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Abschied

Karl May
von

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Eine Spur

Kap. 2
 

Sicht Old Shatterhand
 

Durch einen Auftrag für ein Detektivbüro, hatte ich über Umwege wieder amerikanischen Boden betreten, wo der Frühling langsam Einzug hielt.
 

Da ich diesen Auftrag nun beendet hatte und Winnetou mich nicht vor dem Sommer erwartete, beschloss ich meinen Halbbruder Mark und seine Familie zu besuchen, die am Fuße der Rocky Mountains eine neue Heimat gefunden hatten. Von dort aus wollte ich dann weiter zum Pueblo reiten.
 

Auf meinem Ritt begegnete ich einigen Jägern, die mich, nachdem wir uns vorgestellt hatten, wobei ich mich ihnen als Charly vorstellte, um Erlaubnis baten, sich mir ein Stück anschließen zu dürfen. Der Jüngste von den Jägern, er mochte vielleicht gerade einmal sechzehn oder siebzehn Jahre zählen, sah mich genauer an, wobei sein Blick an meinen Gewehren hängen blieb, die im Futteral an meinem Sattel hingen. Auf den Zuruf eines älteren Mannes, wendete er sein Pferd und so kam es also, dass sie mich auf einem Teilstück der eher ereignislosen Reise begleiteten. Sie waren nicht sonderlich gesprächig und blieben überwiegend für sich, was mir ganz Recht war.
 

Wir entdeckten durchaus auch Spuren von Indianern, die die Jäger als älter datierten als ich selber und da ich mich nicht unbedingt auf deren Aufmerksamkeit verlassen wollte, teilte ich mich üblicherweise für die Wachzeit ein, zu der die Indianer normalerweise anzugreifen pflegen, wogegen niemand meiner Begleiter etwas einzuwenden hatte.
 

Auch meine Begleiter waren gute Reiter, weshalb wir gut voran gekommen waren und bereits am Ende des fünften Tages erreichten wir die Ausläufer der Rocky Mountains. Wir beschlossen, noch ein letztes Mal ein gemeinsames Lager aufzuschlagen, ehe sich unsere Wege dann am nächsten Tage trennen würden. Während einer meiner Begleiter auf die Jagd ging, sicherte ein anderer das Lager und wir zurück gebliebenen sammelten Holz und kümmerten uns um die Pferde.
 

Nach dem Essen stand ich auf, drückte mich unter dem Vorwand der Abendtoilette wie die Abende zuvor in die Büsche und suchte, das letzte Tageslicht ausnutzend, nach Spuren. In dem Umkreis den ich um unser Lager absuchte, entdeckte ich keinerlei Spuren die mich zu besonderer Vorsicht veranlassen würden. Nachdem ich den Ort, an dem ich in die Büsche verschwunden war, wieder erreicht hatte, kehrte ich ans Feuer zurück. Am ersten Abend wollte man schon nach mir suchen, weil ich, deren Meinung nach, zu lange weg geblieben war, aber wie die Abende danach wurde meine Rückkehr einfach nur zur Kenntnis genommen.
 

Während die erste Wachablösung sich bereits schlafen legte, blieben wir anderen noch ein wenig sitzen und unterhielten uns. Wobei, das ja nicht ganz richtig war, denn die anderen hörten sich offenbar sehr gerne selber reden und erzählten ihre spannendsten Geschichten. Ich stellte hin und wieder einige Fragen, erreichte dadurch, dass man noch etwas weiter in der Erzählung ausholte und somit schien es niemanden wirklich zu stören, dass ich mich nicht zu einem meiner Erlebnisse äußern wollte.
 

Ein Blick zum Himmel sagte mir, dass es noch etwa fast zwei Stunden war, bis ich meine Wache antreten sollte, weshalb ich mich auf die Seite drehte und versuchte, weiter zu schlafen. Aber ich war hellwach. Ein unbestimmtes Gefühl hielt mich davon ab, wieder in den Schlaf zu finden, weshalb ich es aufgab und aufstand.
 

Unsere Wache saß mit dem Rücken zum Feuer und lauschte in die Dunkelheit. Als ich mich näherte, setzte er sich ein wenig aufrechter hin und drehte den Kopf in meine Richtung. „Wenn Ihr möchtet, löse ich euch jetzt schon ab.“ Ich war neben ihn getreten und schaute in die selbe Richtung wie er. Ich beobachtete ihn aus den Augenwinkeln und konnte sehen, wie es in ihm arbeitete. Nach einem kurzen Zögern nahm er mein Angebot an, gähnte einmal herzhaft, stand auf und legte sich anschließend bei seinen Sachen zum Schlafen nieder.
 

Ich lauschte auf verräterische Laute, die Gott sei Dank ausblieben und sorgte dafür, dass das Feuer nicht gänzlich ausging. Als es anfing zu dämmern und ich mehr sehen konnte, umrundete ich unser Lager und warf, als ich keine Spuren entdecken konnte, frisches Holz in die Glut um das Feuer wieder anzufachen.
 

Nach dem Frühstück, welches aus den erwärmten Überresten vom Abend bestand, packten wir unsere Sachen, sattelten die Pferde, verwischten unsere Spuren und brachen auf.
 

Während des Ritts war ich erneut damit beschäftigt, dieses merkwürdige Gefühl, dass mich aus dem Schlaf geholt hatte, zu ergründen, da es mich seither nicht wirklich los ließ. Ich bemerkte erst, dass wir dem Lake Mountain, wo sich unsere Wege trennen würden, schon nahe gekommen waren, da meine Begleiter die Richtung änderten. Eine Verabschiedung fand nicht statt, lediglich ein kurzes Zügeln der Pferde, ein Nicken, ein kurzer Gruß und schon ritten sie weiter. Lediglich der Jüngling, den ich frühzeitig von seiner Wache abgelöst hatte, blieb noch einen Augenblick länger stehen.
 

Nachdem er mich ein letztes Mal gemustert hatte, wobei sein Blick noch einmal zu meinen Gewehren streifte, schien es, als wollte er etwas sagen, aber ein Ruf aus Richtung der anderen hinderte ihn daran. Stattdessen grinste er, dankte mir, dass ich wegen seiner Wache nichts gesagt hatte, hob noch einmal die Hand, wendete sein Pferd und galoppierte den anderen hinterher. Auch ich setzte meinen Weg nun fort.
 

Nicht einmal eine halbe Stunde, nachdem ich die ersten Zeltspitzen am Horizont erblickt hatte, ritt ich in das Dorf. Mein Kommen war angekündigt worden, denn der Häuptling erwartete mich vor seinem Zelt. In gebührendem Abstand ließ ich mein Pferd anhalten und stieg ab.
 

„Ich grüße Avaht-niha, den Häuptling der Schoschonen und Freund der Apachen“, ergriff ich das Wort. „Avaht-niha grüßt Old Shatterhand, seinen weißen Freund und Häuptling der Apachen“, entgegnete dieser, drehte sich anschließend um und ging in sein Zelt. Ich nahm die stumme Einladung des Häuptlings an und folgte ihm in sein Zelt, nachdem ich einem Krieger die Zügel meines Pferdes übergeben hatte.
 

„Winnetou hat die Jagdgründe der Schoschonen gestern verlassen. Wenn Old Shatterhand wünscht, kann Avaht-niha dem Häuptling einen Boten nachschicken“, begann der Häuptling nach dem Ritual des Pfeife rauchen. „Ich danke Avaht-niha, aber der Bote wird nicht benötigt.“ „Was führt Old Shatterhand dann in die Jagdgründe der Schoschonen?“ „Ich möchte meinen Bruder besuchen, der ein paar Tagesritte von hier entfernt wohnt und anschließend von dort zum Rio Pecos reiten. Da ich die Schoschonen um Avaht-niha schon lange nicht mehr besucht habe und mein Pferd ein wenig Erholung braucht, möchte ich um die Gastfreundschaft der Schoschonen bitten.“
 

Zwei Tage nahm ich diese in Anspruch und brach dann wieder auf, nicht ohne von den Schoschonen mit Proviant versorgt worden zu sein. Ich versuchte den Ritt weitestgehend zu genießen. Hin und wieder hielt ich an und fertigte von Plätzen, die ich als besonders schön empfand, Zeichnungen an. Schon am Ende des ersten Tages war ich auf Spuren von unbeschlagenen Pferden gestoßen. Ich stieg ab und untersuchte sie genau. Es waren keine Wildpferde, denn dafür war sie zu gleichmäßig und zu tief. Es müssen also Indianer sein. Die Spuren waren zu dieser Zeit etwa einen Tage alt und sie ritten in die Richtung, in die auch ich unterwegs war. Im Gegensatz zu mir schienen sie es eilig zu haben, weshalb nun auch ich mein Tempo ein wenig erhöhte. Als es zu dämmern begann, suchte ich nach einem geeigneten Lagerplatz und sicherte die Umgebung ab. Ich hatte nur wenig aufgeholt, aber dennoch war es sicherer. Da ich mich nicht unbedingt auf die Wachsamkeit meines Pferdes verlassen konnte, es war nun einmal nicht Hatatitla oder Iltshi, war mein Schlaf nicht besonders tief und als die Morgendämmerung anbrach, war ich bereits wieder im Sattel.
 

Das Gefühl von vor ein paar Tagen hatte mich noch immer nicht losgelassen und je näher ich meinem Ziel kam, desto stärker nagte es an mir. Dass Winnetou etwas passiert war, schloss ich aus, denn er befand sich mit seinen Kriegern auf dem Weg zurück zum Pueblo, was in entgegengesetzter Richtung lag – und außerdem würde sich das anders anfühlen, da war ich mir sehr sicher.
 

Es waren Stunden vergangen als ich mein Pferd erneut zügelte, abstieg und die Spur noch einmal betrachtete. Es waren nicht einmal mehr drei Stunden, die die Indianer nun noch Vorsprung hatten. Ich versuchte heraus zu finden, wieso sie ihr Tempo so verlangsamt hatten und ging die Spur ein großes Stück zu Fuß entlang. Offenbar war ein Reiterloses Pferd aus einem unbestimmten Grund stehen geblieben und hatte sich immer wieder auf der Stelle gedreht. Diese Erkenntnis brachte mich aber nun auch nicht weiter, weshalb ich wieder aufstieg und meinen Weg fortsetzte.
 

Die Spuren waren frisch, etwa eine Stunde alt und die Dämmerung setzte langsam ein. Stirnrunzelnd blickte ich noch einmal in die Richtung, in die ich weiter reiten wollte und entdeckte am Horizont ein paar Baumwipfel. Es wäre fahrlässig, nicht zu überprüfen, ob sie dort rasten würden. Ich hielt noch einen Moment inne um die Windrichtung zu überprüfen, ritt einen Bogen und näherte mich von der Wind abgewandten Seite. Um nicht schon von Weitem gesehen zu werden, denn die Indianer würden, sofern sie wirklich dort waren, Wachen aufgestellt haben, stieg ich vom Pferd, band es in gebührendem Abstand an einen Baum und machte mich zu Fuß auf den Weg, dabei jede Deckung ausnutzend. Auf dem Weg dorthin hatten meine Augen kein Problem mit der zunehmenden Dunkelheit, weshalb ich gut voran kam.
 

Ich umrundete einen Baum und blieb wie angewurzelt stehen, denn in einigen Metern Entfernung saß ein Indianer. Entdeckt hatte er mich nicht, denn er schaute gerade in die andere Richtung, weshalb ich mich wieder hinter den Baum zurück zog. Unter mir knackte es, wenn auch nur sehr leise. Offenbar war ich auf einen trocknen Zweig getreten. Aber der Indianer schien es gehört zu haben und sah in meine Richtung. Erleichtert stieß ich einen Pfiff aus.
 

„Ich grüße meinen Bruder Til-Lata“, sagte ich, während ich hinter dem Baum hervor trat. „Til-Lata grüßt seinen weißen Häuptling Old Shatterhand“, erwiderte dieser, während er näher trat. „Kleines Wiesel mag sein Messer wegstecken“, fuhr er fort und sah an mir vorbei. Irritiert drehte ich mich um und erblickte einen jungen Krieger, der in der Nähe des Baumes stand, hinter dem ich Deckung gesucht hatte und nun sein Messer wieder wegsteckte. Besagter Krieger war kein Apache, wie ich erkannte. „Kleines Wiesel ist vom Stamme der Assiniboines“, beantwortete Til-Lata meine unausgesprochene Frage. „Der Assiniboines?“ „Was führt Old Shatterhand in dieses abgelegene Tal, wo er doch eigentlich in seiner fernen Heimat sein sollte?“, überging Winnetous Jugendfreund die Frage. „Sollten die Mescaleros nicht auf dem Weg in ihre Jagdgründe und somit Richtung Süden sein?“ „Old Shatterhand wird alles am Feuer erfahren. Er möge mir folgen, während Kleines Wiesel sein Pferd holt.“ Kleines Wiesel war verschwunden, ehe Til-Lata überhaupt zu Ende gesprochen hatte und so blieb mir nur, letzterem zu folgen.
 

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Sicht Winnetous
 

Wir hatten von den Bleichgesichtern, welchen wir vor wenigen Stunden begegnet waren, erfahren, dass die Ogellallah den Bärenjäger Bachmann und seine Familie überfallen und verschleppt hatten. Die Bleichgesichter hatten das mitangesehen, aber die Ogellallah waren in der Überzahl, weshalb sie ihnen nicht zu Hilfe kommen konnten. Im Gegenteil, sie wurden fast selber von den Ogellallah gefangen genommen, weil einige Krieger sie aufgespürt hatten. Ihnen war verletzt die Flucht gelungen.
 

„Roter Büffel kennt den Bärenjäger Bachmann?“ Wir saßen nun am Feuer und unterhielten uns über das, was die Bleichgesichter erzählt hatten. „Vor einigen Sommern kam das Bleichgesicht und bat um Erlaubnis, sein Haus auf unserem Land bauen zu dürfen. Er kam immer wieder in unser Dorf und tauschte Felle oder andere Sachen der Bleichgesichter.“ „Die Ogellallah haben das Kriegsbeil ausgegraben. Roter Büffel wusste nichts davon?“, Grauer Bär sah ihn an. „Die Ogellallah haben das Kriegsbeil nicht gegen die Schoschonen ausgegraben“, entgegnete dieser und wollte aufstehen.
 

„Die tapferen Krieger der Schoschonen um Roter Büffel sind zu wenige, um den Bärenjäger und seine Familie zu befreien“, erriet ich seine Gedanken und blickte weiter ins Feuer, dennoch hielt der Häuptling in seiner Bewegung inne. „Winnetou und seine Krieger werden ihn begleiten“, erklärte ich. „Ebenso wie

Tah-scha-tunga und seine Krieger.“ „Auch Grauer Bär wird mit seinen Kriegern der Spur der Ogellallah folgen.“
 

Am nächsten Morgen brachen wir auf. Die Ogellallah hatten zwei Tage Vorsprung, aber Roter Büffel schien zu wissen, wohin sie wollten. Wir gönnten den Pferden und uns nur die nötigste Rast. Am zweiten Tag wurde unser Ritt aber doch ein wenig behindert. Wir wollten aufbrechen, aber Hatatitla, der bis hierher frei mitgelaufen war, rührte sich nicht von der Stelle. Ich untersuchte ihn genau, aber ihm fehlte nichts. Wir saßen also auf und setzten unseren Weg fort. Hatatitla folgte anschließend dann doch, aber auch nur zögerlich. Immer wieder blieb er stehen oder lief in eine andere Richtung. Nur durch scharfe Worte meinerseits kehrte er zu uns zurück.
 

Einer der Apachen, der bei unseren Pferden war, kam nach einiger Zeit zwischen den Bäumen hervor, sah zu mir und nickte, als er bemerkte, dass ich ihn wahr genommen hatte. Kurz darauf stand ich auf und ging zu den Pferden. Iltshi graste entspannt und kam näher, als er mich bemerkte. Eine Zeitlang widmete ich mich diesem und beobachtete seinen Bruder. Dieser graste ebenfalls, hob aber immer wieder den Kopf und spitzte die Ohren. Sein ganzes Verhalten war mir fremd. Ich legte meine Stirn an Iltshis, meine Hände an seinen Kopf und schloss die Augen. Wie lange ich diesen Moment genossen hatte, weiß ich nicht, aber nachdem ich mich von Iltshi gelöst hatte, ging ich zu seinem Bruder. Dieser ließ zwar zu dass ich ihn streichelte, aber er war alles andere als entspannt. Dass sein Verhalten damit zu tun hatte, dass er Scharlih vermisste, glaubte ich nicht, denn es war leider nicht das erste Mal, dass Scharlih wieder in seine Heimat gereist war. Ich seufzte und drehte mich um, um ins Lager zurück zu kehren. Wenn Hatatitla auch am nächsten Tag dieses Verhalten zeigte, müsste ich ihn schlimmstenfalls von zwei Kriegern nach Hause bringen lassen.
 

Ich trat wieder ans Feuer, setzte mich und tat es den anderen Häuptlingen nach, die bereits aßen. Nach dem Essen kam die Sprache wieder auf die Ogellallah, wobei wir aber schon kurz darauf wieder unterbrochen wurden, da jemand aus dem Wald heraus trat.



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