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Das Vermächtnis des Kain

Vergessene Magie
von

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Die Schlacht um Askaban

31. Oktober 1993, 22:35 Uhr

Nordsee
 

„Wir schaffen es nicht!“, rief Yvaine verzweifelt über das Rauschen des Windes hinweg. „Sie kommen immer wieder!“

„Halt einfach noch ein wenig durch!“, erwidert Luca zornig. Sie sollte ihn gefälligst nicht ablenken! Der Patronus war auch so schon schwer genug. Immer wieder musste er sich umdrehen, um sich zu vergewissern, dass die Todesser ihnen noch nicht in den Rücken gefallen waren. Warum nutzten sie die Chance nicht?
 

Aaaargh! Sie kommen! Rettet euch!“

Gott im Himmel, erbarme dich unser...“

„Hilfe! HILFE!“
 

Luca blinzelte und konzentrierte sich wieder auf seinen Patronus. Aber erneut gelang ihm nur ein dünner Film, der ziellos in die ungefähre Richtung der Dementoren schwebte. Er musste sich konzentrieren... Aber wenn jetzt der Feind in seinem Rücken auftauchte, wäre er wehrlos.

„Ihr seid auch nicht gerade eine große Hilfe! Hört auf, Euch vor meiner Magie zu verschließen!“, schimpfte die Veela.

Undankbares Ding. Als wenn es ihm helfen würde, wenn er sich von Frauencharme einwickeln ließ.

Da! Die schwarzen Schatten auf den Besen kamen wieder in Bewegung – und flogen einfach über die Reihen der Zwielichtigen hinweg!? War es nicht ihr Ziel, sie auszulöschen? Hatten sie es etwa selbst auf Askaban abgesehen? So musste es sein, denn die Todesser nutzten erfolgreich die Lücke der Wachen, die von Lucas Leuten aufgehalten wurden. Aber was war das... Einige Gestalten blieben zurück...
 

“Wo sind sie?“

„Was ist denn das für eine Begrüßung?“

„Ich will wissen, wo meine Freunde sind!

„Sieh aus dem Fenster. Hier oben genießt man eine sehr gute Aussicht.“

„Du... Du hast sie alle...!?“

„Gepfählt, ja.“

„Aber-“

„Aber was? Sie waren Staatsfeinde. Sie haben dich lebendig begraben. Du darfst mir danken, dass ich dich gerächt habe.“

„Sie haben mir geholfen! Sie waren die einzigen, die zu mir standen, obwohl sie wussten, was du aus mir gemacht hast!“

„Mach dich nicht lächerlich. Wenn ich sie nicht leergetrunken hätte, hättest du es irgendwann getan.“
 

Wieder musste Luca seine Konzentration sammeln. Erinnerungen aus Hunderten von untoten Lebensjahren glitten an ihm vorbei. Keine von ihnen war angenehm.

Yvaine schrie auf. Im selben Moment spürte Luca einen Luftzug und wirbelte herum – das Eis, auf dem er stand, knackte gefährlich. Er war nicht mehr allein auf der Scholle.

Ein Gewicht presste sich gegen seinen Rücken. Vertraute Muskeln schmiegten sich an ihn und hätte er nicht diesen Geruch wahrgenommen, er hätte geglaubt, ein Verbündeter wäre gekommen, um ihm beizustehen.

Luca war zur Salzsäule erstarrt. Keinen Finger rührte er, bis sich die schaukelnde Eisscholle wieder beruhigt hatte. Die Dementoren waren auf einmal vollkommen unwichtig.

„Was tust du da?“, fragte er eisig.

„Das sollte ich dich fragen. Eine so schlecht organisierte Schlachtordnung habe ich noch nie von dir gesehen. Deine Vampire verlieren gegen die Dementoren. Daran werden auch diese lächerlichen Leuchtkäfer nichts ändern können.“

Mit einem Wink seines Zauberstabs schickte Luca seinen erstarkten Patronus auf Yvaine, die kurz davor war, im Wasser zu versinken.

„Also bist du hier, um uns endgültig zu stürzen?“. Er durfte sich keinen Zentimeter bewegen. Solange Sariel Rücken an Rücken mit ihm stand, konnte sie nicht genug Zielgenauigkeit aufbringen, um ihn ernsthaft zu verletzen.

„Im Gegenteil, Luca. Ich bin hier, um euch zu helfen.“

„Mach dich nicht lächerlich.“

„Wenn dir die Dementoren entgleiten, stürmen sie das Gefängnis und behindern die Mission – die gefangenen Todesser zu befreien. Mir ist genauso sehr daran gelegen, diese Viecher loszuwerden, wie dir.“

Luca zögerte einen Augenblick. Ein gemurmeltes „Expecto Patronum!“ und Yvaines erleichtertes Aufseufzen sagte ihm, dass Sariel ebenfalls den Kampf mit den Dementoren aufnahm. Überall auf dem vom Feuer beschienenen Wasser suchten fremde Vampire die stärkende Nähe der Veela, um ihre Zauber zu sprechen.

„Ein letztes Mal zusammen, Luca. Und morgen sind wir wieder Feinde.“

Luca schloss gequält die Augen. Er wollte nicht, dass sie morgen wieder Feinde waren.
 

*
 

31. Oktober 1993, 23:44Uhr

Nordsee
 

Remus schwebte wie auf Wolken. Der raue Steinboden fühlte sich unter seinen Pfoten an wie warmes, leicht feuchtes Gras. Die Luft roch herrlich frisch und der Vollmond stand hoch am Himmel – jedenfalls sah es für ihn so aus.

Remus war nicht allein. Da war sein Rudel, seine bekannten Kameraden. Auch andere Gestalten waren da, aber die rochen weder gefährlich noch schmackhaft. Remus kümmerte sich nicht um sie.

Aus der Ferne tönten laute Geräusche an sein gespitztes Ohr. Das Heulen des Windes – nein! - das Heulen des Wolfes. Mit Sicherheit war das sein Alpha-Wolf!

Remus stieß einen Laut der freudigen Erwartung aus und stürmte los. Das Rudel war ihm dicht auf den Fersen und der Werwolf genoss für einen Moment, ihnen allen als Anführer voraus laufen zu können.

Plötzlich war der Wald zu Ende und das Rudel stand am Ufer eines herrlichen Sees. Remus widerstand der Versuchung, seinen Durst zu löschen. Der Ruf seines Rudelführers zog ihn vorwärts, aber er durfte nicht durch den See schwimmen. Sein dreckiges Fell würde ja das klare Wasser verschmutzen. Wütend und sehnsüchtig, zerfressen von Einsamkeit grub Remus die Krallen in die harte Erde. Das Gestein knackte und Remus stieg der Geruch seines eigenen Blutes in die Nase, als er sich die Pfoten aufschürfte. Er grub eine tiefe Furche, die sich mit Wasser füllte und das Fleckchen Erde zu einer Insel machte.

Der Pferdemann, der bei weitem nicht so lecker roch wie er aussah, kam auf Remus zu und streckte die Arme aus. Remus knurrte ihn warnend an, obwohl er keinerlei Lust verspürte, das Mischwesen anzugreifen. Die Hände griffen angemessen langsam und vorsichtig nach ihm. Auf einmal verschwand ein Gewicht von Remus' Schultern und er fühlte sich leicht und beflügelt.

Der Zentaur legte die Veela zu der zweiten, die bereits schlaff und leblos über seinem Rücken hing und wandte sich ab. Auch einige übelriechende Vampire kamen heran, um die blassen Lichtgestalten von Remus' Kameraden zu bergen. Er selbst hatte vollkommen vergessen, dass er sie getragen hatte und konnte sich auch nicht an den Grund erinnern. Egal.

Der Letzte der Untoten stieß die Insel der Werwölfe einmal heftig an. Diese schwankte bedenklich, als Sylvia und Bandit mit einem Sprung darauf landeten. Neben ihnen tat es Septimus ihnen nach und schuf sich und der neuen Wölfin ebenfalls eine Insel. Das Gefühl der schrecklichen Einsamkeit schwand, je mehr die Insel auf den See hinaustrieb. Zufrieden legte sich Remus nieder und tauchte eine Pfote ins Wasser. Träge paddelte er mit seinen Wölfen auf den See hinaus. Währenddessen beobachtete er, lediglich geringfügig interessiert, die Umgebung des herrlich friedlichen Sees. Da waren andere Gestalten, die ebenfalls neben ihnen herschwammen. Der Pferdemann hatte Mühe, mit seinen dünnen, gebrechlichen Beinen zu schwimmen und musste von den Vampiren gestützt werden. Zwei weitere Inseln mit den seltsam aussehenden Zwergen, leblosen Frauen und Vampiren trieben hinterher. Da war nur eine Ausnahme. Eine der Frauen war weder leblos noch schlaff. Wo die anderen Blutsauger konzentriert arbeiteten, paddelten und sich duckten, wann immer der Schatten einer Wolke die Sterne am Himmel verdeckte, stand sie hoch aufgerichtet auf der Insel, lachend, mit ausgebreiteten Armen.

Doch selbst in dieses kleine, abgeschottete Paradies hielt der Winter Einzug. Es wurde kälter und kälter. Feine Eiskristalle bildeten sich in Remus' Fell. Es störte ihn nicht besonders – er mochte den Winter – aber es war ein wenig schwerer, voranzukommen, wenn sich nach und nach Eis in das Wasser mischte. Auch die Schatten am Himmel wurden immer zahlreicher. Bei so vielen Wolken musste es bald Regen geben. Aber erst als die Schatten auch den Mond verdeckten, heulte Remus enttäuscht auf. Der Mond, der wunderschöne, runde Mond! Verschwunden, verloren. Das Symbol der Verbundenheit zu seinen Wölfen. Ohne ihn war er allein.

Frustriert über die veränderte Wetterlage wälzte sich Remus auf seiner Insel und stieß dabei fast einen weiteren Wolf ins Wasser. Eher zufällig glitt sein Blick hinüber zu den anderen Inseln. Eine davon war bereits gesunken. Septimus und die Wölfin paddelten verwirrt durch das Wasser und sahen sogar recht lächerlich aus mit ihrem nassen Fell. Auf der zweiten Insel jedoch krümmten sich die Gestalten wie unter großen Schmerzen am Boden, schrien und hielten sich die Hände über dem Kopf. Doch den meisten Lärm machte die Frau in ihrer Mitte. Sie lachte noch immer, hüpfte auf und ab und winkte den Wolken am Himmel zu. In diesem Moment kam eine von ihnen direkt auf die Vampirin zugerauscht. Sie umfing die neblige Gestalt, als würde sie einen alten Freund umarmen und lachte immerzu. Die Wolke versuchte sich mit aller Macht aus ihrem Griff zu befreien. Sie zuckte hin und her, als hätte die Frau ihr einen Stromschlag gegeben. Als sie es endlich von ihr fort schaffte, lachte die Frau noch immer und warf ihr eine Kusshand zu.

In der Ferne ging die Sonne auf. Das Morgenrot schien das Wasser regelrecht in Flammen zu stecken. Als hätten die Wolken ein Eigenleben, flohen sie vor den grellen Farben und kamen auf Remus' Gruppe zu. Immer mehr Personen wollten sich auf der Insel der lachenden Frau vor den Wolken in Sicherheit bringen. Das kleine Stück Land schwankte immer mehr unter dem Gewicht und drohte unterzugehen. Jetzt waren fast alle von ihnen im Wasser. Ein paar Vampire kamen herüber geschwommen und legten die bewusstlosen Veela auf der Insel der Frau und der von Septimus ab, die etwas näher dran war. Nur den Jungen mit dem silbernen Haar wagte niemand anzurühren. Er saß allein auf seiner Insel wie eine Steinstatue. Die überfüllte Insel hingegen drohte zu kentern...

Remus wusste selbst nicht, was ihn dazu trieb. Vielleicht waren es die Wolken, die schon wieder näher kamen und den Mond verdeckten. Vielleicht war es einfach nur Instinkt. Jedenfalls knurrte er seinen Werwölfen einen Befehl zu und begann, stärker in die Richtung der anderen Inseln zu rudern. Erleichtert luden die Vampire die halbtoten Veela nun auch auf ihre beengte Insel. Inzwischen hingen die Wolken so tief, dass es ganz neblig war. Schwarzer, rauchiger Nebel, der die herrlich friedliche Atmosphäre störte.

Und dann ging plötzlich eine der Inseln in Flammen auf.

Remus zuckte heftig zusammen, als das Feuer urplötzlich aufloderte. Es war die Insel mit dem silberhaarigen Jungen, die ganz plötzlich in rot und orange glühte. Sein Haar stand in Flammen, genau wie seine Kleidung. Die Erde unter ihm schmolz dahin und Wasserwellen leckten an ihm, doch das Feuer erlosch nicht. Die Frau lachte noch mehr, als eine der Wolken dem Jungen zu nahe kam und ihrerseits in Flammen aufging. Ungläubig sah Remus zu, wie sich der Vorhang der Wolken öffnete. Die Inseln schwammen unaufhaltsam auf das Abendrot zu. In der Ferne konnte Remus weitere Vampire und Veela riechen. Vampire, Veela und Menschen.

Mit einem Mal hatte er Hunger.
 

*
 

31. Oktober 1993, 23:47 Uhr

Askaban
 

Leises Knarzen. Rascheln. Das Heulen des Windes draußen. Stöhnen und Jammern. Und plötzlich ein ohrenbetäubender Knall.

Bellatrix Lestrange fiel vor Schreck von ihrer Pritsche und landete unsanft auf dem Hinterteil. Der Boden unter ihr bebte. Verwirrt sah sie nach oben – und erblickte zum ersten Mal seit mehr als zehn Jahren wieder den Himmel. Es war ein wolkenverhangener, stürmischer, schwarzer Himmel, der eisige Winde wie scharfe Messer in ihre Zelle schickte. Weder Mond noch Sterne waren zu sehen. Stattdessen wies er etwas hundertmal besseres auf: Dutzende Schatten, die dort herumflogen: aber keine gesichtslosen Dementoren, sondern mit silbernen Totenkopfmasken verhüllte Magier. Und an der Spitze flog ihr Meister.

Bellatrix kreischte vor Freude laut auf. Dann lachte sie irre, war im Nu wieder auf den Beinen und winkte wie verrückt mit den Armen. Ihr Meister war gekommen, um sie zu retten!

Einer der Todesser zog einen winzigen Gegenstand aus der Tasche. Er tippte ihn ein Mal mit seinem Zauberstab an und hielt eine Sekunde später ein zusammengebundenes Bündel Besen in der Hand. Durch die Sprengung des Turms waren die Zellen der Gefangenen offen gelegt worden und in diese Öffnungen wurden jetzt die Besen hinunter geworfen. Bellatrix fing ihren auf und riss freudestrahlend den Zauberstab an sich, der an den Stiel gebunden gewesen war. Sie zitterte vor Erregung, als sie mit ihren schmutzigen Fingern über das Holz strich. Genüsslich bestieg sie den Besen und stieß sich vom Boden ab. Bellatrix' Grinsen spaltete ihr fast den Schädel, als sie aufstieg in den Himmel, in die Freiheit. Die Todesser nickten ihr anerkennend zu und sie genoss das Gefühl der Zugehörigkeit.

„Meine treuen Untergebenen“, sprach der Dunkle Lord, als die meisten Gefangenen bei ihm in der Luft waren. Bellatrix hing an seinen Lippen.

„Ihr habt für mich alles aufgegeben. Das wird sich nun endlich für euch auszahlen! Vollkommen zu Unrecht haben euch diese Hunde vom Ministerium hier eingesperrt. Ich verstehe euren Hass auf sie, eure Mordlust. Ihr werdet schon bald eine Möglichkeit zur Rache bekommen! Aber davor gibt es noch einen anderen Feind zu beseitigen. Gleich hier und jetzt könnt ihr die Magie durch eure neuen Stäbe fließen spüren. Konzentriert euren Hass! Wir haben eine Schlacht zu schlagen. Ich habe den Vampiren und den Werwölfen Schutz und Hilfe gegen das Ministerium angeboten, aber sie waren zu dumm anzunehmen. Nur eine kleine Gruppe hat sich uns angeschlossen. Mit dieser gemeinsam werden wir gegen diesen Haufen an Halbblütern kämpfen. Seid ihr bereit dafür?“

Ein einstimmiges „Ja, mein Lord!“ antwortete dem Schwarzmagier, der ein zufriedenes, schmallippiges Lächeln durchblitzen ließ.

Bellatrix umfasste ihren Zauberstab fest. Ihr verräterischer Cousin Sirius würde dort draußen sein. Er würde es bereuen, ihre Hand ausgeschlagen zu haben!

Wie ein großer, dunkler Vogelschwarm zischte die Gruppe über den Himmel. Bald schon kamen die glühenden Feuerwände um die Festung herum in Sicht. Hunderte Dementoren wurden von den Patroni, die durch die Flammen gestärkt wurden, in die Enge getrieben. Dutzende Zauberstäbe reckten sich in die Höhe.

Bellatrix wartete angespannt auf das Signal zum Angriff – doch stattdessen stieß Voldemort ein schreckliches Wutgeheul aus. Sein feuriger Blick war auf zwei kleine Gestalten unten auf dem Wasser gerichtet. Zwei Vampire, ein Mann und eine Frau, die Rücken an Rücken stehend sich gegen die Dementoren verteidigten.

„Planänderung“, knurrte Voldemort, nun wieder mit seiner kalten Stimme. Einer verdammt kalten Stimme. „Ihr tötet alle Vampire.“
 


 

*
 

1. November 1993, 00:17 Uhr

Nordsee
 

Luca fuhr herum.

„Scheiße!“

Wie viele Jahrzehnte war es her, dass er so oft in einer Nacht geflucht hatte? Er konnte sich nicht erinnern.

„Was ist los?“, rief Sariel ihm über das Heulen des Windes hinweg zu.

Luca sagte lieber nichts – dass Voldemorts Todesser angriffen, war nicht unbedingt förderlich für diese zerbrechliche Zusammenarbeit. Von überall her schienen die Schatten auf das Schlachtfeld herab zu stürzen. In der Nacht waren sie kaum von den Dementoren zu unterscheiden, mit einem Unterschied: Sie ließen sich nicht von silbernen Hasen vertreiben.

„Scheiße“, sagte da auf einmal auch Sariel. Mit einem Mal spürte er ihr vertrautes Gegengewicht nicht mehr im Rücken. „Was macht ihr Idioten da!?“, kreischte sie zu einem der Todesser hinüber. „Das war einer von meinen Leuten, verdammt!“

Der silberne Totenschädel grinste sie nur an.

„Das scheint die nicht mehr zu kümmern“, murmelte Luca.

In diesem Moment landete ein schwarzgewandeter Todesser genau zwischen ihnen. Luca wirbelte herum. Der Mann schoss einen silbernen Strahl auf Sariel ab, doch Luca traf ihn mit einem gut gezielten Kinnhaken. Der Kopf des Zauberers flog herum, Blut spritzte aus seiner Nase und der Zauber ging fehl. Der Meistervampir wollte nachsetzen und holte gerade zu einem Schlag aus, der dem Typen garantiert das Genick gebrochen hätte – doch da spuckte der Todesser bereits eine Welle Blut aus. Ein Dolch ragte aus seinem Magen heraus. Wie eine Marionette, deren Fäden man durchtrennt hatte, fiel der Mann erst auf die Knie und dann mit dem Gesicht voran auf das Eis. Hinter ihm stand Sariel, die kalten Augen abschätzend auf Luca's blutbespritztes Gesicht gerichtet.

„Ich schätze, wir sollten unseren Waffenstillstand ausbauen“, knurrte sie leise. „Diesem Bastard werd ich den Arsch aufreißen.“

„Tu dir keinen Zwang an.“

Sariel verschwand mit vampirischer Geschwindigkeit. Luca zückte nun seinerseits den Zauberstab.

„Accio Besen“, flüsterte er und schon kam der Besen des Toten aus dem Meer aufgetaucht. Der Meistervampir schwang sich hinauf und ging in einen Senkrechtstart. Es war lange her, dass er geflogen war, aber so ließ sich das Schlachtfeld am besten überblicken. Langsam wanderte sein Blick über die langsam sinkenden Feuerwände. Die meisten Dementoren hatten sich zurückgezogen. Nur noch wenige Veela schwebten über dem Wasser. Von überall her schossen die Todesser auf sie herab und selbst die Vampire hatten Schwierigkeiten mit ihnen, weil sie im Wasser schwammen und von dieser Position einfach nicht angreifen konnten. Der einzige Ort, an dem sie aufrecht kämpften, war -

„Oh, verflucht...“

Sirius' Werwölfe waren endlich aufgetaucht. Das war die gute Nachricht. Die schlechte: Sie hatten komplett den Verstand verloren.

Luca beobachtete voller Grauen, wie die halb verwandelten Menschen über die Eisschollen stürmten und Vampiren und Veela gleichermaßen die Köpfe abrissen. Ihre hochgereckten Arme rissen die Todesser von ihren Besen und zu dritt oder viert fielen sie über ihre Opfer her und gruben ihre Zähne und Klauen in ihr Fleisch. Ob Freund oder Feind, sie richteten ein fürchterliches Massaker an.

Luca beschleunigte so gut er konnte und hielt auf die Gruppe zu. Warum war Sirius nicht bei ihnen!? War er etwa immer noch in Askaban? Der Imperius sollte die Wölfe doch unter Kontrolle halten!

Der Meistervampir war schon fast bei den Wölfen angekommen – da ertönte aus der Ferne ein grässlicher Schrei.

Er unterschied sich nicht sehr von all den anderen Schreien rings herum. Er war nicht einmal sehr laut. Aber Luca kannte die Stimme. Er hatte dieses Geräusch bereits zu oft gehört und einst hatte er geschworen, niemals mehr zuzulassen, dass es erneut in dieser Welt ertönte. Dieser Wunsch war so eingebrannt in seinem Sein, dass er ohne zu zögern umkehrte. Die Wölfe waren vollkommen aus seinem Geist verschwunden. Er konnte nur noch an Sariel denken.
 

„Du verräterische Schlampe!“, schrie Voldemort, den Zauberstab auf Luca's Ziel gerichtet.

„Nein... Ich habe nicht-“

Aber dem Dunklen Lord war egal, was sie nicht hatte. Die ganze Zeit über hatte sich die Vampiranführerin furchtbar respektlos ihm gegenüber benommen. Im Grunde war er froh, einen Vorwand zu haben, sie loszuwerden.

„Crucio!“, brüllte er immer wieder, „Crucio!“

Sariel schrie erneut. Ihr Körper krümmte sich unter dem Fluch, als wolle ihre Wirbelsäule gleich brechen. Sie wurde in die Luft gehoben und hunderte feine Schnitte bedeckten mit einem Mal ihr Gesicht.

„Nein!“, brüllte Luca und – ohne genau darauf zu achten, was er überhaupt tat – stürmte er herbei und rammte Voldemort so heftig, dass dieser fast von seinem Besen flog.

„Du lässt deine dreckigen Finger von ihr!“, schrie der Meistervampir, als der Schwarzmagier sich gerade wieder in die Waagerechte wuchtete. Schon richteten beide ihre Zauberstäbe aufeinander.

„Ach, wie rührend. Sorgst dich um deine Feindin?“

„Wenn sie meine Feindin ist, hast du ja keinen Grund, ihr etwas anzutun, oder?“, schnappte er zurück. „Ich warne dich, Mensch. Du hast dich bereits mit den Vampiren angelegt. Aber du solltest nicht mich persönlich wütend machen, wenn dir an deinem erbärmlichen Leben etwas liegt. Meine Grausamkeit kennt ganz andere Höhen, als du sie jemals erreichen wirst.“

Kurz huschte ein Schatten über Voldemorts Gesicht. Für weniger als eine Sekunde.

„Ach, tatsächlich?“, fragte er hämisch – und hob den Zauberstab.

Luca's Muskeln waren allesamt angespannt. Er war bereit, jedem Fluch auszuweichen oder zu blocken.

„Avada Kedavra!“, schrie Voldemort – und riss im letzten Moment den Zauberstab herum. Luca zischte nach vorne – und verpasste den grünen Strahl um nur eine Handbreit.

Sariel, geschwächt von der Folter im Wasser treibend, riss geschockt die Augen auf. Die Wucht des Fluches drückte sie in die Fluten zurück. Als die schäumenden Wellen sie wieder hochwarfen, war sie tot.

„Neiiiiiiin!“

Voldemort vollkommen unbeachtet lassen sprang der Vampir kurzerhand vom Besen und landete neben Sariel im Wasser. Er umfasste ihren kalten Körper mit seinen Armen und drückte sie an sich.

„Sariel!“, rief er, „Sariel!

Aber sie antwortete ihm nicht, Mit leeren Augen starrte die Vampirin zu den Sternen empor.

Luca spürte, wie ihm ein unglaublicher Schmerz das Herz zerriss.

„Nein nicht jetzt... Tu mir das nicht an!“

Das war das erste Mal seit Jahrzehnten, dass sie wieder zusammen gekämpft hatten. Für einen Augenblick hatte es einen Schimmer der Hoffnung gegeben. Für einen Moment hatte er glauben können, dass sie ihn vielleicht doch noch einmal wieder lieben könnte. Denn er selbst, das wurde ihm jetzt klar, als er ihren klammen Körper in den Händen hielt, er hatte nie aufgehört, sie zu lieben. Aber sie war ihm entrissen wurden.

Die Kälte des Wassers ging auf ihn über. Mit eisigem Blick wandte er sich Voldemort zu, der einige Meter über ihm genüsslich das Schauspiel verfolgt hatte. Nun hob der Magier den Zauberstab.

„Du bist der nächste, Vampir“, flüsterte er.

Luca wusste, dass er Sariel schon vor langer Zeit verloren hatte. Vielleicht war das der Grund, warum sein Hass nicht heiß lodernd und zerstörerisch aus ihm herausbrach. Sondern kalt, berechnend, präzise und effektiv. Er wollte Rache. Und er wollte sie auskosten.

„Ich werde deinen Körper öffnen,“, knurrte er zu dem Dunklen Lord hinauf, „mit bloßen Händen. Ich werde deine Knochen freilegen und dich aufschneiden wie einen Fisch. Ich werde in dein Innerstes sehen und einen Knoten in deine Eingeweide machen. Denn du. Hast mich. Sehr. Wütend. Gemacht.“
 

*
 

1. November 1993, 02:03 Uhr

Nordsee
 

„Wach auf... Komm, mein Lieber, wach auf, bitte... Nein, mach das Feuer nicht - aaargh! Fuck, verdammte Scheiße, du mieser Wurm, jetzt kannst du was erl-“

Doch bevor der Werwolf, der ihr von hinten die Zähne in die Schulter geschlagen hatte, erfahren konnte, was er nun erleben sollte, explodierte sein Kopf bereits in einem flammenden Inferno.

Gomora wirbelte herum, das Blut nicht beachtend, das auf ihr silbernes Haar spritzte.

„Das hat aber auch lange gedauert, Schatz“, flötete sie und umarmte Solom, in dessen klaren, blauen Augen nun zum ersten Mal seit seiner Gefangennahme wieder Leben funkelte.

„Hey, passt ihr gefälligst mal auf!?“, rief ihnen Harry über die Schulter hinweg zu. Er war gerade voll beschäftigt, einen weiteren Werwolf mit der Klinge seines Schlangendolches abzuwehren.

„Das war Sylvia, die gehörte zu uns! Ihr dürft die Wölfe nicht verletzen!“

„Ach, kümmere dich um deinen eigenen Kram“, rief Gomora zurück, nur um sich dann wieder ihrem Bruder zu widmen. Liebevoll strich sie ihm einige blutverkrustete Strähnen aus der Stirn.

„Ich habe dich vermisst, Bruderherz. Jag mir nie wieder so einen Schrecken ein, ja?“

„Ja“, hauchte Solom heiser, gebannt von dem Lichtspiel in ihren Iriden. Dann plötzlich, als hätte ihn mit einem Mal ein unbändiger Hunger erfasst, zog er die Veela an sich heran und drückte stürmisch seine Lippen auf die ihren. Gomora erwiderte den Kuss mit derselben Leidenschaft und es dauerte nicht lange, da standen die beiden Veela in Flammen.

„Leute, ich bin ja auch ein Fan von Wiedersehensfreude“, rief ihnen eine junge Vampirin zu, die gerade an Harrys Seite ein paar Dementoren abwehrte, „aber erstens wird eure Eisscholle bei diesem Tempo ziemlich schnell schmelzen und zweitens bietet ein Schlachtfeld nicht unbedingt die angemessene romantische Atmosphäre eines Stelldicheins.“

Nur widerwillig trennten sich die Geschwister voneinander. Ein kämpferisches Glühen trat in Soloms Augen und er leckte sich einmal rasch über die Lippen.

„Unsere Feinde sind die Typen auf den Besen“, sagte Gomora, nun wieder erst, und deutete zum Himmel. Ihr Bruder nickte und streckte die Arme aus. Innerhalb von Sekundenbruchteilen flammte in jeder von ihnen ein kleiner, aber schnell wachsender Feuerball auf.

„Ich kümmere mich darum“, knurrte er mit tiefer Stimme. Doch Gomora packte sein Handgelenk und achtete darauf, ihm tief in die Augen zu sehen, als er sich überrascht zu ihr umwandte.

„Vergiss es“, flüsterte sie scharf, „ich werde dich nicht noch einmal verlieren. Ich komme mit dir, da kannst du sagen was du willst.“

Ein kurzes Lächeln umspielte Soloms Lippen. Das erste Lächeln seit Jahren, das Gomora bei ihm sah.

„Ich habe nicht vor, dich noch einmal zurückzulassen.“ Er wandte sich von ihr ab, um Rücken an Rücken mit ihr in Verteidigungsposition zu gehen. Dann griffen sie an.

Die Geschwister boten einen furchterregenden Anblick. Sie standen nur auf einer winzigen, schwankenden Eisscholle und warfen mit Feuer um sich, doch ihre entfesselte Magie ließ die Luft knistern. Dem Eis schien die Hitze überhaupt nichts auszumachen, ganz im Gegensatz zu den Todessern. Die Zwielichtigen hatten sich längst wohlweislich von ihnen distanziert. Einzige Ausnahme waren die mit Drogen vollgepumpten Werwölfe. Gerade sprang Remus knurrend auf Solom zu, doch eine wie eine Peitsche geformte Flammenzunge warf ihn zurück, sodass er mit einem Jaulen ins Wasser platschte und genau wie seine geschlagenen Artgenossen seine restliche Energie aufs Hundepaddeln verwenden musste, um nicht in den eisigen Fluten unterzugehen. Auch einige von Sariels Vampiren, die weder von Voldemorts Verrat noch von dem Tod ihrer Anführerin wussten, griffen immer wieder an. Wie Regen fielen die männlichen Todesser ins Wasser, als Gomora sie mit nichts als einem Lächeln vom Besen holte.

„Passt auf!“, schallte da auf einmal Harrys panische Stimme durch die Nacht. Solom, nun richtig in Fahrt, feuerte gerade mit einem irren Funkeln in den Augen einen Flammenstoß in Richtung der sich nur zögernd nähernden Todesser – da durchschnitt ein zweiter, kreischender Schrei das Kampfgetümmel.

„Avada Kedavra!“

Das grüne Licht aus Bellatrix Lestranges Zauberstab teilte die Schwärze und fuhr wie ein Blitzschlag nieder auf das Mädchen. Gomoras Magie konnte der Frau nicht das geringste anhaben. Das Mädchen sah sich mit schreckgeweiteten Augen um und erkannte den Fluch, den die Todesserin von ihrem Besen aus hinunter geschossen hatte.

„Solom!“, rief sie noch aus, doch im Grunde war ihr klar, dass ihr Bruder es nicht mehr rechtzeitig schaffen würde und selbst wenn, hätte er sich nur vor sie geworfen und das wollte sie nicht.

Anstatt sich zu ducken oder fallen zu lassen – eine Handlung, die sie unweigerlich in das eisige Wasser hätte fallen lassen und wodurch sie ihre Kraft und Kampftüchtigkeit verloren hätte – anstatt dass sie auswich, feuerte Gomora zurück. Ihre strahlend heißen Flammen, mehr weiß als rot, prallten auf das grüne Licht und beide Frauen wurden von dem Druck erfasst. Bellatrix kippte hintenüber von ihrem Besen, die Augen glasig und leer. Ihr Körper versank in den Fluten, wo hungrige Vampire die Leiche begrüßten.

Solom stieß einen geradezu tierischen Schrei aus, als er sah, wie auch seine Schwester in die Knie ging. Bevor sie im Meer versinken konnte, fing er sie auf und bettete seine Schwester auf seine Arme. Aus kobaltblauen Augen starrte er sein Ebenbild, seine Seelenverwandte an und konnte nicht fassen, was er sah.

Sie lächelte.

Sein wunderbarer Stern, sein Engel, seine Hoffnung, sie lächelte ihn an. Ihre Lippen waren noch leicht geöffnet – sie war mit seinem Namen auf ihnen gestorben. Es war der Tod, der Solom aus ihren erkalteten Augen freundlich lächelnd ansah.
 

*
 

1. November 1993, 02:26 Uhr

Nordseeküste
 

Leise schlugen die Wellen gegen das Ufer. Es waren nur die letzten Ausläufer einer wilden Schlacht an einem windstillen Tag. Fast sanft leckte das eisige Wasser an den Klippen und umschmeichelte das geneigte Ohr mit seinem Rauschen. In der Ferne leuchteten die Feuer wie ein verfrühtes Morgenrot.

“Ssssie werden verlieren.“

Der Fremde legte den Kopf schief. Er stand so nah am Abgrund, dass hin und wieder kleine Steine sich aus dem Boden unter seinen Füßen lösten und die Klippen hinunterfielen, aber das schien ihn nicht zu kümmern, geschweige denn Angst zu machen.

Sie sind stark. Die werden ja wohl noch mit ein paar Möchtegernmagiern fertig werden.“

„Essss sssoll immerhin der mächtigste Magier des Jahrhundertsss sssein.“

„Eben. Ein Jahrhundert, was ist das schon? Meine Leute werden gewinnen.“

„Wetten, dassss nicht?

Der Fremde runzelte unwillig die Stirn, was die tätowierte Schlange dazu veranlasste, von seinem rechten Auge zu seinem Ohr zu fliehen.

Sie müssen gewinnen. Das wäre doch wohl gelacht!“

„Im Moment ssssieht es eher schlecht für ssssie auss!“, höhnte das Reptil genüsslich. „Ihr habt euch zu lange nicht um sssssie gekümmert, Meissster.“

„Gut, dann wetten wir eben!“, knurrte der Mann mürrisch. “Wenn sie gewinnen, hältst du für die nächsten dreißig Jahre deine verdammte Klappe, solange ich dich nicht zum Sprechen auffordere.“

„Ssssssssssssssssssss! Und wenn ich gewinne? Geht Ihr dann endlich mal mit mir zu diessssem Laden in Rom?“

„Der Tätowierladen?“

„Ja. Ich habe wirklich mal wieder etwassss neue Farbe nötig.“

„Du siehst doch ganz wunderbar aus.“

Da färbte sich doch tatsächlich die schillernde Schnauze der Schlange, die sich inzwischen wieder auf das Gesicht vorgewagt hatte, purpurrot. Von weitem mochte es so aussehen, als würde der Fremde eine blutrote Träne vergießen.

“Essss geht um das Prinzip. Ich will auch meine Pflege.“

„Wie du meinst. Aber sieh mal – ich glaube, ich werde die Wette gewinnen.“

Und tatsächlich: Das Blatt der Schlacht schien sich mit einem Mal gewendet zu haben. Die Feuerwände loderten wieder hoch, die Wellen schäumten kräftig an das Ufer und das ungleiche Paar konnte einige schemenhafte Gestalten auf Besen sehen, die ins Wasser stürzten.

“Das isssst nicht fair!“, kreischte die Schlange zornig. „Ihr habt geschummelt, Meissster!“

„Wovon redest du?“, fragte der Fremde unschuldig lächelnd.

„Dasss haben die nie im Leben allein hingekriegt, dassss wart Ihr! Die Wette isssst ungültig!“

„Du hättest zur Bedingung machen sollen, dass ich nicht eingreifen soll.“

„Dassss versteht sssich ja wohl von ssselbst!“

„Nein, warum? Außerdem habe ich nicht einmal selbst zur Waffe gegriffen. Ich habe nur das Mal benutzt.“

„Betrüger! Lügner! Sssschummler! Verräter! Gottverdammter Teufel!“

„Gib dir keine Mühe. Ich kenne meine Lebensgeschichte...“

„Dasss Ihr Euch nicht ssschämt!“

„Oh, ich schäme mich durchaus. Wegen vielen Dingen. Aber niemals könnte ich bereuen, meiner Familie zu helfen.“

„Ihr wütet in Eurer Familie wie ein Wolf in einer Schafsssherde...“

„Doch nicht diese Familie.“

„Pah! Und Ihr ssseid doch ein Betrüger.“

Der Schwarzhaarige seufzte leise. „Also gut. Ich gehe mit dir zu diesem Laden. Sobald dieser Krieg vorbei ist.“

„Er hat noch nicht einmal richtig angefangen...“, schmollte die Schlange.

“Dann kannst du mir kaum übel nehmen, wen ich meinen Leuten helfe, um ihn so schnell wie möglich zu beenden.“
 

*
 

1. November 1993, 02:26 Uhr

Askaban
 

Sirius wischte sich unwillig das Blut aus dem Mundwinkel. Der Lärm dort draußen war jetzt nicht mehr zu überhören. Das waren nicht einfach nur die Auroren. Da ging etwas vor und er konnte es nicht länger ignorieren. Aber was sollte es. Er war ja ohnehin fertig.

Ein letztes Mal noch stieß er mit seiner Fußspitze verächtlich gegen das blutige Häufchen, das seine besten Freunde verraten hatte. Peter wimmerte nur leise. Er hatte kaum noch eine Stimme. Irgendwann hatte er sie unter dem Cruciatus verloren. Da hatte es Sirius nicht mehr gereicht, einfach nur Flüche auf ihn abzufeuern. Er hatte sich diverse Waffen heraufbeschworen und ihn auf die klassische Art und Weise gefoltert. Ein Heilzauber, der zwar nicht die Blutung ganz stoppte – Sirius mochte es blutig – aber doch verhinderte, dass die Ratte sofort krepierte, wenn er ihm langsam seine Extremitäten abhackte.

Aber jetzt war Sirius' Rachedurst gestillt und der verstümmelte Körper widerte ihn nur noch an. Dieser Mann hatte seinen besten Freund getötet, hatte seinen Patensohn und Remus zu einem Leben in Einsamkeit verdammt und hatte ihn, Sirius, zu diesem kaltblütigen Monster werden lassen. Aber nach vier Stunden Folter spürte selbst er, dass es genug war.

Er gab keinerlei Vorwarnung von sich, keine letzten Worte. Nur ein geflüstertes „Avada Kedavra.“

Noch ein, zwei Sekunden starrte er den toten Körper an. Dann wandte Sirius sich ab und mit einem Schlenker seines Zauberstabes löste er die Banne, die er über die Zelle gelegt hatte. Sie hatten sämtliche Geräusche von außen abgedämpft und verhindert, dass welche von innen nach draußen drangen. Deswegen war es nur Sirius' über die Stunden stumpf gewordener Sinn für Katastrophen, der ihn lediglich milde überrascht blinzeln ließ, als er die Zerstörung draußen sah. Die Hälfte des Turmes war komplett weggeblasen worden. Ein riesiges Loch klaffte in der Decke, sämtliche Hochsicherheitszellen waren freigelegt worden... Aber niemand war zu sehen. Anscheinend hatte er den größten Teil der Party bereits verpasst.

Sirius sah noch einmal hinter sich, zu Peter – und dann wieder nach oben, zu dem Loch. Und zuckte mit den Schultern.

Sirius Black war nie ein Schwarzmagier gewesen. Im Gegenteil, er hatte sich immer gerühmt, anders als seine Familie zu sein. Doch es gab gewisse Leiden, die einen Menschen, wenn er sie durchmachen musste, irgendwann veränderten. Diese Leiden hatte Sirius an jedem einzelnen Tag seiner Haft durchgemacht und jetzt war er Welten entfernt von der Person, die er einst gewesen war. Da war niemand, der ihn zurück ins Licht rief. Niemand war dort, dem er genug bedeutete um ihm vorzuwerfen, an einem Tag alle drei Unverzeihlichen benutzt zu haben.

Auf der anderen Seite war da Harry, der sich dem Kampf gegen Voldemort verschrieben hatte, von vornherein darauf eingestellt, diesen irgendwann umzubringen. Dieser kleine Vampir, der eine immer größer werdende Abneigung und Verbitterung gegen genau das Ministerium entwickelte, dass auch Sirius so verurteilt hatte. Da war Remus, den nun an seiner Seite keine Gewissensbisse mehr plagten, wenn er sich endlich dem Zwielicht und seiner Rasse anschließen konnte, ohne dabei das Gefühl zu haben, jemanden (wie die Potters) zu verraten. Da war Jenande, die wunderschöne, bezaubernde Jenande, die genau diese dunkle, dominante Seite an ihm zu mögen schien und schon immer eine Rebellenanführerin gegen das Gesetz gewesen war. Und natürlich waren da seine Wölfe, sein Rudel, all diese Kameraden, die auf ihn zählten und zu ihm aufsahen.

Für sie hatte Sirius sich verändert. Er wollte sie beschützen und an ihrer Seite kämpfen. Er wollte siegen und ihnen eine neue, eine bessere Zukunft verschaffen. Für sie war er zu dem Mann geworden, der er jetzt war: zu Canis Majoris. Peters Ermordung war der letzte Schritt, den er gebraucht hatte, um vollkommen in diesen Abgrund einzutauchen.

Plötzlich und vollkommen überraschend durchzuckte Canis Majoris ein unvorstellbares Brennen. Die alte Narbe, die sich von seinem Hals herunter bis auf seine Brust zog, glühte so heiß, als würde ihm jemand ein rotglühendes Eisen darauf pressen. Canis Majoris keuchte auf und fiel auf die Knie. Seine Hände pressten sich auf die längst verheilte Wunde. Diese Narbe war das einzige, was ihn immer wieder an diese verhängnisvolle Nacht erinnerte. An die Vollmondfinsternis, in der er von einem ganzen Dutzend Wölfen gebissen worden war. Diese eine Wunde – er erinnerte sich vage, dass es die erste war, die ihm gerissen worden war – war nie vollkommen verblasst. Jetzt glühte sie heiß und schmerzhaft. Doch von dieser Quelle der Qual begann langsam aber stetig ein anderes Gefühl auszugehen. Rund um die Narbe herum wurde seine Brust ganz warm. Eine angenehme Wärme war es, die sich in ihm ausbreitete und ihn erfüllte. Aus der Hitze wurde Feuer und aus dem Feuer schöpfte Sirius Energie. Pure, reine, kraftvolle Energie. Sie schoss durch seine Adern, richtete ihn wieder auf und ließ seine Augen glühen wie heiße Kohlen.

Es war nicht wie Grindstone. Canis Majoris war sich immer noch überdeutlich seiner Aufgaben bewusst. Seine Gedanken waren klar wie nie, sein Geist und seine Sinne geschärft. Aber er fühlte sich ungemein stärker, schneller und mächtiger.

Zitternd vor Anspannung, den Zauberstab fest umklammert, trat Canis Majoris an eine der Außenmauern des Turmes heran. Er legte seine flache Hand auf den Stein – die Narbe pochte nunmehr heiß aber schmerzlos wie ein zweites Herz – und drückte dagegen. Und die Mauer kippte um.

Canis Majoris' Augen wurden immer größer, als der Granit protestierend ächzte und dann mit einem mal die gesamte, ohnehin schon instabile Mauer in sich zusammen sackte. Mit einer, wie er nicht wissen konnte, übernatürlich schnellen Bewegung sprang er ein paar Schritte – mehr, als er beabsichtigt hatte – zurück, um den Steinen auszuweichen, die sich donnernd auf den Boden ergossen. Dann starrte er durch das Loch in der Wand – und bekam seinen Mund nicht mehr zu.

Er hatte gewusst, dass draußen gekämpft wurde – aber nicht in diesem Ausmaße. Nicht gegen Voldemort.

Und doch schienen – was vollkommen unmöglich war – seine Leute seine Hilfe nicht zu brauchen. Hoch loderten die Feuerwände der Veela gegen die Dementoren auf, die sich geradezu panisch zurück in ihr leeres Gefängnis flüchteten. Wenn der Dunkle Lord nicht mit nur lediglich vier Todessern auf Besen angerückt war, dann mussten sich bereits etliche von ihnen im Wasser befinden. Die Vampire fielen über sie her wie Haie über kleine Fische. Und sie flohen! Die Zwielichtigen schlugen ihre Feinde in die Flucht, als wäre nichts dabei.

Canis Majoris konnte es zunächst gar nicht glauben. Aber dann sah er auf seine eigenen Hände hinunter. Auf seine Hände, die mit Blut besudelt waren und vor Kraft nur so strotzten.

Und er lächelte.
 

*
 

1. November 1993, 02:26 Uhr

Nordsee
 

Harry zitterte wie Espenlaub. Er war schon vor geraumer Zeit im Wasser gelandet und hatte dessen Kälte die ganze Zeit über kaum gespürt. Hier war er wenigstens vor Solom sicher gewesen. Als Harry gesehen hatte, wie Gomora getroffen wurde, hatte ihm selbst für einen Moment der Atem gestockt. Wütend aufheulend hatte er sich sogar mit den anderen Vampiren über ihre Mörderin, Bellatrix, hergemacht. Fast war er jetzt ein wenig froh, dass sie schon vorher tot gewesen war. Sonst wäre er vielleicht ebenfalls zum Mörder geworden.

Jasmin hatte ihn gerade noch rechtzeitig zurückbefohlen, bevor Solom explodiert war. Der Veela schien überhaupt nichts mehr um sich herum klar wahrzunehmen. Sogar Gomoras Körper war von ihm unbemerkt im Wasser versunken. Rasend vor Wut warf der Veela mit Feuer um sich und verbrannte alles, was ihm in den Weg kam. Die Vampire waren so tief untergetaucht wie möglich und auch Harry hatte Zuflucht unter den Fluten gesucht, doch selbst das Wasser schien jetzt vor Hitze zu kochen. Zum Glück waren auch die Flüchtlinge inzwischen weit weggeschwemmt worden. Nur der Zentaur trieb reglos und mit Verbrennungen übersät auf dem Wasser und diente drei Kobolden und einem seltsam verschrumpelten Wesen als Floß. Solom schickte Feuer und Flüche auf die Todesser und auf jeden Kopf, der aus den Fluten aufragte. Harry hatte nie zuvor jemanden so mächtige Flüche ohne Zauberstab anwenden sehen. Langsam hatte er es wirklich mit der Angst zu tun bekommen.

Und dann war die Kälte gekommen. Zuerst war es ein Gefühl wie von eisernen Dolchen gewesen, die sich in seinen Nacken rammten. Zwei winzige Punkte, so hoch an seinem Hals, dass sie bereits von seinem Haar verdeckt sein mussten, glitten ihm kalt wie schneidende Klingen unter die Haut. Vor Schmerz hatte er aufgeschrien und eine Menge Wasser geschluckt. Den festen Griff seiner Erzeugerin um seinen Arm, die ebenfalls erschrocken aufkeuchte, nahm er kaum wahr.

Die Kälte breitete sich aus. Die Qual ließ nach und trotz all den vor Hitze kochenden Wassern breitete sich nun eine angenehme Kühle in ihm aus. Wie eine erfrischende Brise an einem schwülen Sommertag. Die Verbrennung an der Schulter, die er abgekommen hatte, als er Solom zu nah gekommen war, verheilte im Nu und schien nun ein sprudelnder Quell neuer Kraft zu sein. Die Kälte umschloss sein Herz und seinen Verstand und gab ihm neue Kraft.

Er griff nach seinem Zauberstab. Noch immer unter Wasser sah er sich nach Jasmin um. Kurz erschrak er, als er ihre Augen im Dunkeln rot glühen sah. Doch da lächelte sie und reichte ihm die Hand. In ihrem Blick lag die selbe entschlossene Vorfreude wie in seinem. Sie waren bereit, sich wieder ins Kampfgetümmel zu stürzen.
 

XxX
 

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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Lika08
2012-03-02T11:05:36+00:00 02.03.2012 12:05
Hmm...
Also ganz ehrlich??? Mir tut dann doch auch Sariel leid!! Das hätte nun wirklich nicht sein müssen... Luca's Androhungen sind auch nicht ohne, ich denke schon das Voldi ihn da nicht unterschätzen sollte...
& Gomora??? Da hatte sie gerade erst Sodom wieder & dann verliert Sodom sie für mehr als nur ein paar Tage!! Auch nicht gerade fair, aber was ist in einer Schlacht schon fair??
Der Fremde??? Familie??? Nun, ist er das Oberhaupt aller dunklen Kreaturen?? Ich mein seine energie hat ja auch Jasmin abbekommen und nich nur Harry und Sirius!! Aber wiederum wissen wir nicht was mit den anderen ist(die wo auf Voldi's Seite gekämpft haben)...
Fragen über fragen ... Aber ich muss jetzt los ...
Bis zum nächsten Kapitel
Von:  Kagomee16
2012-02-28T22:43:24+00:00 28.02.2012 23:43
oha was ein gemetzel ^^
ich habe da so einen verdacht wer der fremde sein könnte, doch ich lasse mich gerne überraschen^^
mach weiter so^^

lg kagomee16
Von:  Schizo_Squalo
2012-02-24T21:52:59+00:00 24.02.2012 22:52
oO? Neiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiin. Ich mochte Gomora doch so gerne XC.

Und Sodom? der wird jetz doch den Verstand verlieren... und außerdem will ich Endlich wissen wer der Unbekannte ist *aufstampf*

So Kindlicher Wutanfall überwunden. Tolles Kapi


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