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Remember

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Musik zum Kapitel:
Meine Soldaten – Maxim
Numb – Linkin Park
Heal Me – Sunrise Avenue Komplett anzeigen

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Scherben


 

"Love is giving someone the power to destroy you, but trusting them not to."

Unknown

 
 

Der Engel und der Jäger hatten sich auf eine Reise eingelassen, ohne das Ziel zu kennen, eine Reise ins Ungewisse. Doch sie waren bereit dessen Ausgang zu akzeptieren, wie er auch sein möge.
 

Obwohl Castiel es hätte beenden können -nun da der erste Schreck überwunden war-, nahm er hin, was jetzt mit ihm geschah. Die Erinnerungen schnitten tief in sein Bewusstsein und brachten unbarmherzig jedes verdrängte Bild und jedes Gefühl zurück.

-
 

Ich konnte mein Schluchzen nicht unterdrücken. Dieser Schmerz war so tiefgreifend… Naomi zerstörte mich, von innen heraus. Sie zwang mich Dean zu töten, wieder und wieder. Jedes Mal wenn ich Dean sterben sah, starb auch ein Stück von mir – bis nichts mehr von mir übrig war, bis ich völlig empfindungslos war.

Der Erste nannte mich „Cas“, und das Engelsschwert fiel aus meinen tauben Fingern zu Boden. Die anderen Engel packten mich. Ich schrie und schlug um mich, doch vergebens, ich war nicht stark genug. Naomi tötete ihn selbst.

Nummer 158 küsste mich… auf den Mund! Hart, grob, besitzergreifend… und ich verschwand. Doch ich kam nicht weit, man fand mich zwei Stunden später zusammengekauert in einer Ecke, wie ich verstört und flach atmend quantenphysikalische Formeln murmelte.

Nummer 314 küsste mich, sanft, zärtlich, bittend… und ich streckte ihn nieder. Das war nicht Dean, nicht mein Dean. Meine blutbesudelten Hände hörten nicht auf zu zittern. Das war nur eine Kopie, nicht Dean, nur eine Kopie…, nur eine Kopie…, nur eine Kopie…

Nummer 327 nannte mich „Bruder“. Seine Augen weiteten sich als ich ihm schluchzend ins Herz stach. Danach brauchte es drei weitere Engel, um mich davon abzuhalten, das Schwert gegen mich selbst zu richten.

Nummer 329 packte meinen Arm und rammte sich die Klinge in den Bauch. Bestürzt ließ ich das Schwert los. Seine Knie gaben nach als ich ihn auffing. Auf dem Boden kniend flüsterte er mit brechender Stimme: „Ich wünschte… du hättest mich… in der Hölle gelassen.“ Eine Stunde lang weinte ich über seinem Leichnam.

Nummer 342 hatte die Augen eines Dämons. Tränen strömten über mein Gesicht als ich die Klinge in seine Brust stieß. Dean sah mich an als ihn das Schwert traf und seine Augen wandelten sich von Schwarz zu Grün. Sterbend wisperte er: „Danke…“ Kaum noch atmete er. Kurz bevor sein Herz aufhörte zu schlagen: „Ich lie…“ Ich sank neben seinem leblosen Körper zu Boden, blieb dort liegen, wollte nie wieder aufstehen.

Die Folgenden ließ ich einen Gnadentod sterben.

Nummer 591 war gerade mal 16 Jahre alt. Ich sah wie sich seine Augen weiteten. Vor Schreck oder vor Schmerz, ich wusste es nicht. Ich konnte es nicht fühlen… Wieso konnte ich Dean nicht mehr fühlen?!

Nummer 608 traf ich nicht richtig. Er lag in meinen Armen, seine Muskeln verkrampften sich, der Schmerz ließ seinen Körper erbeben. „Mach, dass es aufhört… Bitte… hilf mir…“, keuchte er erstickt. Blut lief in einem dünnen Rinnsal aus seinem Mund. Behutsam nahm ich sein schmerzverzerrtes Gesicht in meine Hände: „Dean… gleich ist es vorbei… Vergib mir.“ Mit zitternden Fingern strich ich über seine Wange, dann zog ich das Messer aus seinem Gürtel und presste es in sein stolperndes Herz. Ich hielt seine Hand während er zum letzten Mal ausatmete. Dann war er still. Ich küsste ihn auf die Stirn und schloss seine Augen.

Nummer 613 sah noch nicht mal wie ich mich näherte und war tot bevor er auf den Boden aufschlug.

Nummer 765 ließ mich mit einem sadistischen Grinsen die Klinge in seinen linken Lungenflügel senken, lehnte sich in den Einstechdruck und flüsterte in mein Ohr: „Du warst schon immer eine Waffe.“

Nummer 771 spie: „Du hast doch nicht mal eine Seele.“

Nummer 857 stieß zwischen zusammen gepressten Zähnen hervor: „Engel sind nicht zu echter Liebe fähig… nicht imstande wahrhaft zu lieben.“

Nummer 862 schluckte das Blut herunter und würgte: „Ich wünschte ich wäre dir niemals begegnet.“

Nummer 989 ließ etwas in mir zerbrechen. Er sah mit kalten, wunderschönen, grünen Augen zu mir hoch und flüsterte: „Ich habe mich nie um dich geschert. Du warst immer nur ein Mittel zum Zweck. Du bedeutest mir nichts.“

Nummer 990 streckte ich in einem brutalen und schmutzigen Nahkampf nieder.

Nummer 994 wollte fliehen, aber ich bewegte mich mit unbarmherziger Präzision und Schnelligkeit.

Nummer 996 schrie gepeinigt auf, aber ich zuckte nicht einmal mit der Wimper.

Nummer 1000 flehte um sein Leben. Ich beobachtete wie eine einzelne Träne seine Wange hinabrann. Dann schob ich langsam die Klinge zwischen seine Rippen und lauschte seinen verzweifelten Schreien.

Nummer 1002 krümmte sich auf dem blutverschmierten Linoleum. Ich stand über ihm und sah unbeteiligt zu wie er seine letzten röchelnden Atemzüge tat.

Meine Gefühle für Dean waren das größte Hindernis für Naomi gewesen, doch sie hatte einen Weg gefunden mich zu brechen. Nun war ich die tödlichste Waffe im Arsenal des Himmels, wieder der perfekte kleine Soldat, innerlich tot. (1)
 

Er wehrte sich nicht als ich unter der Kontrolle Naomis auf ihn einschlug.

Ich war so viel stärker als er und doch so machtlos, noch nie hatte ich mich so wehrlos gefühlt. Ich wollte die Menschen nicht verletzen, nie wieder, ganz besonders diesen nicht. Ich wollte Dean nicht weh tun. Verzweifelt kämpfte ich gegen den Bann an, doch ich war ein Gefangener in meinem eigenen Verstand. Dann befahl sie mir es zu Ende zu bringen, ihn zu töten. Warum kämpfte er nicht?! Warum wehrte er sich nicht…? (2)
 

-

Unbewusst und noch immer in den Erinnerungen verworren umschlang Dean den unkontrolliert bebenden Körper vor ihm. Seine starken Arme pressten ihn an sich, als ob sie ihn nie wieder loslassen wollten. Und der Engel hielt sich an dem Menschen fest, als wäre er das einzige, das ihn noch halten konnte.

-
 

„Cas... Cas, ich weiß nicht was mit dir los ist, aber wenn du da drin bist und mich hören kannst... Du musst das nicht tun! ... Cas, kämpf dagegen an, das bist nicht du, kämpf dagegen an! ... Cas? ... Cas... das bist nicht du, das kann nicht sein... Cas, Cas, ich weiß, dass du da drin bist. Ich weiß, du kannst mich hören…“

Als Naomi mich im Himmel eine ganze Legion von Dean-Kopien töten ließ, ging sie davon aus, dass Dean um sein Leben flehen würde. Doch sie hatte nicht damit gerechnet, dass er nun da es soweit war um meines flehen würde.

„Wir sind eine Familie… Wir brauchen dich… Ich brauche dich.“

Wenn ich bis zu diesem Tag nicht wusste, was es heißt, jemandem etwas zu beuten, so war es dieser eine kurze Moment, der alles änderte. Ich wusste, was er damit meinte. Durch den Schleier aus Selbsttäuschung, Zweifel und Angst konnte ich die Wahrheit erahnen. Ein Schimmern seine Seele zeigte mir, was er mir eigentlich sagen wollte, und doch bedeutete es so viel mehr: Ein Bedürfnis ist dringlich und unentbehrlich, Liebe ist vergänglich.

Naomi hatte mich über eine lange Zeit Stück für Stück zerstört, bis mein Selbst in einem Scherbenhaufen vor ihr gelegen hatte. Doch Dean brauchte nur wenige Worte um mich wieder zusammen zu setzen. Der Bann war gebrochen.

Als ich mich zu ihm hinunterbeugte und meine Hand auf seine Wange legte um seinen Körper zu heilen, wusste ich, dass er dachte, ich wolle ihn töten. Er dachte, er hätte nur noch wenige Sekunden zu leben. Und was tat er? Er versuchte nicht mich aufzuhalten, sondern hielt sich an meinem Arm fest.

Und ich, ein Engel der Menschen nicht einmal berühren muss, um sie zu heilen, legte meine Hand auf Deans Wange. Nicht weil ich es musste, sondern weil ich es wollte. Ich wollte Dean berühren, ihm nahe sein. Doch mit welchem Recht? Deans Verletzungen waren geheilt, aber die Wunden auf seiner Seele waren stets tiefer, als die auf seinem Körper. Und ich war derjenige, der ihn verletzt hatte. Wie sollte ich ihm je wieder unter die Augen treten, nach allem was ich getan hatte?
 

Naomi hatte ihn gequält, gejagt, in seinem Kopf herumgepfuscht. Fast hätte er mich getötet, seinen eigenen Bruder Samandriel hatte er getötet. Sie hatte Cas gebrochen. Er hatte jede Motivation und jedes Recht an ihr Rache zu nehmen, aber das konnte ich nicht zulassen. Ich hatte Angst um ihn.

Castiel, ein Engel, eines der machtvollsten Wesen der Schöpfung, ließ es zu, dass ich, ein fragiler Mensch, ihn zurückhielt. Eine Berührung reichte aus, um ihn davon abzuhalten die Person zu töten, die ihm all das angetan hatte.
 

 
 

"Immature love says, I love you - because I need you.

Mature love says, I need you - because I love you."

Erich Fromm
 


 

Quellen:

1) Mini-FF Dean-Tötungen

2) Szene 8x17 Engelstafel - „I won‘t hurt Dean.“ - weak spot


Nachwort zu diesem Kapitel:
Erich Fromm hat ja so recht: "Unreife Liebe sagt, ich liebe dich, weil ich dich brauche. Reife Liebe sagt, ich brauche dich, weil ich dich liebe." Und wie sagt man: Nur wahre Liebe kann einen Fluch brächen... :)

Durch den Engelstafel-Vorfall wird, wie ich finde, der körperlche Aspekt in der 'Beziehung' von Dean und Castiel deutlich:
Als Dean glaubt Castiel wolle ihn nun entgültig töten, wehrt er sich nicht, versucht nicht ihn aufzuhalten, nein, er hält sich an dessen Arm fest. Und Castiel, der Menschen nicht einmal berühren muss, um sie zu heilen, legt seine Hand auf Deans Wange. Nicht weil er es muss, sondern weil er es will, er will Dean berühren, ihm nahe sein. Diese Geste hat etwas sehr Intimes, finde ich. Als Castiel Naomi töten will, reicht eine Berührung von dem so menschlichen Dean, um ihn aufzuhalten und zu beruhigen. Für Dean verzichtet er auf seine Rache. Wenn das nicht Liebe ist...

Deleted:
"So much of what is best in us is bound up in our love of family, that it remains the measure of our stability because it measures our sense of loyalty." - Haniel Long

Im nächsten Kapitel erfahrt ihr, wie es außerhalb der Erinnerungen weiter geht. Komplett anzeigen

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