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Tribal

I`ll be your home
von

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Son of his parents

Es geschah lange vor meiner Zeit und ich sah es nicht kommen. Den Abstand, das Versprechen, den Ort der Isolation. Und in meinen dunkelsten Alpträumen, woran ich mich nicht mal erinnern kann, dort ertrinkt die Antwort und der Schmerz bleibt für immer. Mein Vater, seine Pflicht, seine Befehle, meine Mutter, das Versprechen, die Abneigung, die Reflexion, die Empfängnis, die Folter, der Wahnsinn und die Trauer. Kann es nur von kurzer Dauer sein, oder war es schon immer so? Mein Schatten wird vor mir auf den Boden geworfen. So laufe ich in deinem Zirkel. Beschütze und korrigiere mich, das ist ein Befehl, Soldat. In meinem Kopf brummt es und manchmal kann ich es kommen hören. Die Kraft, der Glaube, der Glaube den ich so sehr hasse. Wer bist du? Es kann nicht sein? Ich kenne dich. Du würdest das niemals tun, richtig? Bekämpfe mich nicht, sondern setzt mich in Flammen. Mein Abzug, aber es ist dein Finger, der ihn auslöst. Deine Dunkelheit, ich kenne sie genau. Komm nur näher, denn ich habe sie selbst gesehen und das meine ich ernst. Ich bin gekommen, um die Ordnung zu ändern. Mein Training ist perfekt, hier bin ich. Dein Versprechen wird halten. So überschreite ich deine Grenzen. Meine Mission ist heilig, hier bin ich. Doch ich sah es niemals kommen. Geboren unter dem Schutz des Wolfes und der weißen Kälte, höre meine heilige Stimme. Meinem Willen sollst du dich beugen. Die Blumen sind ein Teil meines Namens und ich werde ihnen keine Schande bringen. So jaule ich zum Mond, denn ihm bin ich ähnlich. Weine hoch zur Sonne und mit ihr bin ich eins. Ihr werdet alle sehen, wer ich wirklich bin. Ein König durch und durch. Mein Herz kennt mich besser, deswegen ist das hier auch mein letzter Brief. Ich bin der Neumond, der Beginn und das Ende. Mit mir bricht eine neue Zeit an. Mit Feuer wird die Zukunft neu erschaffen und mit meinen Tränen das Heil gebracht, auf das alle warten. Zwei Welten vereint. Für immer. Der schwarze Schatten der Dämmerung ist mein Erbe. Eine blühende, neue Zukunft.
 

Yoh war noch immer stinksauer.

Es war nicht mal einige Stunden her, da hatte er sich erneut mit Hao gestritten. Etwas, was nicht ungewöhnlich war, je älter sie wurden. Und so saß er nun alleine in seinem Wigwam, starrte vor sich in das kleine Lagerfeuer am Boden, das in der Dunkelheit etwas Licht und Wärme spendete. Es war das Ende des Sommers und das Wetter wurde immer kühler von Woche zu Woche. Die ersten Probleme mit der Ernte traten auf und zeigten, dass bald die Hungerperiode einsetzen würde. Zumindest was ihr Getreide anging. Jeder war beschäftigt und musste viel Leistung und Arbeit erbringen, um für den Winter gewappnet zu sein. Auch Goldva hatte viel zu tun und so war sie nicht für Yoh da, um ihm etwas Trauer und Wut zu nehmen, die er in seinem Herzen trug. Also musste er das selber verarbeiten und saß mit angewinkelten Beinen, die er umschlungen hatte, vor dem Feuer und starrte nur weiter in das Spiel der Flammen vor seinen Augen. Seine bernsteinfarbenen Augen schimmerten wunderschön im Licht der Flammen und unterschieden sich damit stark von denen Haos. Der hatte mehr dunkelbraune Augen, aber dennoch wunderschöne. Etwas was man leider nicht abstreiten konnte, egal wie sehr man auch versuchte ihn zu hassen. Hao war an sich ein echter Wildfang und ein gutaussehender noch dazu. Er war kräftiger gebaut als Yoh, etwas größer und hatte dunkles, langes Haar, das sehr gut gepflegt war. Jede Frau würde sich darum reißen, ihn als Mann zu haben, aber Yoh war der „Glückliche“ dem er versprochen wurde. Was aber nur daran lag, dass Hao bereits das Potenzial für einen guten Häuptling besaß und Goldvas Sohn Silva das Erbe nicht wollte. Er wollte stattdessen nur Hao als seinen Vertreter. Und Yoh…nun er musste das Kind des Häuptlings gebären. Einfach nur, weil er anders war und somit angeblich auch heilig. Doch mal abgesehen davon...musste er seufzen.

Warum mussten sie sich nur wieder streiten? Es war ein dummer Streit gewesen und dann auch noch einer, den Yoh bewusst vom Zaun gerissen hatten. Das alleine war schlimm genug, aber er konnte einfach nicht anders…denn es hatte ihm so weh getan. Dasselbe verdammte Thema wie immer: Es ging um seinen Körper und um das Erbe.

Der Junge hatte das nur am Rand mitbekommen, denn als er durch das Dorf lief, um einen gefüllten Krug mit Wasser zu einer alten Frau zu bringen, hatte er sie gesehen. Er sah wie Hao und einige andere Krieger des Dorfes nahe dem Lagerfeuer im Zentrum gestanden hatten und feierten. Feierten unbekümmert unter dem Nachthimmel, der durch die Blätter des Waldes, über ihnen, kaum zu sehen war. Offenbar hatten sie eine erfolgreiche Jagd hinter sich gehabt, nahe dem verbotenen Berge. Yoh konnte den niedergerungenen Bären sehen, der neben den Männern am Feuer lag und die Frauen bereits anfingen ihn auszunehmen. Das gefiel ihm nicht. Und noch weniger wie Hao damit umging. Er saß da und lachte, trank und sprach mit den älteren Männern, die ihn immer mehr als einen der Ihren akzeptierten und ihn lobten, wie großartig er geholfen hatte, diese Bestie niederzuringen. Er prahlte selber damit. Aber für Yoh war es einfach nur abstoßend gewesen. Hao behandelte die Jagd wie ein Spiel. Etwas, was sie nicht sein sollte. Ein Tier sollte nicht zum Spaß erlegt werden. Man sollte es nur töten, wenn man sich davon ernähren wollte oder es einen selbst drohte zu töten. Denn jedes Leben war heilig und durfte nicht vergeudet werden. Und erst recht sollte man Respekt zollen, wenn das Tier den Stamm ernährte und sein Leben aufgab, um andere am Leben zu erhalten. Und genau das sah er nicht. Sie saßen da, lachten und feierten sich. Sicher war ein Bär nicht leicht zu erlegen und galt als eines der stärksten Tiere der Insel. Aber das war nicht richtig. Diese Art und Weise gefiel ihm nicht, aber brachte den Jungen noch nicht zum Kochen…erst das Thema, was danach kam. Denn dann ging es um ihn. Und es war dasselbe verdammte Thema wie immer...

Einer der älteren Krieger hatte Hao auf die linke Schulter gefasst und klopfte immer mal wieder frech zu, als er mit ihm sprach. Yoh konnte nicht überhören, wie der ältere Kerl sprach:

„Na? Und wann setzt du endlich ein Kind in die Welt? Immerhin warten doch alle schon auf den heiligen Nachwuchs!“

Sie waren sichtlich angetrunken und feuchtfröhlich gewesen. Hao nicht, weil er sowas verabscheute und sich nicht gern mit stimulierenden Kräutern abschoss. Dennoch war er nicht besser gewesen. Yoh fiel fast aus allen Wolken als er hörte:

„Yoh ist teils eine Frau und du weist doch wie die Weiber sein können. Es muss immer alles aus Liebe sein und nach Romantik gehen. Na ja, vielleicht klingelt seine Uhr auch bald von alleine und dann kommt er schon zu mir. Die sind so gemacht, dass sie Kinder haben wollen und dann bin ich am Zug. Was für ein Glück, dass ich nicht nach jemanden suchen muss, sondern gleich eine Braut gestellt bekommen habe, was? Das macht es viel leichter. Mein Besitz hält sich in Grenzen, aber das kann mir keiner nehmen, hehe!“

Bei der Aussage musste Yoh erschrocken stehen bleiben und nur vor sich auf den Boden sehen. Er….er konnte es einfach nicht fassen. Wie verachtend über ihn gesprochen wurde. Als wäre er nur ein Tier, das man zähmen müsste, oder ein Gegenstand, der ihm so oder so schon gehörte, weil sie verlobt waren. Es riss an ihm und verursachte innere Übelkeit…und Wut. Yoh wurde richtig wütend. Und das war etwas, was er normalerweise selten hatte. Und ab da konnte er es sich nicht mehr verkneifen. Also stellte er den Krug mitten auf der Stelle ab und lief zu ihnen rüber und danach krachte es. Es krachte so sehr, dass sich viele bereits aus der Affäre zogen und Abstand zu ihnen hielt. Yoh fing an, den Streit vom Zaun zu brechen und zu motzen. Hao stimmte kurz darauf ein. Sie krischen und fauchten sich neben dem Lagerfeuer an und wenn man sie so sah, dann dachte man, dass sie sich nie mehr vertragen würden. Ganz besonders Yoh war der Meinung gewesen. Er persönlich war fertig mit Hao. Und egal wie oft Goldva und die Anderen versuchen würden an ihm rumzureden…er würde es nicht mehr tun. Er wollte Hao nicht heiraten und erst recht kein Kind mit ihm bekommen. Denn der war arrogant und egoistisch. Respektlos seinem Verlobten gegenüber und der Natur. Er dachte nicht mal eine Sekunde darüber nach, wie es Yoh mit der Situation ging! Wie er vielleicht darüber nachte. Wie er sich fühlte. So musste er sich auch schnell abwenden und so war er alleine in seinem Zuhause gelandet.

Es war ein schreckliches Gefühl und der Junge fing endlich an zu weinen. Zittrig umschlang er seinen Bauch und setzte sich in den Schneidersitzt während das Feuer vor ihm ihn weiter wärmte. Hao hatte doch keine Ahnung. Er wusste nicht, wie es war, wenn man verflucht war. Verflucht seit seiner Geburt dem gerecht zu werden, was andere von einem erwarteten. Yoh konnte nie entscheiden, was er sein wollte. Sofort, nach der Geburt, wurde er mit Hao verlobt und war auserkoren seine Braut zu werden. Mit ihm später die stolze Blutlinie fortzusetzen, indem er ihm ein Kind gebar. Nie wurde er gefragt, ob er was anderes wollte und nie wurde ihm Mitleid oder Mitgefühl geschenkt für diese Situation in der er sich befand. Sein Bauch tat weh. Es war so unfair. Doch er konnte es bereits in sich spüren und das war das Schlimme daran. Denn nun war er sechzehn und damit völlig ausgereift und fruchtbar. Einmal im Monat spürte er den Druck in seinem Bauch und die Schmerzen, die er hatte. Er war anders als andere Frauen. War etwas, was es extrem selten gab und seine ganze Biologie verlief anders als bei normalen Menschen. Im Gegensatz zu normalen Frauen war Yoh in der Lage nur einmal ein Kind zu bekommen. So war es überliefert worden und angeblich lag es daran, dass er nur eine Eizelle besaß und diese auch nur in einer Situation sprang, nämlich dann, wenn er es wollte. Der Moment, in dem er ein Kind wollte. Also vermutlich beim Akt. Bei einigen Tierarten war das auch so. Doch die Regelblutung bekam er dennoch ganz normal, auch ohne Eisprung. Der Körper reinigte sich regelmäßig und hielt alles für eine Befruchtung frisch so wie auch bereit. Und es tat immer weh. Nicht nur wenn sein Körper sich reinigte, auch einfach mal so schmerzte sein Bauch. Es war, als würde sein Körper ihn dazu zwingen wollen, endlich den Willen zu finden, ein Kind zu zeugen. Endlich das Ei springen lassen zu dürfen. Doch er wehrte sich. Er wehrte sich so sehr dagegen. Das wollte er nicht. Warum konnte er nicht einfach normal sein? Ein normaler Junge, wie andere auch? Seit er klein war…wollte er nichts mehr als normal sein…und mit Hao befreundet zu sein. Doch sein Körper ließ das später nicht mehr zu. Je älter er wurde. Denn er spürte es. Immer wenn er mit Hao alleine war…da wurde ihm warm. Er konnte nicht mit ihm befreundet sein…wenn er sich immer mehr in ihn verliebte. Und nun hatten sie sich erneut gestritten. Es riss eine Kluft zwischen sie. Yoh wollte nicht mehr. Er hielt das alles nicht mehr aus. Wer war er? Wo gehörte er nur hin auf der Welt? Eine Frage, von der er nicht wusste, dass jemand anderes auch mal so empfinden würde…

Ein Krug schepperte draußen in der Ferne. Lautes Schreien und Geräusche rissen ihn schlagartig aus seinen Gedanken und er sah erschrocken über seine rechte Schulter nach hinten. Sah zu dem Eingang seines Wigwams. Was zum…?

Es waren viele verschiedene Schreie zu hören. Hauptsächlich von Frauen, die panisch klangen und dann von Männern, die alle zusammentrommelten und brüllten. Natürlich bekam auch der junge Yoh Angst und sprang gleich instinktiv auf seine Beine. Das war ungewöhnlich. Danach rannte er zu dem Ausgang und kam raus ins Freie. Schob vorsichtig das Fell der Eingangstür zur Seite und wagte sich raus. Dann blieb er stehen und sah sich um…Es dauerte nicht mal zwei Sekunden, da sah er schon das Ausmaß an Zerstörung und Gewalt um sich. Es war sehr hell, obwohl es bereits dunkel war. Und das lag nur an dem Feuer, das um ihn loderte. Das Feuer vom heiligen Lagerfeuer im Zentrum, das sich ausgebreitet hatte und anfing alles niederzubrennen, was es berührte. Er sah die Flammen, die auf die Wigwams übersprangen und diese zum Brennen brachten. Sah wie die Frauen versuchten ihre Kinder zu schützen und von einigen der Männer aus dem Dorf geleitet wurden. Es war ein heilloses Chaos geworden, von ein auf die andere Sekunde. So das er nicht mal wirklich reagieren konnte und nur schockiert langsame Schritte nach vorn machte und sich umsah.

Sein Blick folgte den fliehenden Frauen aus dem Dorf und schien gleichzeitig etwas zu suchen. Schreie, Rufe und ein grauenhaftes Brüllen hallte durch sein Dorf und er sah nach links rüber auf den Platz. Dort konnte er endlich erblicken, was da wütete.

Es schmiss locker ihre Krieger durch die Gegend, die versuchten es im Zaum zu halten, um den Anderen Zeit zu geben zu fliehen. Die Zähne waren riesig, Geifer floss aus dem brüllenden Maul und große Pranken holten aus, zischten immer wieder auf einige Männer nieder, die gegen es ankämpften und verletzten diese sogar schlimm dabei. Yoh sah erstarrt dort hin. Das…das war ein Bär.

Noch nie zuvor hatte er so einen großen Bären gesehen. Sein Brüllen war wie ein Donnern, als würde ein Gewitter wüten. Sein Fell war blau und darauf schimmerten und leuchteten Flecken in einem Hellblau, die wie Sterne am Nachthimmel funkelten. Eine große Narbe zog sich über das rechte Auge des Bären und hatte ihn dort, vor langer Zeit, erblinden lassen. Mit seinem gewaltigen Kiefer biss er zu und fasste sich einen der Krieger vor sich. Wütend und mit brutaler Gewalt schüttelte und zerrte er an dem Menschen herum. Schlug ihn immer wieder zu Boden, während dieser versuchte sich verzweifelnd und schreiend aus dem Biss zu lösen, der ihn gefangen hielt. Doch nach wenigen Sekunden verstummten die Schreie des jungen Mannes und er hing nur noch als leblose Puppe in den Fängen des Monsters. Welches ihn dann auch einfach fallen ließ und wieder brüllte, erneut anfing, um sich zu hauen, weil andere Männer ihn mit Speeren umrundet hatten und versuchten ihn dort zu halten. Der leblose Körper lag zwischen den gewaltigen Pranken des Bären und Yoh sah nur versteinert dabei zu.

Warum…passierte das? Warum griffen sie ihn nicht an? Sie hielten den Bären mehr im Zaum, als dass sie ihn erledigen wollten. Er griff sie doch an! Und er schien nicht fressen zu wollen, sondern zu töten! Was an sich schon komisch war. Bären griffen nicht einfach so an, um zu töten! Wenn dann taten sie das, nur wenn sie sich bedroht fühlten, oder um ihre Jungen zu schützen. Auch nährten sie sich nicht einfach ihrem Dorf und randalierten dort! Doch je länger er diesem schrecklichen Spektakel zusah…, umso mehr verstand er. Sein Aussehen, seine Narbe und die gewaltige Größe…Das war kein normaler Bär. Deswegen griffen die Krieger ihn auch nicht an, sondern hielten ihn an Ort und Stelle, damit alle fliehen konnten. Dieses Tier…das war ganz sicher Apollo.

Yoh kannte die Legende von den vier großen Tiergeistern, ihren Göttern, die über die Insel herrschten. Dyami, Sirius, Ke-Ya und Apollo. Der Adler, der Wolf, die Schildkröte und der Bär. Jeder dieser großen Geister hatte ein Tier auf dieser Insel, eines, das ihn in fleischlicher Hülle repräsentierte. Da dieser große Bär direkt in Verbindung mit Apollo stand, ergab es Sinn, dass ihn keiner angriff. Sich einem Gott zu widersetzen, durfte man nicht. Und es war eine Regel, sich den Göttern nicht im Kampf zu stellen. Wer das tat, wurde von diesen bestraft und bezahlte damit meist mit seinem Leben. Noch dazu war es Gotteslästerung und man verlor im Dorf sofort sein Ansehen. Sie waren heilige Tiere und wenn Apollo hier war um zu töten und zu randalieren…dann konnten sie sich dem nur ergeben und fliehen. Sie durften sich nicht gegen ihn wehren und ihn verletzen!

Es machte Yoh fassungslos, wenn er sah, wie ohne Reue und Mitleid der große Bär, ihr Schutzgott, einfach Menschen riss und wegschleuderte, als wären sie Puppen und nichts wert. Warum tat er das? Was hatte ihn so aufgebracht?

Yoh zuckte erschrocken zusammen, als er rechts am nackten Oberarm gepackt wurde und dann hinsah. Es war Goldva gewesen, die ihn ganz schön erschreckt hatte. Sie sah ihn ernst an und sprach dann auch schon laut:

„Wir müssen fliehen! Sie halten ihn so lange auf, wie sie können! Komm jetzt!“

Und dann zerrte sie auch bereits an ihm herum und führte ihn von dem Kampf weg. Es war nicht sonderlich schnell, da die alte Frau nicht schneller konnte, also sah Yoh noch weiter hinter sich. Er konnte seine Augen nicht von dem Massaker zerren, das sich da entfaltete. Apollo brüllte, schlug um sich, schmiss Menschen, die Yoh kannte, durch die Gegend und sogar ins Feuer, so dass diese aufbrüllten und in Flammen standen. Es war einfach nur grausam. Es war das erste Mal, dass er so grausame Gewalt erlebte. Und es verfolgte ihn noch immer, auch als sie bereits aus dem Dorf waren und etwas weiter draußen im Dschungel bei den Anderen standen. Sie waren am Sammelplatz angekommen.

Goldva hatte ihn darauf losgelassen und fing bereits an, die versammelte Mannschaft vor sich zu zählen. Ging jeden Menschen einzeln durch. Die Frauen weinten und jammerten, waren aufgescheucht und verzweifelt. Einige hatten ihre Männer verloren und somit auch Kinder ihre Väter. Die Kleinen weinten ebenfalls und wurden von ihren Müttern fest und schützend gedrückt. Das ganze Ausmaß der Katastrophe wurde deutlich. Yoh sah dem allem nur schockiert und traurig zu.

Was war nur passiert? Vor einiger Zeit hatte er sich noch mit Hao gestritten und alles war irgendwie normal gewesen. Doch nun standen sie mitten im Dschungel und waren dabei, ihr Zuhause zu verlieren. Nicht nur das. Wenn er diese kleinen Kinder sah, wie sie weinten und nach ihren Vätern schrien…da wurde ihm schlecht. Er fühlte sich mies und wollte helfen. Doch wie könnte er nur? Ein Nicken. Er folgte seinem Herzen. Also schritt er vor und lief zu einem kleinen Mädchen das einfach nur da stand und weinte. Während er das machte, floh sein Blick kurz nach links, weil er eine bekannte Stimme hörte…Es war Hao. Er war da.

So stand er nicht weit von ihm entfernt und beruhigte ebenfalls viele der Patcheen, die alles verloren hatten. Und als Yoh ihn so sah, da wurde ihm anders. Hao war so ruhig und sanft gewesen. Er sprach mit einer sanften Ruhe zu den Menschen um sich und schien völlig gefasst zu sein. Selten sah man ihn so. Und Yoh selber kannte ihn so erst recht nicht. Er war komplett anders als sonst. Wie er sprach, die Menschen beruhigte und dann hob er auch noch ein kleines Mädchen auf den Arm und drückte diese an sich die Rotz und Wasser weinte. Spendete ihr Trost und meinte: Es wird alles gut. Da war keine Arroganz und kein Hochmut. Er war komplett anders. Und sein Verlobter war völlig von den Socken. Ehrlich gesagt…so mochte Yoh ihn sogar. Er sah dort einen jungen und gutmütigen Mann, der sich um seinen zukünftigen Stamm sorgte. Nun begriff auch Yoh endlich, warum Silva ihn erwählt hatte. Wie konnte er das bisher nur nie erkennen?

Doch als Hao zu ihm rüber sah, wand Yoh seinen Blick sofort beschämt ab und nahm endlich auch das kleine Mädchen vor sich in die Arme. Wie peinlich. Sie hatten sich doch erst so böse gestritten, warum himmelte er ihn plötzlich so an. Wie schnell sich doch alles ändern konnte, wenn es die Situation auch tat. Er drückte die Kleine fest an sich und flüsterte:

„Es wird alles wieder gut. Hab keine Angst.“

Und dabei strich er ihr sanft über das braune Haar. Sie weinte nur weiter und jammerte nach ihrem Vater. Yoh tat das so leid. Er hatte selber seine Eltern früh verloren und wusste, wie schlimm das war. Und nicht nur er…auch Hao. Darin waren sie im selben Boot. Beide hatten ihre Eltern mit zwei Jahren verloren und waren von Goldva und Silva erzogen worden. Yoh von der Hexe und Hao von ihrem Sohn.

Hao setzte das kleine Mädchen ab, welches er getröstet hatte und sah zu Yoh rüber. Er sah dabei zu, wie der Junge sanft das Mädchen tröstete und sie immer wieder versuchte zum Lächeln zu bringen, indem er Grimassen schnitt oder ihr gut zusprach. Ihr sagte: Alles wird gut und dabei nicht einmal aufhörte zu lächeln. Es wirkte sogar. So war er immer. Selten zeigte er Sorge vor anderen, wenn diese Angst hatten. Versuchte stark für andere zu sein und diesen zu helfen. Yoh hatte ein sanftes und liebes Lächeln. Es strahlte immer so viel Ruhe und Geborgenheit aus. Auch in Momenten wie diesen. Das machte ihn besonders. Nicht nur sein Körper. Das wurde auch Hao klar, je länger er zusah und ihm plötzlich auffiel…dass dies sein Verlobter war. Zum ersten Mal wurde ihm deutlich und bewusst, dass dieser Junge da drüben die Person war, die er heiraten würde. Dieser wunderschöne Junge, der so sanft war und immer versuchte zu lächeln. Obwohl beide wussten, dass er auch anders konnte. So wie vorhin. Aber das war völlig okay. Irgendwie…war es richtig gewesen. Und er erinnerte sich daran, dass er Yoh vorhin wie einen Brutkasten behandelt hatte. Dieser nur dazu da wäre, damit es ihm gut ging und er ihm einen gesunden Erben gebären würde. Ihm wurde klar…das war nicht richtig gewesen. Ein plötzlicher Anflug von Übelkeit überkam ihn. Er ekelte sich vor sich selbst. Warum war er nur so mies gewesen? Was hatte ihn da geritten? Er sah noch immer zu Yoh…und als er ihn mit diesem Kind dort knien sah…da stellte er sich vor, dies wäre seine Familie. So, wie es kommen sollte. Seine Frau und sein Kind. Es war nur eine Sekunde gewesen…aber der Gedanke gefiel ihm sehr.

Doch als Yoh von dem Kind abließ, da schien es, als würde sich ein Schrecken über sein Gesicht breit machen, den Hao nicht übersah. Aber auch erst nicht verstand. Sein Verlobter sah sich wie gestochen und schockiert um. Es schien als würde er jemanden suchen. Danach rannte Yoh zu der alten Goldva rüber, die auch versuchte alle zu beruhigen und Hao hörte ihn besorgt fragen:

„Goldva! Hast du Opacho und ihre Eltern gesehen?!“

Hao stockte ebenfalls und floh mit seinem Blick erschrocken durch die Menge neben ihm. Yoh hatte recht! Keiner von den Dreien war da! Sein lockerer Stand änderte sich schlagartig und er sah sich noch immer weiter um. Sie waren nirgends zu sehen, was bedeutet: Sie waren noch im Dorf! Danach sah er wieder zu Yoh rüber, der erschrocken zu der alten Hexe runtersah, als sie laut sprach:

„Sie sollten längst hier sein! Sind sie es nicht?!“

Yoh schüttelte den Kopf.

„Sie sind nicht hier! Dann sind sie sicherlich noch im Dorf! Wir müssen nach ihnen suchen!“

Opacho und ihre Eltern waren gute Freunde des Stammes geworden und nach ihrem Schiffbruch gehörten sie quasi zur Familie. Besonders ihre kleine Tochter Opacho. Yoh hatte sie sehr lieb gewonnen und sah voller Schrecken zurück, wo es zum Dorf ging. Vielleicht waren sie…Goldva konnte ihm ablesen, was er vorhatte. Sie schüttelte den Kopf und sprach ernst zu ihm rauf:

„Keiner geht zurück in dieses Dorf! Wenn der große Apollo sie tötet, dann ist es sein Wille und dem werden wir uns nicht wiedersetzten, hast du gehört?!“

Yoh sah sie erschrocken an und fauchte besorgt:

„Aber sie gehören zu unserem Stamm! Wir dürfen niemanden zurücklassen!“

„Wir wiedersetzen uns nicht unseren Göttern, Yoh!“

„Ich kann sie nicht im Stich lassen!!“

Brüllte der Braunhaarige zu ihr runter und riss sich von der Menge los. Goldva sah ihm entsetzt nach und blieb wie angewurzelt stehen, als sie sah, wie Yoh zurück zum Dorf rannte und sich ihren Worten komplett wiedersetzte. Plötzlich war er genauso ein sturer Bock wie Hao geworden. Er dachte nicht darüber nach, was er tat. Seine Beine trugen ihn von ganz allein und sein Herz war bei Opacho und ihren Eltern. Er musste sie finden! Die Kleine war für ihn wie eine Tochter geworden und die Eltern wie seine eigenen. Sie waren für Yoh Familie und diese gab er nicht auf! Also rannte er einfach weiter. Hao sah genau erschrocken seinem Verlobten nach, wo wie auch alle anderen Mitglieder des Stammes. Er wollte sich bewegen…aber er konnte nicht. Er durfte nicht. Goldva hatte es verboten. Immer und immer wieder schrie die Hexe nach ihm, aber Yoh überhörte sie komplett. Er folgte seinem Herzen…und nicht nur er.

So kam der Junge schwer atmend und keuchend wieder in ihrem Dorf an und sah sich um. Es war schlimm. Noch immer brannten viele Wigwams lichterloh und das Feuer griff um sich. Verschlag alles, was es in die Finger bekam. Doch im Gegensatz zu vorher war es stiller geworden. Keine Schreie hallten mehr umher und auch der gewaltige Bär war nicht mehr zu sehen. Nur noch das, was er übrig gelassen hatte. Mit Schrecken sah der Junge es nicht weit vor sich liegen…die vielen Toten, die auf dem Platz verteilt waren. Sie waren zu Tode gebissen, oder sogar zerfetzt. Kein Tier würde sowas tun. Es sah nicht mal so aus, als wollte er sie fressen. Er hatte einfach nur gemordet. Und Yoh verstand.

Der Berg war sein Zuhause gewesen. Hao und die Anderen hatten dort einen normalen Bären erlegt und ihm keinen Respekt gezollt, nach dem er gestorben war. Apollo musste deswegen zornig gewesen sein und kam, um sich zu rächen. Es war eine Vermutung, aber es konnte nichts anders sein. Ein Gott kam nicht einfach so und vernichtete alles um sich herum…Oder?

Und als er endlich seinen Blick losreißen konnte, sah er nach rechts rüber und zu dem Wigwam von Opacho und ihren Eltern. Er brannte ebenfalls und Yoh rannte sofort hin. Er konnte sie nicht hören, sein Herz stockte vor Angst, aber dennoch blieb er davor stehen, hielt die Arme schützend vor sich, wegen der Wärme und rief lauthals:

„OPACHO! Könnt ihr mich hören!? OPACHO!!“

Erst war da nichts. Nur das Knistern und Brennen der Flammen vor sich, die immer weiter den Wigwam verschlangen. Aber dann hörte er es. Es war nur ein schwaches Jammern und Weinen nach seinem Namen. Erschrocken sah er hin. Seine Beine zitterten und sein Körper hielt sich zurück. Es war Wahnsinn, da hineinzugehen. Doch das Weinen nach ihm reichte völlig aus, um alle Muttergefühle in Yoh zu wecken, die er immer mehr entwickelt hatte. Also sah er erschrocken und dann verbissen zu dem Feuer vor sich. Erneut brüllte er den Namen des kleinen Mädchens vor sich zum Wigwam und dann gab er sich den letzten Ruck…er sprang über die Flammen und ins Innere.

Drinnen war es noch heißer als draußen und er sah sich mit halb geschlossenen Augen um, weil die hellen Flammen so in seinen Augen stachen. Der Husten fing bereits an, da die Luft voller Rauch war und Yoh konnte ihn nicht mehr unterdrücken. Er lief weiter ins Innere und schütze sein Gesicht vor den Flammen und der Hitze. Immer und immer wieder rief er den Namen des Kindes und suchte sie mit den Augen. Sie war am Leben! Er hatte sie gehört! Aber als sein Blick kurz nach rechts floh, sah er auch schon erschrocken die zwei brennenden Leichen in der Ecke. Da war noch immer Blut am Boden zu sehen und die komplette Inneneinrichtung war zerfetzt gewesen, noch bevor sie brannte. Apollo…er hatte sie geholt. Wehleidig verzog Yoh das Gesicht. Trauer überkam ihn, aber er durfte sich nicht davon überrennen lassen. Er musste Opacho finden! Und das tat er auch, als er noch mal vorlief, sie erneut rief und diese dann antwortete. Schwach jammerte sie weinend zu ihm:

„Yoh…“

Und dann konnte er sie auch endlich sehen. Sein Kopf drehte sich nach links zu ihr und er erspähte sie: Sie lag unter einer Menge von Decken, die noch nicht brannten und sah ihn traurig und weinend an. Sie schlotterte und traute sich nicht aus ihrem Versteck. Yoh dagegen fiel ein Stein vom Herzen und er lief schneller zu ihr. Die Hitze fegte über beide hinweg wie ein böser Geist und er kam zu ihr runter, fasste auf die Decke und sprach zu ihr:

„Opacho!! Ich hole dich hier raus!! Halt dich an mir fest!!“

Derweil hob er sie mit samt den dünnen Decken hoch und drückte sie fest an seine Brust. Wie eine Mutter ihr Kind umschlang, so hielt er sie mit beiden Armen an sich gedrückt. Der eine Arm stützte sie am Po und der Andere drückte ihren Kopf an seine Kehle, als er sich umsah und wieder zum Ausgang lief. Opacho schlotterte am ganzen Leib und Yoh versuchte alles, um sie zu beruhigen. Drückte sie schützend an sich, machte beruhigende Geräusche, als würde er ein Kind wiegen und lief einfach weiter. Doch die Kleine sah es noch immer. Sie sah, wo ihre Eltern waren und wie sie brannten. Doch sie hatte bereits zu viel gesehen. Hatte beobachtet, wie ihre Eltern von Apollo getötet wurden. Hatte einfach alles gesehen und das schockierte sie nun auch nicht mehr. Dennoch bemerkte Yoh wie sie dort hinsah und drehte sich etwas weg, sprach dabei:

„Sieh nicht hin Süße! Es wird alles gut! Ich bin bei dir!“

Und damit wand er sich noch schneller dem Eingang zu und schaffte es aus dem brennenden Zuhause raus. Es war knapp gewesen und draußen angekommen husteten Yoh und Opacho gleichzeitig wegen des Rauches, den sie eingeatmet hatten. Der Junge ließ sich sogar auf die Knie fallen. Er hatte sie noch immer fest an sich gedrückt und rang nach Luft, füllte seinen Lungen mit frischem Sauerstoff, den er nötig hatte. Alles brannte weiter um sie herum. Nichts blieb verschont und inzwischen brannte auch schon Yoh sein Zuhause. Er sah nicht auf, aber er wusste, dass sie alles verloren hatten. Zumindest alles Materielle. Doch nicht sich selbst und ihre Menschlichkeit. Und daran hielt er fest. Er konnte Opacho retten und das war ihm mehr wert gewesen als jeden Besitz, den er hatte! Wo kamen sie hin, wenn sie nicht mal kleine Kinder beschützen wollten? Wenn man sie einfach zurückließ und weiter machte. Sich den Regeln nicht etwas widersetzte. Er hatte nicht auf Goldva gehört. Sie hatte es verboten. Aber es war Yoh egal gewesen. Dieses Kind zu retten, war das größte Glück. Er bereute nichts. Die Kinder waren die Zukunft…und die musste man beschützen.

Und während er sie so an sich drückte, fühlte wie sie an ihm weinte und sich ebenfalls an ihn schmiegte…da wurde es ihm endlich bewusst. Lange hatte er dies nicht erkannt, aber nun sah er klarer als jemals zuvor. Es waren Muttergefühle. In jenem Moment fühlte er sich wie eine Mutter. Und Yoh hätte das niemals von sich gedacht…doch es gefiel ihm. Es war ein schönes und warmes Gefühl, die Kleine zu halten. Opacho öffnete ihm für etwas die Augen, ohne es bewusst zu tun und das war Folgendes:…nämlich, dass Yoh Mutter sein wollte. Es war endlich in ihm wach geworden. Er würde Mutter sein. Und er wollte es dann auch. Er hatte es im Blut. Egal ob es sein eigenes Kind war oder Opacho.

Er löste sich etwas von ihr und sah zu der Kleinen lieb lächelnd runter. Sie sah nur hoch und weinte weiter. Danach gab er ihr einen sanften und ruhigen Kuss auf die große Stirn. Es war okay. Sie hatte ihre Eltern verloren. Sie durfte so viel weinen, wie sie wollte. Er wurde sie halten und behüten. Von dem Tag an…war sie seine Tochter. Keiner konnte das mehr ändern. Also strich er ihr danach über das wollige Haar und sprach runter:

„Es ist alles gut, Opacho…Ich passe auf dich auf. Ich bringe dich hier weg.“

Dann drückte er sie wieder an sich und wollte aufstehen, doch als etwas rechts neben ihm schepperte, verblieb er in seiner Position und sah erschrocken dort hin.

Er konnte sehen, wie der gewaltige Bär durch einen brennenden Wigwam rannte und sich danach schüttelte. Hinter ihm riss der Wigwam zusammen und er bekam die Flammen auch gleich aus seinem Fell, fauchte zu dem zerstörten Heim eines Menschen. Doch das hielt nicht für lange, als seine Nase einen Geruch wahrnahm und ihn schnüffeln ließ. Kurz darauf sah er auch schon zu Yoh rüber…der ihn noch immer voller Schrecken im Auge behielt. Er musste sogar anfangen zu zittern und das Biest knurrte zu ihm rüber. Fletschte die großen Zähne, die noch immer voller Blut waren, von den Patcheen, die es getötet hatte. Er randalierte noch immer. Er hatte die Männer getötet und nun zerlegte er das Dorf. Wie groß musste, sein Hass nur in ihm sein, dass er nicht mal vor Unschuldigen haltmachte? Doch das war nicht mehr wichtig, denn er bewegte sich lauernd und auf allen Vieren langsam auf Yoh zu. Behielt in mit einem scharfen Blick im Auge und knurrte dabei mit den Zähnen grinsend.

Der Junge drückte die Kleine nur noch mehr an sich, die jedoch auch anfing zu zittern und verblieb an Ort und Stelle. Er drehte sich danach direkt zu dem Tier. Opacho wurde so sehr an ihn gedrückt, dass sie nicht sah, was passierte. Das große Tier nicht sah, das immer näher kam. Und Yoh würde nicht fliehen, das war Blödsinn. Er war nicht dumm. Das Biest würde ihn so oder so einholen, egal was er auch tat, also ergab er sich teils seinem Schicksal und verblieb an der Stelle. Dennoch wollte sein Kopf dieses Leid nicht akzeptieren. Das durfte nicht sein. Er hatte eben ein Leben gerettet und nun sollte es wieder genommen werden? Das war nicht fair! Und je näher der Bär kam, umso mehr verwandelte sich Yoh in eine Löwenmutter und drückte Opacho noch schützender an sich. Knurrte dann sogar leicht vor Wut. Er hatte sich verändert.

Apollo war noch gut zwei Meter von ihm entfernt und Yoh konnte auch das Blut sehen, das in seinem blauen und mit Sternenflecken schimmernden Fell hing. Er roch bitter und nach Tod. Und mit genau derselben Einstellung kam er auf die Menschen zu. Er wollte sie töten. Doch der Junge gab nicht auf. Er wusste, was los war. Sein Blick änderte sich und die Wut verschwand. Es war nicht nötig. Und dann sah er den Bären plötzlich sanft an. Er hatte es verstanden und wollte nicht aufgeben, also sprach er plötzlich:

„Es tut mir leid, Apollo.“

Der Bär blieb plötzlich stehen. Es war komisch, aber er sah den Jungen auf die Entfernung an, als könnte er ihn verstehen. Er rührte keinen Muskel mehr und lauschte als Yoh weiter sprach:

„Es war nicht richtig, was unsere Krieger getan haben. Sie hätten ihm Respekt zollen sollen, wie es sich gehört. Und ich kann deinen Zorn verstehen. Aber ich bitte dich…dieses Kind hat nichts damit zu tun. Bitte, zügel deinen Zorn.“

Apollo starrte sie nur weiter an und regte sich nicht einen Meter von der Stelle. Er schien wirklich zu verstehen und deswegen hielt er auch inne…Aber nichts konnte den Zorn besänftigen, den er in sich hatte. Also brüllte er aufs Neue und kam dabei auf die Hinterbeine. Mit dieser Stellung lief er dann weiter gezielt auf den Menschen zu und fletschte die Zähne. Yoh verstand was los war und knurrte dann zurück. Der Gott hatte sich entschieden. Nämlich für den Tod. Er wollte töten und er würde auch vor ihnen keinen Halt machen, bis sein Zorn gestillt war. Er hatte ihnen bereits alles, was sie besaßen, genommen. Nun nahm er noch zusätzlich das Leben eines Kindes und der besonderen Kreatur, die es in den Armen hielt. Etwas, was weder nach Männchen noch nach Weibchen roch. Und als er fast bei ihnen war, nur wenige Schritte vor ihnen stand und nach unten brüllte, weit mit der rechten Pranke ausholte, da drückte Yoh das Kind schützend an sich und schloss die Augen. Er hatte versagt. Aber er würde sie niemals allein lassen! Und Apollo krisch danach nur…aber nicht vor Zorn, sondern vor Schmerz.

Es war deutlich zu hören wie sich seine Tonlage anders anhörte und verwirrt sah Yoh wieder auf und vor sich. Sah hoch zu dem gewaltigen Tier, das noch immer auf zwei Beinen stand und krisch. Er hatte Schmerzen und Blut tropfte zwischen seinen Hinterbeinen auf den trockenen Boden unter ihm. Erst verstand der Junge nicht, was passiert war, denn es ging alles so verdammt schnell. Aber dann erkannte er jemanden, der nicht hier sein sollte. Sein langes Haar flog im heißen Wind des Dorfes und sein Speer steckte tief in der rechten Seite der Kehle von Apollo. Riss dort eine tiefe Wunde hinein, während der Krieger noch immer auf der Schulter des Tieres stand und seine Waffe fester ins Fleisch drückte. Voll in der Absicht, es zu töten. Yoh konnte seinen Augen nicht trauen. Es war Hao…und er legte sich mit einem Gott an.

Er war wirklich gekommen, um sie zu beschützen. Hatte sich ebenfalls mit voller Absicht Goldva ihren Worten entrissen und kämpfte nun gegen Apollo. Nicht größer könnte die Schande sein, denn er griff einen Gott an und hatte ihn sogar schon verletzt. Doch das schien ihn nicht zu kümmern, als er erneut fester den Speer in die Wunde drückte und es stärker blutete. Der Bär krisch auf und drehte sich auf der Stelle, schlug mit den Pranken um sich, aber konnte sie nicht hoch genug heben, um an den Feind heranzukommen. So hielt sich Hao auch noch eine Weile auf dem Tier und sein Griff war fest an seiner Waffe. Doch als Apollo auf alle Vier ging, da musste der junge Krieger die Segel hissen und verschwinden. Der Bär schüttelte sich kurz darauf und Hao riss sich dabei los. Er sprang von dem Tier und landete schützend und mit dem Speer in beiden Händen vor Yoh und Opacho, die ihn völlig fassungslos ansahen. Sein Poncho war weg und er war in voller Kriegermontur gerüstet. Was…Was tat er da?! War er verrückt geworden?! Doch schnell sah er runter und zu ihnen hinter, fauchte dabei:

„Nimm Opacho und verschwinde von hier!! Ich halte ihn auf!!“

Yoh sah ihn an. Nein. Das war kompletter Wahnsinn, was er vorhatte! Der Junge schüttelte den Kopf und sprach lauter zu Hao hoch:

„Nein! Das ist zu gefährlich, Hao! Bitte komm…!“

„Geh endlich Yoh!!“

Und dann stürzte er sich wieder schreiend nach vorne und frontal auf den Bären zu, der ebenfalls brüllte und etwas geduckter in eine drohende Kampfposition ging. Hao stand vor ihm und stach schützend mit der Waffe nach vorne, so dass Apollo auf krisch und mit der rechten Klaue danach schlug. Er traf aber sein Ziel nicht, denn der Junge zog die Waffe schnell zurück und dann wieder vor. Wich den Angriffen damit aus. Er wollte ihn auf Abstand halten und Yoh genug Zeit geben um zu fliehen, deswegen machte er das und der Junge hinter ihm saß noch immer da. Er wusste nicht, was er tun sollte. Natürlich musste er erst mal die Kleine in Sicherheit bringen. Nichts war wichtiger. Aber dennoch sagte ihm sein Herz zu bleiben. Er wollte Hao nicht allein lassen. Zum ersten Mal in seinem Leben fühlte er so. Doch als Opacho anfing bitterlich zu weinen und zu zittern, da riss es Yoh aus seiner Starre und er sah zu ihr runter. Sah das Elend. Was…was machte er da? Sein Kopf dachte wieder klar, also kam er auf die Beine und wand sich schweren Herzens ab. Rannte so schnell wie er konnte zurück zu dem Treffpunkt im Dschungel. Er musste sie in Sicherheit bringen und noch mehr als das…musste er Hao vertrauen. Er war einer der besten Krieger im Dorf. Wenn einer gegen Apollo länger durchhielt, als alle anderen, dann war es Hao. Also rannte er noch schneller als zuvor weiter und verzog das Gesicht schmerzlich. Der Gedanke tat ihm weh, aber wärmte ihn auch zur selben Zeit. Er war gekommen. Hao war gekommen, um ihm zu helfen…und zu beschützen. Und genau deswegen würde er zurückkommen! Yoh ließ ihn nicht allein!

Hao dagegen behielt genau im Auge, ob Yoh endlich außer Reichweite war und kaum als es funktioniert hatte, der Junge endlich weg war, konnte er auch klarer denken. Er hätte das niemals von sich selbst gedacht, aber Yoh lenkte ihn doch sehr ab. Oder zumindest seine Anwesenheit tat es, denn er konnte nicht klar denken, ohne sich um ihn sorgen zu müssen. Es klang komisch, aber Hao hatte Yoh schon immer geliebt seit sie Kinder waren. Seine Sicherheit ging bei ihm über alles andere und so zögerte er natürlich auch nicht eine Sekunde ihm zu folgen. Goldva hatte ihn angeschrien und gedroht, er würde kein Häuptling werden, wenn er sich gegen die Götter erhob. Aber Hao war das völlig egal gewesen. Es ging ihm nur um den Menschen, den er liebte. Um seinen Verlobten und seine zukünftige Braut. Und es war ihm egal, ob er Häuptling wurde oder nicht. Ohne zu zögern, gab er seinen größten Traum auf und das nur für den Menschen, den er liebte. Also riss er sich zusammen und fing an zu kämpfen. Er würde diesen Bären bezwingen und wieder Frieden in ihre Heimat bringen. Er und seine Jungs hatten diesen Schatten heraufbeschworen und nun bog er es wieder gerade…Also rannte er auf den Bären zu und warf sich todesmutig in den Kampf.

Nachdem Yoh die kleine Opacho in Sicherheit gebracht hatte, rannte er wieder zurück zu Hao. Sein Herz donnerte, seine Luft wurde knapp, weil er so erschöpft war vom Rennen und die Panik in ihm und seine Gedanken drehten sich nur um seinen Verlobten. Er wusste nicht, was er tun sollte. Was sollte er tun, wenn Hao…tot war? Wenn er ihn fand und er im Sterben lag. Sein Hirn malte sich schon die schlimmsten Szenarien aus und befeuerte nur noch mehr seine Panik. Sie kannten sich nun so viele Jahre. Sie waren am selben Tag geboren worden und in derselben Stunde. Doch noch nie zuvor hatte er so viel Angst um ihn gehabt. Nicht mal als er das erste Mal mit auf die Jagd ging. Oder bei anderen Unfällen, die ihnen als Kinder so passierten. Und als er endlich wieder im Dorf ankam…wurden seine Sorgen teils bestätigt.

Er sah, wie Hao kämpfte, um das gewaltige Tier rannte und es immer und immer wieder von den Seiten attackierte. Jedes Mal aufs Neue den Speer in das Fell und Fleisch des Monsters schlug. Apollo reagierte auch jedes Mal mit Brüllen und Schlägen nach ihm, die aber ihr Ziel verfehlten. Es sah aus, als würde der junge Krieger führen…aber da war sich Yoh nicht mehr sicher, als er die Verletzungen sah, die Hao davon trug.

Seit er zur Hilfe geeilt war, trug er nicht mehr seinen Poncho, ohne den er eigentlich nirgends hinging. Sein Oberkörper war komplett frei und nur ein rotes Band am rechten Oberarm schmückte ihn, so wie eine Kette aus Wolfszähnen um seinen Hals, die man meist wegen des Ponchos nicht sah, da sie darunter verschwand. Seine lange und weiße Hose hatte bereits leichte Blutstropfen an sich kleben und sein Oberkörper zeigte Schrammen und leichte Kratzer, die nun deutlich zu sehen waren. Es waren aber keine Krallen-Spuren, dann sähe das schlimmer aus. Es schienen Schrammen von Stößen und vom Fallen auf den harten Boden zu sein. Lediglich seine rechte Schläfe hatte eine tiefere Kratzspur, die von einer Kralle stammt, der er gerade noch ausweichen konnte. Hätte Apollo ihn mit der Pranke getroffen, wäre sicherlich sein Kopf ab!

Yoh sah ihn keuchen und weiterhin hartnäckig kämpfen. Hao sollte fliehen, aber sein Stolz ließ das nicht zu. Wenn er jetzt floh, würde der Bär sicherlich wiederkommen, sobald seine Wunden verheilt waren und dann fing alles wieder von Vorne an! Hao hatte erkannte, dass ihr Gott zornig war und jetzt würde er es noch mehr sein als zuvor. Er hatte den Frevel begangen, ihn herauszufordern. Nun ging es um Leben und Tod. Und wenn er nicht gewann…dann waren alle anderen vielleicht immer wieder in Gefahr! Er tat das nicht mehr nur für sich und Yoh, auch wenn das der Hauptgrund gewesen war. Das war für die Zukunft. Für alle in seinem Dorf und für seinen eigenen Nachwuchs. Niemand sollte mehr in Angst vor Apollo, dem Gott der Stärke, leben. Es wurde Zeit, sich gegen ihre Götter zu erheben und ihr Schicksal selber in die Hand zu nehmen. Etwas, was nur er bisher verstanden hatte. Und wenn er noch immer Häuptling werden könnte…dann würde er dafür sorgen, dass es alle sehe sehen würden. Also griff er erneut brüllend an und rannte frontal auf ihn zu.

Apollo stellte sich auf seine Hinterbeine und holte mit beiden Pranken gleichzeitig nach oben aus. Er schien nur zu drohen und nicht zuschlagen zu wollen, was auch sicherlich bei jedem funktionieren würde, aber Hao ließ sich davon nicht einschüchtern. Er zielte bereits auf die Brust. Hatte genau die Stelle im Blick, wo er seinen Speer hineinstechen würde, um das Herz zu treffen. Der Bär war zwar eine Hülle ihres Gottes, aber er war dadurch sterblich und nur so in der Lage ihnen zu schaden. Wenn er diese Hülle brach, dann entwich seine Seele und konnte ihnen nichts mehr tun. Ein Geist konnte Sterbliche nicht verletzen. Er zielte genau…aber bremste sofort ab. Denn aus seinem Augenwinkel sah er seinen Verlobten.

Hao konnte Yoh gerade noch erspähen, der etwas ab Abstand stand und ihm erschrocken dabei zusah, was er tat. Sich wieder in Gefahr begab, weil er zurückkam. Sein Verstand schaltete sich ab, als er ihn sah. Der Junge schien erstarrt und wollte näher kommen, als er besorgt rief:

„Hao!“

Nein. Was machte er hier?! Warum kam er zurück?! Der Ältere fauchte zu ihm:

„Was machst du hier, du Trottel?! Verschwinde!!“

Er verstand nicht, dass Yoh nur seinetwegen hier war. Sein Herz ihm das gesagt hatte und er ihn nicht allein lassen konnte. Es war gut gemeint gewesen. Doch es verkomplizierte alles nur noch mehr…Und hinterließ eine Lücke zum Angriff. Es lenkte Hao für eine Sekunde ab und das hatte völlig gereicht, dass sich der Bär vor seiner Nase auf alle Viere begab und erneut brüllte. Er fauchte den Jungen an, der wieder vorsah und nicht der Pranke ausweichen konnte, die auf ihn zu donnerte. Er zog gerade noch, zur Abwehr, den Speer mit beiden Händen fest vor sich und spürte dann auch schon die Kraft des Tieres durch sich scheppern. Apollo hatte den Speer erwischt und feuerte nicht nur ihn, sondern auch seinen Besitzer nach links und mehr in die Nähe von Yoh, der Hao fliegen und hart auf den Boden aufschlagen sah. Ein Schrecken jagte durch den Jüngeren und er sah ihn erstarrt an. Als sein Verlobter so völlig regungslos auf dem Boden lag, den Speer links neben sich, da hatte Yoh das Gefühl sein Herz würde stehen bleiben.

Alles passierte in Zeitlupe vor seinen Augen. Er sah den Bären erneut auf den Hinterbeinen, der wütend brüllte, das ganze Blut an dem Tier und an seinem Verlobten, der noch immer dort lag und nichts tat. Hatte er das Bewusstsein verloren?! Und Yoh wurde klar…das es seine Schuld gewesen war. Hao hatte sich seinetwegen ablenken lassen. Weil er zurückgekommen war, verdammt! Und als Apollo wieder auf die Viere kam und zielstrebig auf Hao zuschritt, da löste sich alles in Yoh und er rannte zu seinem Verlobten. Er rief nach ihm. Es tat ihm so leid! Er hatte das alles nicht gewollt! Er wollte nur zu dem Jungen, den er…

Dann kam er bei Hao an und ließ sich links neben ihm auf alle Viere fallen. Yoh hatte den kommenden Apollo komplett ausgeblendet und seine Aufmerksamkeit lag völlig auf dem Krieger vor ihm. Seinem Krieger, der für ihn gekommen war, um ihn zu retten. Schuldgefühle fluteten ihn komplett und er fing an zu weinen, während er an Hao rüttelte und versuchte ihn zu wecken. Immer und immer wieder stammelte er: Es tut mir so leid. Oder: Bitte wach auf. Sie hatten sich gestritten. Und Yoh wollte ihn nach diesem Streit für immer hassen. Doch er konnte es nicht. Ihm wurde bewusst, dass er das niemals geschafft hätte, egal wie sehr er es auch versuchte. Und das lag an einer simplen Tatsache, die er lange versucht hatte zu ignorieren. Sein Herz aber hatte ihn nach dieser selbstlosen und mutigen Aktion von Hao komplett eingeholt. Er war sich nun sicher und das ließ ihn nur noch mehr weinen und betteln, dass sein Verlobter aufstand…Er liebte ihn. Und daran gab es nichts zu beschönigen. Es war klare und reine Liebe, die nur von seiner eigenen Angst und Wut unterdrückt wurde. Nicht die Wut auf Hao…sondern auf sich selbst. Dass er immer versucht hatte, wie er zu sein und nicht akzeptierte, wer er wirklich war. Aber nun hatte er das getan. Er war anders. Und wenn das dazu führte, dass er und Hao zusammen sein könnten, dann nahm er das dankend an. Dieses ungewollte und verfluchte Geschenk, welches sein eigener Körper war. Er wollte einfach nur, dass er wieder aufstand! Er sollte ihn anschreien und sich mit ihm zanken! Genau wie vorhin!

„Hao! Bitte steh auf Hao!! Es tut mir leid!! HAO!!“

Danach sah er rechts neben sich und bemerkte, wie nah Apollo plötzlich gekommen war. Erschrocken sah Yoh ihn an und bemerkte den bösartigen Blick, aus diesen gelben Augen, den ihm das Tier zuwarf. Er wollte töten…und wie es aussah, hatte er soeben ein unschuldiges Opfer ins Visier genommen. Apollo sabberte und dies vermischte sich mit dem Blut an seiner Schnauze und tropfte zum Boden. Er stand schrecklich nach Tod und Blut und noch schlimmer wurde es, als er fauchte und nach dem Jungen vor sich biss. Seine Zähne würden sich in Yoh rammen und dann würde er ihn zerfetzten…doch das passierte nicht, denn Hao warf sich dazwischen. Schnell und gezielt raffte er sich knurrend auf und riss Yoh auf den Boden vor ihnen. Er stützte sich über ihn und schütze ihn somit mit seinem Körper. Der Jüngere sah nur erschrocken, auf dem Rücken liegend, dabei zu, wie Hao gebissen wurde. Blut spritzte ihm leicht entgegen und tropfte auf seine Wangen, als er sah, wie der Bär seinen Kiefer in die rechte Schulter des Mannes schlug, den er liebte.

Hao konnte nicht anders. Sein Körper hatte sich bewegt und sich vor seine Braut geworfen. Yoh war seine Zukunft und alles, was ihm wichtig war. Niemals würde er zulassen, dass er verletzt werden würde. Er liebte ihn und ließ ihn nicht im Stich.

Aber sein Verlobter war wie erstarrt und konnte nur dabei zusehen, wie Hao aufschrie und von Apollo hochgerissen wurde. Das Tier kam auf die Hinterbeine und hatte den Jungen in seinem Biss gefangen, der sich immer tiefer in die Haut und das Fleisch bohrte und ihn nicht mehr entkommen ließ. Natürlich riss sich der junge Krieger schnell zusammen und sah, nach dem Schrei, verbissen und aggressiv zu der Schnauze neben sich, packte sie mit beiden Händen und versuchte sich aus dem Biss zu lösen. Er kämpfte. Er kämpfte noch immer und Yoh setzte sich wieder aufrecht, sah hoch zu ihnen und fing an zu weinen, als Hao erneut schrie vor Schmerz. Dieser Schrei quälte den Jüngeren und tat schrecklich weh. So sehr, dass er selber verzweifelt rief:

„Nicht!! Bitte lass ihn los!! Hao!!“

Er versuchte noch immer an den Gott zu appellieren, doch dieser war taub für die Worte der Menschen geworden. Statt ihn loszulassen, fing er an den Jungen zu schütteln und der kämpfte weiter gegen das Maul an, das ihn hielt. Doch so langsam spürte auch Hao, wie er immer schwächer wurde. Die Wunde machte ihm zu schaffen und die Schmerzen wurden unerträglich. Und es war in dieser Sekunde, als Yoh die Schwäche auf seinem Gesicht erkannte…dass er sich in Bewegung setzte. Er packte sich entschlossen den Speer und stand sofort auf. Dann sprang er nach vorne und stach mit der Spitze in den Bauch des Bären, der nun komplett frei war und als Schwachpunkt diente. Als sich die Spitze in die Haut riss, reagierte der Bär auch sofort und brüllte auf. Dabei ließ er Hao fallen, der hart auf den Boden donnerte und mit der rechten Hand seine blutige Schulter fasste. Sein Gesicht war verzerrt vor Schmerz und seine Augen geschlossen, doch er musste sich fokussieren und sah neben sich zu Yoh, der die Waffe vor Schreck losgelassen hatte und wieder wie angewurzelt da stand. Er war schockiert über das, was er getan hatte. Noch nie hatte er jemanden angegriffen. Dabei fasste er sich mit beiden Händen an die Brust und sah schlotternd zu dem Gott auf, der aufgehört hatte zu brüllen und zu ihm runtersah. Noch immer steckte die Waffe in seinem Bauch, aber er schien taub dafür zu sein, denn er wollte einfach weiter auf den Hinterbeinen angreifen. So hob er beide Pranken hoch und fauchte. Wollte angreifen, aber dieses Mal kam ihm Hao zuvor. Er riss sich zusammen und stand auf. Im Nu hatte er sich seinen Speer gepackt, zog ihn mit beiden Händen aus dem Leib der Bestie und stand vor Yoh. Er schütze ihn und stach dann brüllend nach oben. Und dieses Mal…hatte er sein Ziel nicht verfehlt.

Er traf die Stelle an der Brust, dort wo das Herz schlug und kämpft sich zwischen den Knochen bis zu diesem durch. Das Schreien der Bestie wurde immer höher und lauter vor Wut und Schmerz. Immer tiefer gelangte Hao mit dem Angriff, bis er das durchbohrte, was Apollo am Leben hielt. Das Tier stockte in seinem Brüllen und verharrte an der Stelle. Schlagartig wurde es still und kein Laut, aus dem Knistern des Feuers um sie, war zu hören. Und dann füllten sich die Augen des Bären mit Leere…Wenige Sekunden danach brach er zusammen. Sein Herz wurde durchbohrt. Sein Leben beendet. Apollo war gefallen und besiegt.

Es tat einen lauten Schlag als er auf den Boden donnerte und Hao sah ihn keuchend an. Sein Blut rann noch die rechte Seite seiner Brust runter und dann brüllte er wütend. Es war ein Sieges-Brüllen aus Wut und Schmerz und dann ließ er den Speer los. Es war vorbei. Er hatte gewonnen. Er hatte als erster in ihrer gesamten Linie von Ahnen einen Gott getötet. Und keiner würde es ihm danken, sondern ihn dafür hassen.

So ließ er sich auf den Hintern fallen und saß keuchend einfach da. Sah auf den erlegten Bären, dessen Glanz im Fell verglühte und ihn pechschwarz werden ließ. Da war nichts Göttliches mehr an ihm. Er war nur noch totes Fleisch. Doch Hao hatte sich in einem Punkt geirrt…denn einer dankte ihm.

Yoh kam neben ihm auf die Knie und sah ihn an. Er sah zurück. Auf den erröteten Wangen konnte er die Tränen rollen sehen, die sich der Jüngere nicht mehr verkneifen konnte. Hao lächelte kurz über seinen Schmerz hinweg. Er war so wunderschön, auch wenn er weinte. Die Erinnerung an vorhin kam zurück. Hao hatte was zu erledigen, am besten noch bevor er verblutete. Dann zuckte er kurz zusammen und gab locker von sich:

„…Vielleicht bin ich ein riesen Arschloch für dich Yoh….Aber hey…welches Arschloch kann schon von sich behaupten einen Gott erlegt zu haben, oder? Das kann mir…keiner mehr nehmen.“

Er war schwach und Yoh zog sofort den langen Schal aus, den er um seinen Hals gehabt hatte, verband damit die Wunde und sprach traurig:

„W-Warum hast du das getan? Warum hast du mich beschützt? Du hast einen Gott erlegt, Hao. Keiner wird dich nun mehr als Häuptling haben wollen…“

Sein Gegenüber zuckte aber nur mit den Schultern, während hinter ihnen langsam alle Patcheen wieder zum Dorf zurückkamen, nun da die Gefahr gebannt war. Er lächelte frech und sprach:

„Weil ich dich beeindrucken wollte. Nein…das stimmt nicht. Ich denke, du weißt bereits, warum ich das getan habe. Und ich hoffe, du verstehst es nun endlich Yoh.“

Dieser sah ihn genau an. Wollte genau hören, was gleich über diese Lippen kam und dann setzte sein Verlobter lächelnd fort:

„…Ich bin dir gefolgt, weil ich meine Familie beschützen wollte. Opacho…und erst recht dich, Yoh. Ich weiß, du kannst mich nicht ausstehen, seit wir und kennen. Vielleicht hasst du mich sogar. Aber ich kann meine Gefühle nicht mehr verbergen. Und als ich dich zum Dorf rennen sah…da wusste ich, dass ich dir folgen muss. Denn du bist meine Zukunft. Verlobung hin oder her…Ich liebe dich und ich hoffe, dass du das akzeptieren kannst, auch wenn es bei dir nicht so ist. Ich will nur das Beste für dich und es tut mir leid, dass ich vorhin so respektlos gewesen bin. Das war ein Fehler und vielleicht…habe ich das hiermit wiedergutgemacht…Oder Yoh?“

Das hatte er. Und alles, was er als Antwort bekam, war ein Nicken gefolgt von einem Kuss. Ein ehrlicher und aufrichtiger Kuss auf die Lippen von seinem Verlobten. Dieser hatte sich nach vorne geschmissen und ihn mit beiden Armen fest um den Nacken umschlungen. Küsste ihn, als hätten sie es schon immer getan. Yoh besiegelte seine Gefühle und sein Schicksal mit diesem Kuss. Er liebte ihn. Er hatte ihn auch schon immer geliebt, aber nun hatte er es verstanden. Er war gekommen, um ihn zu retten und das machte ihn glücklicher als alles andere auf der Welt. Jemand sorgte sich um ihn und liebte ihn so wie er war. Nichts konnte das toppen. Von da an ging es nur noch in eine Richtung. Er wusste das. Diese schreckliche Nacht war ein Ende und ein Anfang zugleich. Er löste den Kuss und schmuste sich an seinen Liebsten, als er dabei weinte und sprach:

„Es ist alles okay. Ich…ich liebe dich auch Hao…“

Es war ein Versprechen, das nicht mehr zu brechen war. Liebe ist wie ein Treffen, ein Abschied und dünne Seide. Und egal, was auch passieren würde. Sie waren nicht mehr zu trennen. Die Zeit verging…Und bereits drei Monate später lief Yoh durch das neue Dorf und hielt sich lächelnd den Bauch. Er war auf dem Weg zu Hao seinem Zuhause. Wusste nicht wie er es sagen sollte, nur dass es sein musste und er sehr nervös war. Vor zwei Wochen war das Sternenfest gewesen und dort war es geschehen. Hao war wieder völlig genesen und wie immer. Trotz seiner Aktion mit Apollo ließ Goldva zu, dass er weiterhin Häuptling werden könnte. Offenbar hatte sie etwas erkannt, was sonst keiner sah. Hao und Yoh waren nicht mehr zu trennen. Ihre Seelen waren seit ihrer Geburt einander verbunden und das war die stärkste Bindung, die es geben konnte. Selbst wenn sie sich in andere verliebt hätten, wahre Liebe gab es nur zwischen ihnen. Und wenn sie sich fanden…dann paaren sie sich auf Lebenszeit miteinander. Es gab nur noch sie. Treue war ungebrochen bei ihnen. Und genau aus dem Grund…hatten sie beim Sternenfest miteinander geschlafen. Allein, wenn Yoh daran zurückdachte, musste er lächeln. Sein Schicksal erfüllte sich und er blieb stehen. Sah an sich runter und lächelte erneut. Er konnte es bereits spüren. Neues Leben wuchs und wärmte ihn innerlich…Er war schwanger.
 

Mein Vater nahm mich einst zu dem heiligen Platz als ich noch ein Kind war. Ich nahm seine Hand und fragte: Wer herrscht über diese Welt? Und wo ist der Himmel? Als ich in diese Welt geworfen wurde, da sagte man ich wäre anders, aber warum? In einer Welt, die mir nichts gibt, brauche ich etwas, um meinen Glauben nicht zu verlieren. Aber ich habe das Vertrauen in meinen goldenen Käfig verloren. Ich bin wie ein gebrochener Pfeil. Habe für meinen eigenen Himmel gekämpft. Wen soll ich anschreien? Oder wem soll ich folgen? Wer ist mein Retter? Der mir nicht den Rücken zuwendet, wenn ich ihn brauche. Wenn es nur ums Überleben geht, wie kann ich da an Sünden glauben? Diese Welt blutet gerade und du kannst es auch sehen, nicht wahr? Doch ein blauer Himmel soll für immer strahlen und das grüne Gras sich zum Wind tanzend beugen. Es würde ein viel schönerer Anblick sein, wenn du hier bei mir wärst. Wenn du mich nicht kennengelernt hättest, würde ich auch völlig alleine klarkommen. Denn niemals hab ich mich so alleine gefühlt wie jetzt, aber dann kamst du. Also, was soll ich jetzt tun? Ich bin wie gestochen in dich vernarrt. Mein Körper schmerzt, wenn du gehst. Meine Stärke lässt immer mehr nach, je weiter du dich entfernst. Liebevoll gabst du mir alles, was du hattest und so vieles mehr. Du hast mich glücklich gemacht. Wenn du mir Spaß bringst, lässt es dich auch lächeln, aber nun spüre ich, wie dies mir Angst macht. Liebe sollte niemals so eine verrückte Sache sein wie bei uns. Denn wer hat schon Zeit für Tränen? Niemals dachte ich, dass ich hier sitzen würde und nach deiner Liebe weine. Bis jetzt.
 

Seelenlos. Das war die beste Beschreibung, die ihm einfiel, als er dieses Auge sah.

Ein kaltes, blutrünstiges und grausames Auge, das in so einem starken Gelb leuchtete in der aufgehenden Sonne der Morgendämmerung. Da war kein Mitleid, keine Angst und kein Gefühl mehr in diesem. Nur noch der Drang zu töten oder anzustecken. Doch in dem Falle war es mehr das Töten. Für Hana war es, als würde man kurz in einen Spiegel sehen, denn genauso war es auch bei ihnen gewesen. Diese Gefühle bei dem Urheber der Krankheit zu sehen ließ ihm nur noch mehr einen Schauer über den Rücken jagen und erkennen, dass es sich wirklich um einen Fluch handeln musste. Kein Lebewesen auf dieser Welt konnte so voller Hass und Mordlust sein. Doch er war bereit, sich diesem stellen zu müssen.

So Hana stand schützend und etwas gebeugt vor Sakurai, der hinter ihm am Boden lag und noch immer nicht das Bewusstsein wiedererlangt hatte. Es war vieles passiert in der letzten Nacht und auch er selbst müsste sich eigentlich noch sehr stark davon erholen. Doch dafür war keine Zeit mehr. Immerhin konnte er wenigstens stehen und war etwas fit. Sakutaro dagegen hatte die Krankheit böse und länger im Griff gehabt als ihn. Dass er noch schwach und bewusstlos war, konnte man ihm also nicht mal übel nehmen. Aber es passierte leider zum falschen Zeitpunkt und in der ungünstigsten Situation. Was sollte er tun?

Der Blonde stand da und er konnte nicht verbergen, dass seine Beine leicht schlotterten. Einmal wegen der noch immer leichten Schwäche in seinen Knochen, was von der schnellen Heilung der Krankheit kam und zum Anderen, weil dieses Biest nicht weit weg vor ihm stand…und es sah schrecklich aus. Hana hatte es damals nicht wirklich gesehen. Es hatte ihn so schnell von hinten überrannt, angefallen und zu Boden gerissen, bevor er überhaupt wusste, was los war. Noch dazu war es dunkel gewesen. Alles, was er damals sah, waren die Augen und Zähne der Kreatur gewesen. Zumindest das, was er am deutlichsten erkannt hatte in all der Panik und der Hektik. Der Rest war mehr wie ein Schatten in seinen Erinnerungen, den er dann nur noch in den Hecken verschwinden sah, nachdem Paku geholfen hatte. Damals verdrängte sein Verstand teils auch, was es gewesen war. Doch nun sah er es genau vor sich und die blutige Morgenröte gab dem ganzen einen Anblick als würde ihn der Tod persönlich besuchen. Wodurch der Junge inzwischen das ganze Ausmaß der Kreatur vor sich erblickte. Die volle und grausame Pracht.

Es war wirklich eine Art Mischwesen zwischen einem Wolf und Menschen. Das Fell war pechschwarz, das letzte Auge strahlte leer in einem Gelb, die Zähne waren gefletscht und man sah den Wahnsinn in seinem Gesicht aufblitzen, den es, wer weiß, wie viele Jahrhunderte schon mit sich schleppte. An sich hatte es den Kopf eines Wolfes, aber die Ohren standen viel weiter oben am Kopf ab und gingen spitz aufwärts gen Himmel. Der Körper zeigte eine starke und muskuläre Struktur, es lief wie ein Mensch auf den Hinterbeinen, die aber ein doppeltes Gelenk besaßen, sodass es sicherlich auch auf allen Vieren rennen konnte wie ein Tier. Doch statt Pfoten hatte es menschliche Füße und Hände, die viel zu groß für den Rest seines Körperbaus waren. Zumindest wirkte es auffällig. Der Oberkörper war mit Muskeln durchzogen und Hana konnte die Schusswunde in der einen Hälfte der Brust sehen, die ihm Paku zuletzt zugefügt hatte. Sie war inzwischen wieder verschlossen, aber die runde Einschussstelle, welche nun eine Narbe war, war noch genau zu sehen. Geifer lief ihm zwischen den Zähnen aus dem Maul und tropfte nach unten, dabei sah es den Jungen vor sich so voller Gier an, sodass es langsam die Hände hob, als wollte es schon aus der Ferne nach ihm greifen. Das war aber eine andere Art von Gier als vorhin. Nicht dieselbe, wie er sie bei Saku in den Augen gesehen hatte, denn Sakutaro wollte sich paaren. Seinen ganzen Gedanken drehten sich offenbar darum, warum auch immer, aber dieses Biest hier…wollte töten. Sicherlich hatte es das beim ersten Mal auch bereits versucht, doch Sakurai seine Jacke und Paku sein Eingreifen hatten das Schlimmste verhindern können. Hana konnte nicht glauben, wie viel Glück er doch bisher gehabt hatte. Nicht nur, dass Saku seine Jacke ihn vor einer schlimmen Wunde beschützt hatte, sondern dass dann auch noch einer seiner Jungs auftauchte und ihnen beiden das Leben rettete. Es war als wären sie Hanas persönliche Schutzengel geworden…Naja Paku vielleicht. Sakutaro war nur ein Idiot! Er machte nur Ärger! Mal abgesehen davon, dass er ihn damals zweimal töten wollte. Das nagte übrigens noch immer an dem Blonden. Er war verwirrter als je zu vor, was den Piloten anging. Erst wollte er ihn zweimal töten und dann wollte er sich mit ihm paaren? Sicher lag das auch an der Krankheit, die hatte das befeuert, aber sollte sie damals nicht eigentlich mehr die bereits vorhandene Mordlust in ihm verstärken? Was war da los gewesen? Aber dafür hatte er später noch genug Zeit. Er mal musste der Blonde ihn mal wieder retten!

Hana spuckte kurz neben sich auf den Boden und damit den Rest der Bitterstoffe aus, die von der Osterluzei noch immer in seinem Mund-Raum hingen. Danach wischte er mit dem rechten Arm über diesen. Die Aktion war noch mal gut gegangen, aber was machte er jetzt? Er war verdammt hart auf den Boden der Tatsachen geholt worden und stand nun vor einem Gegner, der bizarrer und tödlicher nicht sein konnte. Noch dazu war er unbewaffnet. Hana war nicht dumm. Er wusste, dass gegen dieses Biest anzutreten der schiere Selbstmord war, aber hatte er eine andere Wahl? Sakutaro war noch bewusstlos und ihn einfach zurücklassen würde er nicht, denn dafür hatte er, für ihn, bereits zu viel durchgemacht! Und nach der letzten Rettung war er ihm noch was schuldig! Doch ohne Waffe waren seine Chancen gleich null. Und während das Biest ihn noch immer anstarrte und seine Zähne immer mehr fletschte, so wie auch seine Finger sich bewegten, als bereitete es sich vor ihn zu packen, sah sich Hana schnell im Raum um. Er machte das sehr schnell, da er nicht wusste, wann es angreifen würde und zum Glück fand er auch etwas, womit er sich wehren könnte! Er schmunzelte frech. Er musste an seinen Vater denken. Das schien in eine ähnliche Situation zu steuern, wie bei ihm. Also sah er wieder zu dem Biest und machte vorsichtig einige Schritte rechts von Saku weg, ohne es aus den Augen zu lassen. Er bemerkte aber, dass der Blick von Onaya noch immer auf Sakurai hing, der wehrlos am Boden lag. Hana sah zu Saku und dann wieder vor. Oh nein! Das konnte er mal glatt vergessen! Feigling! Sich auf einen bewusstlosen stürzen zu wollen! Also blieb er rechts, neben der großen Statue des Wolfs stehen und fing dann an mit den Armen zu wedeln als er fauchte:

„Hey Arschloch! Ich bin hier! Du willst doch mich und nicht ihn!“

Naja eigentlich wollte es bestimmt beide tot sehen, doch Hana schaffte es echt den Blick der Kreatur wieder auf sich zu zerren und es sah böse zu ihm rüber. Endlich fauchte es auch mal tief dabei und krächzte auch noch. Es war ein schreckliches und unheimliches Geräusch. Hana dachte, darin etwas Menschliches gehört zu haben. Er sah es an. Er war so bescheuert und lebensmüde! Aber hey, so kannte man ihn immerhin. Der Dickkopf, der immer sein Leben aufs Spiel setzte, weil er nicht hören konnte. Das hatte er von seinem Vater. Hao machte vielleicht nicht mehr so sehr den Eindruck, weil er älter und weiser geworden war, aber er war früher auch so gewesen. Laut Mutter schmiss er sich immer gerne in Kämpfe, egal ob bedacht oder nicht. Und er hörte meist nur auf sich selbst und kaum auf einen anderen. Er hatte sich auch Goldva widersetzt als Apollo über ihr Dorf herfiel. Damit hatte er seiner Mutter das Leben gerettet, sonst wäre Hana nicht hier. Genau wie auch sein Sohn es gerade tat, so hatte sich auch Hao einem größeren Gegner gestellt, der ihm eigentlich überlegen war. Er hatte einen Gott niedergezwungen…Wurde Zeit, dass Hana das auch tat. Er wollte seinem Vater in nichts nachstehen! Auch wenn es Selbstmord war. Dabei sah er kurz zu Saku rüber. Und er…tat das nicht nur für sich. Was ihm nun mehr Kraft und Zuversicht in seine Fähigkeiten gab. Also sah er wieder vor und böse zu dem Monster, was sich ihm zugewandt hatte. Es war Zeit zu zeigen, was er konnte!

Schnell fasste er hinter sich zu einem modrigen Skelett, das am Boden, zu den Füßen der Statue lag und zerrte einen alten Speer aus den knochigen Händen. So schnell und stark, dass er die Arme des Toten auch abriss und diese dann von der Waffe schüttelte. Scheppernd fielen die Knochen auf den Boden und Onaya brüllte wieder wütend. Hana nahm das aber nicht mehr ernst. Er hatte keine Angst mehr. Nicht mehr vor diesem Ding. Und das lag nur an Saku, er hatte ihm geholfen das zu verstehen. Es gab schlimmere Dinge, denen man sich stellen musste und dies war nichts davon. Hana hatte keine Angst vor Kämpfen oder dem Tod. Sondern nur, dass man sein Herz und seinen Willen brechen könnte und dass er die Kontrolle über sich und sein Handeln verlor. Etwas, was, wenn er ehrlich war, Sakutaro fast geschafft hätte. Allein durch seine letzte Aktion. Unbewusst hatte der ihm geholfen, seinem Teufel entgegenzutreten: körperliche Nähe und Verlust der Kontrolle über sich. Und Hana hatte es überwunden. Fürs Erste zumindest. Ein Kampf war NICHTS dagegen! Und dieses Mal wurde er nicht feige von hinten angegriffen, sondern sah dem Biest ins Auge. Hana schmunzelte frech. Heh, er musste sich nachher eigentlich bei Saku bedanken. Doch hatte er es verdient? Der hatte ihn zwar erschreckt und gefoltert, aber genau das war der Arschtritt gewesen, den er nötig hatte. Nun sah er klarer. Er wusste endlich genauer, was seine Schwäche war. Und so komisches auch klang: solange er Paku und Sakutaro bei sich hatte, wusste er alles würde gut werden. Er wusste es einfach. Obwohl er diese Menschen kaum kannte, gaben sie ihm Stärke und lehrten ihn Dinge, so wie auch Gefühle, denen er sich noch nie gestellt hatte. Er wuchs an ihnen. Und nun war er mal am Zug zu zeigen, was er konnte. Nicht nur für sich…sondern auch für seinen Vater. Wenn Hana hier scheiterte, würde er seinem Vater niemals das Wasser reichen. Mal abgesehen davon, dass er dann eh sterben würde. Alles oder nichts. Das war die Lehre ihrer stärksten Krieger. Und ohne dass Hana es wusste…auch die Faustregel der Zero-Piloten.

Mutig stand er dort. Er hatte Saku seine Jacke nicht an, welche sicherlich nützlicher wäre, als oberkörperfrei zu kämpfen, aber man konnte ja nicht alles haben. Sie hatte ihn schon mal vor dem Biss beschützt, doch Sakurai diese noch zu entfernen, dafür war einfach keine Zeit mehr. Er trug aber noch immer die Fliegerbrille auf seiner Stirn. Nicht einmal, nicht mal bei der versuchten Paarung, hatte er sie abgenommen und irgendwie…schenkte sie ihm Stärke. Es war ein komisches Gefühl. Mit ihr und der Waffe in seiner Hand, fühlte er sich stärker, nicht mehr so alleine und war bereit alles zu geben. Auch fühlte er sich wieder etwas fitter und dachte auch gleich über seinen nächsten Zug nach. Denn der war entscheidend, wie es danach weiter ging.

Das Monster kam langsam und gebückt auf ihn zu. Offenbar schien es selber vorsichtig zu sein, was Hana überraschte, denn bei ihrer letzten Begegnung ist es einfach ohne Rücksicht über ihn hergefallen, als hätte es keine Sorgen vor Konsequenzen. Oder war es wirklich so intelligent gewesen, dass es damals die Lage voll analysiert hatte? Es griff ihn an, als er alleine war und den Rücken zu ihm gedreht hatte. Noch dazu war er nicht bewaffnet gewesen. Obendrein war Saku auch weiter vorne gewesen und bot somit eine Lücke für den Angriff. Raubtiere versuchten meist das jüngere Tier von der Gruppe zu trennen. Aber es war bereits Vergangenheit, denn jetzt stand jemand vor ihm und war bewaffnet. Doch brachte es das zum Zögern? Erkannte es wirklich Waffen? So schnüffelte es plötzlich und ging auf alle Viere vor dem Jungen in Stellung. Versuchte es, die Waffe zu wittern? Keine Ahnung, aber danach gab es ein tiefes Fauchen von sich und lief seitlich auf Hana zu. Versuchte ihn offenbar zu umrunden und etwas genauer zu inspizieren. Damit war es klar: Es suchte sicherlich eine Lücke. Doch die würde es nicht bekommen, denn der Blonde wusste, was es vorhatte. Hana ging ebenfalls etwas in gebückte Haltung und fasste seine Waffe fester, mit beiden Händen, vor sich. Er brauchte einen Plan und das schnell. So wie er die Lage sah, war nichts Göttliches an diesem Wesen und das nur aus einem Grund: Es war geflohen als Paku auf es geschossen hatte und blutete dabei sogar. Da es also körperlich war, besaß es eine Lunge, ein Herz und eine Leber, zerstörte man eines der drei Organe, legte man die Bestie um. So weit, so gut, aber dazu musste er nah genug ran kommen und momentan wollte er das erst mal nicht. Sich ohne genauen Plan auf es zu stürzen wäre dumm und ungern wollte er den ersten Zug machen. Es lag nicht an Angst oder so, denn er hatte keine Angst mehr, aber er fühlte sich dennoch nicht wohl dabei, sich einer Kreatur zu nähern, die weder Mensch noch Tier war. Es war nicht natürlich und das machte Unbehagen. Also hieß es weiter: abwarten.

Sie fingen an, langsam im Kreis zu laufen und verloren einander nicht aus den Augen. Einer lauerte auf den Anderen und wartete auf einen unbedachten Zug, einen Fehler oder sonst was. Etwas, was eine Lücke zum Angreifen ermöglichen würde. Hana selber war so sehr auf die kommende Auseinandersetzung konzentriert, dass er überhaupt nicht merkte, wie er genau beobachtet und analysiert wurde. Das dieses Umrunden ein Plan war.

Das Ringelrei endete so plötzlich wie es angefangen hatte…als Hana bemerkte, wie sich diese Kreatur damit immer näher an Saku herantastete und den Blonden von ihm weg trieb. Sodass Hana erschrocken realisierte, was da gerade passierte und er erschrak. Er war so ein Dummkopf! Wenige Sekunden später sah das Monster ruckartig rechts von sich zu dem Bewusstlosen und fauchte erneut. Dieses Mistvieh! Hatte es das geplant?! Hana erschrak und brüllte wütend vor sich:

„Ich bin dein Gegner, du Scheißvieh!“

Das konnte es mal glatt vergessen! Es wollte noch immer an einen Wehrlosen ran und das auch noch auf die mieseste Art und Weise, nämlich mit Tricks. Doch Hana ließ das nicht mit sich machen. Danach zögerte er auch nicht eine Sekunde und rannte brüllend auf es los. Er war in die Falle getappt. Doch er hatte keine andere Wahl.

Den Speer vor sich haltend und bereit ihn zu benutzen, rannte er weiter. Onaya sah wieder blitzschnell zu dem blonden Jungen hinter, der ihn anfiel und krisch dieses Mal sehr hoch und laut dabei. Dann riss es das Maul unglaublich weit auf und zeigte seine doppelte Zahnreihe und die spitzen, so wie auch verteilten, Zähne darin. Genau diesen komischen Abdruck hatte es bei Saku an der Schulter hinterlassen. Trotz des Brüllens stand es noch immer auf allen Vieren und starrte ihn leblos und unheimlich aus dem einem Auge, was es noch besaß, an. Das Andere hatte ihm Hana ja schon bei der ersten Begegnung genommen. Nun würde er sich gezielt den Rest holen! So holte er nach hinten etwas aus und wollte, im Rennen, mit dem Speer zustechen. Er zielte auf das Zweite Auge und krisch dabei. Doch sein Gegner war nicht dumm und unvorsichtig. Es war alles geplant gewesen, aber Hana bemerkte das viel zu spät. Als er nach vorne stach, um das Auge zu erwischen, machte das Biest einen kleinen Satz nach hinten und der Junge erschrak dabei, denn kurz darauf biss es, hinter der Spitze, in das Holz des Speeres und hatte ihn dann im Maul. Das konnte nicht sein…Hana realisierte es nun auch: Das war geplant gewesen. Onaya hatte ihn bewusst angestachelt und dazu gebracht, anzugreifen. Das war sein Plan gewesen und er hatte funktioniert. Es war, als hätte es gewusst, dass Hana seinen Freund schützen würde, oder es ihn damit kitzeln konnte. Das hatte es getan, indem es zu Saku hin kroch und so tat, als würde es ihn angreifen. Doch der Junge hatte das nicht verstanden und war soeben in die Falle getappt.

Er bremste sofort ab und riss, an dem Griff, den Speer nach hinten zu sich, während Onaya vorne riss und schüttelte. Es hatte so viel Kraft, dass der Junge nach wenigen Sekunden loslassen musste und seine Waffe damit verlor. Entsetzt machte er einen Sprung nach hinten und sah wie noch immer an seiner Waffe gerissen und geschüttelt wurde, als wäre diese ein Tier, das es versuchte zu töten. Es war ein schnelles, skrupelloses und aggressives Reißen. Und Hana war entwaffnet, so wie erneut schutzlos. Doch das musste nicht dringend der Fall sein. Es war dumm und verrückt, aber er hatte da einen Gedanken, um wieder an seine Waffe zu kommen. Also knurrte er und zögerte nicht. Hana wusste, dass wenn er zögerte, meist alles nicht so lief wie er wollte. Also rannte er auf Onaya zu und brüllte dabei. Kurz darauf machte er einen Satz und sprang an den buckligen Rücken des Monsters, hielt sich am Fell fest und kletterte auf diesen. Da es noch auf allen Vieren war, sah es aus, als würde er es reiten. Onaya passte das aber überhaupt nicht und noch bevor es krisch, die Waffe damit fallen ließ, packte sie Hana schnell mit der linken Hand am langen Griff und hatte sie wieder. Die Waffe rutschte aus dem Maul, als es brüllte und mit der rechten Hand hatte der Junge sich fest im Fell vergriffen. Er war wieder bewaffnet, aber danach wurde es das reinste Rodeo.

Hana hatte ja schon wirklich viele verrückte Ideen gehabt, besonders bei der Jagd, aber diese war die absolute Krönung gewesen. So saß er auf dem Rücken eines Ungeheuers und hielt sich mit einer Hand im langen Fell fest, damit er auch nicht heruntergeworfen wurde, während der Gerittene unter ihm schon fast drohte auszurasten vor Wut. Der Wolfsmensch sprang und drehte sich hektisch im Kreis, versuchte den Eindringling von sich zu schütteln, oder zu zerren, indem er dabei sogar versuchte über seine Schultern zu beißen, aber er kam einfach nicht an ihn ran. Hana hatte sich in eine gute Position gebracht, doch konnte selber erst mal nichts machen, solange sich Onaya wehrte. Er musste durchhalten! So gut er konnte! Wenn es etwas schwächer werden würde, dann ergab sich vielleicht eine Möglichkeit anzugreifen. Doch die Frage war eher: wer verlor schneller an Kraft? Der Gerittene oder der Reitende? Allein sich oben zu halten kostete auch eine Menge Energie und Stärke. Flog er runter, könnte es das gewesen sein. Doch der Gedanke war noch weit entfernt…denn er hatte plötzlich andere Probleme.

Sein Gegner schien zu merken, dass er so nicht weiter kam. Also stoppte es und stellte sich von allen Vieren auf und auf die Hinterbeine. Hana erschrak und musste sich nun auch mit der Waffe irgendwie festhalten. Sodass er sich um den Torso des Monsters, mit den Beinen, klammerte und sich auch beide Hände, mit Speer, am Rückenfell festkrallten. Danach ging das Theater weiter und das Vieh versuchte ihn von seinem Rücken zu bekommen, in dem es weiter umhersprang und mit den Armen hinter sich griff. Doch es kam einfach nicht an Hana ran, der dabei immer wieder brüllte, als es ihn jedes Mal knapp mit den scharfen Klauen verfehlte, wenn es nach hinten griff. Lange würde das nicht gut gehen. Er musste sich was einfallen lassen!

So wurde er zornig und sah verbissen zu dem Speer in seiner linken Hand. Er musste es tun! Er musste es einfach riskieren! So langsam war Risiko sein zweiter Vorname geworden. Sich dem Schwung und den Bewegungen des Monsters anpassend, fand Hana auch endlich eine Lücke. Er ließ los, genau in dem Moment wo Onaya kurz innehielt und fasste mit beiden Händen den Speer, dann hob er ihn hoch und ließ ihn brüllend nach unten fahren.

Ein lautes Schreien ertönte und die Spitze der Waffe grub sich in den Rücken des Monsters, zwischen dessen Schulterblättern. Hana wusste nicht, ob er etwas Wichtiges erwischt hatte, immerhin konnte er nicht voll ausholen und Schwung bekommen in der Situation, in der er sich befand. Doch er hatte etwas getroffen, was weh tat und das war schon mal ein Anfang. Dunkles Blut schoss aus der Wunde und er versuchte noch, mit Druck weiter nach unten zu drücken. Er müsste tiefer, denn vielleicht traf er somit den Halswirbel! Das wäre entweder eine tödliche Verletzung, oder eine Lähmung könnte ausgelöst werden. Was gut wäre, denn ein sich nicht wehrender Gegner war so gut wie tot. Doch er kam nicht weiter.

Onaya schrie und hatte Schmerzen, aber dennoch packte er plötzlich, weil Hana seine Position verändert hatte, den Jungen am linken Arm und zerrte ihn von seinem Rücken! Hana schrie auf, als er von dem Monster gerissen wurde und mit seinem Rücken hart den steinernen Boden unter sich küsste. Er konnte schwören, etwas in sich knacken gehört zu haben. Doch es tat nicht weh und er kam gleich wieder frisch auf die Beine und in frontaler, gebeugter Kampfposition vor das Ding, welches sich noch immer auf der Stelle wand und versuchte die Waffe aus seinem Leib zu zerren. Es hatte offenbar echt schmerzen, denn es brüllte auch die ganze Zeit dabei. Oder war es einfach nur wütend? Was auch immer, Hana musste diese Situation ausnutzen und sah sich erneut nach etwas um, damit er sich weiter wehren könnte.

Er hatte eine Idee, als er neben sich zu dem Skelett sah, welchem er schon den Speer abgenommen hatte. So rannte er nach rechts, kam an dem Toten an und zog sich eine spitze Rippe von ihm ab. Der brauchte sie eh nicht mehr. Danach sah er wieder zu Onaya, der noch immer versuchte an den Speer zu kommen und nickte. Die perfekte Lücke! Hana wusste, dass er nicht weit kommen würde, solange dieses Ding noch etwas sah und klar denken konnte. Also wusste er, was zu tun war. Erneut rannte er auf es zu und visierte den Körperteil an, den er loswerden wollte, um die Situation zu seinem Vorteil zu wenden. Sein Herz donnerte und er näherte sich dem Biest immer mehr…doch schlagartig musste er auf der halben Strecke abbremsen, denn wenige Sekunden davor riss sich das Monster den Speer aus dem Rücken und warf ihn wütend hinter sich. Es ging alles so schnell und Onaya seine Konzentration lag sofort wieder auf Hana. Wäre der weiter gerannt, dann wäre er dem Ding voll in die Arme gelaufen! Und das hätte übel ausgehen können. Um an das Auge heranzukommen, muss er frontal darauf zu, das wäre zumindest einfacher als es von hinten zu versuchen, denn er war sich sicher, dass es ihn nicht mehr aus den Augen lassen würde. Hana verletzte es langsam Stück für Stück, aber würde das auch reichen? Dieses Biest war stark gebaut und es hatte einen Schuss aus Paku seiner Waffe locker weggesteckt, was sollte er da mit seinem Zahnstocher schon ausrichten können? Sicher war der Schuss in die Brust nicht tödlich gewesen bei dem Körperbau, aber sicherlich effektiver als wenn man ihm in die Brust stach. Doch er musste ruhig bleiben. Jedes Lebewesen hatte eine Schwachstelle. Niemand war unsterblich, außer Seelen. Der Junge musste einen Punkt finden, der saß. Eine Stelle wo er die zähe Haut umgehen konnte, um an die Innereien heranzukommen. Und da hatte er eine Idee.

Als Onaya sich ihm wieder wütend und fauchend zu wand, die Hände hob und mit den Klauen spielte, als würde es ihn gierig greifen wollen, da kam Hana die Idee. Das Auge. Eigentlich wollte er ihn nur erblinden lassen, um sich so einen Vorteil zu verschaffen, zu können. Ein blinder Gegner war einfach zu umrunden und zu attackieren. Doch er erinnerte sich an das, was seine Mutter ihm mal beigebracht hatte. Da Yoh Schamanin und Heiler zugleich war, war es auch seine Aufgabe gewesen, verletzte Menschen zu behandeln. Was dafür sorgte, dass Hana öfter mal verletzte Mitglieder des Stammes gesehen hatte, wenn Mutter sie behandelte. Sie hatte ihm immer dabei genau erklärt, was sie da tat, damit er wusste, wie er Wunden zu behandeln hatte, sollte es ihn mal erwischen. Der Blonde konnte einfach nicht fassen, wie viel er doch von seiner Mutter und seinem Vater gelernt hatte, ohne es bewusst wahrzunehmen. Yoh lehrte ihn Behandlungen. Etwas, womit er nicht nur Saku, sondern nun auch sich selbst das Leben gerettet hatte. Und Hao brachte ihm bei, geschickt und unerschrocken zu kämpfen. Das war die beste Kombination überhaupt. Er hatte alle Vorteile in der Hand, obwohl er körperlich unterlegen war. Noch dazu war Hana selber gerissen und kreativ. So wusste er auch, was er zu tun hatte. Denn seine Mutter sagte mal zu ihm: Dass man auch an einer Verletzung des Auges sterben könnte. Ein zerstörter Augapfel, damit konnte man noch blind weiterleben, aber sollte das Auge so stark punktiert werden, dass es zu tief wurde, dann verletzte man damit auch das Gehirn und das könnte zum Tod führen. Das war sie…die Lücke, die Hana gesucht hatte und sie starrte ihn genau an.

So sah er in das gelbe Auge, das hell leuchtete und ihn aggressiv und menschlich ansah. Doch er wusste es besser. Das da vor ihm war alles…aber kein Mensch. Also hielt er den Rippenknochen fest in seiner rechten Hand und knurrte überlegend. Wie kam er nun am dümmsten an dieses ran? Er brauchte eine neue Ablenkung. Frontalangriff war erneuter Selbstmord, so wie alles andere, was er bisher getan hatte. Und dennoch war Hana froh, dass dieses Ding wenigstens von Saku abgelassen hatte und ihm gar keine Beachtung mehr zu schenken schien. Damit war dieser schon mal aus dem Schneider. Nicht das dieser Dummkopf, in seinem aktuellen Zustand, eh eine Hilfe wäre. Mal wieder musste er alles alleine regeln. Soldat hin oder her, ohne sein Flugzeug war er wohl nicht so der geschickte Kämpfer von dem Paku vorhin so stolz erzählt hatte. Die einzigen Vorteile, die Sakutaro hatte, waren seine Stärke, seine Ausdauer und sein verdammter Dickkopf. Aber Stärke mit Stärke zu begegnen war nicht klug, also war es okay, dass er noch immer bewusstlos war. Er würde sich nur wieder ins Feuer werfen, der Blödmann und riskieren erneut verletzt zu werden. So schien er offenbar zu sein…Er warf sich ohne zu zögern in Kämpfe. Machte ihm das Spaß? Manchmal hatte Hana das Gefühl Saku hatte daran gefallen und es gab ihm einen Kick. Wenn er wirklich so gefährlich war wie Paku erzählte, also in den Schlachten, in den sie damals gekämpft hatten…dann ergab das Sinn. Sakurai war ein Killer. Hana wusste das.

Es holte ihn aber wieder aus seinen Gedanken als Onaya fauchte und mit ausgestreckten Armen auf ihn zu rannte. Hana bekam förmlich einen Schreck, doch er erstarrte dieses Mal nicht, sondern wich geschickt nach links aus, rollte sich über den Boden ab und sah sauer zu seinem Gegner, der ihn verfehlt hatte und sich dann stehend nach rechts zu ihm wand. Erneut griff es an und erneut wich der Blonde aus und das ging noch eine Weile so weiter. Hana suchte noch immer die Lücke, um an das Auge zu kommen, während er immer und immer wieder den Angriffen und den Bissen auswich. Das war nämlich der Vorteil, den er hatte. Er musste nicht so groß und stark sein wie Saku, denn er war durch seine geringere Größe schneller und schwerer zu erwischen. Noch dazu war er aufmerksam und geschickt. Das war etwas, was er schon immer konnte, was seinem Vater nicht sonderlich beeindruckte, besonders wenn Hana als Kind immer um die Beute herumsprang als sie zu attackieren. Aber an dem Tag schien es ihm das Leben zu retten, oder zu wahren. Doch fühlte er sich, als würden sie sich im Kreis drehen.

Keiner bekam den Anderen, aber keiner machte auch einen entscheidenden Schlag. Wenn das so weiter ging, war es nur eine Frage der Zeit bis einer keine Kraft mehr hatte und unvorsichtig wurde. Spielte das Biest darauf hinaus? Er hoffte nicht, aber er konnte auch nicht einfach aktiver werden und seine Deckung fallen lassen. Ein Biss und es wurde übel. Hana war sich sicher sich nicht mehr anstecken zu können, da er erst die Osterluzei gegessen hatte, aber wenn Saku einen Biss schon so schwer wegsteckte und davon trug, was würde mit ihm dann erst sein? Es könnte den Jungen in Stücke reißen und dabei noch ausweiden. So war es ein Tanz um das Feuer und Hana musste echt darauf aufpassen sich nicht durch Ungeduld zu verbrennen. Doch sein Gegner schien nicht so geduldig zu denken. Und die nächste Finte sah der Blonde nicht mal kommen.

Onaya tat so, als würde er nach dem Jungen beißen und Hana war so konzentriert darauf, dass er nach links, vor ihm, auswich…nur um dann in der rechten Klaue zu landen, die schon nach ihm packte. Erschrocken wollte der Blonde noch abbremsen, aber es war zu spät dafür. Hana spürte einen starken Griff, der ihm am linken Unterarm packte, sodass er aufschrie und versuchte in die andere Richtung zu steuern, um sich loszureißen. Doch nichts davon war mehr möglich. Es hatte ihn gepackt und starrte schnaufen und fauchend zu ihm runter. Voller Panik und Wut riss und zerrte Hana sich immer und immer wieder weg, aber er war gefangen in diesen eisernen Griff. Er zückte sogar die Rippe in seiner rechten Hand und holte aus, ließ sie auf den Handrücken des Monsters niederfahren und riss schöne große und blutige Löcher in diesen. Doch nichts davon schien Onaya zu beeindrucken. Er war so voller Wut und Aggression, dass er nicht mal mehr den Schmerz spürte, den ihm Hana zufügte. Genau wie damals bei Saku, nur wesentlich stärker. Der Fokus zu töten, blendete einfach alle Schmerzen aus. Und nach dem fünften Stich sah Hana schwer atmend und erschrocken hoch in das Gesicht des Monsters, welches ihn erneut anfachte und dabei der Sabber aus dem Maul tropfte, der voller Blut war. Es stank fürchterlich nach Tod und Eisen, so dass Hana übel wurde, aber das war sein geringstes Problem gewesen. Er war gefangen und das Ungeheuer würde gleich seine Fänge in seinen Nacken rammen und ihm sicherlich den Kopf abreißen! Dennoch war er ruhiger als er es von sich selbst gedacht hätte.

Es war nicht das erste Mal, dass er dem Tod so nah gewesen war…Seit er Saku kennengelernt hatte, war das schon viel öfter der Fall gewesen als ihm lieb war. Das war ein Fakt. Etwas völlig neues. Hana lebte immer beschütz und sicher in seinem Stamm. Niemand ließ zu, dass ihm etwas passieren würde. Da er der Sohn des Häuptlings war, kannte er es auch nicht anders. Alle waren netter zu ihm als sie es sein wollten. Sprachen freundlich zu ihm, obwohl sie ihn nicht mochten, einfach, weil er anders war als sie ihn wollten. Das sah er in ihren Augen. Alle waren so…bis auf seine Mutter und teils seinem Vater, an die er wieder denken musste. Seine Mutter liebte ihn abgöttisch und wollte ihm nie was Böses. Sie schützte ihn mit aller Kraft und nahm ihn, egal wann, immer in Schutz. Sein Vater liebte ihn irgendwo auch über alles, aber forderte ihn auf sein Bestes zu geben und war deswegen auch streng zu ihm. Sie meinten es immer gut. Viele verziehen ihm oder halfen. Hana kannte das nichts anders. Doch als er Saku kennenlernte…war es als würde man ihm den Boden unter den Füßen wegzerren und ihn in die knallharte Realität holen. Nichts war einfach so gegeben. Er lebte in einer Welt, in der der Tod um jede Ecke lauerte und allgegenwärtig war. Der Blonde kannte den Tod. Er hatte ihn öfters bei anderen erlebt…aber nie so nah bei sich selbst. Noch nie war er ihm so oft, innerhalb weniger Tage, so nah gewesen. Er verstand. Leben bedeutete kämpfen. Und endlich verstand er, was sein Vater von ihm wollte. Warum er ihn so hart ran nahm. Und er verstand, warum seine Mutter ihm alles an Heilkünsten zeigte, was sie kannte. Sie wollten ihn beschützen und vorbereiten. Doch so sehr sie das auch versuchten und machten…einer schaffte das mehr als beide zusammen…und das war Sakutaro. Er holte Hana gnadenlos in die Realität. Stärker und skrupelloser als jeder andere, denn Eltern packten einen doch noch mit mehr Behutsamkeit an als Fremde. Hana verstand es. Saku…war der Erste in seinem Leben… der ihn nicht sacht, oder sanft anpackte und grausam zu ihm gewesen war. Er bewies es bereits: Damals am Flieger, als er ihn erwürgen wollte und dann noch an der Schlucht, wo er ihn voller Überzeugung fallen lassen wollte. Es klang komisch und es hatte nichts mit den Fällen zu tun, aber allein weil er Hana grob anpackte…genau deswegen mochte er ihn.

Und genau in der Sekunde, als Onaya sich nach unten wand, Hana fest davon überzeugt war, dass jetzt der endgültige Todesbiss kommen würde, dem den er sich so lange entzogen hatte…wurde ihm geholfen. Er sah voller Wut über sich selbst hoch zu dem Maul des Monsters und brüllte es sauer an. Er hatte keine Angst! Geifer lief zu ihm runter und das Maul wurde immer mehr aufgerissen, zeigte die blutigen und spitzen Zähne…bis sich etwas vor diese schob. Es ging so schnell und Hana sah verdutzt hin, als er bemerkte, dass es ein Stock gewesen war. Horizontal, in das Maul des Biestes, legte sich der Griff des Speeres, derselbe, den Hana vorhin verloren hatte und blockierte damit den Biss gezielt. So verbiss es sich voller Wut nicht in dem Jungen unter sich, sondern in das Stück Holz und jammerte dabei wütend, fing dann an sich zu schütteln, sodass der Blonde rechts an dem Monster vorbeisehen konnte und bemerkte, wer ihm da geholfen hatte.

Zwei Hände hatten sich an beiden Seiten des Speergriffs gelegt und zogen ihn fest nach hinten und von Hana weg, den Onaya nun auch losgelassen hatte und den Kopf schüttelte, um sich aus der Maulblockade zu befreien. Hana sah nur erschrocken hin…und erkannte Saku der die Bestie etwas von dem Blonden weg zog und das, obwohl sie noch leicht größer war als er und böse dabei knurrte. Unglaublich. Er war wirklich aufgestanden und zur Hilfe geeilt. Irgendwie…hätte der Blonde das nicht von ihm erwartet.

So sah er noch etwas erschrocken zu ihm, sah wie der Ältere am Rücken des Monsters war und mit diesem verbissen rang, bis er vorbeisah und zu Hana angestrengt, aber zornig fauchte:

„Ich kann es nicht ewig halten, Hana!!“

Der Blonde sah ihn baff an.

„Saku…“

Kam es schwach und leise, so wie noch immer verwundert aus der Kehle des Jungen. Woher nahm er nur diese Kraft? Dann nickte er aber entschlossen zu dem Älteren. Saku hatte recht. Keine Ahnung, warum Onaya nicht seine Arme nutzte und den Stock einfach in der Mitte zerbrach, aber Hana musste die Situation nutzen, bevor es das vielleicht noch bemerkte! Also sprang er gleich entschlossen nach vorne und zückte den Rippenknochen in seiner rechten Hand, als er dabei fauchte:

„Halt es weiter fest Sakutaro!!“

Hana hatte sich völlig allein gut gehalten. Doch er war sehr erleichtert, als ihm der Pilot zur Hilfe kam. Mit Teamwork schafften sie das!

Und dann erreichte er das Biest, schob sich geschickt zwischen den fuchtelnden Armen vorbei und hoch zum Gesicht des Monsters. Mit der linken Hand packte das Fell zwischen Schulter und Nacken der Bestie und sprang hoch, hielt sich damit weiter oben fest. Hana schrie und holte mit der rechten Hand weit aus…und danach versenkte er den Knochen in dem Auge des Monsters und es schrie. Es brüllte, trotz der Blockade im Maul, schrecklich hoch und schrill aus der Kehle und Hana dachte nicht mal daran aufzuhören. Er hielt sich noch immer am linken Schulterfell der Kreatur fest, damit er auch weiter oben an den Kopf blieb und drückte den Knochen nur noch tiefer in die Wunde. Tiefer und tiefer. Es war erschreckend, wie leicht das ging.

Bis auf das Brüllen war eine unheimliche Stille um sie herum. Der Wind wehte durch die Halle und die Sonne wurde immer heller. Machte die Morgendämmerung langsam zum Tag, als sich Onaya heftiger wehrte und nicht nur Hana, sondern auch Saku von sich riss. Beide krachten, gleichzeitig, auf den Boden, nur dass Saku danach wieder schneller auf den Beinen war und um das Monster herum kam, während Hana noch immer erschrocken zu dem Biest aufsah. Der Knochen steckte tief in der Wunde und es zappelte und krisch umher. Sakutaro nutzte das und kam instinktiv schützend vor den Blonden auf die Knie. Holte mit dem rechten Arm nach rechts aus, um Hana dahinter zu decken, als er dabei zu dem Monster vorsah. War also direkt vor ihm und der Blonde sah Sakurai verwirrt in den Rücken. Was? Da war es wieder. Warum…machte er das? Es gab dafür doch keinen Grund…

Doch er hinterfragte nicht länger, als er sich dann besser aufrecht setzte und sich danach rechts neben Saku hinkniete. Danach sah er ebenfalls nur das Monster vor ihm an, das sich in Qual und Schmerz wand und sogar über den Boden rollte dabei. Der Knochen steckte noch immer im Auge und offenbar wollte es diesen nicht herauszerren. Doch nach einigen Sekunden wurde das Wehren immer weniger und langsamer. Beide konnten es genau beobachten. Dennoch schnappte sich Saku den Speer vor sich vom Boden und hielt ihn dann mit beiden Händen schützen vor sich und damit auch vor Hana. Er ließ dieses Biest nicht noch mal zuschlagen. Aber es wurde unnötig, denn man sah wie Onaya das Leben verließ und er sich dann nur noch taumelnd von ihnen wegbewegte und um einer der Ecken vor ihnen, hinter der großen Statue, verschwand. Das Brüllen wurde zu einem Jammern und Winseln und dann verschwand es im Schatten, aus dem ursprünglich gekrochen kam. Hana und Saku sahen ihm angespannt nach und erst als ein beruhigendes Geräusch kam, was sich nach einem Umfallen angehört hatte, da wussten sie, dass es überstanden war. Sie hatten gewonnen. Besonders Hana hatte es geschafft, der mutiger war, als man es ihm zutrauen würde. Und diesen Mut bewies er erneut, als er plötzlich neben Saku auf die Beine kam und vorsichtig dem Monster folgte. Verwirrt sah ihm der Ältere nach und fauchte dann:

„Was machst du da?!“

Doch der Blonde reagierte nicht, sondern lief einfach weiter, bis er an der Ecke ankam, um die es verschwunden war und dort etwas vor sich liegen sah. Normalerweise sollte es ihn nicht schocken…aber genau das passierte für einige Sekunden, als er diese Kreatur vor sich auf dem Boden liegen sah. Sie lag auf dem Bauch und hatte die Arme, nach vorne, von sich gestreckt. Doch…da lag kein Monster mehr, sondern ein Mensch. Es war ein nackter Mann, aber er war nur kurz da, denn seine Leiche löste sich in Staub auf und verflog danach mit dem Wind. Als Hana das sah, wurde ihm etwas klar: Dieser Mann, war der Erste den der Fluch erwischt hatte. Oder war es der Geist von Sirius gewesen, der ihn übernommen hatte und damit ein Mischwesen erzeugte? Was auch immer passiert war, der Junge verstand nun seinen Vater noch mehr. Hao war kein Freund ihrer Götter…Langsam verstand sein Sohn warum. Genau wie Apollo hatte Sirius den Menschen Leid gebracht…

Er seufzte und lief wieder zurück. Sein Blick war noch nachdenklich auf den Boden gewandt, als er sich rechts von Saku hinsetzte und der es ihm gleich tat. Er war auch noch erschöpfter als er es sein wollte, legte dann den Speer neben sich auf den Boden und seufzte ebenfalls. Es war ein komischer Moment. Eigentlich sollten sie fragen wie es dem anderen geht oder so. Aber nichts kam über ihre Lippen. Sie saßen einfach da. Hana war auch leicht rot, denn so neben Saku zu sitzen fühlte sich plötzlich etwas ungewohnt an. Die Sache von vorhin holte ihn etwas ein. Wie ging er nur weiter damit um? Saku sein Kopf dagegen dröhnte nicht mehr, aber dennoch griff er sich mit der Rechten an die Stirn und verzog das Gesicht etwas angestrengt. Was war passiert? Nachdem er sich, in der Höhle, ausruhte, hatte er einen Filmriss. Er konnte sich an nichts mehr erinnern, zumindest bis zu dem Moment, wo er wieder aufgewacht war. So saß er da und sah nach unten. Nein…das war nicht ganz richtig. Da war eine Erinnerung aber…aber das konnte nicht sein.

Sein Blick wich rüber zu Hana, der noch dort saß und ebenfalls auf den Boden vor sich sah. Saku wusste nicht warum, aber er fragte sich: Wo war der Kleine gerade? Woran dachte er nur? Was bedrückte ihn so? Und noch mehr: Warum machte er sich selbst darüber Gedanken?

Sakurai selber konnte den Blick nicht mehr von dem Jungen reißen und wusste auch nicht so genau, was mit ihm los war. Aber diese Erinnerung ließ ihn nicht los. War es echt gewesen, oder nur ein Traum? Und warum hatte es ihn so berührt? Er verstand es nicht. Doch er bemerkte dann plötzlich seine Fliegerbrille auf Hana seiner Stirn und bekam fast einen Schlag dabei. Ohne zu zögern, griff er zu dem Jungen rüber und zog ihm diese wortlos und schnell vom Kopf, sodass der Blonde wieder aufwachte, nicht mehr rot war und verdutzt zu ihm rüber sah. Hana blinzelte kurz und sah dabei zu, wie sich Saku die Brille wieder auf die Stirn schnallte und dabei, mit dem Blick abgewandt, zu ihm sprach:

„Die gehört nicht dir. Lass gefälligst die Finger davon.“

Das war etwas, was er überhaupt nicht tolerierte und ihn sauer machte. Keiner durfte sie haben, immerhin war es ein Geschenk von Chiharu gewesen. Eines der wenigen Dinge, die er von ihr noch hatte…Hana war sofort wieder da und sah ihn weiter nur stumm und verdutzt an. Bitte was?! War das sein Ernst?! Sie hatten eben einen Gott bezwungen und alles, was Saku als nächstes aus sich brachte, waren diese genervten Worte?! Das gab es ja wohl nicht! Er war offenbar wieder ganz der Alte!...Dennoch löste das einen Stein von Hana seinem Herzen. Er war wieder normal…ein Glück. Sanft lächelte er, aber danach sah er ihn frech an und rückte etwas näher an ihn ran. Sakurai bemerkte das sofort, war fertig mit der Brille und sah zu Hana runter, sodass er den frechen Blick komplett realisierte und fragen wollte, was los ist. Musste er aber nicht, denn kurz darauf bekam er schon eine passende Antwort vom Kleinen zu seinen eben gesagten Worten. Es gab einen lauten, scharfen Knall und Hana hatte Saku eine volle Breitseite auf die linke Wange gegeben. Es tat echt weh und ließ ihn verdutzt zurück. Kurz darauf fasste sich dieser die schmerzhafte Wange mit der linken Hand und fauchte zu dem Blonden runter:

„Was sollte das denn, verdammt noch mal?!“

Hana schüttelte sich kurz die Hand, mit der er eben zugelangt hatte und sah dann wieder frech zu ihm, als er antwortete:

„Die war für deine blöden Worte von eben.“

„Was?! Du hast dir doch einfach meine…!“

Und dann knallte es noch mal, dieses Mal aber auf die andere Wange des Älteren und er sah erneut erstarrt und völlig von den Socken den Knirps vor sich an, der danach locker aufstand und hochnäsig dabei sprach:

„Und DIE für alles andere.“

Und danach wand er sich ab und lief einige Schritte von dem Piloten weg, der Hana noch immer verdutzt und sich die linke Wange haltend nachsah. Er verstand nichts mehr. Die Erste hatte er vielleicht noch irgendwie verdient, aber wofür war die Zweite gewesen? Sakurai sah, wie der Kleine aus der Halle verschwand und raus ins Tageslicht lief. Sein Haar leuchtete wunderschön im Licht der Sonne und seine Konturen wirkten plötzlich so zart und betont. Sein Herz machte, bei dem Anblick, kurz einen Hüpfer und er konnte sich nicht erklären warum. Seine ganzen Gedanken waren so durcheinander und er konnte sich wirklich an nichts mehr erinnern, was in dieser Nacht passiert war. Erst wieder an etwas in der Morgendämmerung und kurz bevor er erneut das Bewusstsein verloren hatte. Es war schemenhaft und schwer zu erkennen, aber das Gefühl konnte er noch spüren. Und genau das war es…was ihm Sorge bereitete. Es war als würde man ihm das Herz langsam öffnen. Als würde man ihn sanft umschlingen und ihm sagen: es wird alles gut. Man an die Gefühle rankam, die er lange weggeschlossen hatte und nie mehr wollte. Und da war auch noch dieser Duft. Dieser Geruch von sanften Blüten im Winter, der sich in sein Hirn gebrannt hatte. Einer den Hana versprühte...

Sakurai realisierte, was passiert war und er musste schlucken, sah vor sich auf den Boden und dachte nach. Nein. Nie wieder. Er musste die Bremse ziehen, bevor es zu spät war. Allein, wenn er daran zurückdachte, wurde ihm wieder komisch in der Brust. Doch er schüttelte dieses Gefühl ab und kam auch wieder auf die Beine, folgte Hana und brüllte ihm sauer nach:

„Hana! Sag mir sofort, was die Zweite sollte! HANA!!“

Doch er wusste es genau. Es brauchte keine Erklärung. Denn er erinnerte sich an diese eine Sache…Etwas was er nicht einzuschätzen wusste. Nämlich an einen wärmenden und starken Kuss…den er vorhin mit Hana gehabt hatte. Das war es woran er sich erinnerte. Sakurai realisierte etwas in seinem Innern. Er musste das stoppen…noch bevor er wieder jemanden verlor…der ihm wichtig war. Und sich langsam, aber sicher in sein Herz schlich. Hana dagegen stand draußen und lächelte sanft. Er musste schnell gehen, denn er wollte nicht das Saku ihn so sah. Denn er verkniffen sich gerade die Tränen. Tränen der Erleichterung. Saku war wieder normal. Ein Glück.



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