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When fire and ice collide

von

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Blut

10: BLUT
 

Und Nächte werden aus allen Tagen

Dann endet keine Straße mehr,

Und wie die Gespinste aus grauen Sagen

Hängen die Nebel die kreuz und quer.
 

Ich suche die Nähe und suche die Ferne

Und habe den Weg nicht weiter gebracht,

Als von einer Laterne zur andern Laterne,

Von Nebelschacht zu Nebelschacht.
 

Der Nebel geht immer mit deinem Schritte.

Nur so lang du dein Blut mit Blut vermischt,

Nimmt kurz dich das Licht in seine Mitte,

Der Nebel vorm flammenden Blut verzischt.
 

(Max Dauthendey, "Und Nächte werden aus allen Tagen")
 

Die letzte Woche bis zum Schulbeginn war ein regelrechter Alptraum für Harry gewesen: Hermine und Ron schnappten vor Stolz über ihre neue Würde als Vertrauensschüler fast über, Sirius war übellaunig und wanderte die meiste Zeit in Schweigen gehüllt im Haus herum, und die Weasleys... Er hatte noch nicht herausgefunden, was genau passiert war, doch es schien irgendwie mit Percy zusammenzuhängen. Es war seltsam genug, dass der Vorzeige-Ministeriumsangestellte nicht mit in das Haus am Grimmauldplatz gekommen war, doch seit kurzem verdüsterte sich Arthur Weasleys Gesicht, wann immer der Name 'Percy' genannt wurde; Mrs Weasley schien dauernd den Tränen nah zu sein. Andererseits wunderte er sich nicht wirklich darüber, dass ihm niemand etwas erzählte. Warum denn auch? Schließlich bin ich ja nur derjenige, der ständig von Voldemort träumt und den er ganz oben auf seiner schwarzen Liste hat...

"Harry? Hast du Trevor gesehen?" Neville Longbottoms unglückliche Stimme riss ihn aus seinen Gedanken.

"Nein. Sieh' doch mal in deiner Tasche nach."

"Er sitzt auf deinem Magazin, Luna," schaltete sich Ginny ein.

Luna Lovegood hob wie schlafwandelnd den Kopf und betrachtete verträumt die Kröte, als habe sie noch nie eine gesehen. "Oh, ja. Er wollte bestimmt auch den Artikel über den dreirüssligen Habberharrff lesen."

Ginny und Harry wechselten einen vielsagenden Blick. "Klar doch, Luna. Kommt, wir sollten uns besser fertig machen. Wir sind gleich da."

Irgendwie konnte Harry sich dieses Mal nicht richtig auf Hogwarts freuen. Natürlich fühlte er sich in der Schule eher zu Hause als bei den Dursleys, doch nach den Geschehnissen im letzten Schuljahr wusste er, dass er auch dort nicht sicher war. Außerdem schienen Ron und Hermine, seine besten Freunde, ganz plötzlich weit von ihm entfernt zu sein. Die Aussicht, Professor Snape wiederzusehen, rief auch nicht gerade Begeisterungsstürme in ihm wach. Nicht zuletzt war da auch noch Sirius: sein Pate hatte sich in letzter Zeit mehr als merkwürdig verhalten. Hatte Hermine Recht? Konnte Sirius tatsächlich nicht mehr zwischen Harry und James Potter unterscheiden? Was hatte der lange Aufenthalt in Askaban wirklich in ihm angerichtet? Seine Sticheleien gegen Mael ließen sich dagegen noch recht einfach erklären. Ginny hatte es auf den Punkt gebracht - Sirius war eifersüchtig. Fragt sich nur, warum. Oder eher, wegen wem. Harry waren die Blicke nicht entgangen, die Black der französischen Aurorin zugeworfen hatte. Ich hätte ihm einen besseren Geschmack zugetraut. Sie sieht zwar gut aus, aber sie ist ein echtes Miststück. Okay, er hat fast dreizehn Jahre lang keine Frau mehr gesehen. Aber muss es ausgerechnet die sein? Warum nicht Tonks? Er versuchte, sich Sirius und die rosahaarige Metamorphmagierin zusammen vorzustellen. Ein merkwürdiges Bild... Andererseits schien es Sirius auch nicht zu gefallen, wenn Harry sich mit Mael unterhielt. Dabei war der Bretone in manchen Dingen einfach der bessere Ansprechpartner; er war ruhig und in vieler Hinsicht wesentlich vernünftiger als sein Pate. Ob er Fred und George allerdings zustimmen wollte, wenn sie den Auroren als "cool" bezeichneten, war ihm noch nicht ganz klar. Hermine ihrerseits konnte Mael immer noch genau so wenig leiden wie er sie. Das Verhältnis der beiden ließ sich am besten mit "traute Zwietracht" umschreiben.

"HARRY!" Ungeduldig wedelte Ginny mit der Hand vor seinen Augen herum. "Träumst du?"

"Ähm... Nein..."

"Gut. Dann zieh' deinen Umhang gerade. Neville, halt' Trevor gut fest, ja?" Rons Schwester hatte sich offenbar Hermine als Vorbild erwählt. Jedenfalls beherrschte sie deren Tonfall schon recht gut. Ein gutes hatte die ganze Sache jedenfalls, denn im allgemeinen Trubel bemerkte niemand mehr, dass Harry nachdenklich und schlecht gelaunt war.
 

Ich kann nicht mehr... Ich will etwas zu essen, ein warmes Bad und ein weiches Bett. In genau dieser Reihenfolge. Müde strich Morgaine sich eine klebrig-feuchte Haarsträhne aus dem Gesicht und wischte ihre blutige Hand unauffällig an einem besonders scheußlichen Wandbehang ab. Der Sack, den sie über der Schulter trug, schien mit Steinen gefüllt zu sein... dabei war ein menschlicher Kopf für gewöhnlich nicht so schwer... Ihre gesamte rechte Gesichtshälfte schmerzte höllisch; wahrscheinlich würde sie in den nächsten zwei Tagen nur flüssige Nahrung zu sich nehmen können. Was soll's - Lascaris hat schließlich dafür geblutet.

Auch heute abend war die Aurorenzentrale wieder voll besetzt. Werden die hier dafür bezahlt, dass sie an ihren Schreibtischen 'rumsitzen und Pergament verschieben? Im Gegensatz zu ihrem letzten Besuch tuschelte allerdings niemand mehr bei ihrem Anblick. Statt dessen wurde sie angestarrt wie ein dreiköpfiger Manticor. Tja, Leute, so sieht ein Auror aus, der wirklich arbeitet...

"Mor... Miss LaMort! Bei Merlins Bart, was ist passiert...?" Tonks, die gerade aus Supervisor Conollys Büro trat, schlug entsetzt eine Hand vor den Mund. "Hallo, Aurorin Tonks. So, wie es aussieht, waren Raymond Lascaris und ich nicht ganz einer Meinung."

"So kann man das auch ausdrücken..." Die Metamorphmagierin warf einen prüfenden Blick auf Morgaines zerfetzte Hemdsärmel und notdürftig verbundene Unterarme. "Brauchen Sie einen Heiler?"

"Nein. Ist Conolly da?"

"Ja. Einen Moment, ich sage ihm, dass Sie da sind. Sind Sie ganz sicher, dass Sie wirklich keinen Heiler..."

"Ja. Ganz sicher." Zähneknirschend zwang Morgaine sich zur Gelassenheit, auch wenn ihre Hand sich bereits um den Griff ihres keltischen Langschwerts krampfte.

Ein Fluss... Breit und ruhig fließend, das Wasser im Sonnenlicht schimmernd... Murmelndes, plätscherndes Wasser... Verflucht! Nein, sie würde nicht anfangen, Amok zu laufen. Dumbledore braucht mich in dieser Position... In Askaban oder St. Mungo's kann ich nichts ausrichten. Also: das Meer... Kleine, gleichmäßige Wellen... Möwen... "Und Heerscharen von Touristen, die ihren Müll am Strand liegen lassen und das Meer mit Sonnenöl verpesten." So viel zum Thema "mentale Entspannungsübung". Was würde sie nicht dafür geben, Mael jetzt an ihrer Seite zu haben! Seine Ruhe färbte wundersamerweise immer auf sie ab. Außerdem hinderte er sie stets gewissenhaft daran, Dummheiten zu begehen. "Hey, Großer. Alles klar bei dir?"

"Ich kann mich nicht beklagen. Und wie geht es dir?"

"Keine Probleme. Der Lascaris-Auftrag ist erledigt. Ich bin schon mit einem Bein auf dem Besen nach Hogwarts."

Pause. "Morgaine... Versprichst du mir, dass du jemanden deine Wunden versorgen lässt?"

Genau das war der Nachteil an einer so engen geistigen Verbindung. "Ja, ja. Mach' ich."

"D'accord...¹ Pass' auf dich auf."

"Ja. Du auch auf dich." Damit unterbrach sie den Kontakt, ehe ihm noch ein paar Ermahnungen einfielen. Manchmal benahm er sich, als sei er ihr Vater oder wenigstens ihr älterer Bruder. Na ja, letzteres war gar nicht mal so sehr daneben...

"LaMort. Sie sind zurück."

"Offensichtlich, Conolly."

Sein Blick verriet eine Mischung aus Faszination, Furcht und Ekel. "Was haben Sie da in den Haaren?"

"Lassen Sie mal sehen. Da haben wir Muscheln, verschiedene Amulette, Federn, diverse Knochen..."

"Knochen?"

Sie zuckte mit den Schultern und bereute es augenblicklich. Der Muskelkater morgen würde nicht von schlechten Eltern sein. "Ja. Knochen." Er machte einen Schritt auf sie zu, streckte die Hand aus...

"Wagen Sie es ja nicht!"

Verwirrt sah er sie an, die Fingerspitzen nur einen Zentimeter von ihrem Haar entfernt.

"Fassen Sie mich nicht an, oder ich sehe mich gezwungen, Ihnen wehzutun." Widerstrebend ließ er die Hand sinken. "Von Respekt Vorgesetzten gegenüber haben Sie auch noch nie etwas gehört, oder?"

Ein dünnes, humorloses Lächeln zuckte um ihren Mund. "Meinen Respekt muss man sich erst einmal verdienen."

Conolly marschierte in sein Büro und winkte sie ungeduldig hinein. Vermutlich war es ihm unangenehm, diese Konfrontation vor Tonks auszutragen. Und richtig: kaum war Morgaine eingetreten, schloß er die Tür hinter ihr. "LaMort, sind das menschliche Knochen?"

"Ja."

"Verdammt noch mal, lassen Sie sich doch nicht alles aus der Nase ziehen! Wem gehören diese Dinger, und wie kommen Sie auf die perverse Idee, sich so etwas in die Haare zu binden?"

"Erstens handelt es sich um die Fingerknochen von Raymond Lascaris. Rechte Hand. Und zweitens steht es Ihnen wohl kaum zu, meine religiösen Überzeugungen als 'pervers' zu bezeichnen."

"Religiöse Überzeugungen? Das ist widerlich!"

"Kaum widerlicher als gewisse andere Formen der Religion. Hören Sie, ich bin in Eile. Könnten Sie vielleicht meinen Auftrag gegenzeichnen, damit ich den Fall zu den Akten legen kann?"

Noch immer etwas blass um die Nase verschanzte er sich hinter seinem Schreibtisch. "Sie haben Lascaris also verhaftet?"

"Nicht direkt. Wie Sie wissen sollten, war diese Fahndung als Fall der Kategorie 1 eingestuft." Damit nahm sie den Sack von der Schulter und platzierte seinen Inhalt mitten auf Conollys schweinslederner Schreibunterlage.

"Nehmen... Sie... das... weg!", würgte der Supervisor.

"Nein. Das fällt nicht mehr in meine Zuständigkeit." Lächelnd reichte sie ihm ein zerknittertes Stück Pergament. "Eine Unterschrift, bitte."
 

Die Auswahl, bei der ein schäbig aussehender Hut die neuen Schüler einem der vier Häuser Gryffindor, Slytherin, Hufflepuff und Ravenclaw zuteilte, war vorbei. Albus Dumbledore hatte sich gerade erhoben, um seine Rede zum Schuljahresbeginn zu halten.

Missgelaunt trommelte Harry mit den Fingern auf die Tischplatte. Wo war Hagrid? Fiel denn außer ihm niemandem auf, dass sein Platz am Lehrertisch leer war? Und wie konnten die anderen bloß so ruhig sein? Sie mußten doch wissen, dass Voldemort zurückgekehrt war und seine Anhänger erneut zusammenrief. Warum also taten sie so, als sei nichts geschehen? Cedric Diggorys Tod im letzten Jahr ließ sich nicht einfach unter den Tisch kehren...

Cho Chang lächelte ihm vom Tisch der Ravenclaws her zu, und Harry spürte, wie die Röte in seine Wangen kroch. Wie hübsch sie mit ihrem langen, schwarzen Haar und den mandelförmigen Augen war!

"...die komplette Liste hängt wie immer an der Bürotür von Mister Filch zur Einsicht aus. Nachdem wir das geklärt haben..."

"Hem, hem."

Ein eiskalter Schauer lief Harrys Rücken hinunter. Dieses demonstrative Räuspern kannte er doch... genau so wie die krötenartige Frau mit der rosa Haarschleife, zu der es gehörte.

"Dürfte ich mich kurz vorstellen?"

Minerva McGonagall und einige andere Lehrer sahen sie missbilligend an, doch das schien sie in keinster Weise zu stören. Dumbledore lächelte sanft. "Natürlich, Dolores. Wie Sie möchten."

Sie nickte zufrieden und erhob sich - was allerdings keinen großen Unterschied machte. "Meine lieben Kinder", begann sie.

Fassungslose Blicke wandten sich ihr zu. Dies hier war immerhin eine Schule für Zauberei und kein Kindergarten.

"Mein Name ist Dolores Umbridge, und Zaubereiminister Cornelius Fudge hat mich persönlich hergeschickt, damit ich über eure Erziehung wache. Meine Aufgabe wird es also sein, die Einhaltung des Lehrplans zu kontrollieren und die Qualitäten der einzelnen Lehrer zu prüfen - denn schließlich ist für unsere Jugend das beste gerade gut genug. Zusätzlich werde ich, da Schulleiter Dumbledore offenbar keine passende Besetzung für diesen Posten gefunden hat, den Unterricht in der Verteidigung gegen die Dunklen Künste übernehmen."

"Entschuldigung, Dolores", warf Dumbledore freundlich, aber bestimmt ein, "ich habe die Stelle durchaus besetzt."

Die Umbridge hüstelte pikiert. "Und wo ist der besagte Lehrer, Albus?"

Wieder dieses harmlos-tiefsinnige Lächeln. "Sie wurde vermutlich aufgehalten. Aber das kann man einer erfolgreichen Aurorin wohl kaum anlasten."

In Harrys Magengrube bildete sich ein Eisklumpen. Bitte nicht.

"So... eine Aurorin, also. Ist die Dame ausreichend qualifiziert, um hier zu unterrichten?"

"Dessen bin ich mir ganz sicher."

Das rote Gesicht der Ministeriumsangestellten biss sich auf groteske Weise mit ihrer Haarschleife. "Und wer ist dieses... Wundertier?"

Diese Frage interessierte Harry nun allerdings auch brennend.

"Sie ist eine Schülerin von Alastor Moody..."

"Blödsinn! Dieser gemeingefährliche Irre hatte nie..."

Der Schulleiter nickte ruhig. "Doch, Dolores. Er hatte eine Schülerin."

"Das... das kann nicht Ihr Ernst sein! Nicht DIE!"

Bevor sie dazu kam, ihrem Protest noch lautstärker Ausdruck zu verleihen, flog die Tür am Ende der Halle krachend auf. Eine seltsame, Harry nur zu bekannte Gestalt trat ein, gefolgt von dem keifenden Argus Filch.

"Nicht die schon wieder!"

Seine Freunde waren mindestens genau so überrascht - um nicht zu sagen, geschockt - wie er. "Das ist unsere neue Lehrerin...?", keuchte Ron, während Hermine sich auf einen äußerst giftigen Blick beschränkte. Der Rest der Schüler starrte Morgaine LaMort gespannt an, und mit einem Mal herrschte, abgesehen von Filchs asthmatischem Schimpfen, Totenstille.

Durch die Zeit, die sie gemeinsam mit Morgaine, Mael und Aidan in dem Haus am Grimmauldplatz verbracht hatten, waren Harry und die anderen bereits an exzentrische Auftritte gewöhnt, doch das hier übertraf alles. Die französische Aurorin hatte einen großen, blauschwarzen Bluterguss im Gesicht; ihre Kleidung bestand zum größten Teil aus Fetzen und war mit etwas verschmutzt, das verdächtig nach getrocknetem Blut aussah. Das Bemerkenswerteste aber war wohl das große Schwert, das sie an einem schweren, silberbeschlagenen Gürtel an ihrer linken Hüfte trug.

"Dumbledore! Ich protestiere! Das ist..."

Morgaine beachtete weder die kreischende Umbridge noch die neugierigen Schüler. Statt dessen wirbelte sie herum und zischte Filch an: "Lassen Sie mich endlich mit Ihrer dämlichen Katze in Ruhe!"

"Es geht ja gar nicht um Mrs. Norris", lamentierte der Hausmeister. "Sie können nur Ihren Wolf nicht mit ins Schloss nehmen!"

Besagtes Tier tauchte jetzt hinter Filch auf, Abscheu in den bernsteinfarbenen Augen.

"Seien Sie doch nicht albern! Erstens ist Scátach ein Geist, und zweitens begleitet er mich immer und überall!"

"Er ist gefährlich..."

"Ist er nicht."

"Aber Mrs. Norris..."

"Seien Sie froh, daß er ein Geist ist, sonst hätte er das blöde Vieh vermutlich gefressen! Und zwar mit meinem vollsten Einverständnis!"

Nicht nur, dass sie ihn regelrecht anfauchte - durch ihre heisere Stimme klang sie doch ziemlich bedrohlich. Filch stolperte vorsichtshalber einige Schritte rückwärts; er war inzwischen um die Nase herum grasgrün und ansonsten kreidebleich geworden.

Ron, der seine Fassung inzwischen zurückgewonnen hatte, kicherte in seinen Kürbissaft hinein. "Wahnsinn! Endlich gibt mal jemand dem alten Filch Zunder! Klasse, meinst du nicht, Harry?" Begeistert drehte er sich zu seinem Freund um. "Warum unbedingt sie?", murmelte dieser verwirrt. Wieder eine dieser großen Fragen. Warum war es Dumbledore so wichtig, dass diese Furie in Harrys Nähe blieb? Und warum fühlte er sich in ihrer Gegenwart so seltsam?

Einen Augenblick später hatte er allerdings noch mehr Grund, verstört zu sein: Morgaine hatte offenbar beschlossen, jetzt auch den Hausmeister zu ignorieren. Sie wandte sich dem Lehrertisch zu, woraufhin...

"Morgaine!"

"Onkel Severus !" ...woraufhin sie auf Professor Snape zueilte, der die Halle bereits halb durchquert hatte, und ihm begeistert um den Hals fiel.

Prompt verschluckte Ron sich an seinem Saft. ",Onkel Severus'?"

"Das erklärt einiges", meinte Harry bissig. In der Tat erklärte es eine ganze Menge.

Noch während Snape (,Onkel Severus') der jungen Hexe den Arm um die Schultern legte und sie zu dem Podest führte, auf dem der Lehrertisch stand, erhob Albus Dumbledore sich und schlug mit einer Gabel gegen seinen Pokal mit Kürbissaft. "Darf ich noch einmal um Ruhe bitten? Ich möchte euch die neue Lehrerin für Verteidigung gegen die Dunklen Künste vorstellen: Professor Morgaine LaMort." Er schüttelte der Hexe freundschaftlich die Hand. "Professor LaMort ist eine hochrangige Aurorin des französischen Ministeriums, die sich freundlicherweise bereit erklärt hat, in diesem Jahr diesen leider ständig vakanten Posten zu übernehmen. Ich bin sicher, von ihr könnt ihr eine Menge lernen. Im Namen der ganzen Schule heiße ich Sie herzlich willkommen, Morgaine."

"Vielen Dank, Albus."

Normalerweise wurden neue Lehrer immer mit einem enthusiastischen Applaus begrüßt, doch die Schüler wussten offenbar nicht, was sie von der jungen Aurorin halten sollten; schließlich begannen einige Ravenclaws, zögerlich zu klatschen. Sie nickte mit einem knappen Lächeln, bevor sie sich an den freien Platz neben Snape setzte; der Geisterwolf Scátach rollte sich zu ihren Füßen zusammen.

"Onkel Severus... Ich glaub's nicht!" Ron war immer noch fassungslos.

Harry schüttelte nur sprachlos den Kopf. Das muss ein Alptraum sein... Bitte lass mich im Ligusterweg aufwachen... Selbst das schien ihm momentan erstrebenswerter als ein Schuljahr mit Snape, Draco Malfoy, der Umbridge und natürlich Snapes Nichte.

Apropos Umbridge: sie betrachtete die etwas unzivilisiert Essen in sich hineinschaufelnde Morgaine wie etwas mehr als ekelhaftes. Im Gegensatz zu allen anderen hatte die Unterstaatssekretärin sich nicht wieder hingesetzt. "Das ist eine untragbare Frechheit, Dumbledore! Das Ministerium wird es ganz sicher nicht zulassen, dass so etwas hier unterrichtet!"

"Also, Dolores, ich bitte Sie. Sie könnten Professor LaMort schon etwas freundlicher begrüßen..."

"Sie ist hier keinesfalls willkommen", keifte die Umbridge.

Der Geisterwolf erhob sich böse grollend. "Shh, Scátach", wies Morgaine ihn sanft an, um direkt danach noch etwas Beruhigendes auf Bretonisch hinzuzufügen. "Dolores", versuchte Dumbledore es noch einmal, "ich glaube nicht, dass..."

"Man weiß doch, was man von diesen Elementarhexen zu halten hat! Sie sind nicht besser als Tiere!"

"Im Vergleich mit Ihnen ist das eine Beleidigung für die gesamte Tierwelt", platzte Morgaine heraus. "Woher nehmen Sie das Recht, andere zu beurteilen? Fangen Sie doch erst mal bei sich selbst an!"

Die menschliche Kröte plusterte sich empört auf. "Das muß ich mir von einer... von der unehelich geborenen Tochter einer genauso unehelichen, unverheirateten Hexe aus einer Linie von Bastarden..."

"DOLORES!", donnerte der alte Zauberer. "Sie werden sich auf der Stelle entschuldigen!"

Die Schüler und auch der größte Teil des Lehrerkollegiums zuckten zusammen; derartig wütend hatten sie den Schulleiter noch nie erlebt. Dolores Umbridge hingegen verlegte sich darauf, die Aurorin bohrend anzustarren. Snape, der bislang wie beschützend eine Hand auf Morgaines linken Arm gelegt hatte, machte Anstalten, sich einzumischen.

"Bitte nicht, Onkel Severus", winkte die junge Hexe resigniert ab, um sich dann an Dumbledore zu wenden. "Vergessen Sie es, Albus. Ich lege keinen Wert auf eine Entschuldigung, die sowieso nicht ehrlich gemeint wäre. Im Übrigen bin ich sicher, dass Vizeminister Duguay es sehr interessant finden wird, wie Miss Hembridge..."

"UMBRIDGE!"

"...sich mir gegenüber verhalten hat."

Dumbledore stieß zischend den Atem zwischen den Zähnen hindurch. "Dolores..."

Die Umbridge warf Morgaine einen letzten, durchdringenden Blick zu und ließ sich dann kommentarlos auf ihrem Stuhl nieder.

Der Schulleiter räusperte sich. "Nun... Ich hoffe, dass das Schuljahr eine bessere Richtung einschlagen wird, als sein Beginn es vermuten lässt. Damit keine Missverständnisse aufkommen: ich werde an dieser Schule keinerlei Vorurteile und Diskriminierungen gelten lassen; jeder, der sich eines solchen Verhaltens schuldig macht, wird die Konsequenzen zu tragen haben. Und nun weiterhin guten Appetit."
 

Abwesend kraulte Morgaine Scátach hinter den Ohren. "Das fängt gut an, was, Pelzknäuel?"

"Du könntest sie jederzeit in ihre Schranken weisen..."

"Nein. Noch nicht. Ich kann warten."

"Was ist mit Harry Potter? Wirst du ihn auf seine Aufgabe vorbereiten?"

"Habe ich eine andere Wahl?"

Eine der Wunden an ihrem Unterarm war wieder aufgebrochen und tränkte den zum Verband degradierten smaragdgrünen Seidenfetzen (ein Überrest von Lascaris' Umhang) mit Blut.

"Du bist verletzt", bemerkte ihr Onkel besorgt.

Sie lächelte ihn voller Zuneigung an. "Ist nicht so schlimm. Es war nur ein Flash Blade. Ich habe ihn mit den Unterarmen abgefangen, weißt du."

"Geh' bitte nachher damit zu Poppy Pomfrey."

Das ist ja nicht zum Aushalten! "Sicher", seufzte sie. "Das habe ich Mael auch schon versprechen müssen."

Der Zaubertranklehrer nickte beifällig. "Und wie geht es Mael?"

"Es geht ihm gut, und ich werde ihn immer noch nicht heiraten."

Severus grinste. "Es ist unhöflich, Gedanken zu lesen."

"Ja, Onkel Severus", erwiderte sie trügerisch brav.

Er schenkte ihr etwas Wein nach. "Soll ich sie für dich vergiften?", erkundigte er sich mit einem raschen Seitenblick auf die Umbridge.

"Nein, danke. Mit der werde ich schon selbst fertig."

Sie ließ den Blick über die schwatzenden, sich vollstopfenden Schüler schweifen, bis sie Harry Potters Augen traf. "Potter... Gib' acht, was du tust. Es geht hier nicht nur um dich." Befriedigt bemerkte sie sein Zusammenzucken. Offenbar hatte er ihre telepathische Nachricht fälschlicherweise als Drohung aufgefasst. Nun, das konnte sich vielleicht noch als nützlich erweisen.
 


 

¹: d'accord: in Ordnung



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