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Remember

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Heute mal wieder ein kleines bisschen länger als gewohnt. Meine Fantasie ist wohl etwas mit mir durchgegangen…

Musik zum Kapitel:
Follow You Down - Kelvin Jones
Follow You Down - Matthew Mayfield
I Won´t Give up on Us – Jason Mraz
Everyday - Daitshi, Calum Venice
Hurt – Mad Hatter’s Daughter
Hold on for Your Life – Sam Tinnesz Komplett anzeigen

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Bruchstücke


 

"We are all broken. That's how the light gets in."

Ernest Hemingway

 
 

Jede Erinnerung, jedes Bruchstück, war wie eine Scherbe. Und jede Scherbe zerfetzte unerbittlich Stück für Stück Deans Schutzpanzer, der ihn vor all dem abgeschirmt hatte. Sie brachten seine Mauer zum Einstürzen, die er über die Jahre so mühsam errichtet hatte, die all das zurückgedrängt hatte, bis jetzt.

-
 

Falschherum – Sie hielt die FBI-Marke falschherum… Charlie verstand nicht, wieso ich darauf so reagierte.

Cas war verloren, er hatte seinen Verstand, sich selbst, geopfert um Sam zu retten. Und er fehlte mir so sehr, dass mich jede Kleinigkeit schmerzhaft daran erinnerte, dass er nicht mehr bei mir war.

Er wollte nicht mehr kämpfen. Er wollte den Bienen zusehen, wie sie über grüne Wiesen flogen. Stattdessen schob er mich weg, fort von der Gefahr, fort von Dick Roman. Er stellte sich zwischen mich und ihn, verteidigte mich mit seinem Leben. (1)
 

Cas und ich fielen ins Fegefeuer. Ich spürte wie sie sich uns näherten, wie sie uns umzingelten. Dass Cas nun hier in Todesgefahr war, war allein meine Schuld, weil ich ihn nicht hatte gehen lassen können (2). Und doch war ich froh, dass er bei mir war. Ich war froh, nicht allein zu sein. Und vor allem war ich froh, dass er nicht allein war, dass ich bei ihm war. - Dann war er fort.

Nicht eine Sekunde glaubte ich, er hätte sich in Sicherheit gebracht. Das würde er nicht tun – nicht ohne mich. Er musste in unmittelbarer Gefahr sein. >Angst< Ich schrie seinen Namen, aber die Angst um ihn schnürte mir die Kehle zu. >Verzweiflung< Ich wusste, ich musste jetzt einen kühlen Kopf bewahren, aber dieser Engel hatte mich noch nie kalt gelassen. Verzweifelt suchte ich nach ihm, doch er blieb wie vom Erdboden verschluckt, als wäre er nie hier gewesen, als hätte er nie existiert. >Einsamkeit<

Stattdessen fand ich einen Weg aus dem Fegefeuer zu entkommen, aber ich konnte nicht ohne ihn gehen, ihn nicht zurücklassen, nicht verlassen. Ich musste ihn finden, ihn in Sicherheit bringen, selbst wenn es mein eigenes Leben kosten sollte. Also suchte ich weiter nach ihm, immer weiter, hoffte, gab nicht auf, betete zu ihm jede Nacht, ein ganzes Jahr lang – bis ich ihn fand.

>Überwältigende Erleichterung< Sein Anblick war wie Sonne nach unendlicher Nacht, als wäre ich fortwährend ertrunken und konnte nun wieder atmen. Ich schloss ihn in meine Arme, presste ihn an mich – endlich. >Vollständig< >Frieden< In einem Land des Kampfes und des Kriegs hatte ich Frieden gefunden, denn ich hatte Ihn gefunden.
 

Dean betete zu mir im Fegefeuer, jede Nacht, flehte mich an noch etwas länger durchzuhalten, denn er würde nicht aufgeben nach mir zu suchen.

Doch ich als ein Engel des Herrn war die größte Zielscheibe im ganzen Fegefeuer, es war als hätten die Leviathane ein Preisgeld auf meinen Kopf ausgesetzt. So war meine einzige Hoffnung, dass Dean aufgab. Er durfte mich nicht finden. Ich musste mich so weit wie irgend möglich von ihm fern halten, um sie von ihm weg zu locken. Sie von Dean ablenken zu können war oft der einzige Grund am Leben zu bleiben und weiter zu kämpfen. Aber das gelang mir nicht immer. Wenn Dean glaubte, dass er den nächsten Angriff nicht überleben würde, spürte ich meinen Namen auf seinen Lippen.
 

Im Fegefeuer erlebt man alles intensiver. Jeder Schmerz, jedes Gefühl, Verzweiflung, Angst, Erschöpfung, war dort um ein Vielfaches gesteigert.

Entkräftet lagen wir auf dem Waldboden. Mir tat jeder Knochen im Leibe weh, aber der Untergrund an meinem Rücken fühlte sich überraschend weich an. Benny hielt im Umkreis Wache. Kurz zuvor hatte Cas mich wieder einmal vor einem Leviathan gerettet, sein Blut klebte noch an meiner Kleidung und trocknete langsam ein.

Ich hörte Cas neben mir atmen und drehte meinen Kopf zu ihm. Er hatte die Augen geschlossen, sein Gesicht war mir zugewandt. Wir waren uns so nah, nur noch wenige Zentimeter trennten unsere Hände. All meine Willenskraft musste ich konzentrieren, um dem plötzlichen Drang zu widerstehen meine Hand in die seine zu legen.

Kurz schloss ich ebenfalls die Augen und atmete tief ein. Er roch nach Erde, Blut, Wald, Wind und … Cas. Ich mochte diesen Geruch. Ein leichtes Lächeln umspielte seine Lippen. Schon konnte ich seinen warmen Atem an meiner Haut fühlen. Als er seine wirklich unglaublich blauen Augen öffnete und mich ansah, wurde mir bewusst, dass ich ihn anstarrte. Schnell wandte ich mich ab, um nicht etwas völlig Unüberlegtes zu tun. Stockend atmete ich aus und realisierte, dass ich wohl die ganze Zeit die Luft angehalten haben musste.

>Verwirrung< >Ärger< Was war bloß los mit mir?!

Wahrscheinlich hatte ich mich einfach zu sehr verausgabt und war so ausgelaugt, dass mir mein Verstand einen Streich spielte. Ja, das musste es sein. Außerdem war ich froh ihn endlich wieder um mich zu haben. Das war alles.
 

Nur noch ein paar Schritte, dann würden wir dort sein. Viel zu früh. Ich wollte noch etwas sagen, irgendetwas, aber ich konnte nicht. Kein einziger Laut verließ meine Lippen. Manchmal schmerzt es zu sehr, sodass sich jedes Wort wie eine Klinge im Hals anfühlen würde. Stattdessen ließ ich meinen Blick über den Mann vor mir schweifen und versuchte mir alles einzuprägen, das Grün seiner Augen, jede Sommersprosse, den Klang seiner Stimme, das Leuchten seiner Seele…, obwohl ich genau wusste, dass die Erinnerung niemals ausreichend sein würde. Nur noch ein paar Sekunden mehr… Aber würde das einen Unterschied machen? Wieso es noch schwerer machen als es sowieso schon war…

Als Dean mich fand, hatte ich schon längst den Entschluss gefasst im Fegefeuer zu bleiben, um für meine Taten zu bezahlen, um Buße zu tun.

Und so hielt ich seine Hand im Portal bis zur allerletzten Sekunde, weil ich wusste, dass Dean bei mir geblieben wäre, hätte ich früher losgelassen, und weil ich wusste, dass es die letzte Gelegenheit war Deans Hand zu halten. Loslassen, in meiner Vorstellung war das so leicht gewesen, aber nun war ich hier an diesem Punkt. Doch ich musste es tun, ich hatte es nicht anders verdient. Ich hatte ihn nicht verdient. Dean in diesem Moment von mir zu stoßen, war wohl das Schwerste, das ich jemals getan habe. Ich fühlte, wie seine Finger mir langsam entglitten, wie das Portal ihn von mir fort zerrte. Es war als würde ich einen Teil von mir selbst herausreißen. Da waren Worte, die sich in meinem Geist formten und nach Freiheit verlangten, Dinge, die ausgesprochen werden mussten…

Dann war ich allein. Meine Hand fühlte sich so leer an, wo ich gerade noch Deans Haut gespürt hatte. Viel zu schnell verließ die angenehme Wärme, die seine Hand hinterlassen hatte, meinen Körper und machte einer Kälte Platz, die sich tief in mich grub. Dean war fort und mir wurde bewusst, nun da ich ihn nie wieder sehen würde, dass noch so vieles ungesagt geblieben war.

Deans verzweifelte Rufe hallten in meinen Ohren wider, sein Gesichtsausdruck für immer in mein Gedächtnis eingebrannt. Ich hatte ja keine Ahnung gehabt, was ich Dean damit antun würde (3).

Ich erinnerte mich nicht, wann meine Knie nachgegeben hatten und ich zu Boden gesunken war, oder wie lange ich schon so dort auf dem felsigen Untergrund gesessen hatte. Irgendwann stand ich auf, taub, alles in mir war leer. Allein. Doch Dean würde niemals allein sein, denn ein Stück von mir war mit ihm gegangen und würde für immer ihm gehören.
 

Ich konnte den Gedanken nicht ertragen, dass es Cas Wille gewesen war mich zu verlassen, also erschuf ich mir meine eigene Erinnerung. Lieber wollte ich glauben, dass ich seine Hand losgelassen hatte, dass ich ihn zurückgelassen hatte, dass ich nicht stark genug war.

Meine Trauer und Schuld suchten mich in meinen Träumen heim, ließen mich nicht mehr schlafen und gaukelten mir Dinge vor, die gar nicht da waren. Ich glaubte immer wieder Cas zu sehen, so wie Sam Jess nach ihrem Tod gesehen hatte.

Ich wollte nur vergessen… Doch wie hätte ich ihn jemals vergessen können? Ich durfte nicht vergessen, ich musste mich immer an Cas erinnern, das war ich ihm schuldig!
 

Der zerborstene Spiegel zeigte mein Gesicht nur bruchstückhaft, meine Faust hatte deutliche Spuren hinterlassen. Ich konnte meinen eigenen Anblick nicht länger ertragen, und so blickte ich hinab auf meine zitternde Hand. Die Haut über den Fingerknöcheln war aufgeplatzt, das Blut verschmiert über dem Handrücken. Der körperliche Schmerz fühlte sich gut an, er verdrängte für einen Moment den in meinem Inneren.

Ich konnte nichts anderes als den Menschen, die mir nahe standen, weh zu tun, ich war ihr Verderben, also hatte ich diesen Schmerz mehr als verdient. Auf ganzer Linie hatte ich versagt, als Sohn, Bruder und Freund. Ich war nichts als eine Enttäuschung. Ich war nichts.

Bedächtig hob ich eine Spiegelscherbe auf. Kurz noch zögerte ich, aber dann führte ich sie zu meinem Unterarm. Langsam stach ich in meine Haut und schnitt sie auf. Die brennenden Schmerzen ließen mich nach Luft ringen. Ich sah zu wie das Blut dickflüssig aus der Wunde sickerte, fühlte wie es warm über meinen Arm lief. Der Lebenssaft, der durch meine Adern floss, quoll nun aus meiner Haut hervor. Wieso durfte ich leben während Cas…? Meine Finger schlossen sich fester um die Scherbe.

„Dean, was tust du da…?!“ Ich wurde am Handgelenk gepackt... Sam.

Meine Knie gaben nach. Ich wurde aufgefangen bevor ich auf den kalten Boden aufschlagen konnte. Warum ließ er mich nicht einfach fallen? Ich wollte nicht mehr fühlen, nie wieder.

Wenn Sam nicht gewesen wäre… Wer weiß, was ich sonst getan hätte… Wenn ich die Scherbe nur ein kleines bisschen tiefer gedrückt hätte…
 

Ich war auf der Erde, sog die frische Luft ein, das Fegefeuer lag hinter mir.

Zwar hatte ich den Brüdern die Henochischen Sigillen in die Rippen geritzt, sodass ich Dean eigentlich nicht hätte finden dürfen, besonders nicht in meinem geschwächten Zustand, aber ich konnte seinen exakten Aufenthaltsort ausmachen. Es zog mich förmlich zu ihm. Seine Sehnsucht war so stark… so intensiv… immer präsent… Es war mehr als ein Gebet, alles in ihm schrie nach mir.
 

Als Cas aus dem Badezimmer trat, neu eingekleidet, rasiert, sauber, konnte ich meinen Blick nicht von ihm abwenden, ich war wie hypnotisiert. Er war wieder Cas, mein Cas, als wäre nichts geschehen.

Meine eigene körperliche Reaktion verwirrte mich zu tiefst, im Nachhinein als ich wieder klar denken konnte. Für den Moment versuchte ich sie bloß zu verstecken und hoffte, dass Sam nichts bemerkt haben würde, aber sein Gesichtsausdruck verriet mir Gegenteiliges: Er wusste es, er hatte es immer gewusst.
 

 
 

"Terrible things happen, but sometimes those terrible things - they save you."

Chuck Palahniuk
 


 

Quellen:

1) Szene 7x23 Dick Roman - schützen

2) „I´d rather have you. Cursed or not.“

3) „failing you“


Nachwort zu diesem Kapitel:
Dean und seine Schuldgefühle… Durch seine Rückkehr hat Castiel den Jäger erneut gerettet, vor sich selbst.

Ich finde diese Staffel wirft noch mal ein ganz anderes Licht auf die 'Beziehung' von Dean und Cas. Während Castiel auf (den notwendigen) Abstand geht, zeigt Dean überspitzt gesagt anklammerndes Verhalten. Er kann den Engel nicht gehen lassen, als dieser sich eigentlich aus allem heraushalten will, er sucht ein ganzes Jahr nach ihm, als dieser sich willentlich von ihm fern hält, und er zerbricht an dem Verlust (Albträume, fantasierte Erinnerung, Halluzinationen usw), als Cas sich entscheidet ohne ihn zu leben.

Dean hat damals nach dem Tod seines Vaters auf Trauer und Verlust mit der Zerstörung seines Impalas reagiert. Der Wagen ist quasi ein Teil von ihm selbst, somit steht diese Szene für mich symbolisch für autoaggressives Verhalten. Seither ist für mich klar, dass Dean in Kombination mit Schuldgefühlen zu Selbstverletzungen neigt. (Zudem hat mich die Szene inspiriert, in der sich Sam die Pulsader aufschneidet um an das Buch der Verdammten zu gelangen und dadurch Dean zu retten.) Deans Suizidtendenzen als Reaktion auf den Verlust einer Bezugsperson zeigen sich auch in 11x17 (https://de.pinterest.com/pin/313211349070885233/). Und so hat Castiel durch seine Rückkehr den Jäger erneut gerettet, vor sich selbst.

Nächstes Mal wird es wieder deutlich mehr aus Castiels Sicht zu lesen geben, sehr viel mehr…
Welche Konsequenzen hat Deans unüberlegtes Handeln aus „Rückfall & Schmerz“ für den Engel? An was wird Cas sich erinnern müssen? Komplett anzeigen

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