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When fire and ice collide

von

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Blut Part II

11: BLUT PT. II
 

Severus Snape ließ es sich nicht nehmen, seine Nichte direkt nach dem Abendessen zur Krankenstation zu begleiten. Das nennt man dann 'sanfte Überwachung'. Irgendwie war es ja sogar niedlich...

"Kind, bist du aber groß geworden! Als wir uns das letzte Mal gesehen haben..." "War ich fünf Jahre alt", murmelte Morgaine gereizt.

"Was macht dein Hals? Haben deine Stimmbänder sich erholt?" Madame Pomfrey wäre Morgaine wohl am liebsten um den Hals gefallen, doch ein giftiger Blick von Severus hielt sie zurück.

"Poppy, meine Nichte ist verletzt. Die Wunden reichen bis auf den Knochen und hören nicht auf zu bluten. Wenn Sie also bitte etwas dagegen unternehmen würden..." Offensichtlich gewann er langsam die Fassung zurück; er verfiel schon wieder in seinen gewohnten, harschen Tonfall.

"Natürlich."

Eifrig machte die Pomfrey sich daran, die Wunden zu versorgen. Es tat weh, aber Morgaine würde den Teufel tun und sich etwas anmerken lassen. Scheinbar interessiert betrachtete sie die Zimmerdecke.

Ich hoffe, der Seelenfresser hat dich geholt, Lascaris. Sie stiess scharf Luft durch die Zähne aus, als Madame Pomfrey die Bandagen etwas fester zog. "Sooo... Und jetzt musst du dich ausruhen. Keine Kämpfe mehr gegen Schwarzmagier diese Woche. Brauchst du ein Schlafmittel?"

Bestimmt nicht. Immerhin hatte sie heute Nacht noch einiges vor... "Nein, vielen Dank."

Ihr Onkel warf ihr einen misstrauischen Seitenblick zu. "Poppy hat recht - du brauchst Ruhe. Und deshalb wirst du jetzt in dein Zimmer gehen und dich ins Bett legen."

"Ja, Onkel Severus." Hallo? Jemand zu Hause? Für wie alt hält er mich?

Tatsächlich brachte er sie bis zum Fuß der Treppe, die in "ihren" Turm führte. Nachdem er sich mit einem raschen Seitenblick davon überzeugt hatte, dass sie allein waren, zog er Morgaine kurz in eine unbeholfene Umarmung und küsste sie sanft auf die Stirn. "Gute Nacht, kleiner Waldgeist."

Ihr wurde warm. Wie lange hatte er sie schon nicht mehr so genannt? "Gute Nacht, Onkel Severus." Ehe sie noch etwas sagen konnte, eilte er bereits den Gang hinunter.
 

Endlich war der Trubel im Gryffindor-Turm abgeebbt. Doch obwohl Neville, Seamus, Ron und Dean bereits mehr oder weniger geräuschvoll (Ron schnarchte wie ein ganzes Sägewerk, und Neville murmelte wirres Zeug über seine Großmutter, Professor Snape und ein Bonbonpapier) schliefen, kam Harry nicht zur Ruhe. Der Traum, den er in dem Haus am Grimmauldplatz gehabt hatte, beunruhigte ihn mehr denn je. Noch nie zuvor war er in Voldemorts Gedanken... nein, berichtigte er sich selbst, war er Voldemort selbst gewesen. Und wenn er in das Bewusstsein des dunklen Lords eintreten konnte- war das umgekehrt nicht genauso möglich? Einen Augenblick lang spielte er mit dem Gedanken, mit Dumbledore darüber zu sprechen, doch er verwarf die Idee fast sofort wieder. Der Direktor würde es vermutlich Morgaine LaMort erzählen, die es wiederum an Snape weitergeben würde... Und am nächsten Tag wüssten es dann bereits alle Slytherins. Nein, vielen Dank. Man tat ihn ja ohnehin schon als Spinner ab; die demonstrativen Tuscheleien in der großen Halle waren nicht zu überhören gewesen. Warum ausgerechnet ich? Dieser Gedanke suchte ihn schon seit längerer Zeit sehr häufig heim. Warum nicht jemand anders?

Seufzend kuschelte er sich tiefer in das weiche Federkissen, schloss die Augen und stellte sich vor, wie es wäre, ein ganz normales Leben zu führen. Ein Leben mit Eltern. Ein Leben, in dem es die Dursleys und Voldemort niemals gegeben hatte. Vielleicht würde er eine Freundin haben... Er hatte erwartet, bei diesem Gedanken Chos ebenmäßiges, hübsches Gesicht vor sich zu sehen, doch jemand anderes erschien vor seinem inneren Auge, kurz bevor er einschlief. Es wäre untertrieben gewesen, zu sagen, dass er sich darüber wunderte.

Wieder befand er sich in dem runden, von blassem Licht erhellten Raum, die Schlange an seiner Seite. Vor ihm auf einem Lesepult lag ein uraltes Stück Pergament, das mit seltsamen Schriftzeichen bedeckt war. "Wenn Feuer und Eis aufeinander treffen... Wenn Liebe und Hass kollidieren... Hass..."

Wütend wischte er das Blatt mit einer dürren, nicht menschlich wirkenden Hand beiseite. "Was, bei allen Geistern des Pandämonium, hat das zu bedeuten?" Erneut stieg diese rasende, alles verzehrende Wut in ihm auf...

"Potter...?"

Harry erschauerte im Schlaf, als der dunkle Lord seinen Geist berührte.

"Schau an... Sind wir jetzt ein kleiner Spion? Dann wollen wir den Spieß doch mal umdrehen..." Lange, eiskalte Finger schienen nach seiner Seele zu greifen...

"Non! Zurück!" Ein Wirbel von rotem Haar, blitzende grüne Augen... Der psychische Kontakt riss ab; zurück blieb nichts außer einer bleiernen Müdigkeit.
 

Ein Zittern lief durch Morgaines nackten Körper. Jetzt, nachdem sie das Ritual beendet hatte, spürte sie deutlich den kalten Fußboden an ihren Knien und Schienbeinen. Blinzelnd verscheuchte sie die Reste der Trance, in die sie sich vorhin versetzt hatte.

Scátach sah mit seinen klugen, bernsteinfarbenen Augen zu ihr hinüber; er schien beinahe zu grinsen.

"Sehr lustig, Flohzirkus. Du weißt genau, dass ich verdammt müde bin. Dafür war das doch gar keine schlechte Leistung." Energisch legte sie das Schwert, das sie während des Zaubers in der Hand gehalten hatte, neben die anderen geweihten Gegenstände (Kelch, Stab und Scheibe), erhob sich steifbeinig und trat aus dem magischen Kreis. Mit einer beiläufigen Handbewegung brachte sie die Kerzen, aus denen sie ihn erschaffen hatte, zum Erlöschen. "Weißt du was, Wolfstier? Ich werde jetzt ein Bad nehmen. Und du bleibst draußen!"
 

Während das Wasser einlief, betrachtete Morgaine sich einen Moment lag in der Spiegelwand: ihre tätowierten Arme, die unzähligen Narben...

Der Körper einer Kriegerin. Sachte legte sie die flache Hand auf ihren Bauch. Ich habe diesen Weg nicht einmal selbst gewählt. Aber was kann ich schon tun, außer zu kämpfen? Ich werde nie eine Familie haben... Gedankenverloren folgte sie der gezackten weißen Linie, die von ihrem Bauchnabel bis zum Rippenbogen reichte.

Mael behauptet immer, Narben seien die Ehrenzeichen eines Aurors. Vielleicht hatte er recht. In jedem Fall hatte jede ihre eigene Geschichte, ließ sich einem anderen Namen zuordnen... Sie hob die Hand und berührte mit den Fingerspitzen ihre Kehle. Voldemort... Aber wie ist diese Narbe entstanden? Ich kann mich einfach nicht daran erinnern...

Der Geisterwolf zwickte sie nicht gerade sanft in die Wade. "Du hast recht, für heute habe ich eindeutig genug gegrübelt. Aber im Badezimmer hast du trotzdem nichts verloren."
 

An diesem Morgen war das Frühstück für Harry eine echte Tortur. Er fühlte sich, als sei ein Troll über ihn hinweg getrampelt. Diese verfluchten Träume! Und zu allem Überfluss kam jetzt auch noch die LaMort darin vor. Apropos: sie betrat gerade zusammen mit Snape die Halle, bei ihm eingehakt und über etwas lachend, das der Professor gerade gesagt hatte. Vermutlich mal wieder ein dummer Spruch über mich, meldete sich Harrys Ego mißgelaunt zu Wort.

Sein Blick traf den der französischen Hexe... und die Zeit schien stillzustehen. Zum ersten Mal waren ihre Augen nicht kalt, abweisend oder voller Spott. Nein, dieses Mal lag darin eine unausgesprochene Frage. Bist du es tatsächlich? Kannst du die Prophezeiung erfüllen?

"POTTER! Man starrt eine Dame nicht derartig an! Das mag vielleicht in Ihren Kreisen die Regel sein, aber so etwas werde ich nicht dulden!"

"Onkel Severus..."

"Zehn Punkte Abzug für Gryffindor!"

"Aber..."

"Zwanzig Punkte, Miss Granger! Potter, ich erwarte, dass Sie sich bei Professor LaMort entschuldigen!"

Morgaine senkte den Blick. Es war offensichtlich, dass sie mit Snapes Maßnahme nicht einverstanden war, doch sie konnte die Methoden eines anderen Lehrers wohl kaum vor den Schülern in Frage stellen.

Zwanzig Punkte! Das ist eine Riesengemeinheit! Widerwillig stand Harry auf und trat vor die rothaarige Hexe. "Entschuldigung, Professor."

"Schon gut, Mr Potter. Setzen Sie sich wieder."
 

Sie zog ihren Onkel, der Harry immer noch drohend anstarrte, mit sich in Richtung Lehrertisch. Der Jugendliche bekam trotzdem noch mit, wie sie Snape aus dem Mundwinkel heraus "Musste das sein?" zuzischte.

"Ja", zischte der Braumeister zurück.

"Oh Mann", murmelte Harry. "Ich war so damit beschäftigt, sie für ein gemeines Miststück zu halten, dass ich ganz vergessen habe, wie fies Snape sein kann."
 

In der dritten und vierten Stunde hatten die Gryffindor-Fünftklässler zum ersten Mal Verteidigung gegen die Dunklen Künste bei Professor LaMort. Während Harry und Hermine darüber diskutierten, ob ihre Lehrmethoden eher denen von Alastor Moody oder denen von Remus Lupin glichen, pfiff Ron schräg vor sich hin.

Vor der Tür des Klassenzimmers warteten bereits die anderen Schüler. "Wie kann man sich nur so anziehen?" Parvati Patil und ihre Freundin Lavender Brown tratschten also mal wieder.

"Man weiß ja, dass Elementarmagier unzivilisierte Wilde sind."

"Ja - diese Knochen im Haar! Furchtbar!"

Ron hörte schlagartig auf zu pfeifen. "Redet ihr etwa über Professor LaMort?"

"Kennst du sonst noch jemanden, der sich Knochen in die Haare steckt?", fragte Parvati spitz, während Lavender schon wieder albern kicherte.

"Dumme Hühner. Erstens hat sie heute gar keine Knochen in den Haaren, und zweitens müsst ihr erst mal so weit kommen wie sie - dann könnt ihr euch vielleicht erlauben, sie zu kritisieren." Seine Ohren glühten in einem tiefen Scharlachrot.

"Uh, Ron", giggelte Lavender. "Du bist doch nicht etwa verliebt?"

Hermine, die neben ihm stand, schnaubte gereizt. "Wieso? Bist du eifersüchtig, Lavender?"

"Wegen Weasley? Mit Sicherheit nicht!"

"Sieht aber so aus", stichelte Hermine weiter.

Harry schüttelte den Kopf. Seit wann sind denn alle derartig auf Streit aus?

"Vielen Dank, Professor Flitwick. Das ist sehr nett von Ihnen." Morgaine LaMort und Professor Flitwick kamen den Gang hinunter; der winzige Lehrer für Zauberkunst brach fast unter einem ihn überragenden Stapel Bücher zusammen. "Aber, aber, meine liebe Professor LaMort! Ich kann doch eine Dame unmöglich einen solchen Bücherstapel tragen lassen!"
 

Sie drehte rasch den Kopf zur Seite, um ihn nicht sehen zu lassen, dass sie sich das Lachen verbeißen musste. Flitwick sah aber auch wirklich zu komisch aus! "Einen Moment, ich öffne die Tür." Lässig tippte sie mit ihrem Zauberstab (dreizehn Zoll, Blutbuche mit Phoenixfeder, verziert mit Einlegearbeiten aus Silberdraht) gegen die Tür ihres Büros; für eine solche Lappalie brauchte sie nun wirklich keinen Zauberspruch.

"Legen Sie die Bücher bitte auf den Schreibtisch." Keuchend kam Flitwick ihrer Bitte nach. "Nochmals vielen Dank, Professor Flitwick."

"Nichts zu danken, meine Liebe." Er verbeugte sich schwungvoll vor ihr und machte sich auf den Weg zu seinem eigenen Klassenzimmer.

Morgaine betrachtete den Bücherstapel prüfend und wählte einige in Leder gebundene Folianten aus, die sie mit hinausnahm. Mit einer weiteren Berührung durch ihren Zauberstab verschloss sie ihr Büro und öffnete die Tür des Klassenzimmers.

"Guten Morgen." Obwohl sie relativ leise sprach, herrschte sofort Totenstille im Klassenzimmer. Perfekt. Ich kann es also doch noch. "Wie Sie gestern vielleicht schon mitbekommen haben, ist mein Name Morgaine LaMort; ich werde dieses Jahr die Verteidigung gegen die Dunklen Künste unterrichten. Bevor wir beginnen, möchte ich zunächst die Klassenliste durchgehen..." Sie rief einen nach dem anderen auf. Als sie den letzten Namen abgehakt hatte, nickte sie zufrieden. "Schön. Ich sehe, die Klasse ist vollzählig."

Prüfend sah sie jedem einzelnen ins Gesicht. "Da Sie in den letzten vier Jahren vier verschiedene Lehrer in diesem Fach hatten, ist es natürlich nicht ganz einfach, Ihren Wissensstand zu beurteilen - zumal offenbar von einem Themenbereich zum anderen gesprungen wurde. Deswegen habe ich einen Test vorbereitet. Sie haben eine Stunde Zeit, die Fragen zu beantworten." Das indische Mädchen - Parvati Patil - schien protestieren zu wollen, doch bevor sie überhaupt dazu kam, etwas zu sagen, warf Morgaine ihr einen Blick zu, von dem sie wusste, dass er jeden Widerstand im Keim erstickte. Und richtig: Parvati schluckte und suchte nach ihrer Schreibfeder. Die Aurorin begann ungerührt, die Pergamentrollen mit den Tests zu verteilen.

"Findest du sie jetzt immer noch so toll? Ein Test! Gleich am ersten Tag!" Hasenzahn Granger. Die Nemesis jedes vernunftbegabten Menschen. Sie hielt es offenbar für angebracht, sich trotz des anstehenden Tests mit ihrem Banknachbarn, Ronald Weasley, zu unterhalten. Aber nicht in meinem Unterricht! "Machen Sie sich keine Sorgen, Miss Granger. Ich werde die Tests nicht benoten. Wie ich bereits sagte, ich möchte Ihren Wissenstand überprüfen. Letzten Endes geht es darum, dass ich den Unterricht dementsprechend gestalten kann und Sie nicht über- oder unterfordere. Fangen Sie jetzt bitte an."

Hermine lief purpurrot an und beugte sich tief über ihre Pergamentrolle. Morgaine grinste innerlich; wenn sie ihnen ein bißchen unheimlich war - um so besser.
 

Während die Klasse sich mit den anspruchsvollen, aber nicht unmöglich zu beantwortenden Fragen herumschlug, setzte Morgaine sich ans Lehrerpult und begann, einen Brief zu schreiben. Ab und zu sah sie stirnrunzelnd auf; zwar konnte sie die Aktivitäten der Klasse auch registrieren, ohne hinzusehen, doch der psychologische Effekt eines gelegentlichen strengen Blicks war einfach unersetzlich. Nachdem sie Neville Longbottom mit einem ihrer Spezialblicke beinahe dazu gebracht hatte, sich unter dem Tisch zu verstecken, wandte sie sich wieder ihrem Pergament zu.

Sehr geehrte Madame Appleby,

wenn auch nur die geringste Aussicht auf einen Erfolg - und sei er noch so klein - besteht, möchte ich, dass Sie das neuartige Heilverfahren, das Sie mir in Ihrem letzten Brief beschrieben haben, anwenden. Dabei muss ich natürlich voraussetzen, dass meiner Mutter bei einem Fehlschlag der Therapie nichts geschieht. Sollten diesbezüglich keine Bedenken bestehen, bitte ich Sie unbedingt, das Verfahren auszuprobieren.

Mit freundlichen Grüßen...

Ihre Nackenhaare sträubten sich, und sie bekam eine Gänsehaut - ihr sechster Sinn schlug Alarm. Sie fuhr so abrupt herum, dass Dean Thomas in der ersten Reihe erschrocken sein Tintenfass anstieß. Er konnte es nur ganz knapp daran hindern, umzustürzen und die Tinte über den Test zu verteilen.

Peeves, der Poltergeist von Hogwarts, lachte hyänisch. "Sehr geehrte Madame Appleby", las er mit höhnischer Stimme vor. "Wenn..."

"Darf ich Sie darauf hinweisen, dass meine Schüler gerade einen Test schreiben?", erkundigte Morgaine sich mit trügerischer Freundlichkeit. Poltergeister kamen auf ihrer persönlichen Haßliste direkt hinter Todessern und Minsteriumsangestellten - vielleicht sogar noch vor Sirius Black.

Peeves grinste über das ganze hässliche Gesicht. "Nimoue... Arme Nimoue!", klagte er mit weinerlicher Falsettstimme.

Das ist ja wohl die Höhe!

"Peeves...!", knurrte die junge Aurorin drohend.

Dieser zeigte sich nicht im geringsten beeindruckt. "Ach, arme, arme Nimoue!"

Natürlich kümmerte sich inzwischen kein einziger Schüler mehr um den Test; alle beobachteten gespannt Morgaines Auseinandersetzung mit dem Geist. Ihr ohnehin ziemlich dünner Geduldsfaden riss; sie zückte den Zauberstab, schlug damit kurz an eine bauchige Flasche, die im Regal direkt hinter ihrem Pult stand, und zischte: "In vitro!" Der kreischende und strampelnde Peeves wurde unbarmherzig in die Flasche hineingezogen; Morgaine verschloß das Gefäß kalt lächelnd und fixierte den Korken mit einem Stück magischer Schnur. "Ein sehr nützlicher Spruch, um sich nervtötende und unverschämte Poltergeister vom Hals zu schaffen." Die gesamte Klasse (selbst diese unsägliche Besserwisserin Granger) starrte sie im wahrsten Sinne des Wortes entgeistert an. "Na, was ist? Schreiben Sie weiter. Sie haben schließlich nur noch eine Viertelstunde Zeit."
 

Nach der Fünfminutenpause (in der Professor Flitwick hereinhumpelte und Morgaine eine Schale mit tiefblauen Zauberorchideen brachte) erlaubte die junge Hexe ihrer Klasse, ihr einige Fragen zu stellen. So enthusiastisch, wie die Granger sich daraufhin meldete, hätte man vermuten können, sie sei entweder eine Klatschreporterin oder Morgaines größter Fan.

"Warum unterrichten Sie als Französin an einer englischen Schule?"

"Ich bin Bretonin, keine Französin."

"Die Bretagne gehört doch zu Frankreich!"

"Ja - aber nur geographisch." Hatte dieses Mädchen denn überhaupt kein Hirn? "Sind Sie in Beauxbatons zur Schule gegangen?", wollte Parvati wissen. Beauxbatons? Die Schule für dumme, ewig kichernde Gänse und hirnlose Mitläufer? "Mit Sicherheit nicht", erwiderte Morgaine angeekelt.

"Dann waren Sie hier in Hogwarts?", bohrte Hermine nach.

"Nein."

"Aber zur Schule gegangen sind Sie doch - oder?" Alle hielten den Atem an. Lavenders Frage war eigentlich eine glatte Unverschämtheit.

"Aber ja doch." Morgaines Augen funkelten belustigt. "Und ob. Wenn es Sie derart brennend interessiert - ich war in Avalon."

"Ist es wahr, dass man da auch Unterricht in den Dunklen Künsten hat?" Entweder waren diese Schüler alle hoffnungslos unterbelichtet, oder sie redeten einfach schneller, als sie dachten.

"Der Begriff 'Dunkle Künste' ist mehr als definitionsabhängig, Mr Weasley." Hermine fand - wie nicht anders zu erwarten - ein Haar in der Suppe. "Im Handbuch der europäischen Magiergesetzgebung ist aber klar und deutlich..."

"Papier ist geduldig, Miss Granger", unterbrach Morgaine sie schroff. "Oder glauben Sie etwa auch alles, was Rita Kimmkorn im Tagespropheten schreibt?" Ihr Tonfall hatte wohl deutlich gemacht, dass sie keine Fragen mehr beantworten würde, die sich auf das Thema ,Avalon' bezogen.

Das brachte ihr jedoch auch nicht viel, denn Hermine Granger hatte bereits etwas Neues gefunden. "Sie haben gestern abend gesagt, dass Ihr Wolf ein Geist ist..."

"Ja. Und?"

"Wenn er ein Geist ist - warum können Sie ihn dann anfassen? Unsere Geister hier im Schloss sind alle nicht materiell existent."

"Das liegt daran, daß Scátach aus dem Yeunn Elez kommt."

"Dem was?"

Großartig. Sie sollte eine fünfte Klasse unterrichten, die noch nicht einmal etwas vom Yeunn gehört hatte. "Dem Yeunn Elez. Das ist ein Hochmoor in der Bretagne, in dem sich angeblich das Tor zur Hölle befindet. Die Muggel haben das ein wenig zu wörtlich genommen und es tatsächlich dazu gemacht, indem sie in der Nähe von Brennilis ein Atomkraftwerk gebaut haben. Den Sturmgeistern sei Dank ist es inzwischen stillgelegt worden. Aber verzeihen Sie, ich schweife ab. Das Yeunn ist - Mythen hin oder her - tatsächlich ein Ort der Kraft. Geister, die von dort kommen, sind so stark, daß sie sogar einen Körper haben können, wenn sie das wollen."

Das Yeunn... Der geheimnisvolle dunkle Moorsee, die karge Schönheit der Heideflächen, der majestätisch schroffe Roc'h Trévezel... Sie war erst seit einem Tag hier und hatte bereits wieder Heimweh. Aber sie würde den Teufel tun und ihre Schüler das merken lassen. Die Granger beobachtete sie bereits misstrauisch. Na warte.

"Und warum bleibt Sko..."

"Scátach", half Morgaine ihr nicht ohne Genugtuung; es war ein echtes Erlebnis, die ätzende kleine Besserwisserin über den keltischen Namen stolpern zu hören. "Warum bleibt er bei Ihnen, wenn er doch so stark ist?"

"Nun ja... Wir sind Freunde", entgegnete Morgaine verblüfft. Sie hatte sich niemals wirklich Gedanken über den Grund gemacht, aus dem der Wolf bei ihr blieb; seit dem Tag ihrer Prüfung war er immer an ihrer Seite gewesen, und sie hatte ihn stets mit Zuneigung und Respekt behandelt, wie es ihm zukam. Er war ihr Schutzgeist, so wie die Katze Achren der Schutzgeist ihrer Mutter und der Rabe Taranis der ihrer Großmutter gewesen war. "Scátach ist mein Schutzgeist, mein Seelenbruder. Das bei uns so üblich." Nachdenklich betrachtete sie den Wolf, der wie ein zu groß geratener Fellmuff halb auf ihren Füßen lag.

"Wie sind Sie Aurorin geworden?", wollte Neville Longbottom schüchtern wissen. Der arme Junge... Frank Longbottoms Sohn. Sie kannte die Longbottoms vom Sehen - sie wurden in der gleichen Klinik behandelt wie ihre eigene Mutter. "Alastor Moody kam eines Tages zu mir und fragte mich, ob ich seine Schülerin werden wolle. Das war alles."

Hermine setzte zu einer weiteren Frage an, doch in diesem Moment läutete es zum Stundenende. Die Schüler verließen den Raum. Morgaine setzte sich auf ihr Pult und ließ ihre Gedanken treiben, zurück zu jener Nacht...

"Ich werde Morgaine mitnehmen."

Auf Zehenspitzen schlich sie zur Wohnzimmertür und spähte in den Raum. Ihr Vater und ihr Onkel, vor dem Licht des Kaminfeuers kaum mehr als scharf umrissene Schattengestalten, schienen sie nicht zu bemerken.

"Das lasse ich nicht zu, Severus! Sie hat genug gelitten! Sie wird ein ganz normales Leben führen, ohne..."

"Ohne Magie, Magnus?" Die Stimme ihres Onkels war weich und kühl wie Seide, doch Morgaine spürte den darunter liegenden Stahl. "Du weißt, dass das unmöglich ist. Sie wird niemals verleugnen können, was sie ist."

"Das ist alles eine Frage der richtigen Erziehung und Unterstützung."

"Natürlich. Sie wird niemals verstehen können, warum sie anders ist als andere. Ihr Geist wird in dieser elenden Stadt vergiftet werden und langsam sterben. Und wenn du Glück hast, wird sie wahnsinnig. Dann kannst du sie in eine Anstalt abschieben, so wie du es mit Nimoue gemacht hast."

"Das muß ich mir von dir nicht gefallen lassen! Nicht von dir!"

Sie mochte es nicht, wenn die beiden sich stritten.

"Sie ist eine Hexe, und das kannst du ihr nicht aberziehen! Begreifst du das nicht? Du wirst sie zugrunde richten! Sie wird zerbrechen!"

"Kommt das von dir? Oder ist das die Meinung dieses manipulativen Tattergreises Dumbledore? Wirklich, Severus, brauchst du immer jemanden, dem du nachlaufen kannst?"

Im Halbdunkel des Wohnzimmers war das Gesicht ihres Onkels nicht mehr als eine steinerne Maske; nur seine schwarzen, kalt funkelnden Augen verrieten, wie wütend er wirklich war. "Leg' es nicht darauf an... Bruder."

Morgaine konnte nicht länger zusehen. Ohne nachzudenken, lief sie zu den beiden Männern. Ihr Vater warf ihr einen vernichtenden Blick zu. "Morgaine, ab ins Bett."

Severus strich ihr sanft über das wirre Haar. "Nicht doch. Warum lassen wir die Kleine nicht selbst entscheiden?"

"Das ist doch absurd! Schließlich ist sie nur ein Kind!"

"Morgaine. Möchtest du bei deinem Vater bleiben und wie eine Muggel leben, oder möchtest du mit mir kommen?"

Sie sah zwischen ihnen hin und her... und schob dann ihre Hand in die ihres Onkels.

Niemand wusste, dass sie bereits an dem Tag zerbrochen war, an dem ihre Großmutter starb. Sie verbarg die Tatsache, dass sie sich nur noch durch ihren Hass aufrecht erhielt, sorgsam hinter einer mühsam aufgebauten und verbissen verteidigten Fassade. Die furchtlose, kalte Aurorin. Nichts, was mich noch verletzen kann... Nichts, was mich noch erreicht...

"Morgaine?... Morgaine!" Jemand berührte sanft ihren Arm. Sie schrak auf und sah in das besorgte Gesicht von Albus Dumbledore. "Ist alles in Ordnung?"

"Ja. Ja, ich denke schon. Es sind nur... Erinnerungen."

Der Schulleiter nickte nachdenklich.

"Albus? Es wird wieder passieren, nicht wahr?"

Dumbledores hellblaue Augen hinter den halbmondförmigen Brillengläsern blitzten. "Nicht, wenn wir es verhindern können, Morgaine."



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