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Tribal

I`ll be your home
von

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Wish

Sieh wie es wächst, dieses wunderschöne Kind des Schicksals und halte einfach weiter durch. Heiliges Licht leuchtete hell in dieser kalten Nacht im Winter. Eisige Kälte umgab dich und der Schnee der Berge erschien so zart im Mondlicht. So tückisch und voller Gefahren. Du hast gekämpft und wolltest damit deine Seele stark halten. Dich gegen alles wehrtest was man dir vorgeworfen hatte. Hattest mehr verloren als jeder andere von ihnen. Aber sag mir Fuchsmutter: wo warst du gewesen? Du sahst so mitgenommen und dünn aus. Warst die eine die immer nahm, einen Unheilsbringer schimpften sie dich, also lass mich dich nun um dein Leben rennen sehen. Wolfsvater an der Tür, du lächelst nicht mehr. Du warst einer der liebte, ein Gestaltwechsler, also lass mich auch dich nun rennen sehen. In der Ferne ertönte der Gesang einer Stimme, eine die über vergessene Zeiten im Wind sang. Doch Fuchsmutter…du wolltest nicht hinhören und legtest dich mit den Göttern an. So siehst du es nun fallen, dein geliebtes Kind des Schicksals, aber reichst ihm dennoch eine Hand in größter Not. So wie damals, als du durch den dunklen und tiefen Dschungel gerannt bist, bevor das alles anfing. Damals noch, als die Sonne unter ging und die Bäume starben, so wie die Flüsse versiegten. Auf der Suche nach einer Spur um dich von diesem Ort weg und wieder nachhause zu bringen. Doch es gab keinerlei Geräusche in dieser Welt, nur dich und dein Weinen nach Liebe. Oh du hast den Tod angefleht dich noch länger zu verschonen. Dich und alle die du geliebt hast. Aber was du nicht sehen konntest waren eiskalte Hände die nach dir griffen. Als Gott nicht mehr für dich da war und der Teufel über dich kam, wer hatte da noch Erbarmen mit deiner Seele? Kein Heil, keine Glorie, kein Silber oder Gold, nichts konnte dich retten, nur deine Seele sich selbst. Und als der Tod kam um deine Seele zu holen, die Türen für dich zum Himmel oder in die Hölle geöffnet wurden, da hattest du die Wahl. Mit kalter Seele bist du im Schnee verblieben. Dort wo du starbst. Dein Geist rein wie der erste Winterschnee. Und du bist noch nicht soweit zu gehen, denn du wirst gebraucht. Hast eine Aufgabe zu erfüllen. So wanderst du in der Welt der Lebenden umher. Leise und so weiß wie der Schnee leitest du dein Kind des Schicksals in die richtige Richtung. Verbindest zwei Welten miteinander. Dieses eine Kind welches dir so ähnlich sieht trägt dein Blut in sich. Jenes Kind…was dieselbe Schande auf sich geladen hat wie du damals und diese nun auch ertragen muss.
 

Es war bereits spät am Mittag und jeder verrichtete seine Arbeiten.

Eine Gruppe von Patcheen kamen von dem Feld wieder und hatten dort reichlich was geleistet. So waren es junge Mütter die Körbe mit Weizen, so wie auch Früchten und Gemüse vor sich her trugen. Es war ein gewöhnlicher Tag für sie und neben ihnen rannten ihre kleinen Kinder mit. Sie spielten fangen, lachten glücklich und genossen den Tag mit ihren Eltern auf dem Feld, denn auch sie lernten dadurch und hatten ebenso für das Essen zu arbeiten wie jeder andere im Dorf. Es war harte Arbeit gewesen, aber sie halfen gern und freuten sich noch mehr auf den Rest des Tages, wenn die Arbeit komplett getan war und sie zusammen spielen konnten. Spielen bis in den Abend wenn der Himmel dunkel wurde, der Mond aufging und die Müdigkeit sie später sanft in den sicheren Schlaf hüllen würde. Ein Leben das so einfach und simpel war. Etwas was nur Kinder kannten und später verloren wenn sie erwachsen wurden. So sollte es sein. So war die Natur. Besonders wenn man Mutter wurde.

Mit dabei waren auch die Zwillinge Lip und Rap, die neben ihrer Mutter herliefen und dabei ein fröhliches Kinderlied sangen, während sie zusammen einen Korb trugen. Es war kein spezielles Lied. Einfach etwas was sie immer sangen. Etwas was sie sich selbst ausgedacht hatten und das keiner kannte außer den Zwillingen. Sie lebten sorglos in den Tag. Behütet von ihrer Mutter. Und wie alle anderen auch, waren diese Kinder rein. Ihr Verstand war ungetrübt von Macht und Gier. Damit waren sie auch in der Lage Dinge zu sehen die sonst keiner wahrnehmen konnte. So wie in jenem Moment, als die Zwillinge wieder im Dorf ankamen und vor ihrem Zuhause den Korb abstellten.

Sie lachten, fingen sofort und direkt vor dem Wigwam an zu spielen. Schmissen sich aufeinander und rollten sich über den Boden, während ihre Mutter kurz dazu lächelte und dann im warmen Zuhause verschwand. Die Kinder spielten weiter, aber hörten dann etwas klingeln. Etwas was ihre Aufmerksamkeit auf sich zog. Es klang wie ein Glöckchen, so dass sie stoppten. Und kurz darauf blieben die Kinder lachend liegend und sahen von sich aus nach rechts. Sie kannten das Geräusch und sahen zum Platz vor ihnen, genau dort wo das Lagerfeuer hell brannte. Sofort machte sich ein breites Lächeln über ihren Gesichtern breit und im Nu saßen sie aufrecht und winkten jemanden fröhlich zu, der über den Platz lief und am großen Lagerfeuer vorbei schlenderte. Sie war wieder da…Lange war es her.

Ein junger Mann, der da ebenfalls lang lief, sah verdutzt zu ihnen und winkte nur nett zurück. Dachte es würde ihm gelten, aber er wusste ja nicht dass sie etwas komplett anderes sahen. Etwas was nicht jeder sehen konnte und nicht verstand. So erblickten sie das Tier das neben ihm vorbei lief und mit leisen Pfoten keinerlei Spuren am Boden zurückließ. Wie ein Windhauch und sanft lief es durch das Dorf. War so elegant und wunderschön. Die Mädchen lachten, als das wunderschöne Wesen deswegen stehen blieb und links zu ihnen rüber sah. Es war verdutzt. Dort blieb es dann auch auf vier Pfoten stehen und legte dann den Kopf etwas schief. Es war ein Weibchen, ein weibliches Tier und sie schien verwundert zu sein das die Kinder sie grüßten. Das Fell schimmerte und strahlte rötlich im Licht des Feuers und eines der großen Ohren zuckte aufmerksam dabei auf. Neugierig hob es den Kopf schnüffelnd zu ihnen, aber dann lief es einfach weiter. Es waren nur Sekunden des Kontakts gewesen und dann schenkte es ihnen keine Beachtung mehr, während die Mädchen noch immer hinterher winkten und lachten. Sie waren froh dass sie wieder da war, denn dann lief alles gut. Sie brachte Glück. Das wusste doch jedes Kind! Doch nicht oft passierte es dass dieses Weibchen so herzlich empfangen wurde. Denn eigentlich…konnte sie keiner sehen. Deswegen drehte sich auch keiner um und sah zu diesem wunderschönen Wesen, das leise durch das Dorf lief und somit auf den Wigwam des Häuptlings zu wanderte. Ein Zuhause…was sie nur zu gut kannte. Sie kam nicht aus dieser Welt, aber sie war hier weil sie noch was zu erledigen hatte. Würde für immer für diese Familie da sein. Keiner konnte sie sehen und das war auch gut so, denn andere würden sich vor ihr fürchten. Würden sie als Unheil sehen, so wie damals. Dabei war sie hier um zu helfen…dieser wunderschöne, schneeweißen Fuchs mit den stechenden, goldenen Augen. Sie besaß keinen Namen. Nicht mehr. Aber sie hatte mal einen gehabt, der lange vergessen und mit Schande behaftet worden war. Sie ließ ihn im eiskalten Schnee des Berges zurück.

So kam sie vor dem Wigwam an und legte den Kopf kurz schief. Nur um danach mit einem leisen Sprung einen Satz durch das Fell des Eingangs zu machen und dann kam sie dahinter im warmen Wigwam an. Sofort blieb sie stehen, schüttelte sich vor Wärme freudig und legte den Kopf erneut etwas schief, als ihr Schweif langsam von links nach rechts wedelte. Es lag daran das sie sah was sich vor ihren Augen abspielte und genau deswegen hielt sie auch Abstand und lief nur einige Zentimeter neben dem Eingang weg und setzte sich dort hin. Sie war hier um zu helfen, denn sie schützte diese Familie. Ihre Familie. So das sie einfach weiter vor sich sah und auf ihren Moment wartete. Zusah worauf alles hinauslaufen würde und sie dann eingriff. Ihre Augen waren stechend, aber so sanft und mit diesen beobachtete sie das Spektakel das da vor ihr ablief. Etwas…was ihr das Herz brechen könnte, wenn sie noch eines besitzen würde. Doch stattdessen schmerzte es sie komplett zuzuhören. Diese Worte….Er hatte sich so verändert…

Eine laute Stimme sprach sauer:

„Ich verstehe das einfach nicht! Er ist dein Sohn, du musst ihn nicht so hart rannehmen! Was soll das?! Denkst du nicht das er in letzter Zeit schon genug gelitten hat?!“

Yoh saß direkt vor dem kleinen Feuer in ihrem Zuhause und mit dem Rücken zu dem Fuchsgeist hinter ihm, als er vor sich seinen Gatten anfauchte. Er war sichtlich geladen, noch immer und das obwohl sie sich seit dem Morgen nicht mehr gesehen hatten. Erst vor Kurzem waren sie wieder zusammengekommen und wollten über alles in Ruhe reden. Aus der Ruhe wurde aber nichts denn Hao fuhr verdammt schnell wieder an die Decke als er mitbekam was in seiner Abwesenheit passiert war. Doch im Gegensatz zu Yoh, der still im Schneidersitz saß und nur laut sprach, konnte Hao nicht stillhalten und lief vor ihm und hinter dem Lagerfeuer, auf und ab. Er war ebenfalls gereizt und sein Blick war streng und sauer zum Boden gerichtet. So bekam er seinen Kopf einfach nicht um die Tatsache was seine Königin da getan hatte. Vieles war in den letzten Tagen passiert. Vieles womit er nicht einverstanden war und das alles betraf seinen Sohn. Und am Schlimmsten war: er konnte nichts verhindern. Hao kam sich schrecklich hilflos vor und er bekam immer mehr den Eindruck das Hana gnadenlose Narrenfreiheit innerhalb des Dorfes genoss. Und das alles lief auf das Konto von seiner Mutter.

Also blieb er kurz darauf stehen und sah streng zu Yoh runter, der seiner Meinung nach mit ein Problem an allem darstellte. Dabei verschränkte er seine Arme vor sich, was man dieses Mal gut sehen konnte, denn gerade trug er seinen Poncho nicht und lief Oberkörper frei herum. Seine langen Haare waren verziert mit den zwei großen Federn an der linken Seite des Kopfs, dort wo der Häuptling und sein Erbe sie traditionell trugen. Federn des Adler-Gottes Dyami zierten ihn und an seiner Brust konnte man noch deutlich die Narben sehen die er damals bei Apollo davongetragen hatte. Wunden des Kampfes gegen einen ihrer vier Götter die sich tief in sein Fleisch geschnitten hatten. Eine Erfahrung die ihn schwer verletzt, aber nicht nah genug an den Rand des Todes gebracht hatte. Er war gut davon gekommen.

Ein tiefes Schnaufen entfloh schließlich seiner Kehle und dann sprach er zu Yoh, der offenbar nicht den Sinn und Zweck von allem verstanden hatte:

„Es geht hier nicht darum ihn einfach nur so zu bestrafen! Denkst du das macht mir Spaß, Yoh?! Das ich ihn absichtlich jeden Tag anfahre und ihm somit zeigen muss wo seine Grenzen sind?! Ich möchte dass er einfach seinen Kopf zusammenhält und das macht was man von ihm verlangt! Aber, so wie ich mal wieder sehe, bekommt er nichts davon hin! Er war die ganze letzte Nacht weg gewesen! Weis Apollo wo! Und kaum ist er mal wieder im Dorf meidet er mich und schleicht sich dann auch schon wieder davon! Dieses Kind ist immer auf Achse! Dabei soll er mit seinem Hintern hier sein und lernen den Stamm zu führen! Weis Dyami was er da draußen wieder anstellt während wir hier reden!“

Er wand seinen Blick sauer ab.

Auf der einen Seite hatte er recht, aber er machte das viel zu sehr verbissen. Es drehte sich um nichts anderes in seiner Erziehung. Nicht mehr. Dabei war er komplett anders gewesen als Hana noch klein war… Und Yoh saß nur weiterhin ungläubig da und schüttelte dann den Kopf. Er konnte sich das nicht mehr anhören. Lange hatte er zu dem Thema geschwiegen und lange hatte er gedacht es wäre alles das Beste für Hana. Aber seit der Aktion, seit dem was Goldva getan hatte…wusste er dass es falsch war. Yoh musste Hana schützen…auch vor seinem Vater, wenn er müsste. Also sprach er taff:

„Er hat sich nicht davon geschlichen! Er war hier und hat mit mir gesprochen! Ich wusste dass er geht und deswegen ist das kein Davonschleichen! Dein Sohn ist alt genug und nicht an dieses Dorf gefesselt! Er darf genauso raus und hingehen wo er möchte, wie jeder andere auch! Warum willst du ihn krampfhaft hier einsperren?!“

Mal abgesehen davon dass er nicht zu verbotenen Orten gehen sollte, wo Hana sich ja erst rumgetrieben hatte.

Und schon kam Yoh auch auf die Beine. Er war es leid. Sie standen hier und stritten sich um Hana sein Wohlbefinden, was auch gut war, bis auf das Streiten, aber sie kamen einfach dabei auf keinen gemeinsamen Nenner. Der junge Schamane vertrat die Meinung das Hana seinen eigenen Weg finden musste und er ihn dabei unterstützen wollte. Das war etwas was ihm beim letzten Treffen klar geworden war. Sein Sohn war erwachsen und stand zu seinen Fehlern. Und darauf war Yoh stolz. Er vertraute Hana…aber er war sich nicht sicher ob sein Gemahl das tat. Denn Hao fing an seinen Sohn an der kurzen Leine halten zu wollen und die zog er gerade sogar noch strammer und enger an, als noch vor einigen Tagen und das wegen dem was im Tal passiert war. Es war aus Sorge, aber dann auch noch weil Goldva ihm diesen Floh in den Kopf gesetzt hatte. Dieser Floh der schrie: böses Blut! Wie bei seiner Großmutter…

Sicher wollte sein Vater für ihn nur das Beste, aber bei Hao artete das langsam in eine Art von Kontrollzwang aus. Denn er wollte Hana nicht nur leiten und beschützen…er wollte ihn kontrollieren und lenken. Doch machte er das aus Überzeugung? Oder wegen der alten Hexe? Yoh bekam das nämlich mit und war erschrocken darüber das Hao es offenbar nicht verstand. Nicht verstand wie sehr er Hana an die Leine nahm und das er sich so sehr von Goldva hat verrückt machen lassen, dass er nun anfing seinen Sohn das Leben schwerer zu machen als er es schon hatte. Denn Hana sein Leben war so schon nicht leicht. Und das lag an einer Sache: Er war ein geschlechtlicher Mischling. Genau wie Yoh. Aber dennoch so anders und verwirrt. Er sah Hana an…das er nicht genau wusste was er nun war. Ob Junge, oder Mädchen. Yoh hatte seine Rolle als Mutter akzeptiert. Er hatte seine weibliche Seite des Körpers akzeptiert. Aber Hana hatte nichts davon. Und er wusste auch dass er anders war. Das er beides besaß, was andere ja nicht hatten. Das allein hatte ihn als Kind schon verwirrt, was auch berechtigt war.

Hao wollte so sehr dass er dem Weg folgte den er für ihn bestimmt hatte. Und genau deswegen bekamen sie sich wieder in die Haare. Noch nie hatten sie so sehr um Hana sein Wohlbefinden gestritten wie in jener Sekunde und das seit fünf Tagen. Seit fünf ganzen Tagen kamen sie immer und immer wieder in einen Konflikt um ihren Sohn. Und Yoh fragte sich langsam immer mehr woran das lag. Er konnte es nicht ganz fassen. Ja, Hana hatte sich verändert. Und das war auch okay, aber es sorgte für Streit unter den Eltern. Ob er sich zum positiven oder negativen entwickelt hatte, das musste man noch genauer herausfinden, aber er war definitiv anders. Doch was hatte ihren Sohn dazu getrieben? Was war in den letzten fünf Tagen nur passiert das Hana sich so drastisch gegen die eigene Familie und Struktur ihres Stammes stellte? Als fing er an zu hinterfragen was richtig oder falsch war und das würde Yoh nicht mal sonderlich wundern, denn Hana war ein sehr schlauer und aufmerksamer Junge. War er schon immer gewesen. Er hatte die schnelle Auffassungsgabe seines Vaters geerbt, aber die Güte seiner Mutter. Doch leider war da auch noch zusätzlich der Dickschädel seines Vaters im Weg und er lenkte gern sein Handeln. Etwas was Hao aber nie einsehen würde. Der Grund, dass Hana so ein Dickkopf war, das war er. Es waren seine Gene die das verursacht hatten und dennoch behandelte er seinen Sohn wie eine Strafe. Machte ihn wegen etwas an und verurteilte ihn obwohl er das selber besser konnte als jeder andere! In der Hinsicht war Hana ein Spiegelbild seines Vaters und es war ungerecht ihn deswegen so zu behandeln. Das Hao ihn so behandelte. Und dann gab es da noch diesen anderen Punkt…Den mit Asanoha. Hao seiner Mutter. Es lag wie ein Schatten auf ihrer Familie. Wie ein Schatten auf Hana, der ihr so ähnlich sah. Doch das war ein ganz anderer Haufen um den man sich kümmern musste. Einer der noch etwas warten konnte und für den Yoh sich auch schon mental vorbereitete.

Doch Yoh erinnerte sich dann auch schlagartig an vorhin zurück. Erinnerte sich daran zurück als Hana den Bogen seines Vaters stehlen wollte und wie er dabei gewirkt hatte. Etwas ging in ihm vor. Er machte unbedachte Aktionen, von denen er wusste dass sie mehr als falsch waren und dennoch hatte er noch die Kurve bekommen und aufgehört. Wenn auch mit Unterstützung in Form eines Arschtritts seiner Mutter. Er hatte verstanden dass es dumm gewesen war. Und dennoch tat er sie…aber warum? Er wünschte sich so sehr das es einen guten Grund dafür gegeben hatte. Etwas wo seine Mutter ihm leichter verziehen könnte. Sowas wie…das er es aus Liebe tun wollte. Weil er verliebt war und sich beweisen wollte. Aber das schien nicht der Fall zu sein…

Yoh holte sich zurück und verschränkte nun auch die Arme vor sich, so wie Hao und sprach weiter:

„Hör bitte auf ihn wie ein kleines Kind zu behandeln! Oder wie einen Wolf den man an die Leine nimmt! Hana ist alt genug um zu wissen was richtig, oder falsch ist!“

Falscher Satz. Ganz falscher Satz. Und Yoh hatte keine Ahnung dass er damit einen Sturm losgetreten hatte, denn als er das sagte sah ihn Hao sehr verdutzt an und zeigte danach mit dem rechten Zeigefinger auf sich selbst. Er konnte nicht glauben was er da hörte und sprach auch etwas lauter und saurer zurück:

„ICH soll aufhören ihn wie ein Kind zu behandeln?! Ist das dein Ernst Yoh?! Wer rennt denn immer um ihn herum und nimmt ihn vor allem in Schutz?! Wie oft habe ICH schon zu dir gesagt: du sollst den Jungen nicht decken! Du sollst ihn sich wehtun lassen damit er versteht dass es auch Konsequenzen in seinem Tun gibt! Aber DU hast es immer und immer wieder getan! Bist wie eine überfürsorgliche Wolfsmutter um ihn herum gesprungen und hast sofort seine Wunden geleckt wenn er sich auch nur leicht verletzt hat! Du hast sein jetziges Verhalten damit gefördert und ihm dadurch gezeigt dass es keine Grenzen gibt, weil er immer sofort von dir gedeckt und bemuttert wurde wenn er Mist gebaut hat! Also wag es nicht MIR zu unterstellen ich behandel ihn wie ein Kind, wenn du ihn selber an dich gekettet hast und jedes Mal in schiere Panik ausgebrochen bist wenn er sich nur zwei Meter von dir entfernt hat!“

Und das war damals der Fall gewesen. Yoh wusste das es nicht richtig gewesen war, aber er war selber erst eine Mutter geworden und hatte keinerlei Erfahrung damit. War sehr nervös gewesen. Noch dazu liebte er seinen Sohn über alles und konnte sich weinend mit daneben setzten wenn Hana sich verletzte und anfing zu weinen. Er wollte nur das Beste, so wie Hao auch, aber er hatte erkannt wann es an der Zeit war zu stoppen. So wie vor einigen Stunden. Das machte alles nicht wieder gut, was er damals getan hatte…aber er versuchte es. Denn wenn Hana etwas brauchte…dann war es Vertrauen und Respekt. Respekt vor dem was er war.

Yoh schluckte darauf schwer den Kloß im Hals runter und gab etwas erstickend und sauer von sich:

„Ich bin seine Mutter und ich liebe ihn über alles! Natürlich springe ich gleich hin und kümmere mich um ihn wenn er sich verletzt hat! Das machen Mütter so! Aber im Gegensatz zu dir höre ich ihm zu und gebe ihm Sicherheit! Ich bin immer für ihn da, egal was er auch anstellt! Er ist ein so lieber Junge und du nimmst ihn viel zu hart ran Hao! Hana ist empfindlich und lieb und nicht so hart wie du! Warum kannst du das denn nicht einsehen?! Dein Sohn braucht einen Vater der ihm zuhört und ihn akzeptiert wie er ist und nicht einen der ihn fesselt und ihm sagt was er zu tun und zu lassen hat! Er ist so kreativ und offen, aber mit deiner strengen und traditionellen Art machst du ihn nur kaputt! Und ich sehe nicht dabei zu wie du unseren Sohn kaputt machst!“

Yoh wurde dabei sogar immer lauter und das schien Hao zu erstaunen.

Er sah seine Königin zwar noch immer sauer dabei an, aber er konnte nicht leugnen dass er beeindruckt war. Selten kam es vor das Yoh so sehr aus der Haut fuhr, das stand fest, aber das er dies für ihren Sohn tat war nichts Besonderes. Er war durch und durch eine Mutter und liebte sein eigen Fleisch und Blut über alles. So wie es sein sollte. Etwas was auch ER tat. Hana war nicht nur Yoh sein einziges Kind, sondern auch seins und es würde niemals ein Anderes geben außer ihn. Es gab nur einen Nachwuchs innerhalb Yoh seiner Blutlinie und auch Hana würde nur einen Nachwuchs zeugen können. So war ihre Familie. So war ihr Fluch. Aber dafür konnte jedes Geschlecht, innerhalb dieser Linie, schwanger werden. Doch Hana war der Erste der diese Regelung brach…obwohl er komischerweise auch einen weiblichen Zugang hatte. Er besaß, wie seine Mutter, männliche und weibliche Geschlechtsorgane. Allerdings war sich Goldva ziemlich sicher das Hana nie Mutter werden könnte, denn angeblich würde er über keine Gebärmutter verfügen. Sie hatte ihn untersucht und abgetastet, somit stellte sie das damals fest. Hao verstand nicht wie, aber er glaubte ihr natürlich. Und genau aus dem Grund musste Hana aufhören sich so zu verhalten. Er musste ein Mann werden und aufhören sich wie ein Mädchen zu benehmen! Daran fuhr kein Weg vorbei. Hao grauste es damals davor als der Kleine mit einem Blumenkranz zu ihm kam und das er, auch heute noch, Blumen mehr mochte als mit bloßen Fäusten zu kämpfen. Hana war kein großer Raufbold. Er hatte eine freche Klappe und war schlau, aber niemals in Kämpfe verwickelt. Nicht wenn er sich nicht wehren musste. Und da sich keine anderen Kinder, innerhalb des Dorfes, mit ihm als Sohn des Häuptlings anlegten, musste er sich auch nie prügeln. Er war sehr behütet aufgewachsen. Das Kämpfen und Jagen hatte sich etwas verbessert, zumindest in den letzten Jahren als er älter wurde, aber dennoch stellte er sich schrecklich an beim Jagen und machte nur Fehler. Er dachte zu viel nach und machte komische Pläne die dann nach hinten losgingen. Oder er dachte überhaupt nicht nach und wollte mit dem Kopf durch die Wand. Beides war gleich schlimm in Hao seinen Augen. Immer und immer wieder war Hana mit dem Kopf wo anders und sein Vater hatte es langsam, aber sicher, satt. Er musste diesen Träumer endlich auf den Boden der Tatsachen bringen. Nämlich den: das er mal den Stamm führen würde und alle zu beschützen hatte. Hao selber wurde bereits mit 16 Jahren neuer Anführer und Hana verhielt sich teils noch wie ein Kind! Er musste lernen ein Häuptling zu werden! Er war Hao sein einziger Erbe und mit dieser Bürde konnte er nicht so bleiben wie er aktuell war. Deswegen nahm er ihn hart ran und Yoh hatte mit einer Sache recht: Er akzeptierte seinen Sohn nicht wie er war, denn er wollte das er besser wurde! Besser als das was er aktuell war! Es plagte ihn als Vater seinen Sohn so feminin zu sehen, denn Hana…würde nie eine Mutter sein, also musste er aufhören sich wie ein Weibchen zu benehmen. Es wurde langsam an der Zeit.

Er schnaufte erneut sauer und antwortete seiner Königin:

„Und ich lasse nicht zu das du unseren Sohn noch mehr verhätschelst! Hana wird NIE eine Mutter sein! Hörst du? NIE! Also hör gefälligst auf ihn so zu behandeln und ihn auf etwas vorzubereiten was niemals passieren wird! Ihm damit Flöhe in den Kopf zu setzten! Es macht mich verrückt wenn ich mir sogar schon anhören muss dass auch Goldva schon der Meinung ist Hana einem Mann zur Frau zu machen! Das lasse ich nicht zu! Mein Sohn ist ein Junge und er wird einmal mein Erbe antreten und den Stamm als Häuptling führen!“

Yoh gab darauf wörtlich zurück:

„Das mache ich doch überhaupt nicht! Aber du gibst ihm ja nicht mal eine Chance der zu sein der er sein will! Er geht die Dinge eben anders an als du! Das ist doch nichts Schlimmes! Genau aus dem Grund sind wir alle einzigartig!“

Donnerte Yoh dann hinterher, aber Hao ließ sich davon nicht aus dem Konzept bringen.

„Was hat ihm seine angebliche Kreativität und Individualität bisher gebracht, hä?! Genau! Nichts! Alles was er damit schafft ist sich unnötig in Gefahr zu bringen, oder früher ins Grab! Jedes Mal, wenn er das Dorf verlässt, mache ich mir erneut Gedanken darüber dass er allein da draußen rumfliegt und droht sich den Hals zu brechen bei den Aktionen die er immer bringt! Und ich kann nicht verstehen wie DU hier sitzen kannst und ihm blind vertraust! Am Ende des Tages kommt er nicht nachhause, oder hat wieder etwas angestellt! Unser Sohn ist ein Tollpatsch Yoh! Zumindest was seine eigene Sicherheit angeht! Und ich lasse nicht mehr zu das er da raus rennt und sich in Gefahr begibt! Denn ich habe nicht das Vertrauen in ihn so wie du es hast, weil ich meinen Sohn nämlich kenne! Und damit endet die Diskussion auch! Ich habe besseres zu tun als mich den ganzen Tag mit dir darüber zu streiten Yoh! Deswegen werde ich jetzt Silva und einige Männer zusammentrommeln und nach ihm suchen gehen! Sonst kommt der Junge nämlich gar nicht mehr nachhause!“

Und er meinte es auch so. Es war das letzte Machtwort das er ausgesprochen hatte.

Sein Blick blieb dabei streng auf seiner Königin liegen und Yoh sah ihn nur erschrocken an. Er konnte einfach nicht glauben was er da gehört hatte. Wie…konnte er das nur tun? Wie konnte er seinen Sohn so behandeln? Ihm nicht vertrauen und zu etwas zwingen was ihn nicht glücklich machte. Hao behandelte Hana nicht wie einen Sohn…sondern wie eine Lebensversicherung falls er mal nicht mehr das Dorf leiten könnte. Das dann jemand da war und ihn ersetzte. Das war…nicht richtig. Und nun war Yoh sich inzwischen auch sehr sicher…das Hao ihn nicht mal richtig kannte. Er kannte seinen Sohn nicht richtig. Das er sich in einer Illusion verrannt hatte und in Träumen wie er sich seinen Sohn immer wünschte. Etwas…etwas was auch Goldva wollte. Wessen Worte waren das eben gewesen? Hao seine, oder Goldvas? Er wusste es nicht, aber eines wusste er genau: Hana würde nie so sein…und das musste Hao verstehen. Also schluckte Yoh noch mal und sprach dann darauf etwas leiser und trauriger zu ihm:

„…Hast du ihn auch nur einmal gefragt was ER gerne möchte? Nur einmal Hao?“

Doch er bekam keine Antwort darauf und nur einen Blick von Hao der sich stur von ihm abwand.

Aber genau das war Antwort genug. Und natürlich hatte er nicht gefragt. Nie hatte er Hana gefragt was er mal werden möchte. Er wusste nicht ob Hao es wirklich nicht wollte. Ob es ihm egal war was sein Sohn wollte, weil es nicht in seine eigene Agenda passen würde. Aber vielleicht hatte Hao auch Angst. Angst das…Hana nicht so war wie er es sich vorgestellt hatte. Wie er ihn sich wünschte. Und es tat Yoh in der Seele weh zu sehen wie Hana immer mehr erblühte, besonders in den letzten Tagen und sein Vater versuchte ihn in einen dunklen Raum zu sperren damit diese Blume niemals neue Knospen sprießen lassen könnte. Wie er sich an einen Weg halten sollte den sein Vater ihm ausgelegt hatte. Doch Hao liebte Hana…aber auf eine ganz andere Art und Weise als Yoh. Und so sehr Hana auch dumme Sachen machte in den letzten Tagen, Yoh konnte es ihm dennoch ansehen. Der Kleine…sah glücklich dabei aus. Er hatte dieses Strahlen in den Augen, wenn er daran dachte wo auch immer er mit den Gedanken gerade hin driftete. Seiner Mutter war das aufgefallen. Und auch die Blume die Hana damals mitgenommen hatte war ihm aufgefallen. Es war eine Kamelie. Eine Rote. Eine Blume die stark mit ihrer Familie verbunden war. Sie war neben ihrem Haus ins Beet eingebettet worden…und sie fing langsam an zu blühen.

Yoh wollte gerade um das Feuer herumlaufen und Hao wieder entgegentreten. Sich ihm stellen ganz ohne diese Barriere zwischen ihnen, die für Abstand sorgte, als er etwas sah und sofort verharrte, denn erstaunt sah der Junge Schamane dem zu, was sich da vor seinen Augen abspielte.

Rechts aus seinem Augenwinkel schlich sich etwas vorbei. Es war wie ein heller Schatten. Sanft und anmutig trat es dann auch schon direkt neben Hao seinen Beinen vor Yoh. Etwas von dem sein Gatte aber nichts mitbekam. Konnte er auch nicht, denn er hatte nie gelernt offen mit der anderen Welt zu kommunizieren. So sah der junge Schamane wie diese reine Seele, auf vier Pfoten, neben Hao zum Stehen kam und sich sanft hinsetzte. Kein Geräusch war von dieser ertönt, als sie sich setzte und auch Yoh konnte nichts mehr hören weil seine Gedanken und sein Blick sich völlig auf dieses Wesen fokussierten. Er kannte es. Ein Naturgeist…den er besser kannte als andere. So war es ein schneeweißer Fuchs. Derselbe Fuchs der ihn und Hao in jener Nacht vermählte und sie hoch zur Quelle lockte. Der Hana, in dieser Nacht, in die Wege geleitet hatte und seinen Sohn auch damals besuchte, als er noch ganz klein gewesen war. Das war nicht irgendeine Seele…Es war Ame. Daran gab es keinen Zweifel. Yoh hatte niemals das weiße Fell und diese hellen Augen vergessen. Aber warum war sie da? Sie kam doch immer erst dann wenn man sie brauchte…

Sie saß neben Hao und legte den Kopf schief, als sie Yoh genau anstarrte und der Schweif, hinter ihr, sanft von links nach rechts wedelte. Ihre Augen waren stechend wie immer und sie sah ihn weiter an als sie dabei ein leises Geräusch von sich gab. Es war eine Mischung aus einem Maunzen und Kichern, aber sehr zart und weich. Und als sie das tat kam es Yoh vor als wollte sie ihm was sagen. Als versuchte sie mit ihm zu kommunizieren. Doch er konnte sie nicht verstehen. Egal wie sehr er ihr auch lauschte und alles andere ausblendete, er verstand sie nicht. Nicht mal dann als sie die Ohren traurig fallen ließ. Yoh verstand zwar die Trauer, aber er wusste nicht weswegen und woher sie kam. Doch als Ame dann rechts neben sich hoch sah, zu Hao sah…da verstand er es. Sie kam hier her weil sie sich stritten, weil sie es persönlich nahm und nicht wollte. Sie wollt diesen sinnlosen Streit um Hana beenden. Und endlich sah Yoh klar und es traf ihn wie ein Hammerschlag, der schon lange überfällig war. All die Jahre hatte er es nie verstanden, war im Dunklen herumgeirrt und blind. Doch nun sah er sie als das was sie wirklich war. Sie war ein Schutzgeist der Familie…aber noch so viel mehr. Sie war…

Und dann machte Ame ein leises Jammern zu Yoh vor und sah ihn eindringlich an. Er verlor sich in diesen goldenen Augen vor sich, die in derselben Farbe schimmerten wie die von…Hana? Und dann gab es einen weiteren Schlag durch seinen Körper. Einer der richtig weh tat und ihn überfiel wie ein Schwarm Heuschrecken. Es hatte funktioniert und Ame stand dann leise auf und lief wieder langsam zurück. So schnell wie sie gekommen war, genauso schnell ging sie auch wieder. Lief an Yoh vorbei und raus aus dem Wigwam. Sie hatte mit ihrem Blick eine Verbindung zu dem Schamanen geknüpft und konnte ihm damit etwas Zeigen. Sie ließ ihn fühlen was sie fühlte. Und das war wichtig gewesen denn durch seinen Streit mit Hao hatte Yoh es nicht bemerkt. Die Gefühle nicht erfassen können. Doch sie war gekommen um zu helfen. Hatte hoffentlich dem Schamanen wieder die Augen geöffnet. Und sie fühlte nun selber dass sie wieder wo anders gebraucht wurde. Also verschwand sie…suchte erneut nach dem Kind des Schicksals, an das sie gebunden war und musste ihm beistehen. So sprang sie aus dem Wigwam raus ins Freie und rannte los. Rannte quer über den Platz und verschmolz dann mit der Luft des dunklen Dschungels. Sie musste zu ihm. Zu beiden.

Ame hatte es tatsächlich geschafft. Sie hatte den jungen Schamanen erreicht und die Erkenntnis traf ihn hart wie ein Fels vom Himmel, denn innerhalb von Sekunden spürte Yoh wie ihm das Herz verkrampfte und seine Organe versanken, als würde sie etwas nach unten zerren. Auf seinem Gesicht legte sich ein Ausdruck des Schreckens, der Hao nicht entgangen war. Ein furchtbarer Anblick bot sich ihm. Yoh wurde von Sekunde zu Sekunde immer blasser und schien abwesend zu sein. Sein Herz klopfte schneller, fing an zu rasen und er konnte es hören…ein anderes Herz…das langsamer schlug. Wie hatte er das nicht schon früher gemerkt? Seine komplette Welt versank in Dunkelheit, als er es spürte und er begann nun auch dabei zu zittern. Hao sah ihn nur weiter verwirrt und besorgt an, denn wenn Yoh so erstarrte verhieß das meistens nichts Gutes. So sprach er auch sofort wieder mit ihm. Er fragte ihn. Fragte ihn: was los war. Immer und immer wieder, aber Yoh konnte seine Stimme nur gedämpft und unverständlich wahrnehmen. Sein Herzschlag donnerte ihm bis zum Hals und sein Blut gefror zu Eis, als er anfing noch stärker zu zittern. Es fühlte sich für ihn plötzlich selbst so an als würde er sterben und er sah weiter vor sich in die Leere, denn es war als könnte eine Stimme durch sie hören. Die Stimme…die er besser kannte als jede andere in seinem Leben. Sie klang schwach und zittrig. Sie rief nach ihm und weinte dabei. Litt Qualen. Und es war genau in dem Moment, als die Stimme zu ihm rief: Mutter...So das Yoh darauf, vor Schrecken, einen Schritt zurück machte. Als die Realisation sank und er wusste wer da nach ihm gerufen hatte, dachte er er müsse brechen vor Panik. Sein Herz drohte erneut stehen zu bleiben und sofort rannten unkontrolliert Tränen aus seinen Augenwinkeln und die heißen Wangen hinab, die nun anfingen rötlich zu glühen. Und dann hörte er die Stimme wieder…und dieses Mal schrie sie nach ihm. Schrie als würde sie bald ihren letzten Atemzug tun und danach waren es nur Sekunden gewesen…bis endlich was passierte.

Es brach Yoh sein Herz und seine Starre vollkommen in zwei…als er sich schlagartig umdrehte und aus dem Wigwam rannte und das ganz ohne Vorwarnung und wortlos. Hao sah ihm erschrocken nach und setzte sofort hinterher. Er hatte gesehen das etwas nicht stimmte und folgte Yoh, der wie gebissen durch das Dorf rannte und hinaus in den Dschungel. Der Junge rannte als wäre der Teufel hinter ihm her, oder als ginge es um Leben und Tod. Und er verstand: das es ein Fehler gewesen war. Ein so großer Fehler und er hätte ihn nie gehen lassen sollen. Er war so blöd und nun musste er offenbar dafür bezahlen. So sprang er über einen Baum und keuchte denn er war es nicht gewohnt so viel zu rennen, aber er riss sich dennoch zusammen und rannte immer weiter. Yoh wusste nicht wohin die Reise ging, aber er konnte es fühlen. Konnte die Richtung fühlen. Er rief nach ihm. Er litt Qualen. Er…er starb. Und Yoh schrie. Schrie aus dem tiefsten Innern seiner Seele nach dem der ihn rief. Dessen Stimme er in seinem Herzen noch immer hören konnte. Der Name hallte durch den Dschungel und brachte einige Tiere sogar in Aufruhr, dass sie sich aus den Bäumen erhoben und wegflogen. Alles brach über ihm zusammen und Todesangst flutete ihn, während er erneut laut den Namen durch den Dschungel schrie. Nach dem Menschen rief den er mehr als alles andere liebte. Das Kind das in ihm gewachsen war und mit dem ihm noch immer alles verband. Sein Baby das Schmerzen hatte und von dem er fühlte das er immer schwäche wurde. Und so schrie Yoh verzweifelt, während er sich durch das Gestrüpp vor ihm drückte, immer wieder hallend den Namen den er selber ausgesucht hatte. Damals als dieser geboren wurde und er dieses zarte Baby an sich drückte. Er damit der glücklichste Mensch der Welt wurde. Er schrie den Namen seines Sohnes…

„HANA!!“

Die starke Bindung zwischen Mutter und Sohn war ungebrochen.
 

Unter meiner Haut kann ich es kribbeln spüren. Diese Wunden wollen einfach nicht heilen. Die Furcht ist das was mich zum Fallen bringt und verhindert dass ich erkennen kann was richtig oder falsch ist. Und da ist etwas in mir das ich, unter meiner Oberfläche, an mir zerren spüre. Es ist gnadenlos und verzehrt mich. Verwirrt mich noch zusätzlich. Der Verlust der Selbstkontrolle ist etwas wovor ich mich mehr fürchte als alles andere. Wie ein dunkler Schatten der droht über mich herzufallen, wenn ich nur eine Sekunde meine Mauern niederlasse und nicht aufpasse. Ich erkenne mich einfach selbst nicht wieder und je länger ich lebte, umso schlimmer wurde es. Die Wände kamen immer näher und drohten mich unter meinen Gefühlen zu erdrücken. Denn ohne einen Funken von Selbstvertrauen ist es zu viel Druck unter dem ich leide. Ich habe mich schon mal so gefühlt. So unbeholfen und unsicher. Und jetzt hat sich Unwohlsein über mich gespannt und dieses hört nicht mehr auf an mir zu nagen. Es lenkt mich ab und ich reagiere nur noch instinktiv, da ich keinen Platz mehr zum klaren Denken besitze. Und gegen meinen eigenen Willen stehe ich nun neben meinem Spiegelbild, das so anders ist als früher. Der Tod lächelt mich durch dieses an. Gekleidet in einem grünen Gewand und mit einer Waffe an der Hüfte. Ein Skelett meiner Selbst und es verfolgt mich. Doch ich kann mich diesem nicht stellen. Erinnerungen greifen mich durch dieses Spiegelbild an und verschlingen mich, als würde man alte Wunden dadurch immer wieder öffnen wollen. Doch das ist nicht mal nötig, denn ich reiße mich selber wieder in Stücke wenn ich nur daran denke. Ihr alle denkt zwar ich wäre in diesem Raum sicher, den ich mir selber erschaffen habe und in dem ich mich verkrieche. Zumindest bis ich mich wieder raus traue und es erneut versuche. Aber ihr irrt euch, denn erneut versuche mich allem zu stellen ohne Schwäche zu zeigen. Doch ich will nicht immer der sein der die Kämpfe anfängt. Denn innerlich habe ich verstanden wie durcheinander ich noch bin und das es falsch war. So weis ich auch nicht mehr wofür es sich noch lohnt zu kämpfen, oder warum ich hier sitze und schreie. Weis nicht warum ich mich selbst in Ketten lege und Dinge sage die ich überhaupt nicht so meine. Wann bin ich nur so geworden? Ich weis das es nicht richtig ist. Also versuche ich mich an DIR festzukrallen. Du bist mein Notharken und meine Heilung. Ich verschließe die Tür in meinem Herzen stark und versuche wieder Luft zu bekommen. Versuche dich dort drin zu halten damit du immer bei mir sein kannst. Doch damit tue ich den Leuten um mich mehr weh als vorher. Aber ich habe einfach keine Andere Wahl mehr, denn ohne dich bin ich nichts. Und wenn du weg bist…dann habe ich nichts mehr wofür es sich zu kämpfen lohnt. Ich schmiere es mit deinem Blut an die Wände vor mir, denn ich bin der eine der den Fehler begangen hat dich nicht zu beschützen. Dazu stehe ich. Und am liebsten würde ich nie mehr kämpfen und es so enden lassen. Zu dir kommen wo auch immer du bist. Doch mein Leben lässt dies nicht zu, denn es ist, seit meiner Geburt, ein Kampf und wird immer einer bleiben solange ich lebe. Aber etwas hat sich geändert. Ich habe etwas Neues gefunden. So erinnere ich mich plötzlich an den dunklen Himmel und die Blitze überall um mich herum. Erinnere mich an jeden Knall, als die Zeit plötzlich anfing stehen zu bleiben. Und wie ein warnendes Zeichen hat mich das Schicksal letzten Endes doch gefunden. Erst war da nichts vor mir zu sehen, nur Erinnerungen die mich fesselten und es gab keinen Ort wo ich mich verstecken konnte. Aber dann kamst DU, ein Sonnenschein und die Hitze war bei uns wie ein Segen. Du hast sie mitgebracht. Der Boden riss zwischen uns auf, denn in jedem Verlust und jeder Lüge, in jeder Wahrheit die ich versuchte vor dir zu verstecken, in jedem Selbstzweifel und jedem Abschied war ein Fehler der zu groß war um ihn vor dir zu verbergen. Und am Ende war deine Stimme alles was ich hören konnte. Sagte mir: Ich bekäme das was mir zusteht. Und du hattest recht. Aber bitte gib mir einen Grund zu zeigen wie falsch ich doch lag. Hilf mir diese Erinnerungen zu bereinigen und mich zu heilen. Lass die Wellen höher schlagen und diese Distanz zwischen uns überbrücken, die ich da vor mir in deinen Augen sehe. Gib mir einen Grund dieses Loch in meinen Herzen zu füllen um den Abstand zwischen uns zu verknüpfen. Lass es ausreichen, um die Wahrheit zu erreichen, die hinter dieser neuen Kluft vor uns liegt. Ich bin jetzt hier und ich sehe deinen Schmerz. Durch die Stürme, durch die Wolken, durch den Regen und ich sage dir: du kannst mir nicht entkommen. Einige mögen die Verrücktheit in dir sehen. Dort wo ich reine Liebe erkennen kann. Ich habe mich verändert. Genau wie du. Also lass mich dieses Mal deine Sonne sein die auf dich herab lächelt. So wie du es für mich getan hast…in dem Moment als ich dich das erste Mal traf und deswegen starb. Denn ich starb für dich…damit mein zweites, mein neues Leben, endlich anfangen konnte zu beginnen.
 

Das kalte Licht der Lampe über ihnen schien weiterhin auf den Tisch.

Es war sehr still in diesem sterilen Raum geworden. Keine Schreie ertönten mehr und die Gemüter fingen endlich an abzukühlen und nachdem Sugiura erfolgreich die Patrone aus Hana seinem Bauch entfernt hatte begann die nächste Etappe seiner Rettung.

Seit dem der Schuss aus Anderson seiner Waffe geknallt war und Hana in den Bauch traf, war einiges passiert und das innerhalb von nur einer Stunde. Eine Stunde die wie ein Schrecken verlief. Wie ein Alptraum und surreal. Alles lief so schnell und zügig ab, so dass man aufpassen musste nicht den Verstand, oder den Faden zu verlieren und das war noch nett ausgesprochen gewesen. Nicht jeder war in der Lage viel Blut und Verletzungen zu sehen und auch alte Hasen aus der Armee taten sich noch damit schwer. Besonders Sakurai hatte man das angesehen, der nun wirklich schon einige schlimme Dinge erlebt hatte in seinem Leben und wusste wie man überlebte. Aber Sugiura war dennoch der Einzige der Hana retten konnte.

Der Sanitäter hatte schon einige Wunden in seinem Leben behandeln müssen. Das kam mit dem Beruf. Schnitte, Stichwunden, Stöße, Prellungen, Knochenbrüche und so vieles mehr, aber er würde sich nie wirklich daran gewöhnen Schusswunden zu behandeln, denn für ihn persönlich gab es nichts Schlimmeres. Eine Schusswunde war nichts was man auf die leichte Schulter nehmen durfte, egal ob die Kugel durch das Fleisch ging, oder nicht. Diese Wunden waren bestialisch, grausam und heimtückisch und das obwohl sie meist sehr sauber wirkten, zumindest oberflächlich, aber das war nur eine Täuschung den im Innern des Körpers rissen sie alles auseinander und verursachten ein blankes Chaos in Fleisch und Organen. Knochen splitterten und brachen, Eingeweide zerrissen und das alles innerhalb von Sekunden sobald der Schuss aus der Waffe donnerte. Und jedes Kaliber erzeugte andere Versionen des Schreckens. Präzise Waffen wie: Gewehre und Pistolen, erzeugten diese heimtückischen Wunden, die harmloser aussehen konnten als sie es waren. Aber noch schlimmer waren Flinten die auf Streumunition setzten und ihr Opfer förmlich in Stücke rissen. Die Menschen komplett mit Wunden übersäten, oder aufrissen und sogar Körperteile abtrennen konnten durch deren bloße Wucht. Es war grauenvoll. Schusswaffen gehörten mit zur schrecklichsten Erfindung die der Mensch jemals erschaffen hatte. Grausam, respektlos und eiskalt. Man stand sich nicht stolz Auge in Auge gegenüber und bewies was man drauf hatte um den anderen niederzuringen, so wie es damals der Fall gewesen war als Schwerter noch herrschten. Heute griff man hinterhältig und feige aus der Entfernung an und verursachte schreckliche Wunden damit. Schlimmer als es einige Schwerter je erreichen konnten.

Sugi erinnerte sich noch genau daran wie er ohnmächtig werden wollte, als er seine erste Schusswunde an einem Soldaten behandeln musste. Man nahm ihn damals nicht sanft an die Sache ran, sondern schmiss ihn gleich ins kalte Wasser und überreichte ihm eine schreckliche Wunde in Form eines zerfetzten Unterarms als Feuerprobe. Bisher hatte er immer nur an Puppen geübt, oder an Kadavern von Tieren, aber als dann der erste Verletzte vor ihm saß da wollte er am liebsten Kotzen und wegrennen. Er fühlte sich völlig überfordert, denn der Unterarm, den er behandeln sollte, war komplett zerfetzt gewesen. Nicht nur das man genau das Muskelgewebe sehen konnte, so wie auch die Sehnen die sich durch den Arm zogen, nein man sah auch gesplitterte Knochen und überall war, logischerweise, Blut. Aber das für ihn Schlimmste war…das der Unterarm eigentlich nur noch an dem Knochen des Oberarms baumelte und der alles war was diesen unteren Teil noch mit dem Oberarm noch verband. Als hätte ihn ein wildes Tier angefallen und mit bloßer Kraft zerfetzt. Aber nicht ein Tier, oder gezielter Schuss hatte das verursacht...es waren mehrere gewesen und Sugi wusste damals auch sofort was sowas verursacht hatte. Denn es gab nur eine Waffe die so schreckliche Wunden erzeugte: Es war ein Sturmgewehr gewesen und das erkannte er sofort an den Wunden. Eine der schlimmsten Waffen überhaupt die innerhalb des Militärs im Umlauf waren. Er hatte genug über Waffen und deren Auswirkungen auf den Menschen lernen müssen, deswegen fiel ihm das sofort auf.

Das erste Sturmgewehr wurde im Jahre 1913 vom Waffenkonstrukteur Wladimir Fjodorow in Russland entwickelt. Dieser verwendete damals die japanische 6,5-mm-Gewehrpatrone des Arisaka-Karabiners. Seine Konstruktion, der Automat Fjodorow, war also ein automatisches Gewehr, das Langpatronen verschoss. Diese Waffen kamen immer mehr in den Umlauf und über die Zeit wurden die Geschosse immer schlimmer, kleiner und tödlicher. Und das lag nur an einem Faktor: An der Munition selbst. In Diskussionen, während seiner Ausbildung, ging dabei immer wieder hervor dass diese Waffen nicht allein wegen ihrer hohen Kadenz gefährlich sind, sondern dass eine spezielle Munition die Sturmgewehre in mörderische Waffen verwandelte. Die Kugeln, die auch das Militär verwendete, waren so gefährlich, dass fast jeder Körpertreffer zum Tode führte. Auch Treffer in den Gliedmaßen konnten zum Tode führen. Das Problem bei den Sturmgewehren war: Ihre Geschosse führten immer zu der gleichen Wirkung: schwere und große Verletzungen. Dabei handelt es sich eigentlich um normale Vollmantelgeschosse, die das Militär schon immer benutzte. Der schwere aber weiche Kern wurde von einer harten Metallschicht umgeben. Beim Aufprall auf einen Körper verformte sich das Geschoss nicht um ausreichend, so wie präzise schießen zu können, wurde eine gewünschte Durchschlagskraft behalten. Und um die erwünschte Reichweite zu erzielen wurde die Mündungsgeschwindigkeit der Kugel enorm gesteigert. Ein vom Militär durchaus gewünschter Nebeneffekt war schließlich die verheerende Wirkung eines Treffers auf einen Menschen. Die Patrone einer Pistole, wenn sie nicht auf Verformung angelegt ist, durchschlägt einen Körper meist in gerader Linie. Trifft sie nicht auf einen Knochen, hinterlässt die Kugel einen bleistiftdicken Kanal. Traf sie das Herz oder eine Hauptschlagader starben die Opfer meist am Ort des Geschehens. Bei allen anderen Treffern hatten sie aber gute Chancen auf eine Rettung, wenn sie schnell und gut operiert wurden. So aber nicht bei Sturmgewehren. Bei Hochgeschwindigkeitsgeschossen dieser Gewehre war die Wirkung eines Treffers anders. Auch hier durchschlug das Geschoss den Körper, aber es entfaltete sich, rund um den Geschosskanal, eine zerstörerische Wirkung. Man sah, dass mehrere Organe zerschmettert werden konnten. Die Austrittswunden konnten sogar einen Fuß breit werden. Die hohe Geschwindigkeit der Kugel verhinderte es, dass das Gewebe um die Munition herum unbeschädigt "ausweichen" konnte. Anstatt einer Dehnung durchlief eine Schockwelle das umgebende Gewebe und es zerstörte die Zellen rund um den Durchschuss. Die Zone der Verwüstung war meist so groß, als hätte man eine heiße Stahlstange durch die Opfer gerammt, denn während die Druckwelle durch den Körper raste, drückte sie Gewebe und Organe in eine temporäre Höhle, die größer war als die Kugel selbst. Die Organe prallen abrupt zurück, sobald die Kugel vorbei war. Erst dann wurden die Organe beschädigt, Blutgefäße zerrissen darauf und viele Opfer verbluteten noch bevor sie in ein Krankenhaus kommen konnten. Hinzu kam die Neigung des kleinen, aber schnellen Kalibers zum "Taumeln", denn das Vollmantelgeschoß bahnte sich dann mit einer Drehbewegung seinen Weg durch den Körper. Die Energie der Kugel blieb somit also im Körper und die hohe kinetische Energie eines Hochgeschwindigkeitsgeschosses konnte mit einer Handgranate verglichen werden, die im Körper explodierte. Wenn der Torso getroffen wurde, gab es meist nicht mehr viel, was Sanitäter tun konnten. Diese Kugel eines Sturmgewehres besaß so viel Energie, dass sie acht Zentimeter Knochen in einem Oberschenkel zersetzten konnten. Der Knochen wurde buchstäblich in Staub verwandelt und meistens konnte man dem verletzten dann nicht mehr helfen. Fakt war: Um die Wunde einer Pistole zu behandeln, benötigte man einen Chirurgen. Doch eine Sturmgewehrkugel erforderte drei bis zehn Chirurgen am Operationstisch nur für einen Patienten! Und Sugi wusste es als er diese Wunde damals vor sich sah: Er konnte ihm nicht helfen.

Es war grausam gewesen denn der Unterarm hatte mehrere Geschosse dieses Kalibers abgekommen und riss sich bald von selbst von dem oberen Teil des Armes ab. Also machte er das was er für richtig hielt: Er amputierte. Seine erste Amputation. Es war schrecklich gewesen und er wollte einfach nur damit aufhören. Doch er war ein zukünftiger Sanitäter, also musste er da durch. Egal wie sehr der Mann auch schrie und Schmerzen hatte er musste da durch. So lernte Sugiura auf die harte Art bei Schreien und Weinen wegzuhören und cool zu bleiben, denn das musste er als Arzt. So behandelte er damals die Amputation erfolgreich…aber verlor dennoch den Verletzten am Blutverlust. Ein vernichtender Treffer für jeden jungen Arzt nach einer so aufwendigen Behandlung. Er war sich bis heute nicht sicher ob sie damals schon wussten dass der arme Hund sterben würde und sie ihn deswegen noch zum Versuchstier für Lernende umfunktionieren wollten. Was auch immer es gewesen war, ihm diesen Fleischsack vor die Füße zu werfen, der Junge wusste seit dem eines ganz genau…er würde nie wieder Schusswunden und den resultierenden Blutverlust daraus unterschätzen. Er hatte daraus gelernt und es würde immer bei ihm bleiben und nun…war es etwas was ihm bei Hana helfen könnte.

Der Junge war zum Glück „nur“ von einer Nambu getroffen worden, aber dennoch hatte er stark geblutet und blutete sogar noch immer, wenn auch wesentlich leichter als noch vor einigen Minuten. Das hatte sich der junge Sani aber selber zu verdanken, denn das lag daran das Sugi es endlich geschafft hatte die Arterie zu finden und zusammenzuflicken. Etwas was die Spannung etwas aus der Luft nehmen konnte. Viel Geduld und Arbeit war dazu nötig gewesen und er konnte Paku nicht dankbarer sein, als er es bereits schon war, denn er hatte verdammt gut mitgeholfen. Sugi musste Hana noch den Bauch etwas öffnen, nachdem er die Patrone entfernt hatte, um die verletzte Arterie besser finden zu können und Paku hatte ihm dabei geholfen indem er das überschüssige Blut absaugte das immer mehr in den Bauchraum des kleinen geflossen war. Es war ein kleiner Schnitt mit dem Skalpell gewesen, aber dennoch eine Öffnung des Bauchraums, also nicht ungefährlich. Doch es musste sein. Das vergossene Blut musste aus Hana seinem Bauch und es gab keine andere Lösung, außerdem brauchte er Platz zum vernähend der Arterie. Und dadurch dass der Bauch offen war sah Sugi dann auch noch zusätzlich klarer was er suchte und konnte die Verletzung erfolgreich vernähen. Auch waren keine Organe verletzt worden. Hana war ein echter Glückspilz. So gut alles auch ablief dennoch war der Kleine damit noch nicht über den Berg gewesen, denn als nächstes folgte die Schließung der Operationswunde, also des erst geöffneten Bauchraums. Es hatte aber wenigstens aufgehört zu bluten und Paku hatte das überschüssige Blut neben sich in einem Eimer gesammelt der am Boden stand. Etwas wessen sie sich später noch entledigen konnten. Und wenn man sie so ansah...sahen beide echt schlimm aus. Sie hatten das Blut des Jungen, an den Händen und Armen, an sich kleben und wirkten als kämen sie gerade vom Schlachthof. Fehlte nur noch das man sie fragte wie viel Gramm sie denn gerne dem Kunden abscheiden sollten. Aber egal wie sie auch aussahen: war Sugiura dennoch sehr erleichtert darüber das er den schlimmsten Teil hinter sich hatte und Hana nur noch zusammengeflickt werden musste. Noch dazu hatte sich der Puls des Kleinen sehr gut stabilisiert und das machte Hoffnung. Hoffnung dass er besser durch kam als gedacht. Aber noch wollte der Sani keine Entwarnung geben, denn Hana war noch lange nicht über den Berg. Allerdings war es gut dass er sich wieder stabilisierte und das hatten sie ganz besonders einem im Raum zu verdanken. Einer der mehr gelitten hatte als alle anderen zusammen…Und das war Sakutaro gewesen.

Er hatte härter gelitten und gekämpft als jeder andere und das obwohl Sugi operiert hatte. Er saß noch immer auf seinem Platz neben dem Tisch und spendete weiterhin Blut. Paku war inzwischen aber nicht mehr bei ihnen im Raum und auf dem Weg zum Zellblock im Stockwerk unter ihrem Deck. Er musste gehen und hatte auch Luft dazu, denn den Rest schaffte Sugi auch alleine. Warum er ging? Nun das lag daran das Katsura und Matsumoto vor einigen Minuten aufgetaucht waren und den, Gott sei Dank, noch immer bewusstlosen Anderson im Schlepptau hatten. Matsu trug ihn auf der rechten Schulter, als würde er fast nichts wiegen und wollte dann wissen wo er und Katsu diesen Scheißkerl hin verfrachten sollten. Paku übernahm das natürlich, einmal da Sakurai nicht dazu in der Lage gewesen war und am Tropf hing um Hana zu stabilisieren und Sugi noch operierte. So dauerte es auch nicht lange und er ging dann mit dem Rest der Jungs weg. Anderson musste in eine Zelle und gesichert werden, denn lange würde er sicherlich nicht mehr bewusstlos sein, egal wie sehr Saku ihm auch eine gedonnert hatte. Sugiura knüpfte, einige Minuten nach Paku seinem Abflug, auch schon den Bauch des Jungen wieder zusammen und dabei floh sein Blick immer mal wieder zu Sakutaro rüber, der weiterhin auf seinem Stuhl saß und Hana Blut spendete.

Aber langsam sah man ihm an das er anfing nachzugeben. Nicht nur sah er blasser aus, sondern er schwächelte auch etwas und wirkte müde und seine Atmung fing an schneller zu werden. War verständlich denn Saku war nun schon seit fast 40 Minuten mit Hana verbunden und spendete ihm ununterbrochen sein Blut. Etwas was den jungen Sani erstaunte, denn die meisten gaben schon nach fast zwanzig Minuten auf ihr Blut zu teilen, besonders wenn es keine Pause gab und es immer weiterfließen durfte. Meistens wurde ihnen zuerst schlecht und dann kam der Schwindel, gefolgt von Kopfschmerzen und schließlich der krönenden Ohnmacht. Aber sein Leutnant biss sich echt da durch und hatte dabei nicht einmal die rechte Hand des Blonden losgelassen.

Saku und Hana waren beide am linken Arm mit je einem Venenzugang und Schlauch verbunden worden, die sich oben am Transfusionsbeutel trafen und verbanden. Sein Blut lief in den Beutel sanft rein und dann über einen weiteren Schlauch rüber in Hana seine Vene. Es war alles was den Kleinen stabil hielt und den starken Blutverlust ausglich den er durch die Schusswunde erlitten hatte. Und für Saku war es das mindeste das er tun konnte, denn er hatte das alles zu verantworten. Dabei wollte er noch so viel mehr tun. So fasste er dann auch etwas schwächer die Hand es kleinen und rieb sanft über die Handfläche von ihm. Versuchte ihm damit Trost und Geborgenheit zu spenden. Er wusste nicht ob Hana es spüren konnte, oder wusste ob er hier war, aber er hoffte es. Saku wollte ihn nicht allein lassen…er fühlte sich so schuldig und Sugi sah ihm das genau an. Er sah diesen traurigen und wehleidigen Blick den sein Leutnant dem Kleinen zuwarf, während er ihn nicht mehr aus den Augen ließ und auf ein Lebenszeichen des Kleinen zu hoffen schien. Eine Regung, ein Grummel, einfach irgendwas, aber Hana war weiterhin bewusstlos und er würde es sicherlich auch noch lange sein. Aber abgesehen davon hoffte Sugi sehr das der Junge keinen Schaden davongetragen hatte weil sein Bluthaushalt so dramatisch schnell in den Keller gefallen war und das innerhalb von Minuten. Das einige Organe nicht mehr mit genug Blut und damit Sauerstoff versorgt wurden, denn sowas kann Schäden anrichten. Doch nur die Zeit konnte das zeigen. Konnte zeigen ob es Veränderungen an ihm geben würde.

So knüpfte er die letzte Stelle am Bauch zu und hatte ihn wieder verschlossen.

Es war endlich geschafft. Sugi hatte ihn extra mit sich selbstauflösenden Fäden geflickt, die mit der Zeit verschwanden wenn der Bauch wieder verheilt war. So müsste Hana auch nicht durch das Prozedere sich Fäden ziehen zu lassen. Sicherlich würde er dabei wütend an die Decke gehen und Sugi wollte ehrlich gesagt dafür nicht den Kopf hinhalten und wieder angemacht, oder im schlimmsten Fall geschlagen werden. Also eine Win-Situation für beide mit den Fäden. So atmete er aus und holte dann tief Luft, denn er hatte wirklich alles gegeben und konnte sich sogar selber damit auf die Schulter klopfen. Hana würde sicherlich wieder gesund werden. Ganz sicher, auch wenn er es noch nicht beschreien wollte, denn ein Restrisiko gab es ja immer. Egal bei was. Doch es müsste wirklich mit dem Teufel vorgehen wenn dem Kleinen noch was passierte nach der Operation, denn Sakutaro…hatte eigentlich das Wichtigste getan indem er ihm sein Blut gab. Und es war ein verdammt guter Zufall gewesen. So lag es auf der Hand: Hana hätte nicht überlebt, wenn Saku nicht gewesen wäre und das konnte man ihm nicht nehmen. Er war mal wieder ein Held gewesen. Aber was für ein Zufall es doch war das sie beide exakt dieselbe, seltene Blutgruppe hatten. Nämlich: A Rhesus negativ. Wie oft kam sowas vor und dann in so einer Situation? Doch egal was da auch für Mächte dran beteiligt waren, oder wie das sein konnte, Fakt war: Hana war durch mit der Behandlung und musste sich nun nur noch erholen. Und Saku auch, wenn er ihn so sah. Ihn sah wie er da saß und drohte vom Stuhl zu kippen.

Sein Leutnant saß inzwischen etwas schwammiger auf seinem Stuhl und auch seine Augen schienen sich halb zu schließen. Er war erschöpft, das sah man ihm an. Und es lag nicht nur daran das er extremen, mentalen Stress erlitten hatte, als Hana angeschossen wurde, sondern auch daran das er noch immer Blut spendete, zu dem Vielem was er schon gespendet hatte. Es wurde langsam mal Zeit das zu beenden. Und da kam Sugi nun ins Spiel. So zog er seine Handschuhe aus und legte vorher noch das benutzte Nähzeug neben sich auf den Tisch. Das Klatschen der überdehnten Handschuhe, was er absichtlich machte um den Leutnant zu wecken, riss Saku aus seiner Trance und er sah verdutzt und schwächelnd zu seinem Sanitäter rüber, der dann etwas lächelte und sprach:

„Ich bin fertig. Jetzt muss er sich nur noch erholen und ich kann dich endlich von dem Schlauch trennen. Hana sollte stabil genug sein und wieder alleine zurechtkommen, ohne dass du ihm weiterhin Blut spendest. Du hast lange genug durchgehalten…danke dafür Saku. Ohne dich wäre er nicht durchgekommen.“

Und das klang zu schön um wahr zu sein.

Saku sah darauf vor sich auf Hana seinen Bauch, der ordentlich vernäht worden war und nicht mehr so geschwollen wirkte. Es sah so viel besser aus. Sugi hatte alles überflüssige Blut aus dem Bauchraum, dank Paku natürlich, entfernen können und das sah man auch sofort. Die Wunde wirkte noch immer etwas bläulich, war aber auch verständlich denn wenn Blut unter der Haut gerinnt hinterließ es die berüchtigten blauen Flecken als Erinnerung daran. Diese dunkelblauen und violetten Spots waren somit auch an dem Bauch des Jungen zu sehen, aber wirkten etwas anders und nicht mehr so krank da Hana nicht mehr blass war. Das wiederum lag daran das er eine gute Blutzufuhr hatte und die war ja Saku zu verdanken, der dann zu dem Transfusionsbeutel neben sich sah und danach erschöpft seinen Kopf auf seine linke Schulter rollen ließ. Er war müde…Wollte so gern schlafen…aber für Hana musste er durchhalten. Er brauchte ihn. Es war seine Schuld…

Und dann sprach er schwach zu seinem Freund rüber:

„Es geht schon…Lass mich ruhig noch länger dran. Hana…braucht das Blut. Er muss wieder gesund werden, egal was aus mir wird…“

Oh man nicht das schon wieder.

Langsam klang es wie eine gebrochene Schallplatte die immer wieder von vorne anfing. So das Sugi dann kurz schnaufte und schließlich lief er wortlos vom Tisch weg. Er konnte genau hören was in Saku seinem Schädel vor sich ging und wenn er ehrlich war: fand er das nicht gut. So typisch Papa-Vogel. Eigentlich war das Paku sein Name und das zu Recht, aber Saku fing selber immer mehr an ihr Vater zu werden. Kümmerte sich um jeden wie ein guter Alpha. Meist aber leider über sein eigenes Wohlbefinden hinaus. Sakutaro riss sich mal wieder in Stücke und machte sich selbst für Hana seine Verletzung verantwortlich. Warum…war er nur immer so? Er hatte Hana nicht verletzt sondern versucht zu beschützen! Er konnte doch nicht ahnen das der Trottel Anderson was treffen würde! Doch er musste sich erst mal auf etwas anderes konzentrieren, bevor er seinem Leutnant den Kopf richtig zurechtrücken wollte. Also lief er zu einem kleinen Kühlschrank und zog eine Ampulle dort hinaus.

Innerhalb von wenigen Minuten zückte er eine Spritze und zog sich aus der Ampulle das Mittel damit raus. Es waren flüssige Antibiotika denn er musste dem Blonden eine Injektion dieser verpassen. Sugi hatte sein Bestes gegeben, aber dennoch konnte er nicht riskieren das sich die Wunde noch mehr entzündete, also zog er das Mittel in einer Kombination mit Schmerzmitteln auf, welches er aus einer anderen Ampulle holte und kam mit diesem Cocktail zurück zu dem Blonden. Wenige Sekunden danach sah Saku auch schon wie der Sanitäter dem Kleinen die Injektion verabreichte. Sah wie er vorher den Schlauch schloss, der Saku sein Blut in Hana seinen Körper fließen ließ und er dann durch eine zweite Öffnung des Katheters das Schmerzmittel und die Antibiotika spritzte. Allerdings konnte der Pilot etwas in sich nicht kontrollieren, als er das sah: Es war Unruhe. Saku bekam etwas Unruhe, weil Sugi die Verbindung zu seinem Blut gestoppt hatte, aber als der Sani dann wieder den Zugang öffnete und das Blut wieder zu Hana floss, da konnte sich der Ältere auch wieder entspannen. Er seufzte und fasste sich dann, mit der rechten Hand, an seine Stirn. Ihm wurde schummrig vor Augen. Der Blutverlust machte sich immer mehr bemerkbar und sein Kopf dröhnte auch etwas, so dass er schmerzhaft stöhnte und Sugiura wieder zu ihm sah. Er war nicht blöd und wusste was los war. Zeit die Bremse zu ziehen. Also kam er um den Tisch herum, stoppte rechts von Saku und sah zu dessen linken Arm runter, der noch immer Hana seine Hand hielt und aus dem Blut floss. Er musste ihn abzwacken. Sofort, denn er konnte es nicht gebrauchen den Einen gerettet zu haben und dafür den Anderen fast umzubringen.

Also fasste er sanft an den Venenkatheter und sprach dabei:

„Okay es reicht jetzt Saku. Du hast ihm wirklich genug Blut gespendet und es ist an der Zeit dich abzuzwacken. Geh es langsam an, okay? Du hast viel Blut verloren und das geht nicht einfach so an jemanden vorbei.“

So sollte es laufen, aber Saku schüttelte nur langsam den Kopf und sah dann zu ihm hoch, als er sprach:

„Es geht schon…Hana muss wieder gesund werden. Es…es ist meine Schuld das er hier liegt…“

Sugi hielt kurz darauf inne und sah ihn nur an.

Sein Blick fuhr zu Sakutaro seiner linken Hand, die noch immer sanft Hana seine hielt und über die Handfläche streichelte. Wow…wow er machte sich wirklich schreckliche Sorgen. Es war bei ihm nicht unüblich dass er sich um Freunde und Familie so sehr bemühte und persönlich mit litt wenn sie es auch taten. Aber das vor ihm war einzigartig einfach weil…weil Saku ihn nicht lange kannte. Sie kannten sich erst seit fünf Tagen, also bald eine Woche und er behandelte Hana schon so als würden sie sich ewig kennen. Etwas was nicht Saku seine Art war. Sugi wusste selber wie schwer es war an ihn ranzukommen. Hatte es damals selbst erleben müssen, als sie sich kennengelernt hatten. Damals in Tokyo am Stützpunkt. Erst nach Monaten war Saku so weit endlich mal mit ihm zu reden, denn vorher gab er ihm nur kaltes Schweigen. Ein Schnaufen oder Wegblicken war damals das höchste aller Gefühle gewesen. Es lag nicht daran das Saku keinen ausstehen konnte, er war einfach nur von Natur aus sehr vorsichtig und misstrauisch. Doch sobald man es in sein Herz geschafft hatte, oder sein Ansehen, dann war er der beste und treuste Freund überhaupt, wenn auch etwas dickköpfig und schroff dabei. Er war eine ehrliche Haut und sagte wenn ihn etwas anpisste. Doch das mit Hana war anders und Sugi konnte sich das nur so erklären: Saku liebte ihn. Vielleicht wusste der Kerl es selber noch nicht ganz, aber es konnte einfach nicht anders sein, denn warum nahm er denn sonst alles so auf seine Kappe? Und das, wie gesagt, für einen Jungen den er nicht lange kannte. Hana hatte ihn offenbar auf einer Ebene erwischt wie es nie ein anderer vorher geschafft hatte. Keiner…außer Chiharu. Und es war unheimlich denn wenn Sugi den kleinen Blonden so vor sich sah…sich daran erinnerte wie sie am Feuer saßen und Hana essen machte…da war er Chiharu sehr ähnlich gewesen, aber doch anders in seiner Art. Chiharu war ein liebes und ruhiges Mädchen gewesen. Hana dagegen ist aufbrausend und bissig. Komplett das Gegenteil und dennoch macht er für Saku dasselbe was die süße Chiharu auch für ihn getan hatte…er war für ihn da und hörte ihm zu. Er sah Saku an und wusste wie er mit ihm zu reden hatte…als würden sie sich schon ewig kennen. Was war das nur für eine Bindung die sie hatten? Sugi hoffte so sehr das es Liebe war, denn er sah dass sie es genossen sich gegenseitig ans Bein zu pissen und sich danach zu fetzten. Aber dennoch waren sie manchmal so sanft und lieb zueinander und nahmen sogar Rücksicht, wenn es die Situation erforderte. Aber er war nun mal Arzt und er hatte das Sagen wenn es um das Wohlbefinden seiner Patienten ging. Also schüttelte er den Kopf und sprach:

„Das stimmt doch gar nicht! Hana wurde von Anderson angeschossen und du hast nichts damit zu tun! Verdammt es reicht Saku! Sieh dich doch mal an! Du bist ja selber schon fast so blass wie eine Leiche!“

Und danach zog er auch schon den Stecker. Er musste.

Also beugte er sich vor und schloss das Ventil da oben am Beutel wo Sakurai sein Blut hineinfloss. Kurz darauf wand er sich dann auch an die Innenseite des Arms, von seinem Freund, vor sich und löste den Schlauch von Saku seinem Venenkatheter. Vorher schloss er aber dort ebenfalls den Zugang und nahm neben sich einen Tupfer. Diesen hielt er dann fest und zog mit der freien Hand den Venenkatheter aus der Haut seines Freundes und zum Abschluss drückte er dann fest den Tupfer auf die Stelle in der Armbeuge, verhinderte damit einen Blutaustritt. Er musste es allerdings selber machen den Saku war sicherlich bereits viel zu schwach um das alleine abzudrücken. Er hing wie ein Schluck Wasser auf dem Stuhl und hielt sich nur noch dank seinem linken Arm, der auf dem Tisch lag und sich an Hana fest hielt, in Position. Saku konnte es auch selbst fühlen. Er war so platt und fühlte sich mies. Ein leichter Brechreiz und Wärme machten sich in ihm breit, aber er war taff und schluckte das einfach runter. Allerdings war er nicht so erfreut darüber das Sugi ihn abgekoppelt hatte und fauchte dann schwach zu ihm rechts hoch:

„Was machst du da?! Es geht mir gut! Schließ mich sofort wieder an! Sofort!“

Sugi sah ihn fassungslos an und preschte zurück:

„Spinnst du Saku?! Du hast genug Blut gespendet, begreif das doch endlich! Du klappst mir gleich noch vom Stuhl verdammt! Ich bin der Sanitäter und ICH sage deshalb was das Richtige ist! Zumindest so lange wie du deine Füße unter meinen Operationstisch stellst! Das hier ist MEINE Arena und du spielst gefälligst nach MEINEN Regeln! Ist das klar?! Also halt den Rand und entspann dich endlich, du Dickkopf!“

Eigentlich wollte er seinen Leutnant nicht so anfauchen, da er den tiefsten Respekt für ihn hatte, aber Saku war aktuell nicht wirklich zurechnungsfähig und handelte zu stürmisch und unüberlegt. Er brachte sich selbst unnötig in Gefahr und das ließ Sugi nicht zu. Also behielt er weiter das Ruder in der Hand und stoppte dann Druck auf den Arm des Piloten auszuüben. Saku blutete Ja nicht mehr und kam danach, als der Sani ihn los ließ, klapprig und sauer vom Stuhl hoch, so daß er wieder zu seinem Gefolgsmann fauchte:

„Ich kann nicht! Hana ist…Hana ist wegen mir angeschossen worden!! Wenn er stirbt geht das auf MEIN Konto! Auf meins!! Und ich will das nicht mehr! Ich KANN das nicht mehr!! Ich…ich will nicht schon wieder jemanden verlieren, weil ich nicht…auf ihn…“

Er sagte die letzen Worte sehr leise und immer schwächer, obwohl er vorher noch so gefaucht hatte. Seine Sicht vernebelte leicht dabei, so daß er Sugi nicht klar sehen konnte. Aber dafür so viel anderes. Er konnte das einfach nicht mehr. Sein Herz hielt das nicht mehr aus und alles kam wieder über ihn. Alles was passiert war. Einfach alles.

Er sah seine Mutter, in jener Sekunde, vor sich. Sah wie sie ihn damals, eines Abends, weinend in die Arme genommen hatte, als er noch klein gewesen war. Wie sie sich bei ihm entschuldigte und ihm sagte es wäre alles okay. Als wäre alles okay, obwohl sie voller blauer Flecken war und sein Vater sie mal wieder geschlagen hatte. Sie alles auf sich genommen hatte damit er nicht geschlagen wurde. Und er konnte nichts tun. Er saß auf ihrem Schoß, umarmte sie und wollte ihr helfen, aber er konnte nichts tun. Er war…zu schwach gewesen. Und dann sah er darauf wie er Chiharu kennengelernt hatte und andere Kinder sie mit Dreck bewarfen und beleidigten, nur weil sie etwas moppeliger war und lieber auf Bäume kletterte als mit Puppen zu spielen. Sie in ihr kein richtiges Mädchen sahen. Wie sie am Boden saß und weinte und er sofort dazwischen sprang. Er half ihr und prügelte sich mit anderen Kindern. Und ihr Lachen tat gut. Zum ersten Mal…fühlte er sich wohl und nicht mehr hilflos. Er konnte ihr helfen. Er hatte sie beschützt und es tat so gut. Aber warum nur? Warum konnte er sie in jener Nacht nicht beschützen? Warum war er nicht da gewesen?! Er hatte sie so oft davor gewarnt nicht alleine auf den dunklen Straßen zu wandern! Und so sah er sie wieder vor sich…Sah wie sie blutend in seinen Armen lag, in dieser dunklen Gasse und sie nicht antwortete. Wie er immer und immer wieder nach ihr schrie und sie sich nicht mehr regte. Die eiskalte Realisation setzte ein…dass er sie verloren hatte. Er hatte versagt. Hatte sie nicht retten können. Er war ein Versager und verletzte Menschen weil er existierte. Und dann sah er wieder Hana vor sich. Sah wie er da am Strand stand und dieser schreckliche rote Fleck sich immer mehr an seinem Bauch ausweitete und das T-Shirt in ein dunkles Rot tränkte. Etwas was wegen ihm passiert war…weil er ihn stehen gelassen hatte. Weil er nicht vor ihm stehen geblieben ist und ihn geschützt hat, wie er es hätte tun sollen! Es tat so weh. So weh ihn fallen zu sehen und als er ihn in den Armen hielt, der Kleine schrie und sich weinend an ihn drückte…da dachte Saku er müsste sterben. Es war dasselbe Szenario gewesen wie mit Chiharu. Jemand lag blutend in seinen Armen. Jemand…den er liebte. Und er konnte das nicht mehr. Er wollte niemanden mehr verlieren den er liebte.

So wurde ihm danach auch schlagartig schwindelig und er brach zusammen. Es ging schnell und eiskalt. Saku hatte sich ja erst hingestellt, aber seine Kräfte gaben sofort darauf nach. Er klappte also zur Seite und donnerte vor dem Tisch auf den kalten Boden unter ihnen. Gut das er sich nicht dabei den Kopf am Tisch verletzte, denn das hätte unschön werden können. Es tat einen Schlag als er landete und Sugi sah erschrocken zu ihm runter, als er laut sprach:

„Sakutaro! Ach scheiße!“

Dann kniete er sich neben ihm hin.

Ja das dachte er sich schon. Saku litt an seinem Blutverlust und nun traf es ihn mit voller Härte. Ihm war sicherlich vorher schon schwindelig gewesen, aber nun hatte ihn die Ohnmacht getroffen. Er war nicht nur blasser, sondern hatte auch kalten Schweiß auf der Stirn, den Sugi ihm dann, mit der linken Hand, wegwischte. Seine Atmung war etwas zittrig und schneller und als Sugi nach seinem Puls fühlte bemerkte er dass auch dieser schneller rannte. Alles typische Anzeichen eines starken Blutverlustes, aber es hielt sich noch in Grenzen. Er würde schon wieder werden, also atmete er erst mal beruhigt aus und sprach dann leise zu sich selbst:

„Verdammt noch mal Sakutaro. Ich hab dir doch gesagt du sollst es langsam angehen, du Blödmann…“

Es gab nicht wirklich viel was er für ihn tun konnte, außer ihn warm zu halten und genau aus dem Grund stand er wieder auf und holte für seinen Leutnant eine warme Decke aus dem unteren Bereich eines Metallschranks neben ihnen. Saku sein Puls war sehr schnell und meist kam damit auch eine Kombi aus innerliche Kälte dazu, also lief er zu ihm zurück und legte sacht die Decke über ihn, während der Pilot seitlich auf dem Boden lag und mit dem Rücken zum OP-Tisch. Bewusstlos und schnell schnaufend lag der Ältere am Boden und wirkte dennoch so friedlich dabei. Er hatte die Augen geschlossen, aber keinen strengen Ausdruck auf seinem Gesicht, etwas was man nicht oft bei ihm sah. Sugi gefiel das und er klopfte ihm noch mal leicht auf die rechte Schulter, die oben war in seiner Position, als er dann sanft lächelnd sprach:

„Ruh dich aus Kumpel. Ich halte hier die Stellung. Du hast auch mal etwas Ruhe verdient. Es wird…alles gut Sakutaro.“

Und das stimmte. Er hatte wirklich genug durchgemacht und er durfte sich entspannen, auch wenn das leider mit einer Ohnmacht Hand in Hand gehen musste um ihn down zu bekommen. Saku war eben einfach unverbesserlich dieser Sturkopf. Doch sie würden beide wieder werden. Er und Hana. Und wenn sie wieder fit waren können sie sich gleich danach gerne wieder an die Gurgel gehen…Denn das war normal und gehörte zu ihnen. Wenn das passierte, dann wusste man dass alles gut war. Also löste er sich von dem Bewusstlosen und kam wieder hoch zu Hana an den Tisch. Vorsichtig berührte er ihn an der Stirn und schob eine große Strähne dabei zur Seite. Er hatte etwas Temperatur, aber es war kein Fieber, sondern lag nur daran das sein Köper so viel zu tun hatte. Er fing an seine Wunden zu heilen und das brauchte nun mal Kraft und Energie. Und während er das tat…bemerkte er nicht dass noch jemand im Raum war.

Direkt links von Hana seinem Kopf saß sie. Sie sah dieses Kind genau an und zuckte mit dem rechten Ohr auf, bis sie danach sanft ihren Kopf zu ihm runter bog und an seinem Gesicht schnüffelte. Es ging ihm gut. Er würde wieder gesund werden, aber er brauchte noch eine Weile, so dass sie sanft eine seiner Tränen wegleckte, die sich komischerweise plötzlich aus einem Augenwinkel löste und die Wange hin abrollte. Doch sie wusste warum er das tat…Ame wusste warum er weinte…er konnte sie fühlen. Er wusste dass der kleine Fuchsgeist da war. Sein Herz und seine Seele wussten es, auch wenn sein Kopf abgeschaltet war vor Schmerz. Und sie würde auch nicht gehen. Ame würde bleiben bis Hana wieder wach war…bis BEIDE wieder wach waren und sie wusste dass es ihnen gut ging. So leckte sie ihm ein letztes Mal über die warme Wange und lief dann hinter seinem Kopf über den Tisch und auf die andere Seite. Dort blieb der weiße Fuchs dann an der Kante stehen und sah nach unten zum Boden vor sich. Sie legte den Kopf schief und gab ein leises Maunzen von sich, denn dort lag der den sie besonders sehen wollte. Sie sah den Fremden von der Außenwelt, den Gutaussehenden mit den schwarzen Haaren dort liegen und schnüffelte leicht in der Luft vor sich. Danach sprang sie aber auch schon lautlos vom Tisch und wanderte neben seinen Beinen hoch bis vor seinen Kopf und sah ihn dabei an. Er war stark und hatte ein gutes Herz, dass konnte sie spüren. Seine Seele war befleckt aber gut. Er war der jenige der...

Also kam sie freudig an seine Stirn und leckte dann ebenfalls sanft über diese. Erschuf eine Verbindung und verknüpfte damit zwei Wesen miteinander. Zwei die schon bereist miteinander verbunden waren ohne es zu wissen. Sie sah es. Ame sah das sie verbunden waren und zusammengehörten. Und das machte sie glücklich, also wedelte sie plötzlich sanft mit dem Schweif und maunzte fröhlich. Es gab niemand besseren außer ihn. So kam sie noch näher und legte sich an seine Brust und unter seine Kehle, rollte sich dort zusammen und fing an zu schnurren. Er brauchte Nähe und sein Herz schlug so stark und dennoch sanft, was ihr gefiel. Es erinnerte sie an etwas. Etwas was sie lange vergessen hatte in der Kälte und der Einsamkeit. Es war das Gefühl eines Partners. Eines Männchens das für einen da sein würde. Und genau das würde er. Er würde für das Kind da sein…denn er gehörte zu ihm. Das Kind liebte ihn, also liebte sie ihn auch. Dieser Mann war ein guter Mensch und er war die Zukunft. Und mit ihm…ging die Geschichte weiter…denn er gehörte für sie nun zur Familie.
 

Vier Jahreszeiten der Liebe und des Lachens und es geht mir gut. Denn wenn ich meine Liebe gefunden habe, auch wenn wir uns dann kurz darauf trennen sollten, so weis ich garantiert das wir uns wiedersehen werden, so wie vorher auch. Diese zarte Dunkelheit, die ich gefunden habe, stochert in meinen Erinnerungen herum. Tut mir weh und dennoch kann ich die Süße der Vergangenheit darin schmecken. Und obwohl du nicht da bist geht es mir gut. So schließe ich meine Augen, denn wahre Liebe wird sich niemals ändern, daran glaube ich ganz fest. Wenn das Licht des Frühlings alles erwärmt, dann fangen die Kirschblüten an zu blühen. Im Sommer sehe ich dann auf den Mond der sich im Ozean vor mir spiegelt. Der Wind im Herbst und der Schnee im Winter lassen mich frieren, aber mit deinem Anblick möchte ich mein Herz erwärmen, denn vier Jahreszeiten, mit deiner Liebe, sind alles was ich mir wünsche. Aber das Versprechen und dieser eine Wunsch verschwinden schließlich mit der Zeit. Aber kannst du mich dennoch noch immer unter deiner Haut spüren? Weist du das ich noch da bin? Ich war nie weg. Denn solange diese Gefühle noch in uns sind, dann wird alles okay. Daran glaube ich fest. Und egal wie weit du auch von mir entfernt bist…bleib bei mir. Die Blumen des Frühlings schlafen tief und fest wenn wir uns in dieser einen Nacht treffen. Und ich lasse dir eine Nachricht in den sandigen Stränden des Sommers zurück damit du mich finden kannst. So fällt der warme Regen im Herbst und meine kalten Tränen im Winter, während ich mich nach dir sehne. Denn von dir möchte ich weiterhin umarmt werden. In meinen Träumen steht die Zeit still und deine Liebe fließt in mein Herz. So ist jeder Tag, in meinem Leben, näher an meine Erinnerungen an uns geknüpft. Liebe und Erinnerungen, an dich, mögen eines Tages verblassen, aber dennoch möchte ich das du bei mir bist und mich wärmst. Denn vier Jahreszeiten an deiner Seite werden für immer in meinem Herzen verweilen. Vier Schauplätze, für vier Jahreszeiten, aber es geht mir gut. Also vergiss mich nicht. Denn ich werde dich auch niemals vergessen. Ich bin hier und warte auf dich. Und wenn du bereit bist dich mir zu stellen…dann vergebe ich dir. Denn ich liebe dich. Ich warte auf dich, denn hier gibt es nichts mehr in meinem Raum. Nichts mehr...ohne dich mein Liebster.
 

„Saku!...Das gibt’s doch nicht. Wo steckt er denn nur wieder?“

Sich umsehend und verdutzt lief das Mädchen über den Platz und hielt Ausschau nach ihrem Freund.

Es war ein schöner und warmer Tag gewesen und deswegen hatten sie sich auch zum Mittag in diesem Park getroffen. Es gab so vieles zu besprechen und noch mehr sollte man sich Ruhe gönnen. Der Yoyogi-Park lag in Shinjuku und war nicht weit entfernt von Sakutaro seinem Arbeitsplatz. Naja Arbeitsplatz war nicht richtig ausgedrückt, denn eigentlich war es die Militärbasis die nahe am Hafen lag. Der Ort an dem er sich fast jeden Tag in der Woche aufhielt. Ein Ort der wie sein zweites Zuhause geworden war, obwohl er bereits eins hatte. Sie konnte das aber verstehen, denn dort hatte er Freunde die wie seine neue Familie für ihn geworden waren. Freunde die mit ihm durch Dick und Dünn gingen und auf die er sich verlassen konnte. Menschen die ihm Rückendeckung gaben damit er auch wieder nachhause kam, auch wenn er das vielleicht nicht zugeben würde. Doch dieser Tag war eine Ausnahme, da er endlich mal etwas Auszeit von seinem Dienst hatte, weil momentan eh alles ruhiger war und das nutzten sie bevor die Armee, in einigen Monaten, wieder losziehen würde. Und er mit ihr. So hatten sie sich verabredet und wollten den Tag gemeinsam in der Sonne verbringen und entspannen. Doch mit Saku als Partner war Entspannen etwas was nicht immer auf der Tagesordnung stand. Es war, ehrlich gesagt, sogar sehr schwer das mit ihm zu schaffen, denn als Mann des Militärs hatte er etwas an sich was man als: Hummeln im Hintern, bezeichnen konnte. Immer musste er auf Achse sein und war wachsam so wie auch nervös. Sah Probleme wo es keine gab, oder um jede Ecken einen Feind der ihn umbringen wollte. Meist wirkte er wie ein Wachhund und ein scheues Reh kombiniert. Doch genau da kam sie gern ins Spiel und holte ihn wieder runter. Brachte ihn zurück auf den Boden der Tatsachen. Nämlich das er in seiner Heimat war und etwas entspannen konnte. Sie waren beide keine Kinder mehr, denn Sakutaro war zweiundzwanzig und sie 20 Jahre alt und damit alt genug um endlich mal ruhiger zu werden und vor allem erwachsen. Doch manchmal hatte sie bei ihm das Gefühl das er immer seinen etwas kindlichen, trotzigen Dickkopf behalten würde. Genau wie seine Hummeln im Arsch, denn er war mal wieder verschwunden. Es war unglaublich. Als müsste Chiharu auf ein kleines Kind aufpassen, das einem Vogel nach lief und seine Eltern komplett ausgeblendet hatte. Oder noch besser: man sollte ihm einen Bumerang um den Hals binden, damit er auch wieder von allein zurückkam. Saku machte ihr gerne Kopfzerbrechen, aber das beruhte auf Gegenseitigkeit, denn sie konnte das auch sehr gut. Dennoch war es nicht nett eine Frau sitzen zu lassen und ohne Rückmeldung einfach zu verschwinden. Besonders dann wenn sie Essen in den Händen hatte und dieses immer kühler wurde. Wo trieb er sich nur wieder rum? Immer auf Achse der Mann.

Chiharu hatte an einem Stand für jeden eine Schale Takoyaki gekauft. Er war dabei noch bei ihr gewesen. Aber ehe sie sich umdrehte, um zu bezahlen und sich dann wieder zu ihm wand…da war er auch schon wie vom Erdboden verschwunden. Und nun stand sie da alleine auf dem Platz und sah sich fragend und suchend nach ihrem Mann um. Sie kam sich sogar richtig blöd dabei vor wie sie ihn nur verlieren konnte, denn Saku war eigentlich sehr groß und dadurch nicht leicht zu übersehen. Doch wie immer hatte er die erstaunliche Fähigkeit unterzutauchen und einfach zu verschwinden, wann er wollte. Etwas was er auch in Schlachten mit seinem Zero gut hinbekam und sich deswegen viele vor ihm fürchteten. Ihm einen so schrecklichen Namen gaben wie: Death Zero, was Chiharu überhaupt nicht toll fand. Es klang so…grausam. Etwas was er nicht war. Doch das Wissen, das er gut verschwinden konnte, half ihr auch nicht weiter, denn sie stand noch immer mit den zwei Schalen Takoyaki da und sah sich inzwischen sogar schon leicht muffig um. Warum machte er das nur?

Sie sah viele Menschen durch den wunderschönen Park laufen. Sah Jugendliche auf den Wiesen Picknicks machen und wie sie dabei die Kirschblüten bestaunten, die in voller Blüte standen. Es war wieder die Jahreszeit dafür und die Kirschblüte leitete bekanntlich ja den Frühling ein. Einen Neuanfang konnte man sagen. Und wenn sie ehrlich war…genauso fühlte sie sich auch. Heute war ein neuer Tag und ein neuer Schritt in ihrem Leben. Besonders mit dem kleinem Geheimnis was sie hütete. Auch deswegen war sie heute da, denn sie wollte es endlich mit ihm teilen. Konnte sein Gesicht kaum erwarten und wie er reagieren würde. Auch wenn das nicht leicht wurde. Sie hatte sogar etwas Angst davor.

Lange hatte sie an ihm herumgeredet. Wollte nicht dass er wieder in die Schlacht zog, aber dennoch musste er es tun. Es blieb ihm nichts anderes übrig. Saku hatte deswegen auch mit Kaizo gesprochen, aber dieser wollte ihn einfach nicht gehen lassen. Meinte sie würden ihn brauchen und das es ein bitterliches Gefecht werden würde. Ganz toll, also musste sie wieder Angst um ihn haben. Und sie selbst befand sich in keiner Position Sakutaro zu sagen was er zu tun und zu lassen hatte. Denn sie wusste: er liebte das Fliegen und er kämpfte für sein Leben gern. Also würde er gehen. Er war verpflichtet seinem Land zu dienen und da zu sein wenn es ihn brauchte. Eine traurige Wahrheit. Aber dennoch hoffte sie…dass er vielleicht, in Zukunft, gerne für was anderes auch so viel Energie abgeben würde wie für das Militär. Das würde sich aber noch zeigen.

So seufzte sie leicht und sah nach rechts rüber zum Teich inmitten des Parks. Und wer sagte es? Sie fand was sie suchte.

Es war ein Zufall gewesen, dass sie da hin sah, aber ein Guter, denn endlich hatte sie ihn gefunden und so musste sie auch gleich lächeln. Dieser Spinner und Holzkopf. Es war nicht weit weg vom Takoyaki-Stand gewesen und er hatte sich an das Ufer des großen Teichs in das Gras gesetzt. Somit saß er auch unter einer Kirschblüte und starrte auf das Wasser vor sich. Chiharu musste deswegen nur noch sanfter lächeln. Welch ein schönes Bild. Nicht nur das da ein außerordentlich gutaussehender Mann im Gras saß, einer der zu ihr gehörte, sondern er saß auch noch unter einer Kirschblüte und das mit dem Nachnamen den er besaß. Denn Sakurai stand für die Kirschblüte und für den Brunnen. Denn auch er war gern tief und unergründlich wie ein Brunnen. Etwas was sehr gut zu ihm passte. Es spiegelte ihn wieder. In ihren Augen war er wie ein Samurai der Lüfte. Mal abgesehen davon dass er statt einem Katana eine Schusswaffe trug und das er nicht auf einem Pferd ritt sondern einen Zero flog. Tja was sollte man dazu sagen? Nicht jeder Held kam auf einem Pferd angeritten. Einige bruchlandeten auch gerne mit Fliegern in Herzen. So wie er und er war großartig.

Sakutaro war großzügig, half wo er konnte und scheute nicht davor die zu beschützen denen er zur Treue verpflichtet war. Sich zur Treue verspflichtet fühlte. Wie ein guter Samurai der seinem Herrn diente. Auch wenn Chiharu persönlich hoffte das dies nicht das Militär war…sondern seine Freunde und Familie. Also auch sie. Und obwohl er dort so friedlich saß und einfach nur aufs Wasser starrte…machte sie sich um ihn sorgen, denn er sah sehr nachdenklich dabei aus. Wenn Saku eines war…dann keiner der sich zu viele Gedanken machte, zumindest dachte sie immer so von ihm. Allerdings hatte er, in den letzten Jahren, immer mehr sein Verhalten geändert und war stiller geworden. Der freche Junge, den sie seit ihrer Kindheit kannte, der verschwand immer mehr und an dessen Stelle trat ein Mann der sehr nachdenklich und ernst geworden war. Vielleicht kam das mit dem Alter…aber Chiharu war sich sicher das es auch von dem kam was er alles erlebt hatte. Was er GESEHEN hatte. Dinge die sie sich niemals vorstellen konnte, denn sie war nicht im Krieg gewesen, oder in Gefechten. Etwas weswegen sie sich auch schon vor Wochen gestritten hatten. Es mussten nun sogar schon fast fünf Wochen sein seit ihrem Streit am Abend. Wie die Zeit doch verflog…

Sanft und vorsichtig lief sie auf ihn zu und kam zu ihm auf die Wiese.

Sie wollte ihn nicht aus seinen Gedanken reißen, wo er auch immer gerade war, aber egal wie langsam sie es auch versuchte sich ihm zu nähern…er war einfach zu aufmerksam und sah dann auch schon rechts hinter sich und über seine Schulter. Typisch, ein Mann des Militärs und der schon in einigen Schlachten um sein Leben gekämpft hatte, war aufmerksamer als manch andere Menschen. Ihm entging sowas nicht, also lächelte sie ihn etwas ertappt an und setzte sich dann vorsichtig und langsam rechts neben ihm in das weiche Gras. Kurz darauf reichte sie ihm lieb sein Essen. Erst sah er sie nur etwas an und sie konnte seinen Blick dabei nicht richtig deuten. Was war das für ein Blick? War er nun erfreut oder…traurig? Aber dann nahm er sich auch schon sein Essen und lächelte es in seinen Händen, vor sich, an. Alles gut. Er lächelte wieder und Chiharu wurde auch ruhiger. Sie wusste einfach was er gern aß und obwohl er die Küche aus Osaka nicht mochte so stand er dennoch auf Takoyaki. Er war eben sehr wählerisch.

Die gebratenen Teigkugeln mit einem Tintenfisch-Bein, waren von den Take-away-Ständen in Osaka nicht mehr wegzudenken und Verbeiteten sich auch immer mehr im Land. Natürlich zuerst mit in Tokyo, dem Zentrum von Japan seiner Bevölkerung. Der Name dieses Fastfood-Gerichtes aus der Kansai-Region setzte sich aus “Tako”, Oktopus und “yaku”, braten zusammen. Diese Spezialität wurde den Kunden, an Imbissständen oder Straßenrestaurants, unglaublich schnell in einer Schale serviert. Noch dazu wurden sie mit einer Okonomi-Sauce der japanischen Variante einer Worcester-Sauce übergossen und zusammen mit Mayonaise und Aonori, also getrocknetem Seetang, serviert. Gewürzt wurde das alles mit Fischflocken. Man musste allerdings langsam essen und mit Vorsicht, denn die weichen Bällchen waren meist im Inneren sehr, sehr heiß. Besucher, die nicht aus Japan kamen, rechneten meist nicht damit und verbrannten sich dann gerne an der cremigen Füllung schon einmal die Zunge. Saku war das auch beim ersten Mal passiert und am liebsten wollte er das Zeug in die Ecke feuern und brüllen vor Zorn, denn er mochte es nicht wenn er nicht einfach drauf los essen konnte. Doch Chiharu hatte sich deswegen weggeschmissen und hell gelacht. Fies und gemein und er war deswegen auch echt sauer gewesen! Aber dennoch…wenn sie lachte machte ihm das nichts aus. Er liebte einfach ihr Lachen und danach war alles wieder wie weggefegt gewesen. Er war eben pingelig wenn es aufs Essen ankam. Aber dies war etwas was er mochte. Also nahm er sich seine Essstäbchen, die an der Seite der kleinen Schale lagen und knickte sie auseinander. Danach fasste er sich das erste Bällchen auch schon und sprach freundlich zu seiner Freundin rüber:

„Danke Chiharu.“

Als er dann auch endlich anfing zu essen. Sie lächelte ihn dabei an und antwortete:

„Manchmal sollte man dir echt einen Bumerang um den Hals binden, weist du das Saku?“

Saku verschlang, im Ganzen, das eine Bällchen im Mund und hatte noch die Stäbchen an den Lippen sitzen, als er verdutzt zu ihr rüber sah und blinzelte. Das Essen war etwas kühler, also konnte er sich das Teil komplett reinschieben, dennoch verstand er nicht was sie meinte, also schluckte er runter und fragte:

„Hä? Was meinst du?“

Sie grinste ihn frech an.

„Naja du bist still und heimlich verschwunden und hast dich einfach wortlos hier hingesetzt. Kamst nicht mal zurück. Nicht gerade die feine Art seine Freundin los zu werden.“

Auch das noch. Sakutaro lief etwas rot an und sah von ihr weg, als er muffte:

„Ich wollte dich nicht loswerden Chiharu...Mann denk doch nicht immer gleich mit…du weist schon…“

Sie blickte ihn verdutzt an und kicherte dann leise. Sie wusste genau was er meinte. Ja sie war halt eine Frau und ab und zu verhielt sie sich auch mal gern wie eine Muschi und dachte auch mit dieser. Aber in dem Fall war das etwas anderes. So sah sie ihn wieder lieb, aber dennoch besorgt an und sprach:

„Ich habe mir Sorgen gemacht. Ehrlich gesagt…mache ich mir viele Sorgen in letzter Zeit. Nicht nur wegen der Schlacht, in die du bald ziehst, sondern an sich mehr wegen dir. Du…du bist heute so komisch. Bist schon den ganzen Tag so still und in dich gekehrt…Stimmt etwas nicht mit dir Sakutaro? Möchtest du darüber reden?“

Sie wusste dass etwas nicht in Ordnung war.

Wenn Saku sich einfach abwand, ohne ein Wort zu sagen und danach auch noch vor sich ins Leere starrte, dann konnte da was nicht stimmen. Es war so offensichtlich. Einfaches Einmaleins. Und sie war nun seit über einem Monat offiziell seine Freundin, also fing sie nun erst recht an sich um ihn zu sorgen und ihm alles von den Lippen ab zu lesen. Sogar noch mehr als sonst. Also machte sie auch vor solchen Dingen keinen Halt und sprach Themen an die ihn vielleicht belasten würden und das einfach weil sie für ihn da sein wollte. Er sollte nicht das Gefühl bekommen allein im Regen stehen bleiben zu müssen, denn das musste er nicht. Nicht mehr. Sie war ihm auch nicht böse dass er einfach gegangen war. Aber sie wollte es verstehen, deswegen die Fragen. Und Saku schien das auch zu bemerken, also sah er wieder von ihr weg und vor sich auf sein Essen.

Er wollte mit ihr reden, aber er war nicht gut darin. Wie sollte er also anfangen? Vieles belastete ihn und nun da Chiharu ja schon sowas wie seine Frau geworden war, da wurde ihm das alles etwas viel. Überforderte ihn leicht, denn er hatte den Drang ihr die Sterne vom Himmel zu holen und wusste nicht wie. Sicher waren sie nicht verheiratet, aber er hatte mit ihr geschlafen und ihr seine Liebe gestanden, also war sie für ihn schon sowas wie seine Frau geworden. Wenn auch nicht schriftlich. Dennoch…war es komisch. Er fühlte sich komisch dabei. Er sorgte sich immer ob er ihr alles recht machen könnte und ob er sich um sie kümmern konnte. Aber da war noch etwas anderes in seinem Herzen…und das belastete ihn. Also schnaufte er kurz und fasste seine Worte in seinem Herzen. Er wollte ehrlich und offen zu ihr sein, denn Chiharu konnte er nichts vormachen. Und Offenheit, so wie auch Ehrlichkeit waren die Stützpfeiler einer Beziehung. Das wusste er. Also sah er sie an und sprach:

„Ehrlich gesagt: weis ich nicht mal wie ich anfangen soll…“

Natürlich nicht. Er war so unverbesserlich. Chiharu lächelte lieb und setzte sich dann näher zu ihm. So nah das sie ihn riechen konnte. Er roch so gut und nun sogar noch intensiver als zuvor. Sie fühlte sich bei ihm so geborgen. Also schubste sie ihn sanft mit der Schulter an und sprach:

„Leg einfach los. Offen und ehrlich.“

Das stimmte.

Saku fühlte sich auch wohler, als er sah wie sehr sie sich ihm näherte und sich ja schon fast an ihn kuschelte, während sie endlich mal anfing zu essen. Sie war so…wunderschön. War sie in den letzten Wochen sogar noch schöner geworden? Oder bildete er sich das nur ein? Jedenfalls fand er durch sie mehr Mut und gab dann nach vorne, auf den Teich starrend, von sich:

„Mir gehen in letzter Zeit sehr viele Dinge durch den Kopf Chiharu…Ich bin noch immer nicht über das Hinweg was Paku damals tun wollte. Ich…knabber noch immer daran herum und weis nicht wie ich damit umgehen soll. Wie ich ihn drauf ansprechen und behandeln soll. Aber auch was uns beide betrifft bin ich sehr zwiegespalten. Mach ich alles richtig? Also mit uns beiden? Ich meine: ich liebe dich und ich bin froh dass ich endlich den Mut gefunden habe dir das sagen zu können. Aber dennoch habe ich das Gefühl…ich weis auch nicht…als müsste ich wo anders sein. Manchmal, wenn ich abends in den Himmel sehe… da tut mir mein Herz weh. Aber es fühlt sich nicht wie ein organisches Leiden an, sondern wie etwas anderes. Als würde man mich rufen und ich müsste jemanden retten. Und genau das verstehe ich nicht. Ich meine: ich habe hier alles was man sich nur wünschen kann. Ein Zuhause, eine Familie, eine Berufung und dich. Und trotzdem sitze ich hier und fühle mich so komisch. Ich fühle mich so…gespalten. Als würde mir etwas fehlen…Als wäre ich nicht ich selbst…Kennst du das auch?“

Und er sah einfach nur weiter vor sich in das Wasser des Teichs.

Chiharu hatte derweil ihren ersten Takoyaki gegessen und hatte ihm gelauscht. Sie sah dann wieder zu ihm, als diese Worte offen und ehrlich aus ihm raus kamen und sie sich so…schwer dabei anhörten. Sie musste es ihm nicht ansehen können dass es ihn belastete und weh tat, denn sie konnte es auch in seiner Stimme hören. Sie klang verwirrt und traurig. Und wenn sie ehrlich zu sich selbst war dann: nein, nein das kannte sie nicht. Sowas war ihr nicht bekannt. Es lag aber auch daran das sie schon immer nur IHN wollte und keinen anderen. Chiharu wusste ganz genau was sie wollte und wo sie hingehörte aber…aber wusste Saku das auch? Denn wenn er so klang, dann schien es fast so als wäre er sich nicht sicher. Als würde er sich nach etwas sehen von dem er nicht mal wusste was es war. Musste sie sich deswegen Sorgen machen? Noch mehr als sie es eh schon tat? Denn um nichts auf der Welt wollte sie ihn traurig sehen. Niemals, denn sie liebe ihn aus tiefsten Herzen. Alles was sie wollte…war das er glücklich wurde. Egal wie. So das sie wieder zu ihm rauf lächelte und sich dann rechts an seinen Arm drückte. Sich an ihn schmuste und er wieder zu ihr runter sah. Sie schnaufte dann leicht erschöpft, etwas was sie in letzter Zeit öfters hatte und gab schließlich von sich:

„Es tut mir leid, aber ich kenne das nicht. Ich habe hier alles was ich schon immer wollte. Vielleicht ist das egoistisch von mir, aber es geht mir gut bei dir und dann ist alles okay für mich…Aber wenn du das Gefühl hast, dass dir etwas fehlt, dann werde ich dir natürlich helfen das zu finden. Also mach dir nicht so viele Gedanken, ja? Wir schaffen das schon, was auch immer es ist. Du bist nicht allein. Nicht mehr Sakutaro.“

Und es tat gut das zu hören.

Saku fühlte sich so wohl in ihrer Nähe und wenn sie so nah war, wie in jenem Moment, dann war alles wieder okay...oder? So sollte es zumindest sein…doch es passierte einfach nicht. Nicht weil er sich bei ihr nicht fallen lassen konnte, oder weil er ihr nicht traute…sondern weil es einfach komisch war. Es fühlte sich noch immer komisch an und das wo er sie so sehr liebte. Warum nur? Was war los bei ihm? Warum zweifelte er? Warum bekam er dieses Gefühl nicht los das er woanders sein sollte? Und wo genau sollte das sein? Je mehr er darüber nachdachte, die Fragen immer und immer wieder durch seinen Kopf donnern ließ, umso verwirrter wurde er dadurch. Also schob er sie weg, denn erst vor Wochen hatte er es ihr gezeigt. Ihr gezeigt wie sehr er sie liebte. Er hatte mit ihr geschlafen, auch wenn es irgendwie eine Kurzschlussreaktion gewesen war und ihr damit die Sterne vom Himmel geholt. Es tat so gut und sie war glücklich dabei gewesen. Mehr noch als er. Das konnte er an jedem Laut hören den sie von sich gegeben hatte. Es waren bezaubernde Laute gewesen. Musik in seine Ohren denn sie hörte sich dabei glücklich an. Sie waren so sehr einander verfallen das sie nicht mal auf Verhütung geachtet hatten und es einfach taten. Etwas was ihn sehr erschrocken hatte und er danach Sorge bekam er könnte bald Vater werden. Besonders als sie dann auf der Couch lagen, eng umschlungen und ihre nackte Haut an seiner lag…da spürte er den starken Puls in ihrem Unterleib, als er seine Hand auf diesen legte. Er hatte sie hart rangenommen und konnte sich nicht zusammenreißen. Hatte er sich komplett gehen lassen. Demnach war er auch in ihr gekommen und ärgerte sich nun irgendwie darüber das er die Bremse nicht rechtzeitig gezogen hatte. Sie war so wunderschön und er wollte sie beglücken, deswegen war es passiert. Sicher er wollte später mal ein Kind…aber dennoch fühlte es sich noch nicht richtig an. War es wirklich zu früh? Was war der Grund für dieses Gefühl? Er wusste es nicht. Auf jeden Fall hatte er Sorge gehabt und wurde danach auch etwas abweisend zu ihr, was ihm heute noch leid tat. Er hatte sie nicht rausgeschmissen, aber er konnte sie eine Zeit lang nicht mehr umarmen und küssen. Und er wusste nicht warum. Er wusste es einfach nicht. Vielleicht saß einfach der Schock noch zu tief ihn ihm, weil er sie vielleicht befruchtet haben könnte. Das könnte es gewesen sein. Doch so gut wie Chiharu eben nun mal war, nahm sie das alles an und liebe ihn wie immer stark und innig. Egal wie gemein er auch zu ihr war. Aber Saku wusste das er sie damit verletzt hatte. Und er war froh als es vor einigen Wochen wieder besser geworden war. Doch noch immer hatte er sich nicht bei ihr entschuldigt. Er konnte…wirklich ein Arsch sein.Aber er fand nicht den Mut darüber zu reden. Behandelte sie fast so als wäre das nie passiert. Fakt war: Der Sex war bereits lange her und wenn sie schwanger wäre hätte sie ihm das bestimmt schon gesagt, also harkte er das Thema, fürs Erste, auch erst mal ab. Obwohl er nichts dagegen hätte später mal Vater zu werden. Aber nicht jetzt.

Saku fühlte sich endlich wieder wohl in ihrer Nähe und umarmte sie mit dem rechten Arm, so das Chiharu dabei an seine Brust rutschte und dort ihren Kopf verweilen ließ. Sie schloss die Augen und konnte sein Herz spüren. Es schlug so stark und sie liebte es. Genauso stark wie in der Nacht als sie miteinander geschlafen hatten. Sie liebte es so sehr. So das sie ihr Essen vor sich in das Gras stellte und dann einfach weiter mit ihm schmuste. Sich an ihn drückte und seine Nähe genoss, während sie ihre beiden Arme um ihren Bauch legten. In jener Sekunde…wünschte sie sich es könnte für immer so bleiben. Doch etwas Übelkeit holte sie plötzlich aus ihrem sanften Seufzer raus und sie setzte sich richtig hin. Löste sich von Saku, so dass der verwirrt zu ihr sah, weil ihm das nicht entgangen war und er dann fragte:

„Hey, alles okay? Geht es dir gut Chiharu? Was hast du?“

So aufmerksam.

Neben ihm legte seine Freundin kurz die rechte Hand auf ihren Mund und schien zu schlucken. Etwas was ihn verwirrte. War ihr schlecht? Aber kurz darauf fing sie sich auch schon wieder lächelnd, sah zu ihm und sprach lieb:

„Alles gut Saku. Mach dir keine Sorgen mein Schatz.“

Doch sie klang etwas erschöpft und schwach dabei, was seinen Beschützerinstinkt sofort wieder hochfahren ließ und er sein Essen ebenfalls vor sich abstellte. Kurz darauf nahm er ihr Essen hoch und Chiharu sah ihm verwirrt dabei zu wie er es vor seine Nase hielt und daran zu schnüffeln schien. Was machte er da? Doch kurz darauf zog er etwas die rechte Augenbraue verdutzt hoch und sah sie wieder an. Mit der freien Hand fasste er ihr dann an die Stirn. Seine Hände waren so warm. Es schien als würde er ihre Temperatur messen und überprüfen ob sie Fieber hatte, doch natürlich war das nicht der Fall. Also ließ er darauf die Hand wieder von ihrer Stirn gleiten und sprach, mit dem Blick dann erneut auf das Essen gerichtet:

„Eigenartig…Vielleicht hast du dir den Magen verdorben, aber das Essen riecht gut und Fieber hast du auch keins.“

Und noch was: denn wenn das Essen schlecht wäre, dann würde das nicht so schnell klappen. Also ihr würde nicht gleich schlecht werden, denn es brauchte etwas bis das Essen im Magen verdaut wurde und dann noch mal länger bis man sich diesen verdarb. Also war er ziemlich verwirrt von der ganzen Sache und sah wieder zu ihr.

Chiharu sah ihn einfach nur dabei an, als er fragte:

„Aber das kann eigentlich nicht sein…Hast du das schon länger? Du isst in letzter Zeit auch sehr wenig Chiharu.“

Das Mädchen sah ihn erstaunt an. Wow…das war ihm aufgefallen? Sie hatte je keine Ahnung dass er so aufmerksam war was sie betraf. Vor allem wenn sie nicht hinsah. Es war richtig, denn das lag daran das sie kaum hunger hatte, sondern ihr mehr übel war. Er war so süß. Saku sorgte sich um sie und sie bemerkte es noch nicht mal, wie gut er sie im Auge behielt, dass ihm sowas sogar aufgefallen war. Das tat gut zu hören und sie lächelte wieder sanft und schüttelte dann den Kopf verneinend.

„Es ist wirklich alles gut Sakutaro. Es geht mir sehr gut, nur ist mir momentan einfach nicht so danach. Vielleicht ist es der ganze Stress in letzter Zeit…Ja das muss es sein. Es ist schön dass du den edlen Ritter spielst. Das hat was Romantisches. Aber du kannst auch gerne als normaler Mensch aufkreuzen, hehe. Also bitte…sorg dich nicht.“

Sakutaro lief dabei kurz rot an und natürlich machte er das, denn immerhin liebte er sie.

Er war so gut zu ihr und sie liebte ihn auch so sehr. Doch er hatte diese Angewohnheit sich selbst gern in Stücke zu reißen, also musste sie das jetzt bremsen. So zögerte sie auch nicht lange und kam wieder auf die Beine.

Saku sah zu ihr hoch und erblickte wie sie lächelte und ihre rechte Hand nach ihm ausstreckte. Sie wollte ihm hoch helfen, was nett gemeint war, aber er konnte das auch alleine, also kam er ebenfalls, ohne Hilfe, hoch. Das wäre es wenn er als starker Mann sich von seiner vielleicht kranken Freundin hochhelfen ließ wie ein alter Krüppel. Nein sowas gab es nicht! Also stand er dann im Nu vor ihr und hob noch beide ihre Essensreste danach auf. Hielt sie dann in den Händen während Chiharu ihn ansah. Er war so groß, im Gegensatz zu ihr und es war sehr schön. Er hatte damit die perfekte Größe für sie und so konnte sie sich passend an seine Brust schmusen. Und nur so kam sie sich vor als würde er sie sanft mit seinem Schwingen umschlingen und vor allem schützen. Und es war blöd immer wieder daran zu denken…aber sie hatte den Sex mit ihm so sehr genossen. Er war so stark und bestimmend gewesen, auch wenn sie ihm die ersten Tritte geben musste um ihn so aus der Reserve zu locken damit er endlich mal loslegte. Doch schnell danach riss er auch schon alles an sich und hatte keinen Halt mehr gemacht. Er war dabei leidenschaftlich und stark geworden, so wie in allem was er gern tat. Und sie liebte jede Sekunde davon. Liebte es wie er sie zu seinem Eigentum machte. Und während er nun so vor ihr stand…wünschte sie sich so sehr sie könnte es ihm sagen. Könnte ihm sagen wie sehr sie es genossen hatte und das sie…Doch etwas hielt sie davon ab. Sie wusste genau was es war…Es war die Schlacht in die er zu ziehen hatte. Sie wollte ihn…nicht davon ablenken. Doch…sie musste es tun. Noch bevor er ging. Allerdings gab es davor noch ein Gespräch das sie tätigen musste...Sie konnte es nicht noch länger hinauszögern. Und dann hatte sie eine Idee. Etwas was sie tun wollte bevor der Tag zu Ende ging. Also lächelte sie erneut und legte ihre Hände vor sich in ihren Schoß, als sie so vor ihm stand und freundlich sprach:

„Lass uns zum Schrein gehen Saku. Hier gibt es doch einen, nicht wahr? Ich möchte dort ein Gebet aussprechen, ja?“

Sie sagte dass so voller Freude und sanft das Saku sie nur ansah und dann seufzen musste.

Oh mann, er konnte ihr einfach nichts abschlagen und es war schön dass sie an sowas glaubte. Er allerdings hielt sich von solch einem Glauben weit entfernt, denn Sakutaro hatte noch nie an Götter geglaubt und auch nicht an das Schicksal. Denn wenn es sie geben würde…warum ließen sie dann die Menschen im Stich, oder sagen bei Kriegen einfach zu? Warum hat ihm als Kind niemand geholfen, als er weinend in seinem Zimmer lag und nach Hilfe jammerte? Immer dann…wenn sein Vater ihm gegenüber gewalttätig geworden war. Ihn gedrillt hatte ein starker Mann zu werden und sich zusammen zu reißen. Egal wie sehr er auch weinte und die Götter um Hilfe bat…keiner war gekommen um ihn zu retten und deswegen nahm er sein Leben selbst in die Hand. Er glaubte nicht an Geister und Gottwesen, denn er war nie einem begegnet. So empfand er das Beten auch als reine Zeitverschwendung. Aber wenn Chiharu daran glaubte, dann ließ er sie das auch weiter tun, denn er wusste dass es ihr ein Lächeln aufs Gesicht zaubern würde. Also nickte er nur stumm und sprach dann, während er auf das nicht aufgegessene Essen in seinen Händen sah:

„Na gut Chiharu, aber du machst bitte langsam, okay? Nicht das du doch erkältet bist, oder was ausbrütest und es dann nur noch schlimmer wird.“

Wie recht er doch hatte. Er war so lieb und es war witzig das er sowas zu ihr sagte…

Sofort schmunzelte sie sanft zurück und harkte sich danach in seinen linken Arm ein. So ließen sie dann auch den Teich hinter sich und liefen gemeinsam wieder auf den Weg. Und es war schön dass sie sich so in ihn einharken konnte. Das sie zeigen konnte das er ihr Freund war. Ihr Mann. Es erzeugte ein Gefühl von Wärme in ihrer Brust und es machte sie unglaublich glücklich. Nicht nur weil er eine gutaussehende Partie war und man sich mit ihm erst recht zeigen konnte, sondern auch weil er so lieb war. Denn selbst wenn man ihm das nicht ansehen konnte, weil er meist einen strengen Blick auf Lager hatte und immer das Gefühl bekam sich von allem und jedem wieder verteidigen zu müssen, so war er nicht so. Er machte das aus Schutz, denn er war oft verletzt worden. Tat das als dürfte er nie seinen Schutz runter lassen, denn sonst würde man ihn wieder verletzen. Doch trotz all dem war er…der beste Partner den man haben konnte. Emphatisch und liebevoll zu den Menschen die er liebte und Treu war ein Wort das gut zu ihm passte. Und sie wusste: er würde immer bei ihr sein. Egal was auch in Zukunft passieren würde.

Nach wenigen Minuten fanden sie dann auch den Schrein und liefen unter einem großen, roten Torii hindurch.

Ein Torii ist, in der Regel, ein rotes, hölzernes Tor, welches die menschliche von der heiligen Welt trennen sollte. Das bekannteste Beispiel, was auch Touristen kannten, fand man in Kyōto. Denn in Kyōto gab es den Fushimi Inari Taisha, welchen man an den beeindruckenden tausenden aneinander gereihten Torii erkennen konnte. Er ist der Hauptschrein aller Schreine in Japan und der Shinto-Gottheit für Fruchtbarkeit und Geschäftserfolg, Inari, geweiht, die einen Fuchs darstellte. Der Weg hoch zum heiligen Fuchsschrein. Für Saku allerdings völlig übertrieben, aber er hatte sich das ja nicht ausgedacht, also was auch immer. Für ihn reichte es schon unter einem durchzugehen, um zu wissen das er nun angeblich die Welt der Götter und Geister betrat, da brauchte er nicht tausend Stück die ihn jeden Zentimeter, den Berg hinauf, daran erinnerten das er angeblich heiligen Boden betrat. Und als sie darunter hindurch liefen, sah er rechts neben sich sogar einige Blumen blühen, die dort in die Erde gepflanzt wurden. Blumen die er kannte und die sehr auffällig waren. Denn links und rechts vom Torii blühten rote Spinnenlilien. Pflanzen die komischer nicht aussehen konnten, weil sie sehr zerrupft wirkten, aber gleichzeitig auch so geheimnisvoll und elegant. Angeblich wuchsen sie auch dort wo die Welt der Lebenden und der Toten getrennt wurde. Alles Aberglaube für ihn, aber sie waren dennoch schön anzusehen.

Chiharu zerrte ihn danach förmlich auf den großen Platz vor ihnen, wo auch der Tempel stand und sich viele Menschen tummelten. Saku persönlich fühlte sich nicht wohl an Orten mit vielen Menschen. Lag aber auch daran das er mit Menschen an sich nicht so gut zurecht kam. Nicht mehr nach den Schlachten die er erlebt hatte und auch davor schon kaum. Er hatte die Abgründe der Menschheit gesehen…und die waren verdammt tief gewesen. So das er nur noch etwas besaß was man einen „Kreis von Spinnern“ nennen konnte. Spinner die er persönlich in seinen Dunstkreis ließ und denen er vertraute. Nämlich Menschen die so waren wie er…einsam und missverstanden. Freaks in allem was sie taten und konnten. Aber, obwohl er jeden um sich als Gefahr sehen wollte, ließ er sich dennoch von der Süßen einfach weiter zerren bis sie zu einem Brunnen kamen, mit Kellen für das Wasser, der links vor dem Schrein stand.

Im Allgemeinen galt bei einem Schrein: Respekt und sittsames, ruhiges Verhalten sowie das Befolgen der örtlichen Regeln. Beim Betreten von Gebäuden oder Hallen waren die Hinweisschilder zu beachten, sowie mögliche Fotografieverbote und manchmal musste man auch die Schuhe ausziehen, wenn es gefordert wurde. Darüber hinaus war es üblich, wenn auch nicht vorgeschrieben, beim Betreten des Schreingeländes die Hände zu reinigen und genau deswegen standen sie vor diesem Brunnen, der mit einer Drachenfigur verziert war aus deren Mund Wasser floss. Er mochte diese Floskeln nicht, aber dennoch machte er es und reinigte sich die Hände daran. So nahm er die Kelle mit der echten Hand und schüttete Wasser über seine Linke und dann noch anders herum. Chiharu machte es ihm danach gleich und sie liefen dann in den Schrein hinein, bis sie endlich vor dem Altar standen.

Er war sehr alt, aber gut in Form gehalten. Saku wunderte sich immer wieder das es Menschen gab die so sehr an ihrem Glauben festhielten. Denn er hatte so nichts davon. Also zumindest keinen religiösen Glauben. Seine Freundin kramte kurz darauf, aus ihrer Tasche, eine Fünf-Yen-Münze und warf sie links von sich in eine kleine Kiste. Fünf-Yen-Münzen waren dafür sehr beliebt und wurden meist genutzt, weil das Geräusch, welches sie machten wenn sie in die Kiste fallen, in Japanisch „goen“ ausgesprochen wurde und dieses klang wie das Wort für “Beziehung” oder “Schicksal”, was auch „goen“ gesprochen, aber anders geschrieben, wurde. Es drückte dabei den Wunsch aus, mit den Göttern eine gute Verbindung aufzubauen. Und danach zog sie, auch links von sich, an dem Seil an dem eine Glocke befestigt war und läutete diese dreimal. Kurz darauf verbeugte sie sich zweimal tief und klatschte dann ebenfalls zweimal in die Hände. Damit wollte sie angeblich ihre Präsenz bei den Göttern deutlich machen. Zeigen dass sie da war und dass sie erhört werden wollte. Und dann hielt sie noch ihre Hände, vor der Brust, still und fing an zu beten. Chiharu schloss die Augen und blieb ruhig, konzentrierte sich dabei auf ihre Atmung…und den Puls in ihrem Körper. Innerlich sprach sie ihr Gebet und äußerte einen Wunsch und als sie fertig war bedankte sich sie gedanklich bei den Göttern und verbeugte sich ein letztes Mal. Ihr Gebet war beendet und sie hoffte…dass es die Götter erreicht hatte.

Sakutaro hatte ihr bei alldem nur zugesehen und war froh wenn sie einfach wieder weitergehen konnten. Wie gesagt: Sein Glaube hielt sich in Grenzen. Oder besser gesagt: war nicht vorhanden. Also machte er das auch nicht. Er sprach kein Gebet und wartete nur darauf dass sie fertig wurde. So das sie dann rechts zu ihm rüber sah und ihm lieb fragte:

„Willst du es nicht auch mal versuchen Saku?“

Er muffte etwas Luft aus seiner Nase.

Sie wusste seine Antwort, noch bevor er was gesagt hatte, aber dennoch hatte sie die Hoffnung dass er es sich vielleicht mal anders überlegen würde. Nur einmal. Doch Saku war stur wie ein Esel an einem Sonntagmorgen und vertraute treu seiner eigenen Meinung, als er den Kopf schüttelte und nach vorne antwortete, den Blick auf den Schrein gerichtet:

„Ich überlasse das Beten den Leuten die daran glauben. Und ich persönlich nehme mein Schicksal lieber selber in die Hand, als darauf zu hoffen das mir ein Schutzgeist geschickt wird um mich zu beschützen, oder das die Götter kommen und meine Probleme für mich beseitigen. Ich bin selber für mein Schicksal verantwortlich und nicht Wesen die ich nicht sehen kann. Und mal abgesehen davon: was ich nicht sehen kann…das existiert für mich auch nicht.“

Das war eine sehr enge Sicht der Dinge. Aber es war okay. Er durfte ja seine eigene Meinung haben. Aber Chiharu hoffte das es mehr gab nach dem Tod. Und das man nicht einfach so verschwand.

Sie lächelte ihn dann an. Typisch, aber genau deswegen liebte sie ihn so. Saku war ein Mann der Tat und stand zu dem was er sagte, zumindest bis man ihm vom Gegenteil überzeugen konnte. Was sich allerdings bei ihm nicht immer als leicht erwies, denn er hatte einen unglaublichen Holzkopf und Dickschädel. Aber dennoch: wenn sie ihn so ansah…er würde sicherlich ein guter Vater sein. Denn er hatte alles, was es dazu benötigte, bereits in sich. So lächelte sie wieder sanft zu ihm und nahm ihn dann erneut am linken Arm, harkte sich in diesen ein und sah zu ihm hoch, so wie er zu ihr runter sah, weil er das fühlte. So sahen sie sich darauf nur an und Chiharu lehnte sich kurz danach zu ihm hoch und küsste ihm sanft auf die Lippen. Er schmeckte so gut und er war okay so wie er war. Er war, für sie, perfekt. Auch wenn er dazu neigte sein eigenes Leben in Gefahr zu bringen. Aber so war er nun mal und damit musste sie auskommen. Sakutaro tat das was er für richtig hielt und ließ sich nicht davon abbringen. Und er war stärker als sie, vielleicht sogar noch stärker als er es selber wusste.

Und als sie den Kuss beendete, er sie sanft danach ansah, flüsterte sie zu ihm hoch:

„Lass uns noch spazieren gehen, ja? Heute ist ein toller Tag…“

Und das meinte sie auch so.

Saku küsste sie darauf dann noch mal. Genoss ihren Geschmack und Geruch dabei. Er liebte sie so sehr und er wollte wirklich den ganzen Tag mit ihr verbringen. So wie immer. Er sehnte sich oft nach ihr. Besonders dann wenn er allein im Hangar saß und an seinem Zero rumhantierte. Dann beendete er den Kuss und sah sie noch mal an. Sie war…alles was er hatte. Aber jedes mal wenn er sie küsste…war da ein komischer Nachgeschmack. Als würden sie…Er schüttelte diesen Gedanken innerlich ab und sie liefen danach gemeinsam weg von dem Schrein und verbrachten den Rest des Tages zusammen. Liefen zusammen durch den wunderschönen Park mit den Kirschblüten in voller Blüte. Chiharu dachte immer mal wieder an ihr Gebet und an das was sie sich gewünscht hatte. Denn sie…sie hatte sich das Beste für ihn gewünscht. Hatte zu den Göttern gebetet dass sie ihn auf den richtigen Weg bringen würden und dabei beschützten. Dass er einfach nur glücklich werden würde in seinem Leben und das fand was er suchte, egal wie weit entfernt es auch war. Saku sollte glücklich sein und sein Leben genießen. Das war alles was für sie zählte. Nichts war ihr wichtiger. Und sie hoffte einen wichtigen Part darin spielen zu können. Sie hoffte es so sehr.

So griff sie sich immer mal wieder an den Bauch und seufzte. Sie wollte es ihm sagen. So sehr, aber sie konnte noch nicht. Es fühlte sich noch nicht richtig an und er hatte schon so zu viel im Kopf das sie ihn nicht noch mehr durcheinander bringen wollte. Immerhin musste er in bald in eine Schlacht ziehen. Also schwieg sie. Behielt dieses kleine Geheimnis noch etwas länger in sich was wuchs und gesund war. Sie hatte es ihm nicht gesagt…aber sie war lange überfällig gewesen. Und heute hatte sie endlich die Antwort bekommen, auf die sie so sehr gehoffte hatte. War beim Arzt gewesen und so glücklich wie noch nie zuvor in ihrem Leben da raus gekommen. Denn es stellte sich heraus dass Saku mal wieder einen Volltreffer gelandet hatte. So wie er nun mal war. Also lächelte sie erneut sanft und fasste sich wieder an den Bauch dabei. Sie würde es ihm sagen, aber noch nicht jetzt. Vielleicht würde er es dann auch schon leicht sehen, wenn sie sich traute es zu sagen…denn sie war schwanger und in aktuell in der siebten Woche. Es war ihr gemeinsames Kind, was sie in jener Nacht gezeugt hatten und welches nun sanft behütet in ihrem Bauch wuchs. Es war seins. Nur seins. Es war Sakutaro sein Kind…
 

Es war spät in der Nacht und Yoh wurde wach.

Ein leises Gähnen entwich seiner Kehle und er rieb sich schließlich über die Augen. Normalerweise war er einer der sehr tief schlief und den nichts aus der Ruhe bringen konnte doch diese Nacht war anders. So konnte sich der junge Schamane nicht erklären warm er schon wach war und sah sich verdutzt, so wie mit halb geschlossenen und müden Augen, von seiner Hängematte aus im Wigwam um. Es war noch sehr dunkel und er konnte nicht viel sehen, denn es war mitten in der Nacht und dazu noch eine warme Sommernacht. So streckte er sich kurz und setzte sich dann auf. Schon lange war ihm das nicht mehr passiert dass er wach war wenn alle anderen schliefen. Das letzte Mal war es gewesen als Hana noch ein Baby war. Aber das war normal denn Babys hatten keinen Rhythmus und brüllten dann wenn sie es für richtig hielten und was wollten, egal um welche Uhrzeit es sich auch handelte. Und Hana hatte OFT geschrien. Oh ja viel zu oft.

Ein weites Gähnen entwich seiner Kehle und er sah etwas schmatzend rüber zu seinem Gemahl, der nur eine Matte weiter rechts von ihm hing. Natürlich schlief Hao tief und fest und sägte dabei wieder einen kompletten Dschungel nieder. Der Glückliche, er hatte so einen tiefen und ungebrochenen Schlaf. Und danach floh Yoh sein Blick zwischen ihre Matten nach unten, dort wo Hana seine war und…er erschrak. Innerhalb von Sekunden war er hellwach und sein Herz rutschte ihm in die Hose. So sehr sogar das er sich instinktiv nach links rollte und aus der Matte fiel. Hart donnerte er danach auf den Boden und sah zu Hao hoch, der natürlich einfach weiter schlief und davon nichts mitbekommen hatte. Wie ein Bär der im Winterschaf festhing. War aber auch egal. Yoh kämpfte sich sofort danach hoch und kniete vor der kleinen Matte seines Sohnes…der weg war! Hana war nicht in seinem Bettchen und Yoh überkam die blanke Panik. So das er danach komplett auf die Beine kam und sich panisch im Wigwam umsah. Nichts. Er konnte ihn nicht sehen! Wo war er?! Es war nicht Hana seine Art. Erst recht verschwand er nicht einfach von der Seite seiner Eltern ohne sich abzumelden und schon gar nicht still und heimlich mitten in der Nacht! So wollte die junge Mutter ihren Gemahl aufwecken und ihn panisch anschreien das ihr Sohn verschwunden war. Yoh bekam schreckliche Panik wenn sich Hana ohne ihn wo rum trieb. Er war noch so jung, gerade erst sechs geworden und so sanft. Was wenn er sich weh tat!? Immerhin war er, ab und zu, ein kleiner Tollpatsch! Was wenn ein Leopard in ihren Wigwam gekommen war und das Kind aus der Matte entführt hatte und gerade in den Dschungel zerrte um ihn zu fressen!? Seine Mutterinstinkte nahmen ihn gerade komplett auseinander. Erschufen Horrorszenarien und so lief er schnell rüber zu Hao seiner Matte und wollte ihn wecken…aber er hielt dann inne als er etwas sah. So sah er vor Hana seiner Matte…dass seine Schläppchen fehlten. Das beruhigte ihn etwas denn ein Leopard zog seinem Opfer vorher nicht noch die Schläppchen an. Also war Hana von alleine gegangen. Was dafür sorgte das Yoh zu ihrem Eingang des Wigwams sah und sofort hin rannte. Er zog, bevor er ihn verließ, noch seine Schläppchen an und rannte dann raus.

Kaum als er draußen war überfiel ihn die warme Sommerluft und er sah sich hektisch um. Sah auf den Platz vor sich und zu dem großen Lagerfeuer, das nie aufhörte zu brennen. Nichts. Der Platz war leer und alle Patcheen schliefen tief und fest. Was es nicht besser machte. Wo…wo war sein Kind?! Hana wusste das er nicht einfach gehen durfte, also WO war er?! Doch er bekam schnell seine Antwort…als er ein leises Weinen hörte. Die Ohren einer Mutter hatten diesen gewissen Empfang der die Wellenlänge ihres Kindes hörte, egal wie laut es zwischen anderen Kindern schrie, die auch schreiten, oder leise es auch war. So wusste er dass es sich um seinen Hana handelte und er sah rechts neben sich am Wigwam vorbei. Vorsichtig schritt er um ihn und der kommende Anblick…brach ihm das Herz. Und genauso sah er ihn auch an: Erschrocken und wehleidig, denn er sah seinen Sohn und das sehr genau. Hana saß am Ufer des Flusses, der hinter ihrem Zuhause lang floss. Sein Blick war zum Himmel über ihnen gerichtet, den man nur dort sehr gut sehen konnte, denn sonst war alles über ihrer Heimat mit dicken Blättern der Bäume und Dickicht verschlossen. Nur dort war ein Loch in der Decke über ihnen und erlaubte einen Blick zum Himmel. Er als Schamane meditierte gerne dort, denn nur da konnte man die Sterne am Abend sehen. Etwas woran Schamanen die Zukunft ablesen konnten und so ihren Weg fanden. Die Sterne zeigten einem den Weg, das war etwas was er früh gelernt hatte. Und von den Sternen kam das Glück…aber, in jenem Moment, nicht für Hana. Er saß einfach weiter da und weinte bitterlich. Jammerte und ließ die Tränen einfach laufen und Yoh erschrak denn er hatte dabei so einen leeren Blick drauf. Ein Blick als wäre er nicht hier und seine Seele ganz wo anders. Er war so hübsch und dieser Anblick zerriss einer Mutter das Herz, so das Yoh näher kam und leise fragte:

„Hana? Hana was machst du denn da mein Schatz? Es ist doch so spät Liebling, komm wieder ins Bett. Warum weinst du mein Schatz? "

Erst reagierte sein Sohn nicht darauf und jammerte weiter leise zum Himmel über sich. Ein so wehleidiges und leises Wimmern. Die Tränen liefen noch immer aus seinen Augen und kullerten seine etwas rötlichen Wangen hinab. Aber dann schien er plötzlich zu reagieren und drehte seinen Kopf langsam nach rechts zu seiner Mutter rüber und sah sie nur an. Sein Blick…war so leer und Yoh verstand teils was los war…Es kam selten vor in ihrem Dorf, aber er erkannte es... Hana schlafwandelte. Der Grund, warum er nicht da zu sein schien, war: weil er wirklich nicht DA war. Sein Kopf war abgeschaltet und schlief, aber was sprach dann da aus seinem Sohn? War es sein Herz…oder seine Seele? Und noch etwas wurde ihm plötzlich bewusst…Konnte es sein das Hana über dieselbe Gabe verfügte wie er? Das er…auch ein Schamane war? Denn offenbar suchte er bewusst diesen Platz auf und das sogar im Schlaf. Einen Ort wo er die Sterne sehen konnte…

Jedenfalls lief seine Mutter vorsichtiger auf ihn zu, denn einen Schlafwandelnden sollte man nicht wecken. Man sollte ihn sanft wieder ins Bett bringen und warten das er von alleine wach wird, denn sonst könnte er einen Schreck bekommen. Also würde er das tun. Doch warum…weinte sein Kind? So kam er dann sanft rechts neben Hana an und der sah zu ihm auf. Es war verrückt. Er schien tief und fest zu schlafen aber dennoch sahen seine leeren Augen seine Mutter so genau an, als wäre er wach und erkannte jede Bewegung. Sowas hatte Yoh noch nie erlebt. Vor allem nicht bei Hana, denn der war noch nie schlafgewandelt. Danach fasste er seinem Kind sanft mit beiden Händen auf die Schultern und sprach:

„Süßer komm wieder ins Bett. Du bist doch müde.“

Er wollte ihn sanft und behütend leiten…aber genau in der Sekunde fing Hana wieder schlagartig an zu weinen und verzog das Gesicht traurig. Es war so ein schlimmer Anblick und endlich verstand Yoh auch woher es kam…als Hana endlich anfing zu reden. Er sprach leise und wehleidig zu seiner Mutter:

„Mami?...Wo…wo ist mein Dyami? Ich kann ihn nicht finden Mami…Ich finde ihn nicht…E-Er…er ist so weit weg Mami…Wann kommt er zu mir…? Warum kommt er nicht zu mir Mami…?“

Yoh sah ihn erschrocken an.

"Oh Schatz..."

Kam es dann aus seiner Mutter heraus.

Das konnte nicht sein. Was…sagte er da? Denn was er da von sich gab ergab keinen Sinn. Also Hana konnte nichts davon wissen, denn noch nie…hatte er ihm von Dyami erzählt. Kinder lernten erst später die Legenden ihrer Götter kennen. Demnach kannte sein Sohn diese Geschichte nicht. Also woher kannte er dann diesen Namen? Er war zwar noch immer erschrocken über die Worte seines Sohnes…aber die Trauer überkam ihn dann selber und er drückte sanft sein Kind an sich. Umschlang ihn mit beiden Armen und drückte Hana seinen Kopf an seine Brust, so dass er das Herz seiner Mutter hören konnte. So vergingen einige Minuten in denen sich Yoh fragte was gerade passierte. Denn für ihn war das kein normales Schlafwandeln mehr und etwas völlig anderes. Er konnte es sich nur so erklären: das Hana seine Seele nach seinem Partner rief. Es war eine Legende und schon seid Generationen nicht mehr in ihrer Familie vorgekommen. Und nun saß er hier…dieser wunderschöne, kleine Junge der so viel mehr in sich hatte als man ihm ansehen konnte. Und Yoh war sich nun ganz sicher: Hana war ein Schamane…und ein mächtiger noch dazu. Es stand geschrieben: dass es in seiner Blutlinie mal Schamanen gab die eine Bindung hatten noch bevor sie geboren wurden. Eine Bindung zu einem anderen Menschen auf dieser Welt. Es war Liebe, aber so viel mehr als normale Liebe. Es waren zwei Seelen die füreinander geboren wurden und wenn sie sich trafen…blieben sie für immer zusammen. Noch inniger als das was zwischen ihm und Hao war und das…war wunderschön, aber ein Fluch zugleich. Denn die eine Seele…konnte ohne die Andere niemals glücklich werden. Und es war wie in der Legende, denn angeblich waren die Tochter des Häuptlings, seine eigene Vorfahrin und Dyami…auch ein Seelenpaar gewesen. Und Yoh wurde bewusst…das Hana etwas ganz besonderes war und das er ihn vor allem beschützen musste. Nicht nur weil er seine Mutter war und das dazu gehörte…sondern weil Hana sein Leben schwer werden würde wenn er ins Erwachsenenalter kam. Noch schwerer als es schon war. Denn ohne seinen Dyami…würde er für immer einsam sein.

So hob er seinen Sohn sanft mit der rechten Hand am Po an und drückte ihn dabei an sich. Seine Mutter hatte ihn dann fest in den Armen und schluchzte kurz auf, bevor er schließlich sanft lächelnd sprach:

„Er wird dich schon finden…ganz bestimmt...Aber jetzt musst du wieder schlafen Liebling. Alles wird gut... Ich bin immer für dich da Hana... “

Und dann wand er sich vom Fluss ab und sah noch mal kurz zu dem Sternenhimmel über sich während Hana wieder in seinen Armen schlief. Diese Nacht konnte man die Sterne sehr klar sehen. Wie sie funkelten und Schamanen den Weg weisen wollten. Yoh lächelte hinauf. Er würde kommen. Ganz bestimmt. Die Person…die zu seinem Hana gehörte. Und damit lief er wieder zum Wigwam zurück und legte sich mit seinem Sohn schlafen. Sie schliefen in seiner Matte und Yoh drückte Hana ganz dicht an sich heran bis er an seiner Brust tief und fest eingeschlafen war. Hana war etwas Besonderes und wer auch immer seinen Sohn bekam, zu wem er auch immer gehörte…er musste auch was besonderes sein. Genauso sanft und verrückt wie sein Sohn. Er würde ihn finden und Hana glücklich machen...das war Yoh sein größter Wunsch.
 

Jede Nacht in deinen Träumen kannst du mich sehen und fühlen. Das ist der Moment wenn ich mich fürchte, dass du nicht loslassen kannst. Wenn ich sehe wie weit entfernt du bist und sich zwischen uns ein Riss bildet, dann weis ich dass er dir damit zeigen will das du weitergehen musst. Nah und fern, egal wo du auch bist, ich weis das dein Herz die Stärke finden wird weiter zu gehen. Doch noch einmal öffnetest du die Tür in deinem Herzen um mich zu besuchen. Aber ich schicke dich weg, denn ich weis dein Herz gehört nicht mir. Liebe kann uns berühren und ein Leben lang bleiben. Es lässt niemals los bis wir beide schließlich gehen. Liebe war es als du mich geliebt hast und manchmal wünschte ich du könntest mich wieder genauso halten wie damals. Aber das Leben geht weiter und du musst mich vergessen, denn ich bin dir vorausgegangen. Sieh also nicht zurück. Bereue nichts von dem was passiert ist. Die Zeit und auch ich gleiten dir zwar aus deinen Händen, aber ich lasse freiwillig zu das du mich verlässt, dass ist der Unterschied. Mach schon, denn du weist es auch: dein Zuhause ist dort wo sich deine Seele zuhause fühlt. Keiner weis es besser als du. Also habe keine Angst davor. In dieser Zeit und an diesem Ort, ist dieser Moment alles was ihr habt. Und das Morgen wird zeigen was es für euch bringt. All die wundervollen Dinge, die wir beide hatten, lass sie gehen und du wirst lernen zu verstehen. Hier bist du zuhause. Hier kannst du lieben wie du es immer wolltest. Vergib deiner Vergangenheit und du kannst endlich erhobenen Hauptes weiter gehen. Zugehen auf eine strahlende Zukunft. Und in der Ferne kommst du an einen Ort wo du hin gehörst. So weit weg von deinem Geburtsort und doch ein Zuhause. Endlich geht für dich die Sonne auf und lässt den Himmel über dir hell erstrahlen. Er wird es dir zeigen. Also geh ruhig. Geh zu diesem Ort und dem Menschen den du liebst, denn du weist, was auch immer du siehst, was auch immer du erlebst und wohin du auch gehst…er wird für dich da sein…Und er wird dein Zuhause werden. Liebe ihn so sehr wie du mich geliebt hast. Liebe ihn noch mehr als das. Denn diese Liebe war schon immer für ihn bestimmt gewesen.



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