in welchem er sich eben jetzt gleich und sofort zu Fuß und humpelnd zur Straße schleppen werde, wo er auf den nächstbesten gruseligen Lastwagenfahrer warten würde, der ihn dann per Anhalter mitnahm. Und ja, er werde auch Süßigkeiten von diesem annehmen, sofern sie ihm angeboten würden, denn er mochte ja ein Kleinkind sein, aber immerhin würde er alles in seiner Macht stehende tun, um seine Freunde zu unterstützen!
 

Derek hatte mittlerweile die Klauen ausgefahren, ließ seine blauen Wolfsaugen aufblitzen und versicherte, dass er Stiles für eine Woche ans Bett fesseln werde, sofern er es wagen sollte, auch nur einen Fuß vor die Hütte zu setzen! Und natürlich werde er ihn auch knebeln, weil der Junge ja ansonsten ohnehin doch nicht sein blöde, große Fresse hielt!
 

„Ach wirklich? Hätte ich mir denken können, dass ein Kontrollfreak wie du auf Bondage steht!“ hatte Stiles ihn dann herausgefordert und noch die Frage hinterhergeschoben, ob er diese spezielle Fantasie denn eigentlich schon länger habe.
 

„Jetzt reicht´s!“ bellte Derek nun maximal angepisst: „Ich habe die Faxen dicke! Ich bringe dich um! Ich bringe dich um, verscharre dich hier im Wald und sage Scott, die Wölfe hätten dich mit Haut und Haar aufgefressen. Und zum Trost schenke ich Scott dann ein Kapuzineräffchen, mit dem er sich anfreunden kann! Der kann dann alles, was du auch kannst, mit seiner Stimme nervtötende Geräusche erzeugen, dämlich herum hampeln und Männchen machen! Aber darüber hinaus kann man ihm, anders als dir, vielleicht auch noch ein paar nützliche Tricks beibringen. Es dauert maximal eine Woche, bis alle dich vergessen haben und den Affen lieber mögen, als sie dich je mochten!“
 

Stiles fiel die Kinnlade herunter und einen Augenblick lang war er tatsächlich sprachlos.

Dann wurde ihm etwas klar: Dies war wohl die kreativste Bedrohung Schrägstrich Beleidigung, die er je gehört hatte und gegen seinen Willen musste er lachen.
 

Derek blickte ihn an, als habe er nun endgültig den Verstand verloren, doch ehe er etwas sagen konnte verkündete Stiles:

„Verdammt, muss ich dringend pissen! Ich mach´ mich gleich nass! Behalt´ deinen Gedanken. Bin gleich wieder da.“

Er erhob sich und humpelte in Richtung Bad:
 

„Lass´ die Badezimmertür offen.“ befahl der Werwolf:
 

„Wieso sollte ich? Ist das hier etwa ein Knast?“ fragte Stiles fassungslos:
 

„Ich will sichergehen, dass du da drinnen nicht bewusstlos wirst, du kleiner Penner!“ erklärte Derek mit jenem Quentchen Restgeduld, welches er noch übrig hatte:
 

„Ich kann aber nicht pinkeln, wenn mir jemand zuhört. Ich habe eine scheue Blase.“ jammerte Stiles:
 

Derek schlug seine Stirn mehrfach gegen die Wand und knurrte dann:

„Dann lass´ eben nebenher das Wasser laufen! Ich lausche auch nicht.“
 

„Wehe wenn doch!“ drohte Stiles, verrichtete dann sein Geschäft, wusch sich ein wenig und putzte sich die Zähne. Als er zurückkehrte, saß sein Leibwächter am Tisch und hatte für sie beide Schälchen mit ominösem Inhalt hingestellt:

„Setz´ dich! Es gibt Frühstück.“ herrschte er den Jungen an.
 

Stiles blickte naserümpfend in seine Schüssel und wollte wissen:

„Was ist denn das für ein komisches Zeug?“
 

„Vollkornmüsli, ungezuckert, mit Sojamilch?“ gab der Ältere ungerührt zurück.
 

Stiles schüttelte den Kopf:

„Sojamilch? Was soll das denn sein? Wie zur Hölle melkt man eine Bohne? Und überhaupt....für mich ist es kein Müsli, wenn nicht reichlich Zucker und kleine Marshmellows drinnen sind. Dieses Vogelfutter kannst du selbst essen, Hale! Mach mir Rührei, oder so!“
 

Derek ballte die Fäuste, er malte mit den Zähnen und er war kurz davor hochzugehen, wie eine Atombombe. Hatte dieses mickrige Menschlein ihn gerade tatsächlich zu seinem persönlichen Lakaien degradiert? Das war doch wohl nicht möglich?

Wieso in Drei-Gottes-Namen provozierte dieser kleine Mistkerl ihn in einem fort? Man kümmerte sich um ihn, versorgte und beschützte diesen Jungen, machte ihm sogar Frühstück und nun das?

Es war zwar nichts Neues, dass Stiles ein anstrengendes Großmaul war und meist redete, ehe er nachdachte, doch heute Morgen reizte er Derek doch aus purer Absicht, als legte er es darauf an, den Werwolf auf die Palme zu bringen?
 

Derek blitzte den Jüngeren zornig an, im Grunde fest entschlossen, ihm Schmerz zuzufügen, um ihn zum Schweigen zu bringen und ihn ein wenig Demut zu lehren.

Doch dann musste der Werwolf ein zweites Mal in zwei Tagen an seinen kleinen Bruder denken und da wurde es ihm klar.

Er atmete tief durch, um seinen Blutdruck wieder halbwegs in seinen Normalzustand zu versetzen und fragte dann sehr ruhig:

„Du hasst es, oder?“
 

Stiles, der gerade wie gebannt in seine Müslischüssel mit ihrem grauenhaft-gesundem Inhalt gestarrt und mit dem Löffel darin herumgestochert hatte, blickte ruckartig auf:

„Was meinst du?“ fragte er misstrauisch zurück:
 

„Du weißt was ich meine. Du hasst es, verletzt zu sein; ein Opfer. Du hasst es, dass es dir schon wieder passiert.“ stellte Derek fest.

Und er musste nicht näher ausfuhren was er meinte. Sie wussten es beide. Es war nicht lange her, dass ein uralter, japanischer Fuchsgeist sich in Stiles eingenistet, ihn beinahe umgebracht und einen Haufen Schrecken, Terror und Tod in seinem Umfeld verbreitet hatte. Stiles hatte noch gar nicht die Chance erhalten, diesen Horror wirklich zu verarbeiten.
 

Der Jüngere ließ den Löffel klirrend in seine Schüssel fallen, verschränkte die Arme vor der Brust und antwortete mit finsterer Miene und antwortete:

„Natürlich hasse ich es. Was ist das denn für eine blöde Frage? Wer will schon ein Opfer sein? Aber davon weißt du ja nichts, Superman! Du hast deine dicken Muskeln und deine übernatürlichen Kräfte.“
 

Derek musste gar nichts sagen. Sein Blick verriet bereits alles.
 

Und da wurde es dann auch Stiles klar, was für einen Müll er gerade von sich gegeben hatte.

Warum war Derek denn überhaupt jener Mann, welcher heute vor ihm saß; muskulös, hart im nehmen, trainiert in verschiedenen Kampfsportarten und mit dem eisernen Willen zu kämpfen und zu siegen? Er war so weil er es nur zu genau wusste, was es bedeutete ein Opfer zu sein, alles zu verlieren, Angst zu haben...

Der unfassbare Verrat durch die Frau, die er einst geliebt hatte und die Flammen, welche beinahe jeden verschlungen hatten der ihm nahestand, hatten ihn dazu gemacht.
 

„Sorry Mann... uhm... ich... ich habe nicht nachgedacht.“ stammelte Stiles.
 

Derek nickte leise und forderte:

„Iss´ dein Frühstück, Stiles.“



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