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Abschied

Karl May
von

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Am Hancock-Berg

Kap. 3
 

Sicht Old Shatterhand
 

Durch die Bäume konnte ich das erste Feuer erkennen, auf das Til-Lata und ich nun zuschritten. Als wir nun in den Lichtschein traten, sah ich mich um. Ich erkannte einige Krieger vom Stamme der Mescalero, dann welche vom Stamme der Utah und von den Schoschonen.
 

Aber die anderen Krieger, die mit ihnen an den Feuern saßen, kannte ich nicht, zählte sie aber zu den Assiniboines. Til-Lata deutete auf das Feuer, an welchem die Häuptlinge saßen, drehte sich um und verschwand wieder zwischen den Bäumen, während ich in die gewiesene Richtung ging.
 

„Ich grüße den Roten Büffel, Häuptling der Schoschonen, sowie den Utah-Häuptling Grauer Bär und Tah-scha-tunga, den Häuptling der Assiniboines und auch meinen Freund und Blutsbruder Winnetou.“ Die Angesprochenen sahen auf und erhoben sich. „Tah-scha-tunga ist erfreut, die Bekanntschaft Old Shatterhands zu machen “, grüßte dieser, da wir uns noch nie begegnet waren.
 

Wir setzten uns wieder, Winnetou entzündete seine Pfeife und ließ diese für das Begrüßungsritual herum gehen.
 

Ich nahm Hufgeräusch wahr und dachte, dass Kleines Wiesel mit meinem Pferd gekommen war, als ich plötzlich von hinten angestupst und an geschnaubt wurde. „Nicht nur Winnetou ist erfreut, seinen Blutsbruder wieder zu sehen“, spielte dieser auf die Begrüßung durch Hatatitla an. „Winnetou hatte sich entschlossen, Hatatitla mitzunehmen, da dieser nicht im Pueblo bleiben wollte. Heute wollte er gar nicht mehr weiter. Offenbar hat er gespürt, dass du hier bist.“ Ich liebkoste ihn kurz und schickte ihn weg. Da Hatatitla sich aber auch nach mehrmaliger Aufforderung nicht rührte, entschuldigte ich mich, stand auf und ging mit ihm zurück Richtung Weide.
 

„Auch Winnetou ist erfreut, seinen Blutsbruder zu sehen, aber er hatte dies nicht vor dem Sommer erwartet. Was führt meinen Bruder in dieses Tal?“ Winnetou war uns gefolgt. „Sollten meine Brüder nicht auf dem Weg Richtung Süden sein?“, erkundigte ich mich, nachdem ich erzählt hatte, wieso ich hier war. „Bleichgesichter erzählten, dass die Krieger der Ogellallah den Bärenjäger Bachmann und seine Familie überfallen und gefangen genommen haben. Roter Büffel und seine Krieger wollen sie befreien, da sie Freunde der Schoschonen sind und Winnetou, Grauer Bär und Tah-scha-tunga ritten mit ihren Kriegern mit ihnen.“
 

„Geht es Scharlih nicht gut?“, erkundigte sich mein Bruder und sah mich fragend an. „Wie lange sind sie schon in Gefangenschaft?“ „Wir begegneten den Bleichgesichtern vor drei Tagen und ritten am nächsten Morgen los.“ „Drei Tage?!? Ist Winnetou sich sicher?“, erkundigte ich mich und bereute die Frage im selben Moment, denn Winnetous Miene verfinsterte sich leicht. „Natürlich ist Winnetou sich sicher.“ „Verzeih mir, mein Bruder. Es ist nur … der Bärenjäger ist mein Bruder. Seine Mutter hatte ihren Mann verloren und mein Vater nahm sich ihrer mitsamt ihres Sohnes an.“
 

Winnetou legte mir eine Hand auf den Arm. „Wir werden sie befreien, Scharlih.“ „Weiß Winnetou, wohin man sie bringt?“. „Winnetou vermutet, dass man sie zur Opferstätte bringt. Den genauen Ort kennt Winnetou nicht, aber Roter Büffel.“ Ohne ein Wort zu sagen, drehte ich mich und wollte zum Lager zurück gehen, als ich Kleines Wiesel entdeckte, der offenbar mit meinem Pferd zurück war und mit einem weiteren Krieger meine Sachen zum Lager trug. Ich eilte zu ihm und wollte ihm die Sachen abnehmen, als ich eine Hand auf meiner Schulter spürte „was hat mein Bruder vor?“. „Mark und seine Familie retten.“ „Wir werden ihn alle begleiten. Sobald es hell wird, reiten wir weiter.“ „Das könnte zu spät sein.“ „Es ist dunkel, der Mond gibt zu wenig Licht. Es wäre zu gefährlich für uns.“
 

Winnetou hatte Recht. Es würde Mark nicht helfen, wenn ich mich verirrte oder Hatatitla sich schlimmstenfalls das Bein brechen würde, weil wir ein Hindernis nicht gesehen haben. Und ich hatte ja nicht einmal einen Plan. „Wir reiten bei Tagesanbruch“, versprach Winnetou noch einmal und gemeinsam kehrten wir ans Feuer zurück.
 

Wir legten uns schlafen, aber mir gelang es erneut nicht, in diesen zu finden. Nach einiger Zeit gab ich es auf und nahm aus meiner Satteltasche Stift und Papier und begann zu schreiben.
 

Am nächsten Morgen brachen wir zeitig auf. Ich ritt nun Hatatitla und mein bisheriges Pferd wurde am Zügel mitgeführt. So ritten wir Meile um Meile und rasteten nur um den Pferden eine Pause zu gönnen.
 

Am Morgen des dritten Tages lösten sich mehrere Schoschonen-Krieger aus unserer Gruppe und ritten in eine andere Richtung, während wir weiter dem Roten Büffel folgten. Einige Stunden nach Tagesanbruch hielt Roter Büffel sein Pferd an und stieg ab. Seine Krieger taten es ihm nach und kurz darauf standen alle neben ihren Pferden.
 

„Etwa eine Stunde in diese Richtung befindet sich die Opferstätte“, erklärte Roter Büffel und deutete in eine Richtung. „War mein roter Bruder schon einmal dort?“ Dieser schüttelte den Kopf. „Also kann uns keiner etwas über den Ort und seine Gegebenheiten sagen? … dann werden Winnetou und ich den Ort auskundschaften.“ „Dann mögen sie aber warten, bis die Krieger, die Roter Büffel ausgesandt hat um nach Spuren zu suchen, zurück sind.“
 

Wir stimmten zu und warteten. Nach etwa drei Stunden kamen die Krieger zurück und berichteten, dass sie Spuren entdeckt haben, die aus nordwestlicher Richtung Richtung Opferstätte führten. Somit konnten wir davon ausgehen, dass die Ogellallah mit ihren Gefangenen hier waren. Winnetou und ich nickten und machten uns dann auf den Weg.
 

Die Sonne berührte schon den Horizont, als wir ins Lager zurück kehrten. Die Krieger saßen wieder in Gruppen zusammen, hatten aber keine Feuer entzündet. Wir setzten uns zu den Häuptlingen und besprachen unseren Befreiungsplan. Anschließend nahmen wir noch eine kleine Stärkung zu uns und legten uns zur Ruhe, da wir noch ein wenig warten mussten, bis die Nacht etwas weiter fortgeschritten war.
 

Mich hielt es aber nicht auf dem Lager und entfernte mich von diesem. Zumindest konnte ich jetzt dieses Gefühl zuordnen, dass genau an dem Tag einsetzte, an dem die Ogellallah Mark und seine Familie überfallen hatten.
 

„Winnetou sollte sich ausruhen.“ Ich spürte seine Anwesenheit, ehe er überhaupt neben mich trat. „Meinen Bruder bedrückt etwas.“ Es war keine Frage seinerseits, sondern eine Feststellung. „Als ich das von Mark erfahren hatte, dachte ich, wir würde nicht rechtzeitig kommen.“ „Wir werden ihn und seine Familie befreien.“ Winnetou sah mich eindringlich an „das ist aber nicht alles, was meinen Bruder bedrückt.“ „Mein Bruder sei unbesorgt, mir geht es gut.“ Ganz zufrieden war Winnetou mit der Antwort nicht, aber da ich mich auf den Weg zurück zum Lager machte, drehte auch er sich um und schloss sich mir an.
 

Zurück im Lager wickelten wir uns in unsere Decken und versuchten noch ein wenig zu schlafen, bis es Zeit zum Aufbruch war.
 

Einige Zeit später brachen wir auf und erreichten unseren Zielort ohne Probleme. Wir blickten in das Tal hinunter. Die Ogellallah hatten ein großes Feuer entzündet. Die Gefangenen lagen etwas abseits, weit genug voneinander entfernt um sich nicht gegenseitig befreien zu können, aber unbewacht.
 

Wir hatten zwei Lassos zusammengeknotet und banden nun ein Ende an einen Baum. Ich nahm das Lasso und stemmte mich an mehreren Stellen mehrmals kräftig dagegen um zu sehen, ob es hielt. Anschließend sah ich Winnetou noch einmal an und begab mich dann zur Kante, um den Abstieg zu beginnen. Ich versuchte, mich am Seil hinab zu lassen, ohne meine Füße gegen die Felswand stemmen zu müssen, und kam auch die ersten Meter gut voran.
 

Dann auf einmal ging alles sehr schnell. Einige kleinere Steine rieselten an mir vorbei, während ich mich weiter am Seil hinunter ließ. Plötzlich erklangen Schüsse und ich spürte einen Schmerz. Mit Mühe und Not hielt ich mich noch am Seil, als ich einen weiteren Schmerz spürte. Es wurde alles schwarz um mich.
 

~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
 

Sicht Winnetous
 

Auch ich sah auf, als ich Scharlihs Stimme vernahm. Während ich mich, wie auch die anderen erhob, ließ ich mir meine Überraschung nicht anmerken. Nach einer kurzen Begrüßung, wo ich dem Drang, ihn in die Arme zu schließen widerstand, setzten wir uns wieder und ich entzündete mein Kalumet, um es zur Begrüßung herum gehen zu lassen.
 

Ich hatte so viele Fragen, durfte sie ihm aber jetzt nicht stellen, weshalb ich ganz froh war, dass Hatatitla zu uns kam, um Scharlih ebenfalls zu begrüßen. Da er sich nicht fortschicken ließ, stand Scharlih auf um ihn zurück zu den anderen Pferden zu bringen und ich folgte ihm kurz darauf.
 

Dort erklärte er mir, wieso er hier war und anschließend ergriff ich das Wort. „Geht es Scharlih nicht gut?“, er war blass geworden und seine gesamte Haltung hatte sich verändert, als ich ihm erzählt hatte, wieso wir hier waren. „Drei Tage?!? Ist Winnetou sich sicher?“ Kurz war ich überrascht aufgrund der Frage, denn Scharlih unterstellte mir somit, dass ich ihm nicht die Wahrheit sagen würde. Ich hatte mich schnell wieder in der Gewalt, aber Scharlih muss es dennoch gesehen haben, denn er entschuldigte sich sofort bei mir und erklärte mir, wieso er nachgefragt hatte. Somit konnte ich verstehen, wieso mein Blutsbruder auf einmal so durcheinander war und ohne einen Plan direkt aufbrechen wollte.
 

Ich brauchte einige Zeit, um ihn zu überzeugen, nicht jetzt zu reiten, sondern auf den Morgen zu warten. Obwohl ich so viele Fragen hatte und noch ein wenig Zeit mit Scharlih allein verbringen wollte, kehrten wir ins Lager zurück. Dort erklärte ich den anderen Häuptlingen, was Scharlih mir gesagt hatte und dass wir früh aufbrechen würden.
 

Auch ich wickelte mich in meine Decke und versuchte zu schlafen. Scharlih hatte mir nicht alles gesagt, das konnte ich spüren. Ich fragte mich nur warum.
 

Am nächsten Morgen brachen wir zeitig auf, wobei Scharlih nun Hatatitla ritt, denn auch wenn sein bisheriges Pferd durchaus gute Muskeln hatte, war die Frage, ob es diesen Gewaltritt, den wir vor uns hatten, mit Reiter durchhalten könnte. Aus diesem Grund führten wir es am Zügel mit.
 

Wir sprachen nicht viel und als sich am Morgen des dritten Tages einige Schoschonen-Krieger von uns entfernten, wusste ich, dass wir in der Nähe des Opferplatzes sein mussten. Einige Stunden später hielt Roter Büffel sein Pferd an und stieg ab. Ein sicheres Zeichen für uns, dass wir nun am Ziel waren.
 

Da Roter Büffel uns nichts darüber sagen konnte, wie es an und um den Opferplatz aussahen, beschlossen Scharlih und ich, den Ort auszukundschaften. Wir warteten nur auf die Rückkehr der ausgesandten Krieger, die bei ihrer Rückkehr erklärten, Spuren von Indianern gefunden zu haben. Somit konnten wir also davon ausgehen, dass die Ogellallah bereits hier waren.
 

Scharlih und ich machten uns auf den Weg. Wir trennten uns und erkundeten die Umgebung.

Als ich mich nach Stunden dem verabredeten Ort näherte, wartete Scharlih bereits auf mich.
 

Auf dem Weg zurück zu den anderen, arbeiteten wir einen Plan aus, den wir dann am Feuer mit den Häuptlingen teilten. Wir nahmen noch eine Stärkung zu uns und legten uns dann zur Ruhe, da wir noch warten mussten, bis die Nacht weiter fortgeschritten war.
 

Ich bemerkte, wie Scharlih sich von seinem Lager entfernte und folgte ihm. „Winnetou sollte sich ausruhen“, vernahm ich Scharlihs Stimme, noch ehe ich ganz bei ihm war. „Meinen Bruder bedrückt etwas.“ „Als ich das von Mark erfahren hatte, dachte ich, wir würde nicht rechtzeitig kommen.“ „Wir werden ihn und seine Familie befreien. … Das ist aber nicht alles, was meinen Bruder bedrückt.“ Irgendetwas hielt Scharlih zurück. „Mein Bruder sei unbesorgt, mir geht es gut.“ Wieso glaubte ich ihm nicht? War es die Weise, wie er versuchte, das Gespräch zu beenden, indem er sich wieder zum Lagerplatz umdrehte? Kann sein, aber er wollte mich offenbar nicht an seinen Gedanken teilhaben lassen und so ging ich mit ihm zurück zum Lagerplatz und wickelte mich in meine Decke, fand aber lange keine Ruhe.
 

Eigentlich war ich sogar dankbar, dass wir jetzt aufbrechen konnten, denn so konnte ich die Gedanken, die mich wegen Scharlih beschäftigten, erst einmal zur Seite schieben. Wir erreichten unser Ziel, eine Anhöhe, ohne Probleme. Scharlih und ich legten uns in der Nähe der Kante auf den Boden und schoben uns langsam vor bis wir hinunter sehen konnten. Die Ogellallah hatten ein Feuer entzündet, dessen Schein nicht bis zu der Stelle gelangte, an der wir hinunter wollten. Die Gefangenen lagen etwas abseits. Scharlih und ich verständigten uns darauf, dass er, sobald er unten war, versuchen würde, zu den Gefangenen zu gelangen. Wir sollten unterdessen, wenn es nötig wäre, die Ogellallah ablenken.
 

Wir schoben uns vom Rand zurück und richteten uns auf. Wir erklärten noch einmal den Plan, Scharlih band die zusammengeknoteten Lassos an einem nahen Baum fest, prüfte den Halt und sah mich noch einmal an, ehe er sich über den Rand schwang. Irritiert sah ich ihm nach. Irgendetwas stimmte nicht. Aber ich hatte nicht genug Zeit, mir darüber Gedanken zu machen, trat nun an den Abgrund, nahm das Seil und folgte Scharlih.
 

Nicht einmal die Hälfte des Abstiegs war geschafft, als ich Schüsse hörte und Kugeln, die dicht neben mir einschlugen. Pfeile und weitere Kugeln flogen an mir vorbei, während ich weiter nach unten kletterte. Plötzlich spürte ich, wie das Seil unter mir weniger Widerstand bot. Scharlih konnte doch unmöglich schon den Boden erreicht haben, weshalb ich nach unten sah. Für einen Moment blieb mir das Herz stehen, als ich meinen Blutsbruder fallen sah.
 

Ich beeilte mich nun, hinunter zu kommen. Dort nahm ich den Henrystutzen und schoss, bis die Krieger neben mir waren. Ob und wie viele Ogellallah ich getroffen hatte, wusste ich nicht. Auch von der anderen Seite fielen die Krieger ein und somit überließ ich ihnen die Gefangennahme der Ogellallah und kniete mich neben Scharlih, der mich aus seinen blauen Augen ansah. Plötzlich spürte ich einen stechenden Schmerz und alles um mich herum wurde schwarz.



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