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The Tiger and the Wolf

von

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Veilchen als Tarnung

Luke zu beruhigen stellte sich als ungefähr ähnlich simpel heraus, wie Coach Finstock zu einem ruhigen und gelassenen Menschen zu erziehen: Quasi unmöglich. Die ganze restliche Fahrt über hatte er immer wieder mit den Fingern auf dem Lenkrad herumgetrippelt, war dabei mehrmals deutlich über dem Tempolimit gefahren und hatte dabei zusammenhangloses Zeug von sich gegeben. Nach der dritten Aufzählung sämtlicher Spieler des Monats September in der Premier League war es Scott zu bunt geworden.
 

„Halt an“, forderte er ihn auf.
 

„Was?“ Luke sah nicht einmal zu ihm herüber, sein rechtes Augenlid zuckte leicht, während er sich auf den Verkehr zu konzentrieren schien.
 

„Du sollst anhalten.“ Scotts Stimme war ruhig aber bestimmt.
 

„Wozu? Dann kommen wir zu spät. Das macht einen noch schlechteren Eindruck von mir als ohnehin schon. Nein, wir müssen schneller fahren.“ Der Dunkelblonde schnitt eine leicht panisch anmutende Grimasse.
 

„Wenn du nicht sofort rechts ranfährst, steige ich nicht in deine Fußballmannschaft ein.“ Warum Scott das gesagt hatte, konnte er selbst nicht erklären, er war seiner Intuition gefolgt, aber es schien zu fruchten. Kaum zehn Sekunden später stand der Mercedes am Straßenrand und Luke schaute mit weit aufgerissenen Augen zu ihm herüber.
 

„Habe ich jetzt deine Aufmerksamkeit?“, erkundigte sich der Werwolf gelassen. „Oder möchtest du vielleicht noch einmal das Tempolimit um mindestens ein Drittel der zugelassenen Höchstgeschwindigkeit überschreiten?“
 

„Ich, Scott…“ Das nervöse Gestammel Lukes wurde durch einen behutsamen Kuss beendet. Augenmerklich verlor er dabei einen Großteil seiner Anspannung. Die grau-grünen Augen verschwanden hinter flatternden Lidern und ein erleichtertes Seufzen entsprang seiner Kehle.
 

„Das ist deutlich besser“, konstatierte Scott und schmunzelte dabei. „Dass du so einfach zu beruhigen bist, hätte ich auch nicht gedacht.“
 

„Du tust so, als wäre nichts dabei, deiner Mutter gegenüberzutreten. Was, wenn sie schlussendlich entscheidet, ich wäre nicht der richtige Umgang für dich, der richtige Kerl, hm? Was mache ich dann? Vor den nächsten Zug laufen?“ Lukes Körperhaltung veränderte sich erneut: Muskeln wurden angespannt, Schultern angehoben, die Lippen aufeinandergepresst und sich nervös durch die Haare gefahren.
 

„Ist es auch nicht. Ganz ruhig, Luke.“ Der Werwolf legte seinem Freund dabei eine Hand auf die Wange. „Du machst dir viel zu viele Sorgen. Mom wird es akzeptieren und dich mögen, ich weiß das. Sie wird sehen, wie sehr ich dich liebe und wie sehr du mich liebst und sich auch über die Blumen freuen.“
 

„Die dich fast gekillt hätten“, folgte sogleich die schuldbewusste Antwort, kombiniert mit einem niedergeschlagenen Gesicht.
 

„Was ist eigentlich mit dir los? In den letzten Tagen hast du dich eigentlich nie so verhalten, vor allem nicht, wenn Fremde dabei waren. Dem Coach gegenüber bist du komplett gleichgültig aufgetreten, Jackson auch, sogar Stiles – und hier kneifst du auf einmal? Warum?“ Scott nahm seine Hand dabei nicht von Lukes Wange, sondern begann, im Gegenteil, mit dem Daumen sachte darüberzustreichen.
 

„Weil… weil“, der Brite verdrehte genervt die Augen und gab einen unzufriedenen Laut von sich, wobei er sich dabei in Richtung der fremden Handfläche drehte. „Weil das hier etwas Wichtiges ist, weil du, weil ihr mir wichtig seid“, führte er leise aus und strich mit den Lippen über Scotts Fingerspitzen, was diesem einen warmes Prickeln darin bescherte. „Deine Mutter gehört zu dir, und ich will nicht, dass sie glaubt, es wäre mir nicht ernst, oder ich wäre einfach nur scharf auf dich.“ Hastig sah er zum Werwolf hinüber und fügte an: „Das bin ich auch, sehr sogar.“
 

„Sch, schon gut“, begann Scott aufs Neue seinen Freund zu beruhigen. „Du sollst einfach nur du sein, okay? Es hat doch bisher gut funktioniert, warum sollte es genau jetzt anders sein, hm?“
 

„Ich weiß es nicht, Scott. Das ist eine Situation, die ich nicht unter Kontrolle habe und in der es nicht nur auf mich ankommt, sondern auch auf den Eindruck eines anderen Menschen. Ich will nicht, dass wir so enden wie Romeo und Julia, oder Harry und Ste, dazu verdammt, ein Leben in Heimlichkeit und voller Ablehnung zu führen, mit dem Endergebnis, dass mindestens einer von uns deswegen umkommt.“ Luke klang dezent verzweifelt und umschloss Scotts Handgelenk mit seinen Fingern, es dabei festhaltend, als hätte er Angst, dessen Besitzer würde sich sonst in Luft auflösen. „Wenigstens nicht deiner Mutter gegenüber.“
 

Scott kannte diesen Vergleich, zumindest jenen von Romeo und Julia. Etwas Ähnliches war bereits einmal zwischen Allison und ihm gefallen. Damals war es gehörig schief gegangen. Er wollte nicht eine neuerliche Enttäuschung erleben, sich von diesem schlechten Omen beeinflussen lassen. Entschlossen, sich dagegen zu wehren, setzte er sich ein wenig auf und rückte mit dem Gesicht näher an Luke heran. Wenn es so nicht funktionierte, seinen Freund dauerhaft zu beruhigen, dann vielleicht anders.
 

„Schau mich an“, forderte er Luke auf. „Schau mir tief in die Augen.“
 

Zögernd folgte sein Gegenüber der Bitte, wobei er sichtlich Mühe hatte. Er wirkte nicht nur nervös und unruhig, sondern auch irgendwie beschämt und unsicher. Seine Lippen zitterten, seine Mundwinkel hingen nach unten und die Nasenflügel waren geweitet, warmen Atem auf Scotts Haut blasend.
 

„Luke, ich kenne dich seit nicht einmal einer Woche und wir sind bereits zusammen. Das liegt nicht daran, dass du reich bist, gut aussiehst, oder Möglichkeiten besitzt, von denen ich nur träumen kann; ich liebe dich, weil du so bist wie du bist. In diesem Moment noch mehr als in allen anderen. Der W…“ Fast hätte er sich verplappert und räusperte sich rasch, um diesen Umstand zu überspielen. „Warum sollte meine Mom denn anders auf dich reagieren? Du tust mir gut, bringst mich zum Lachen und hast Dinge zu mir gesagt, von denen ich nicht einmal wusste, dass man sie als Komplimente verwenden kann. Du atmest jetzt noch einmal tief durch und verinnerlichst, was ich dir gerade gesagt habe.“
 

Der Brite schloss die Augen und machte einen tiefen Atemzug. Sein Griff um Scotts Handgelenk lockerte sich, um sich dann gänzlich davon zu lösen. Ein Reiben mit der Wange an der Schulter später, schien er soweit heruntergekommen zu sein, als dass er die Augen wieder öffnete, seine Hände wieder an das Lenkrad legen und ihre Fahrt, nun im vorgegebenen Tempolimit, fortsetzen konnte.
 

„Luke?“
 

„Hm?“, war die einsilbige Gegenfrage, während sie sich in einem kleinen Stau befanden und Luke sich darauf beschränkte, leicht ungeduldig auf dem Lenkrad herumzutrippeln.
 

„Wer sind Harry und Ste?“ Scott war vielleicht nicht der Beste, was literarische Figuren anging, aber die Gängigsten kannte er mittlerweile. Ste klang außerdem nicht nach einem Protagonisten, den etwa Shakespeare erschaffen hätte.
 

„Harry und Ste waren mal DAS schwule Liebespaar in Hollyoaks, DER Seifenoper in Großbritannien. Ich mochte Ste nie wirklich, er war untreu, unsicher und eigentlich ein kompletter Vollidiot, aber Harry – es hatte einen verbotenen Charakter, war eine verbotene Liebe. Harry konnte es seinem Vater nicht sagen, genauso wenig wie Ste.“ Lukes Mundwinkel wanderten ein wenig nach oben. „Verboten hübsch war er auch – bei Gelegenheit werden wir mal einen kleinen Serienmarathon starten, okay?“
 

„Wie kommt es eigentlich, dass du, trotz deiner spärlichen Freizeit, die du zweifelsohne mit Training und Lernen ausfüllen musst, noch immer genügend Kapazitäten hast, um dich mit Serien und Animes zu beschäftigen?“, wollte Scott wissen.
 

„Alles eine Frage der Organisation. Gilt ja beim Fußball auch. Wenn du keine Freunde hast, verlaufen die Tage ein wenig anders: Training, Schule, Hausaufgaben, zwischendrin etwas essen, dann eventuell wieder Training und die restliche Zeit kannst du dir frei einteilen. Zumal es ja die Möglichkeit gibt, sich die Folgen nachträglich anzusehen.“
 

„Ich habe eigentlich damit gerechnet, du würdest jetzt erzählen, den Sender bestochen zu haben, damit er die Serie nur zu einer für dich günstigen Zeit ausstrahlt“, gluckste Scott und beobachte, wie sie in die Einfahrt der McCalls einbogen.
 

„Dann hätte ich den Sender in die Luft jagen und die Regisseure allesamt mit ihrem Drehbuch verprügeln müssen“, lautete der trockene Kommentar.
 

„Hm?“
 

„Mh, sie haben Harry sterben lassen – eine der größten Fehlentscheidungen überhaupt.“ Der Brite sah zum Haus und seufzte leise. „Und du sagst, es reicht, wenn ich einfach ich selbst bin?“, folgte sogleich der eiskalte Themenwechsel.
 

„Vollkommen“, bestätigte ihm Scott. „So wie du mir gegenüber immer gewesen bist.“
 

„Ich schaffe das“, sagte Luke zu sich selbst.
 

„Natürlich schaffst du das“, ermutigte ihn der Alpha. „Ganz locker bleiben.“
 

„Ich versuche es.“
 

Damit stiegen sie aus, Luke den Blumenstrauß in der Hand, Scott vor ihm hergehend. Er drehte den Schlüssel einmal im Schloss herum und trat dann ein, dicht gefolgt von seiner Begleitung, die ihr Gesicht erstaunlich gut hinter Veilchen verbergen konnte. Es würde also an ihm hängen bleiben, das Eis zu brechen, obwohl das eigentlich gar nicht notwendig sein sollte. „Dann auf in den Kampf“, dachte er sich und hielt zielstrebig auf die Küche zu, aus der ihm der Duft von frischem Essen entgegenschlug, sein Anhängsel dicht hinter sich.
 

„Ich bin wieder da, Mom“, rief Scott in Richtung Küche und spürte sogleich Finger, die sich um seine eigenen legten. Er musste sich gar nicht umdrehen, um zu wissen, dass Luke sich hinter ihm versteckte, zumal der Veilchenduft nun übermächtig geworden war.
 

„Ich bin in der Küche; ich hoffe, du hast Hunger, Liebling“, kam es fröhlich zurück. „Morgen habe ich frei. Wir könnten also etwas unternehmen.“
 

„Vielleicht ist es besser, wenn ich wieder gehe“, schlug Luke leise flüsternd vor. „Ich will euch nicht stören, zumal du die spärliche Zeit mit deiner Mutter…“
 

„Mom, kannst du mal eben ins Wohnzimmer kommen, wenn du Zeit hast und mit dem Kochen aufhören? Es ist wichtig. Ich habe dir Pizza mitgebracht“, unterbrach Scott seine Begleitung und bugsierte sie in Richtung des Sofas. „Und du setzt dich jetzt hin und beruhigst dich endlich.“ Damit ließ er sich neben Luke fallen, schloss die Augen und legte den Kopf in den Nacken. Es würde kurz und schmerzlos ablaufen. Mit Allison war es so einfach gewesen, daher musst es mit Luke noch einfacher sein. Ganz sicher.
 

Beim Geräusch herannahender Schritte, kombiniert mit dem Knarzen der Fußbodendielen, schlug der Werwolf die Augen wieder auf und konnte seiner Mutter entgegenblicken, die ihm ein breites, wenn auch leicht verwirrtes Lächeln schenkte. Sie nickte in Richtung von Luke, der sich hinter seinem Strauß zusammenkauerte und so wirkte, als wollte er am liebsten im Erdboden versinken.
 

„Mom, setz dich“, bat Scott seine Mutter und er versetzte Luke einen sanften Stoß mit dem Ellenbogen, sodass dieser aufschreckte und hinter seiner floralen Tarnung aufschnellte. „Luke und ich müssen dir etwas sagen.“
 

„Ahm, ja, guten Tag Mi… Melissa“, räusperte sich der Angesprochene leicht, stand auf und hielt ihr den Veilchenstrauß entgegen. „Ihren Teller habe ich im Auto liegen lassen, ich hole ihn“, sein Blick fiel dabei auf Scott, der angedeutet den Kopf schüttelte „gleich, wenn wir mit Ihnen gesprochen haben.“
 

Melissa schien sich über ihr Präsent tatsächlich zu freuen, denn sie nahm den Strauß entgegen, bedankte sich und setzte sich ihnen gegenüber hin. Neugierde war in ihren Zügen zu erkennen, wie auch eine Spur Besorgnis und Verwirrung. „Ich habe dir doch schon das letzte Mal gesagt, dass Melissa völlig reicht“, sagte sie sanft zum Briten.
 

„Natürlich, nur… es ist gerade ein wenig kompliziert.“ Bevor Scott reagieren konnte, hatte sich Luke schon wieder neben ihn gesetzt und nach seiner Hand, oder besser gesagt, den Fingern seiner rechten Hand gegriffen, um sie miteinander zu verschränken. „Ich würde es vorziehen, wenn ich ganz kurz reden dürfte und Sie mir zuhören, Miss McCall.“ Damit räusperte sich der Dunkelblonde erneut und schien den Fakt, dass Scotts Mutter ihrer beider Geste mit den Händen mit einem leichten Stirnrunzeln kommentierte, einfach auszublenden.
 

„Ich weiß, es mag sehr früh erscheinen und ich verlange viel, aber ich möchte Sie um sehr viel Geduld mit mir bitten, Miss McCall. Darum auch die Veilchen – lila Veilchen werden mit der Bitte um Geduld verbunden.“ Luke drückte dabei Scotts Hand fest, dessen Augenbrauen in die Höhe wanderten, der welcher das Gefühl hatte, sich nicht einzumischen.
 

„Geduld? Warum denn?“ Seine Mutter sah zwischen ihnen hin und her, dann blieb sie erneut bei ihrer beider Hände hängen.
 

„Weil ich mich unsterblich in Ihren Sohn verliebt habe“, stellte Luke erstaunlich gefasst und ruhig in den Raum. „Ich möchte Sie wirklich darum bitten nachsichtig mit mir zu sein und geduldig, und mir eine Chance zu geben zu beweisen, dass ich es ernst meine. Scott hat sich in diesen wenigen Tagen zu einer der wichtigsten Personen in meinem Leben entwickelt und ich verspreche Ihnen, alles in meiner Macht Stehende zu tun, um weder Sie, noch ihn zu enttäuschen.“ Bei diesen Ausführungen wanderte die rechte Braue des Werwolfs langsam in die Höhe.
 

Melissa tat es Ihrem Sohn gleich, den sie nun fixierte und musterte. Scott rückte dabei automatisch ein wenig näher an Luke heran, sodass sich ihre Schultern berührten. Ein Lächeln stahl sich auf die Züge des Briten und sein pochendes Herz stimmte sich beim Schlagen auf sein eigenes ab.
 

„Das bedeutet, dass du dich auch verliebt hast, Scott?“ Melissa klang überrascht, wie auch ein wenig zurückhaltend, was sich auch in ihrem Gesichtsausdruck widerspiegelte.
 

„Ja, Mum, sehr sogar“, bestätigte er ihr. „Luke und ich mögen uns, ich kann dir aber nicht erklären, warum es so schnell gegangen ist. Stört es dich?“
 

Seine Mutter schüttelte rasch den Kopf: „Nein, natürlich nicht. Ich muss nur zugeben, dass es recht plötzlich kommt und vor allem äußerst früh ist. Ich meine, ihr zwei scheint euch wirklich zu mögen, so wie ihr vor mir sitzt und ich werde euch nicht im Weg stehen, wenn ihr glücklich miteinander seid, nur…“ Sie betrachtete den Blumenstrauß in ihrer Hand. „Ich wundere mich nur.“
 

„Mom, es ist vielleicht ein wenig komisch, dass ich dir kein Mädchen vorstelle, aber…“, fing Scott an, wurde aber sogleich unterbrochen.
 

„Das doch nicht. Schatz, du weißt genau, dass ich nur dein Bestes will, ich frage mich nur, wie ein Junge in deinem Alter in der Lage ist, sich solche Gedanken zu machen, wenn es um einen einfachen Blumenstrauß geht, Luke. Das schaffen die meisten Männer in meinem Alter nicht einmal.“ Sie sah amüsiert zu den beiden herüber. „Ich würde vorsichtig sagen, das ist ein Pluspunkt.“
 

„Ich interessiere mich für solche Dinge. Geschenke und Gesten sollten einen tieferen Sinn beinhalten. Gerade ein Strauß Blumen sagt oft mehr als viele Worte.“ Luke kratzte sich verlegen im Nacken. „Sie haben also nichts dagegen?“
 

„Es kommt wie gesagt sehr plötzlich, aber wenn Scott der Meinung ist, es könnte mit euch funktionieren, dann werde ich das auch so sehen und euch nach Kräften unterstützen, aber nur unter einer einzigen Bedingung.“ Sowohl Scott, als auch Luke neben ihm, hielten den Atem an. „Du hörst endlich auf mich Miss McCall zu nennen. Ich bin Melissa, keine alte Frau.“
 

Erleichterung machte sich in ihnen beiden breit und sie atmeten simultan aus. Luke nickte leise lachend und lehnte sich noch ein wenig mehr gegen Scott. „Einverstanden. Ich werde mich bemühen. Danke für I… dein Vertrauen, Melissa. Mir bedeutet das sehr viel.“
 

„Höflich bist du schon einmal, wenn auch ein wenig hochgestochen. Wenn sich das auch noch legt und du mir gegenüber weniger steif bist, dann denke ich, kommen wir zwei wirklich gut miteinander aus.“ Sie stand auf, wobei sie ihnen nun ein erneutes, dieses Mal weitaus offeneres und ehrlicheres Lächeln als vorhin schenkte, und zu einem kleinen Schränkchen ging, sich hinunterbeugte und eine Vase hervorholte. „Ich habe übrigens kein Händchen für Blumen – wenn sie also bald das Zeitliche segnen, dann sei mir nicht böse, ja?“
 

„Überhaupt nicht.“ Luke sah zu Scott hinüber. „Wir haben die Pizza im Auto vergessen, und ich den Teller. Ich gehe die Sachen mal eben holen, ja?“
 

Sobald sie alleine waren, und Melissa die Blumen in eine passende Vase gegeben hatte (auf Wasser verzichtete sie wohl), setzte sie sich neben Scott und sah ihn eindringlich an. „Du magst ihn wirklich, hm?“
 

„Merkt man das?“ Irgendwie war es ihm unangenehm, nun alleine mit seiner Mutter darüber zu sprechen, fast schon ein wenig peinlich.
 

„Ein wenig“, neckte sie ihn und strich ihm über den Rücken. „Er scheint dich aber auch sehr zu mögen, so wie er an dir klebt.“
 

„Stört es dich wirklich nicht?“ Scott zupfte am Ärmel seines Pullis herum.
 

„Nein, Schatz, es stört mich nicht, weder, dass er ein Junge ist, noch dass schüchtern ist. Es ist nur wirklich sehr früh, aber das ist nicht meine Entscheidung. Du weißt, dass ich hinter dir stehe, egal was du tust, oder?“
 

„Jaaa, Mom. Ich versteh es selbst nicht so ganz. Wir harmonieren einfach und eigentlich ist Luke gar nicht schüchtern, nur bei mir und wohl auch bei dir.“ Das Zupfen wurde ein wenig intensiviert, den Blicken seiner Mutter ausweichend. „Er ist aber wirklich ein toller Junge.“
 

„Er ist ziemlich gut erzogen, ja“, bestätigte sie ihm und umarmte ihn.
 

„Du gibst uns also eine Chance? Auch, wenn er wahrscheinlich nicht mein Seelengefährte ist?“ Scott erwiderte die Umarmung.
 

„Scott, hör auf dir Gedanken darüber zu machen, was ich denke, du musst mit ihm glücklich sein und wenn du mit ihm glücklich bist, dann bin ich es auch. Ich möchte ihn aber trotzdem gerne etwas mehr kennenlernen.“ Melissa drückte ihn noch ein letztes Mal, ehe sie ihn losließ.
 

„Wirst du, ganz sicher. Wahrscheinlich kommt er jetzt öfter vorbei.“
 

„Ich hoffe es.“
 

Ihre Konversation wurde durch die sich öffnende Tür unterbrochen. Luke kam mit dem Pizzakarton und dem mccall´schen Teller zurück. „Mit besten Grüßen von Jonathan“, strahlte er der Älteren entgegen.
 

Der restliche Tag verlief weitaus entspannter, als angenommen. Luke stellte sich dem klassischen Verhör einer Mutter, die nur das Beste für ihren Sohn wollte und meisterte dieses, größtenteils, mit Bravour. Dabei erfuhr Scott auch noch einige neue Dinge über seinen Freund: Dessen Interessensfeld umfasste nicht nur China, sondern auch Japan, er hatte eine Abneigung gegen die meisten Meeresfrüchte, liebte neben Hunden auch Katzen, spielte Fußball bereits seit seinem sechsten Lebensjahr, Langlaufen seit sieben Jahren, würde seine Zahnspange noch mindestens zwei weitere Jahre tragen müssen, trank seinen Earl Grey vorzugsweise mit Zitrone, seine Lieblingsfarbe war Anthrazit, sein Lieblingstier ein Tiger, regnerisches Wetter war genau sein Ding und er war allergisch gegen Ananasfrüchte, sowie deren Erzeugnisse. Melissa bemühte sich im Gegenzug darum, dem Jungen seine Scheu zu nehmen, was sie hervorragend schaffte; das Verhör wurde schließlich nur augenzwinkernd geführt. Bei familiären Fragen wich der Brite gekonnt aus, entschuldigte sich dabei aber höflich, dass er noch nicht gerne darüber sprechen würde. Das akzeptierte Scotts Mutter auch so. Der Werwolf saß meist daneben, holte ihnen etwas zu Trinken oder Snacks, und staunte nicht schlecht, wie sehr Luke auftaute. Fast schon wehmütig sah dieser zur Uhr über dem Eingang zur Küche.
 

„Es ist kurz vor zweiundzwanzig Uhr und ich muss nach Hause. Grandpa wartet sicher bereits auf mich.“
 

Die Erwähnung von Gerard ließ die Stimmung deutlich abkühlen, was der Dunkelblonde aber nicht zu bemerken schien; seine Wange wanderte automatisch zu Scotts Lippen, wo er sich einen flüchtigen Kuss stahl, bevor er Melissa die Hand hinhielt. „Es hat mich sehr gefreut, Melissa und danke noch einmal für alles. Ich befürchte, noch öfter deine Gastfreundschaft beanspruchen zu müssen. Bei Gelegenheit revanchiere ich mich, versprochen.“
 

„Das ist nicht notwendig“, erwiderte sie und ergriff die dargebotene Hand. „Es hat mich ebenso gefreut. Du besitzt außerdem noch den Anstand zu klingeln, nicht wie Stiles, der quasi bei uns durchs Fenster einsteigt.“
 

„Mom!“, tadelte Scott sie und erntete dafür schallendes Gelächter.
 

„Das war nur ein Scherz; Stiles ist bei uns doch genauso jederzeit willkommen.“
 

„Warum wundert mich das nicht?“, schnaubte Luke leise. „Ich muss wirklich los, so gerne ich auch noch länger bleiben würde. Wenn du einmal etwas brauchst, sag über Scott Bescheid, ja?“
 

„Mache ich“, nickte sie ihm zu. „Bis zum nächsten Mal, Luke.“
 

„Man sieht sich!“ Scott bekam nun doch einen kleinen angedeuteten Kuss, wobei sie beide etwas erröteten. „Ich rufe dich morgen an, okay?“
 

„In Ordnung. Freu mich schon“, lächelte der Werwolf. „Komm gut nach Hause.“
 

„Ich kann wahrscheinlich blind, mit nur einem Arm, besser fahren als die meisten Leute in dieser Stadt.“ Zum Abschied hob der Brite noch einmal seine Hand, bevor er nach draußen verschwand, sie alleine ließ und beide ausgiebig gähnten.
 

„Macht es dir was aus, wenn ich ins Bett gehe und wir uns morgen eindringlich über deinen neuen Freund unterhalten? Mir fallen nämlich allmählich schon die Augen zu, die Schicht hängt mir noch in den Knochen.“ Melissa streckte sich und stand vom Sofa auf.
 

„Eindringlich?“, fragte Scott alarmiert. Das klang überhaupt nicht gut.
 

„Keine Sorge, er ist schon akzeptiert“, zerstreute seine Mutter seine Befürchtungen.
 

„Na, okay. Dann, schlaf gut Mom, hab dich lieb!“
 

„Ich dich auch. Bis morgen.“ Melissa verschwand nach oben, während Scott sich noch um das Geschirr kümmerte, ehe er sich ebenfalls bettfertig machte, in sein Zimmer verzog und müde ins Reich der Träume entschlummerte. Irgendwie war der Tag weitaus weniger Fiasko gewesen als angenommen. Er hatte jetzt einen Freund und war damit nicht mehr alleine, nicht mehr ausgeschlossen von den ganzen Pärchenaktivitäten. Am Montag würde man sicherlich über sie beide reden. Stiles würde ihm ein Ohr abkauen. Beim Gedanken an seinen besten Freund überkam ihn ein schlechtes Gewissen: Er hatte ihm ein Versprechen gegeben und war bereits dabei es zu brechen. Technisch gesehen erst, wenn er sich zu einer Dummheit hinreißen ließ und das wusste er mit aller Kraft zu vermeiden, zumindest bisher. Hoffentlich blieb das auch so.



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