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Einzelposting: Was ist Punk?


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Von:    Asteria 20.01.2012 00:29
Betreff: Was ist Punk? [Antworten]
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Ich möchte auch einmal was dazu sagen, bin aber jetzt kein Super-Experte und kein Zeitzeuge. Habe für eine Arbeit zu dem Thema recherchiert und auch persönlichen Interesse, da die Punk-Szene ja der Ursprung vieler moderner Jugendkulturen und Musikstile ist (Gothic, Alternative und die ganze Independent-Szene kommen aus dem Punk).

Wie hier schon oft erwähnt wurde sind das Punk-Outfit und die Punk Ideologie zwei verschiedene Sachen, die man am besten trennt. Das erklärt sich vor allem dadurch, dass der Look, den wir heute mit dem typischen Punk identifizieren, eine späte und britische Erfindung ist die im Laufe der 70er entstanden ist. Punk selbst als Bewegung existierte schon lange davor und entstand in den USA der späten 60er, wo die ersten Punk Bands wohl in der damaligen Glam- und Garagen-Rock Szene zu finden waren.

Außerdem muss man die zeitlichen Umstände bedenken. Die 60er waren eine sehr große Wende in der Geschichte des 20. Jahrhunderts. Die ersten Prozesse gegen Nazi-Kriegsverbrecher haben begonnen, es gab die sexuelle Revolution, Hippies, politischer Widerstand, die DDR... und vieles mehr. Einige dieser Konflikte zogen sich ja bis Ende der 80er. Heute haben wir auch Probleme aber die sind etwas anders, vermutlich deshalb hat Punk nicht mehr dieselbe Energie wie damals. Die Jugend der 60er und 70er waren einfach wütender und rebellischer.
Viele erwähnen hier den Widerstand gegen Nazis. Punks waren nicht direkt links oder anarchistisch, das hat sich erst mit der Zeit so ergeben. Aber gegen Nazis zu sein kann man sicher erklären, dass in den 60ern der Nazi immer noch ein starkes Feindbild war und der 2. Weltkrieg noch nicht so lange her war.

Achja und da war ja auch noch die Sache mit den Hippies und dem Pop. Punks mochten Hippies nicht wirklich, einfach weil diese Blumenkinder alle Konflikte mit passiven Widerstand lösen wollten. Und weil wohl viele Hippies in einer Traumwelt lebten. Punks dagegen wählten den Weg des aktiven Protests und verzichten auf das "Friede, Freude, Eierkuchen"-Motto. Außerdem wollten sie den Geist des Rock erhalten, den sie durch die Musikindustrie gefährdet sahen. Man bedenke, dass die Massenvermarktung von Rockmusik nichts ist, was es erst seit kurzem gibt. Bereits in den 60ern wurde Rock massentauglich gemacht und das passte einigen Rockern natürlich nicht. Rock sollte drekcig, schmutzig, hart und aggressiv sein. (die Ironie ist natürlich, dass dasselbe mit Punk ebenso passiert ist)

Die ersten Bands, die man als Punk bezeichnen kann stammen eben aus Amerika, nicht Groß Britannien, und spielten in verschiedenen Pubs, Clubs und ja, auch Lokalen, die z.b. von Schwulen und Transvestiten gerne besucht worden sind. Es war also quasi eine Szene der Außenseiter der Gesellschaft, deswegen der Zusammenhalt wohl auch so groß. Jeder hatte seinen Platz, egal woher er kommt, wobei die meisten Szene-Mitglieder aus der ARbeiterklasse stammten. Nur die wenigsten waren wohl aus wohl verdienteren Hause. (anfangs natürlich. Bis heute hat sich da ja einiges geändert). Allerdings glaube ich nicht, dass auf der Straße leben und schnorren. Es gab Hausbesetzer, ja, aber sowas wird heute kaum noch gemacht oder Bedeutung beigemessen und hat eher poltische Gründe und Zwecke und nicht "ich setze mich auf die Straße und habe kein Geld um so zu einem echten Rebell zu werden". Mit dem Besetzen von Häusern wollte man auf echte Missstände aufmerksam machen.

Gut, damit der Text nicht zu einer Geschichtsstunde wird gehe ich mal schnell Richtung Gegenwwart: das, was heute als Punk bekannt ist ist hauptsächlich das, was Malcolm MCLaren versucht hat erfolgreich zu vermarkten. Wichtig zu wissen ist, dass MCLaren zuerst ein Manager der Glamrock Band The New York Dolls war, welche als eine Protopunk-band bezeichnet werden kann. McLaren stammte aus England und war auf der Suche nach etwas ganz Besonderem, dass er in England in einem eigenen Shop oder Lokal verkaufen konnte. Seine Partnerin Vivienne Westwood dürfte hoffentlich vielen bekannt sein. Sie war die Frau, die den Punk Look kreiert hat.
MCLaren kam aus den USA anfang oder mitte der 70er zurück, wo er das Phänomen Punk kennengelernt hatte und begann in England ein Lokal namens "Sex" zu eröffnen. Das Lokal war anscheinend so skandalös eingerichtet wie der Name schon prophezeit und zog die verschiedesnten Figuren der britischen Untergrundszene an. Und natürlich war es auch ein Shop wo die entprechenden Klamotten verkauft wurden.
Und Ende der 70er suchte und fand MCLaren eine neue Band zum managen und das waren, wer hätte es erwartet, die Sex Pistols. Und MCLaren war sehr geschickt und wohl auch perfide wenn es um die Vermarktung der Band ging. Näheres dazu bitte nachlesen, vor allem in Punk-Büchern, die von Zeitzeugen und Bekannten des Produzenten geschrieben worden sind, da gibt es nähere Erläuterungen.

Die Vermarktung von Punk gibt es also auch nicht erst seit heute. Und bereits 1979 hieß es, Punk sei tot. Er ist in gewisser Weise als Positive Punk und Wave (das, was einmal Gothic Rock werden würde) wiederauferstanden, aber dieses Revival begründete sich nicht mehr auf die Ideologie, sondern nur noch auf Musik und Aussehen.

>Schroffe Töne, 3 Akkorde, unbekannte Musiker, die einfach nur spielen, weil sie Spaß dran haben und die Kohle ist dann Nebensache(!), Freunde und Gleichgesinnte treffen – das ist Punk (Musikstil).

Ich stimme da zu. Besonders die 3 Akkord-Regel ist es, was Punk als Musik so typisch macht. Und diese strenge Regel rührt übrigens davon her, dass Punks keinen progressive Rock mochten, also Rock musik, die möglichst komplex und technisch ausgereift ist und für die es Talent und musikalischen Unterricht benötigt.In den 70ern war Progressive ja kommerziell sehr erfolgreich also entwickelte Punk die Gegenphilosphie, es könne jeder Musik machen und Talent ist Nebensache.

Ich bin mir sicher, dass ich noch einiges hätte hinzufügen können und Fehler ausbessern... aber ich lasse es mal so stehen.

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