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The Boyfriend Experience

von

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Katharsis

Derek kam erst am frühen Nachmittag von seinem Spaziergang zurück und traute seinen Augen kaum, denn Peter hatte sich inzwischen offensichtlich Besuch eingeladen. Drei Männer und zwei Frauen, allesamt gutaussehend und weitaus jünger als Peter selbst, lümmelten auf Dereks Sofa herum und vertilgten Unmengen Essen vom Lieferservice, während die Luft von einer Wolke aus Marihuanarauch geschwängert war:

„Was ist denn hier los, zum Teufel? Was soll das werden? Wer sind diese Pfeifen?“ pöbelte der Hausherr und riss sämtliche Fenster auf.
 

„Nun komm´ mal runter! Wie sprichst du denn mit meinen Freunden?“ erwiderte Peter betont gelassen. Er saß mit einem fetten Joint in der Hand zwischen zwei der jungen Leute, einer Frau und einem Mann, hatte sein Hemd bis zum Bauchnabel aufgeknöpft und ließ sich von den beiden abwechselnd mit kleinen Häppchen füttern.
 

„Freunde? Was denn für Freunde? Du bist neu in der Stadt und kennst hier doch überhaupt niemanden.“ gab Derek giftig zurück:
 

„Ich bin eben liebenswert und schließe rasch neue Bekanntschaften.“ behauptete Peter: „Wir lernen uns gerade erst richtig kennen.“ Er küsste zunächst das Mädchen und dann den Jungen.
 

Derek, dem gerade sein Frühstück wieder hochkam, forderte:

„Widerlich! Diese Orgie hat jetzt ein Ende! Das hier ist kein Puff, sondern mein Zuhause. Zeig´ deinen „Freunden“, wo der Maurer das Loch in der Tür gelassen hat, sonst rufe ich die Bullen!“
 

„Du bist wirklich unhöflich, weißt du das Neffe?“ erwiderte Peter: „Warum setzt du dich nicht einfach zu uns, isst einen Happen, kommst runter und entspannst ein wenig? Wir haben auch noch reichlich Gras, falls du ein wenig Unterstützung beim Abschalten brauchst. Oder vielleicht hilft dir auch einer meiner neuen Freunde ein bisschen beim relaxen. Wie ist das heutzutage eigentlich bei dir? Bevorzugst du jetzt ausschließlich Jungs, oder darf es an und an auch mal ein Mädchen sein?“
 

Derek ballte die Fäuste und herrschte seinen Onkel an:

„Ich höre wohl nicht richtig? Dein Besuch verschwindet jetzt und zwar sofort!“
 

Die jungen Leute schmollten ein wenig und Peter erklärte ihnen:

„Mein Neffe ist ein furchtbarer Langweiler. Es tut mir wirklich leid Kinderchen, aber ihr solltet jetzt wohl besser gehen, ehe ihm noch eine Schlagader im Kopf platzt.“ Er erhob sich und führte die jungen Leute zur Tür: „Wir sehen uns heute Abend im Club und feiern weiter, ihr Süßen. Ich freue mich!“ Peter verabschiedete jeden einzelnen mit einem Kuss und schloss dann die Tür hinter ihnen.

Dann wendete er sich zu Derek um und maulte:

„Bist du jetzt zufrieden? Wir hatten es hier wirklich nett, ehe du gekommen bist. Was stimmt bloß nicht mit dir? Du wusstest noch nie, wie man Spaß hat.“
 

„Ich weiß sehr wohl, wie man Spaß hat, aber ich weiß auch, dass es im Leben nicht immer nur darum geht, sich zu amüsieren, koste es was es wolle. So warst du immer schon, auch damals, als ich mit sechzehn gezwungen war bei dir zu leben, obwohl du dich einen Scheiß um mich geschert hast.“ erwiderte Derek bitter.
 

Sein Onkel seufzte:

„Ja sicher, jetzt geht das wieder los. Immer nur dein Gejammer über deine schlimme Jugend. Wie lange willst du diese Kuh eigentlich noch melken, um deine trübsinnige Gegenwart zu rechtfertigen, hm? Du bist doch längst ein erwachsener Mann. Du solltest endlich anfangen, etwas aus deinem Leben zu machen, anstatt irgendwelchen armen Schweinen eine Illusion von Liebe zu verkaufen. Was glaubst du denn, wie lange du diesen Job noch machen kannst? Du wirst auch nicht jünger, Derek. Finde einen vernünftigen Job, such´ dir einen Freund, mach´ ihm ein Kind; wie du das anstellst ist deine Sache, und dann heirate und fang´ endlich an zu leben!“
 

„Also das sagt ja der Richtige. Du hast sie doch nicht mehr alle! Du hast nichts von alledem und hältst mir Predigten? “ fragte Derek fassungslos.
 

Peter lachte:

„Das ist der Unterschied zwischen dir und mir. Du willst all´ diese Dinge, ich aber nicht. Mir geht’s bestens als Single, denn ich komme gut klar als einsamer Wolf, was man von dir echt nicht behaupten kann. Du bist ein unglücklicher Mensch, Derek! Was glaubst du, wie dein Leben verlaufen wäre, wenn Isaac noch da wäre? Würdest du dann wohl auch deinen Körper an fremde Kerle verkaufen? Sicherlich nicht!“
 

„Nimm´ seinen Namen nicht in den Mund!“ zischte Derek böse: „Dazu hast du kein Recht! Nicht einmal zu seiner Beerdigung bist du gekommen. Ich war vollkommen fertig, dachte wirklich, ich überlebe das nicht. Und wo warst du? Ich hätte deinen Trost gebraucht! Genauso wie ich deinen Trost gebraucht habe, als erst Paige und kurz danach meine Familie gestorben sind. Aber dir war das scheißegal, denn es ging dabei ja schließlich nicht um dich, richtig?“
 

Peter sah aus, als habe man ihm ins Gesicht geschlagen. Es dauerte eine ganze Weile, ehe er darauf antwortete:

„Es tut mir leid.“ sagte er schließlich leise.
 

Derek meinte sich verhört zu haben, denn diese Worte hatte er noch nie aus dem Mund seines Onkels gehört. Ein Peter Hale entschuldigte sich nicht.
 

„Es tut mir wirklich leid, Derek. Das habe ich richtig versaut, ich weiß. Aber ich will eines klarstellen: Dass ich nicht für dich da gewesen bin, hatte nichts damit zu tun, dass es mir egal gewesen wäre, wie es dir ging. Ich konnte es einfach nicht.“
 

Derek blickte seinen Onkel skeptisch an und wartete im Grunde nur auf die Pointe, denn dies war sicher wieder einmal nur einer seiner unpassenden Scherze. Nie im Leben konnte dies hier eine ernst gemeinte Entschuldigung sein!
 

Doch Peter fuhr fort:

„Ich weiß nicht, ob du einmal darüber nachgedacht hast, wie es damals für mich gewesen ist, aber Derek... auch ich habe damals meine Familie verloren! Deine Mutter Talia war meine Schwester, aber im Grunde war sie vielmehr auch für mich so etwas wie eine Mutter. Sie hat mich gemeinsam mit ihren anderen Kindern großgezogen, weil ich meine Eltern schon früh verloren habe. Und mit einem Mal waren sie alle fort; meine Schwester, dein Vater, meine Nichten und Neffen... Der einzige der noch da war warst du; ein zorniger, verlorener, trotziger, trauriger Teenager, der beschlossen hatte, mich und die ganze Welt zu hassen und für sein Unglück verantwortlich zu machen. Ich war einundzwanzig Jahre alt. Ich war nicht reif genug, um für irgendwen der Daddy zu sein. Ich wusste nicht, was ich mit dir machen sollte. Ich wollte bloß, dass du nicht in irgendein Heim, oder eine Pflegefamilie musst, auch wenn du mich wahnsinnig gemacht hast. Deswegen habe ich dich aufgenommen. Ich weiß, du hättest etwas anderes gebraucht, einen reifen, verantwortlichen Erwachsenen, der für dich da ist und dir hilft, deine Trauer zu bewältigen, doch der war ich damals nun mal nicht. Heute würde ich manches anders machen, aber ich kann die Zeit leider nicht zurückdrehen, Derek. Ich kann dir nur sagen, dass es mir leid tut.“
 

Derek wusste noch immer nicht, was er auf das soeben Gehörte erwidern sollte, also sagte er schlicht:

„Danke!“
 

Peter nickte lediglich, drückte seinen Joint auf einem von Dereks Tellern aus, was vom Hausherrn mit einem unzufriedenen Blick kommentiert wurde und machte sich über die Reste des Sushi aus einer der Pappschachteln her:

„Verdammter Kifferhunger. Ich muss unbedingt gleich noch ins Fitnessstudio, denn ich kann es mir nicht leisten fett zu werden.“
 

„Vorher bringst du aber diesen Saustall hier in Ordnung!“ bestimmte Derek.
 

Peter verzog das Gesicht und erkundigte sich:

„Hast du nicht eine Putzfrau, die sich irgendwann darum kümmern kann?“
 

„Habe ich nicht.“ erwiderte sein Neffe: „Doch selbst wenn, würde ich mit Sicherheit nicht warten, bis sie kommt um aufzuräumen, während den Lebensmittelresten hier langsam ein Fell wächst. Und ich werde nicht hinter dir her putzen, also bitte: Mach´ jetzt sauber!“
 

Peter seufzte dramatisch, machte sich widerwillig ans Werk und erklärte:

„Es wird wirklich Zeit, dass ich mir eine eigene Bleibe suche. Du bist so eine unglaubliche Nervensäge!“
 

Derek lag es auf der Zunge zu sagen, dass ja wohl nicht er die Nervensäge war, sondern die Person, welche unangekündigt zu einem Dauerbesuch bei ihm vorbeikam und dann nichts als Chaos und Unruhe in sein sauberes, geordnetes Zuhause brachte, doch er verkniff es sich, denn irgendwie war er immer noch weichgespült von Peters Entschuldigung.

Er zwinkerte lediglich grinsend und ohne selbst einen einzigen Handschlag zu tun, beobachtete er mit einer gewissen Genugtuung, wie sein Onkel aufräumte.
 

Als Peter nach getaner Arbeit eine Weile später mit gepackter Sporttasche zum Aufbruch bereit in der Apartmenttür stand, drehte er sich noch einmal um und erkundigte sich:

„Was ist das eigentlich mit dir und diesem süßen Jungen von neulich. Wird das was Ernstes?“
 

„Wenn ich das nur selbst wüsste.“ erwiderte sein Neffe unzufrieden.
 

„Ruf´ ihn an!“ ordnete Peter an und verschwand, ehe Derek Widerworte geben konnte.



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