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Der Söldner und das Vampirmädchen

von

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Zurück zum Hellsing-Anwesen

Die Sitzung war zu Ende. Die Kriegserklärung war ausgesprochen. Der Marschbefehl war von der Königin persönlich erteilt worden.

Sir Integra verließ den Thronsaal, gefolgt von ihren treuen Diener Alucard, ihrem Butler Walter, sowie ihren Untergebenen Seras Victoria und Pip Bernadotte.

Als die mächtigen Türen sich hinter ihnen schlossen, sagte keiner der Anwesenden ein Wort. Stattdessen schritten sie ruhig den dunklen, kühlen, prächtig ausgestatteten Flur entlang.

Seras sah auf die geraden Rücken von Walter, Alucard und Integra und war durch ihre stoische Haltung beeindruckt und beruhigt. Die Kriegserklärung des wahnsinnigen Majors schien keinen dieser kampferfahrenen Hellsing-Mitglieder zu ängstigen.

„Wir sind weit genug entfernt“ murmelte Alucard. „Weder Vatikan-Schergen noch andere Lauscher sind in Reichweite.“

Integra Fairbrock Wingates Hellsing drehte sich um und sah ihre Untergebenen streng an.

„Alucard und Walter bleiben mit mir in London. Wir treffen uns später mit dem Rest des Rates. London wird garantiert das Hauptziel dieser Bastarde sein.

Captain Bernadotte; fahrt zurück zum Hellsing Anwesen und baut es zur Festung aus. Es kann ein mögliches Ziel sein und wir müssen wenigstens einen sicheren Stützpunkt für einen Rückzug haben.

Seras, du begleitest ihn. Sollte es zu weiteren Angriffen von Vampiren und Ghoulen kommen, die nicht zu Millennium gehören, wirst du dich darum kümmern. England darf nicht von innen geschwächt sein, wenn wir uns auf einen Angriff von außen konzentrieren.

Solltest du keine weiteren Befehle von mir oder deinem Meister persönlich bekommen, bist du dem Befehl von Captain Bernadotte unterstellt. Solange es keinen andere Befehl von unserer Seite gibt, wird dein Platz dort sein.“

Seras salutierte.

Jeglichen Einspruch, den sie möglicherweise hatte, war zwecklos. Sie war Soldat und ihre erste Pflicht war es, zu gehorchen.
 

Seras und Pip verließen ihren Boss und gingen den Flur in einer anderen Richtung weiter.

Beide sagten kein Wort. Die Stimmung war zu gedrückt, um Scherze oder Konversationen zu machen.

Als sie die Treppe runter gingen und in einen kleinen Hof ankamen, stand der bekannte Chauffeur vom Flughafen schon bereit und hielt die Tür offen.

In der Zwischenzeit hatte er sogar einen neuen Wagen mit kompletten Türen erhalten, in dem sich auch Seras Sarg befand.

„Diese verfickten Särge gehen mir mittlerweile auf die Nerven“ murmelte Pip.

Der Kommentar bewirkte, dass die düstere Stimmung, in der sich die beiden befanden, sich lockerte.

Seras kicherte.

„Oh, aber es ist nur mein Sarg drin. Der Schwarze ist bestimmt bei Meister Alucard“ bemerkte sie beim Einstieg.

„ Na wunderbar, jetzt kann er ihn wie eine übergroße Handtasche überall mitnehmen. Oder muss Walter ihn tragen?“ Pip folgte ihr und der Wagen fuhr los.
 

Während sie durch die beleuchtete Innenstadt Londons fuhren, wurde Pips Miene aber wieder grimmiger.

Seras bemerkte, wie seine Hände manchmal zuckten.

„Keine Zigaretten mehr?“ fragte sie.

„Non“ murmelte er ertappt.

„Hast du einen Vorrat zu Hause oder sollen wir gleich bei einem Supermarkt halten?“

„Ich bin im Anwesen noch gut eingedeckt, ma chère. Merci beaucoup.“

„Mich stört das Rauchen nicht, solange man es draußen tut. Seitdem ich verwandelt wurde, ist mein Geruchssinn viel stärker. Ich kann mittlerweile am Geruch des Rauches erkennen, ob Walter oder Sir Integra in der Nähe ist, weil beide unterschiedliche Marken rauchen. Du rauchst auch eine andere Marke“ sprach Seras nervös weiter. Sie wusste nicht, wieso sie jetzt gerade damit anfing, aber sie konnte momentan nicht schweigen. Diese unerträgliche Stille zehrte an ihr, also fing sie an zu plappern, sonst würde sie noch anfangen zu schreien.

„Ich selber habe nie geraucht. Meine Mutter hat das immer an meinen Vater gestört, deswegen hat er heimlich geraucht, aber wir konnten es natürlich an seiner Kleidung riechen. Und dann gab es Stress. Also habe ich nie damit angefangen. Aber ich habe damit keine unangenehmen Erinnerungen an Zigarettenrauch. Ich will ihn aber auch nicht in meiner Kleidung haben.“

Pip schaute sie durchdringend, aber nicht uninteressiert an. Seras Geplapper war eine Ablenkung von seinem Bedürfnis zu rauchen. Und es gab ihm eine Gelegenheit, mehr über sie zu erfahren.

„Wissen deine Eltern, dass du unterblich bist?“ fragte er.

Seras Redefluss stockte. „Sie…sind tot. Schon eine ganze Weile.“ antwortete sie.

„Je suis désole“.

„Und deine?“ Seras versuchte das persönliche Thema zu wenden, so schnell es ging. Sie wollte nicht über ihre Eltern sprechen.

„Meinen Vater habe ich nie kennen gelernt, weil er im Ausland während eines Einsatzes starb. Ich bin bei meiner Mutter und meinem Großvater väterlichseits aufgewachsen. Die beiden leben momentan in den United States, irgendwo in der Pampa.“

„Oh, und was sagen sie über deinen Job? Waren Sie damit einverstanden?“

Pip musste lachen.

„Sorry, deine Frage ist eigentlich verständlich, aber für meine Familie… es ist schon fast Tradition, dass die Männer in meiner Familie im Krieg sterben. Also nein, es war keine Überraschung und es gab keine Einwände.“

Pip erzählte ihr nicht, dass seine Familie seit Generationen aus Söldnern bestand, die für Geld auf der ganzen Welt verteilt starben. Und sein Schicksal hielt nun England als sein Grab bereit.

Merde, schon waren seine Gedanken auf seine Mission gerichtete und wie er das Anwesen schützen konnte. Er brauchte dringend C4, Landminen, Stolperdraht und eine Bewaffnung für größere Reichweiten. Der Feind durfte nicht zu nahe rankommen. Er musste eine Liste machen mit den Dingen, die zu erledigen waren und mit Willingham, seinem Vize, reden…
 

Seras bemerkte, wie Pips Gedanken abschweiften. An einer Weiterführung des Gespräches war er anscheinend nicht mehr interessiert. Anderseits verstand sie auch, dass er von Sir Integra einen wichtigen Auftrag erhalten und für die Leitung und Planung verantwortlich war.

Sie musste nur Befehle befolgen.

Seras seufzte. Sie verstand, warum ihr der Platz bei den Wild Geese zugewiesen wurde. Solange Alucard bei Integra war, wurde sie dort nicht gebraucht.

//Ich muss die Dörfer um das Anwesen beobachten, damit keine herumlungernde Ghoule sich ungesehen über ihre Opfer hermachen können. Und die Strecke um das Anwesen muss ich auch kontrollieren. Außerdem muss ich mein Gewehr dringend reinigen. Nicht, dass es zu einer Ladehemmung kommt. Außerdem habe ich Durst. Und Hunger. Ob es in der Küche noch etwas Blutpudding gibt?//

„Mignotte? Seras?“ Pips Stimme holte sie aus ihren Gedankengang.

„Pardon?!“

„Ich habe dich gefragt, wann du morgen wach bist. Es gibt da ein paar Sachen, die ich mit die besprechen muss, was dein Waffenarsenal angeht.“

„Angesichts unserer Situation werde ich bestimmt nicht den ganzen Tag schlafen. Sobald die Sonne etwas tiefer steht…äh, 16 Uhr?“

„Pünktlich zur Tea Time, hm? Bon“ murmelte Pip nachdenklich. Und schon war er wieder geistesabwesend und starrte mit verschränkten Armen nach vorne.

Seras nutze den Moment, um die Mimik des Söldners zu beobachten. Die grüblerische Miene, das plötzlich aufzuckende Feixen und dann ein besorgtes Stirnrunzeln...

Seras konnte sich nicht erinnern, ob ihr als Mensch die verschiedenen Gesichtsausdrücke von anderen ebenfalls so stark aufgefallen waren.

Wer weiß, vielleicht würden normale Menschen sagen, dass Pip ein Pokergesicht besaß, weil ihnen diese kleinen Gefühlsregungen entgingen.

//Oh, ich sollte anfangen, Poker zu lernen. Wenn ich so gut im Beobachten von Menschen bin, bin ich im Poker spielen bestimmt super. Moment wie sieht es eigentlich mit meinem Pokerface aus? Ob mir jemand von den Jungs Poker beibringen kann? Haben wir dafür eigentlich noch Zeit?//

„Woran denkst du gerade, ma chere?“ fragte Pip belustigt. Er hatte die hübsche Blonde beim Starren erwischt. Seras sah zu ihm hoch und sagte das erste, was ihr einfiel „Kannst du Poker spielen?“

„Komischer Themenwechsel, aber ja, natürlich kann ich es.“

„Kannst du es mir auch beibringen oder werden wir dafür keine Zeit mehr haben?“

„Ich bin mir sicher, dass wir dafür noch genügend Zeit haben werden. Wieso?“

Seras zuckte mit den Schultern. „Nur so ein Gedanke. Ich würde es gerne lernen.“

//Ich werde die Frauen nie verstehen// dachte sich Pip.//Wie kommt man plötzlich auf so ein Thema? Ich habe gedacht, sie würde über die Nazis oder Waffen oder so denken.//

„Willst du um deinen Sold spielen, oder etwas anderes?“ fragte er.

„Wieso, welche Einsätze gibt es noch? Es wird doch immer um Geld gespielt, oder etwa nicht?“

„Hm, und Stripp-poker?“

Seras schweig, aber ihre mürrische Miene sagte genug.

„Also kein Stripp-Poker…schade“.

Ein weiterer böser Blick von seiner Begleiterin.

„Schon mal gedacht, dass am Ende du in Unterhosen stehen würdest?“

„Unwahrscheinlich. Ich glaube nicht an Anfängerglück.“

Pip zeigte wieder sein provokatives Grinsen. Es erinnerte Seras daran, wie er sie zum Schießen herausgefordert hatte und wieder überkam sie dieses irritierende Gefühl, ihm entgegenzutreten.

Alles zu tun, damit er aufhörte, sie so zu reizen. Und alles zu tun, das er niemals aufhören würde, sie so anzulächeln, mit diesem Funkeln im Auge und dem Spitzbubenlächeln.

Denn es fühlte sich aufregend an.

„Ach ja? Ich glaube, ich bin ein Naturtalent. Ich wette, ich habe den Dreh schnell raus und knöpfe dir deinen Sold und deine Kleidung ab. Und als erstes fange ich mit deinen albernen Hut an“ ging sie auf seine Provokation ein.

Pip ließ seinen Blick langsam über Seras Körper wandern und schenkte ihr dann ein träges Lächeln.

„Meinen Hut behalte ich. Und bevor die Nazis anfangen, uns anzugreifen, weiß ich, welche Farbe dein BH hat“ sagte er heiser und mit schweren französischer Akzent.

„Ha, träum weiter, Idiot“ widersprach Seras stockend und hoffte, dass ihr Kopf nicht so stark glühte. Daher wandte sie den Kopf ab von diesem durchdringenden Blick und schaute aus dem Fenster.

Sie hatte plötzlich das Gefühl, als würde ihr Herz wieder anfangen zu pochen und als könnte sie nicht atmen.

Pip´s Hände drückten stärker auf seine Oberarme. Auch er war ein guter Beobachter.

//Hoh, zuerst so draufgängerisch und dann wieder so schüchtern?! Mignotte, du weißt nicht, was für ein gefährliches Spiel du spielst. Und ich habe langsam nicht mehr die Geduld, fair zu spielen.//

Pip hatte sich noch nie Sorgen wegen seiner Wirkung auf Frauen machen müssen. Er war gut gebaut, hatte ein ansehnliches Gesicht, seine Augenklappe sorgte für Gesprächsstoff und sein französischer Akzent sorgte dafür, dass die Frauen begeistert mit ihm reden wollten.

Aber die Spannung zwischen ihm und Seras erinnerte ihn an Tauziehen.

Und das war einerseits sehr spannend, anderseits mussten sich beide momentan auf Wichtigeres konzentrieren. Und als ihr Vorgesetzter durfte er sich manche Sachen einfach nicht erlauben. Sonst würde er, ehe er sich versah, von Sir Integra kastriert werden. Vermutlich nicht persönlich, sie würde eines ihre Schoßhündchen (Walter oder Alucard) schicken, aber sie würde sich einmischen.

// Vielleicht sollte ich mir einfach ein hübsches, englisches Mädel im nächsten Pub anlachen und Dampf ablassen, dann ist die Stimmung zwischen uns entspannter// überlegte er.

Aber der Gedanke, mit einer anderen Frau zu schlafen erregte ihn nicht so sehr wie der Gedanke, mit Seras alleine Strip-Poker zu spielen.
 

Die beiden hingen für eine Weile stumm ihren Gedanken nach, als Seras in der Ferne das Anwesen sehen konnte. Außerdem zeigten sich die ersten Anzeichen des Sonnenaufgangs.

Die Wachen am ersten Tor standen parat und ließen erst nach einem Blick auf die Fahrgäste den Wagen durch. Der Chauffeur fuhr den Wagen dann zum Haupttor, wo Pip und Seras von weitern Mitgliedern der Wild Geese in Empfang genommen wurden.

„Bringt den Sarg in Seras Zimmer. Und wo ist Willingham? Ich muss meine Einkaufsliste mit ihm besprechen“ befahl Pip, kaum dass er raus stieg. „Und warum glotzt du mich so an?“

Sein Nachrichtenoffizier, ein stämmiger Mann mit blonden Haare und einer Schutzbrille auf den Kopf, sah fassungslos auf seine Kleidung.

„Äh, Captain Bernadotte, interessante Zivilkleidung. Ist das T-Shirt neu?“

Merde. Das hatte er auch vergessen. Er trug ja immer noch das bescheuerte Shirt.

„Sag Willingham, wir treffen uns auf meinem Zimmer. Und er soll Bier mitbringen. Allez!“
 

Seras schulterte Harkonnen und folgte Pip bis zur Empfangshalle.

Sie war so müde. Und so hungrig. Sie würde auf jeden Fall einen Abstecher zur Küche machen.

Was Pip anging… in dem Moment, als er aus dem Auto gestiegen war, war er wieder Captain Bernadotte, ihr Vorgesetzter geworden.

//Vergiss den Spaß oder das Geflirrte…das hat doch keinen Zweck. Du bist Soldat. Töte oder werde getötet. Darum geht es doch hier// dachte sie, als sie zusah, wie er Befehle an die umstehenden Männer gab, während er die Treppe zu den Quartieren hocheilte.

Plötzlich drehte der Söldner sich um und sah auf die unten stehende Vampirin.

„Mignotte“ rief er laut mit grimmigem Blick „ schwing deinen Arsch in deinen Sarg. Ich will dich morgen pünktlich in meinem Büro zur Team-Sitzung sehen.“

„Aye, aye, Captain“ rief Seras und hob kurz die Hand salutierend.

Yup, der Captain war zurück. Pip hatte bestimmt dasselbe gedacht wie sie. Sie waren einen Schritt zu weit gegangen und musste zurück rudern, solange es noch möglich war.

Sie waren nur Kameraden, mehr nicht. Seras machte sich auf den Weg, der zur Küche führte.

„Ach, Mignotte, kleine Warnung“ hörte sie plötzlich seine Stimme aus dem Flur. „Gib in den nächsten Tagen nicht dein Taschengeld für Süßigkeiten aus. Du wirst es noch brauchen.“

Da stand er plötzlich, sah sie wieder mit diesem feixenden Grinsen an, bevor er wieder zurück in die Dunkelheit verschwand. Ließ sie verdattert zurück, weil er immer das letzte Wort haben musste

Aber was soll‘s…das Leben war schon tragisch genug. Konnte sie da nicht auch ein wenig Spaß haben?

Mit einem Lächeln auf der Lippen ging Seras weiter.



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