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Fegefeuer

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo ihr Lieben!
Herzlich Willkommen zu Kapitel 6!

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Die Entscheidung

Fegefeuer
 

Kapitel 6: Die Entscheidung
 

Langsamen Schrittes lief Ren durch den düsteren Wald. Das Rascheln von Ästen und gelegentliche Heulen von Eulen nahm er kaum wahr. Er hatte keine Ahnung, wie lange er schon unterwegs war oder wie weit es wohl noch bis zum Dorf sein würde, doch eigentlich war es ihm auch egal. Er war so in seinen Gedanken versunken, dass er nicht einmal den kalten Wind, der ihm eine Dauer-Gänsehaut bescherte, bewusst wahrnahm.

Wie ein nicht enden wollendes Echo hallten die Worte Zekes immer und immer wieder durch seinen Kopf:
 

'Ich könnte dich hier und jetzt töten...Du bist mir hilflos ausgeliefert...Und du glaubst, dass du deine sogenannten Freunde vor mir beschützen könntest...?'
 

'Du passt nicht in diesen Schwarm lästiger, umher schwirrender Fliegen, Ren...Du passt viel besser zu mir...'
 

Das Krisentreffen von Yoh und seinen Freunden war auch in den frühen Morgenstunden noch in vollem Gange. Mittlerweile hatte sich Silver dazu gesellt, nachdem die jungen Schamanen diesen mittels ihrer Orakelpager kontaktiert hatten.
 

„Ich kann verstehen, dass Zeke versucht, Ren auf seine Seite zu ziehen...Das würde euch als Team erheblich schwächen...“, stellte Silver mit ernster Miene fest.

„Ja schon, aber Ren würde sich ihm niemals anschließen, das hat er Nichrom auch deutlich gesagt...Wieso hat er ihn also entführt?!“, fragte Run besorgt.

„Vielleicht glaubt er zu wissen, wie er Ren doch überzeugen kann, sich ihm anzuschließen...“, antwortete Faust nachdenklich.

„Aber das würde Ren niemals tun!“, schrie Run schon beinahe.

„Beruhige dich Run, das wissen wir doch...“, redete Joco auf die aufgebrachte Chinesin ein.

„Was auch immer Zeke bezwecken will, wir werden es verhindern; Er kann Ren überall hingebracht haben...“, sprach Yoh, während er sich sichtbar bemühte, seinen Zorn zu überspielen und richtete sich an Silver: „Kannst du nicht mit Goldva reden? Er hat alles, was in Doby Village passiert im Blick, er würde Ren bestimmt finden...“

„Ich kann deine Bitte verstehen, Yoh, aber das würde nichts bringen...“, antwortete Silver bedrückt.

„Aber wieso denn nicht?“, fragte Run verzweifelt.

„Weil wir Jurymitglieder uns nicht in das Turnier einmischen dürfen.“

„Aber einen Konkurrenten zu entführen muss doch auch gegen die Regeln verstoßen!“, rief Trey wütend.

„Ich fürchte nicht...Es gibt keine Regel, die das verbietet. In diesem Turnier wird der Sieger zum König der Schamanen gekrönt; wer sich nicht durchsetzen kann, sei es innerhalb oder außerhalb eines offiziellen Schamanenkampfes, der kann eben nicht der König der Schamanen werden...“, erklärte Silver.

Diese Aussage löste eine Welle des Unmuts unter den Freunden aus. Heftig schlug Ryu mit den Fäusten auf den Tisch und rief: „Soll das etwa heißen, dass Ren selbst Schuld an seiner Lage ist?!“

„Das wollte ich damit nicht sagen...Ich wollte euch nur erklären, warum es bei diesem Turnier ganz bewusst nur sehr wenige Regeln gibt...Ich sage ja nicht, dass ich es gut finde, was Zeke tut, und ich würde euch und Ren wirklich gerne helfen, doch von offizieller Seite können wir als Schiedsrichter da leider nichts machen...“, stellte Silver klar.

„Das gibt’s doch nicht...“, seufzte Manta.

„Was sollen wir nur tun?“, fragte Run und schlug verzweifelt die Hände vor ihr Gesicht, woraufhin Pei Long ihr tröstend eine Hand auf die Schulter legte. „Mach dir keine Sorgen, Run...Wir werden deinen Bruder finden, ganz sicher...“
 

„Wir werden nach Ren suchen, das tun wir; die Geister können das Dorf und seine Umgebung viel schneller abklappern als wir...wir teilen uns auf und suchen jeden Winkel ab, bis wir ihn gefunden und gerettet haben!“, sagte Yoh entschlossen, was alle Übrigen durch Nicken bestätigten.

„Meine Geister werden euch dabei helfen, die kennen Doby Village wie ihre Westentasche“, versicherte Silver ebenso entschlossen.

„Vielen Dank, Silver...“
 

Trotz ihres Schlafmangels waren die Schamanen hochmotiviert. Sie standen auf um sich auf die Suche nach ihrem Freund zu machen, als Tokageru, der die ganze Zeit über vor dem Fenster schwebte und hinaus starrte, plötzlich rief: „Ähm, wartet mal, Leute...“

Fragend blickte die Truppe den Geist an.

„Was ist denn, mein grüner Freund? Wir haben keine Zeit zu verlieren, wir müssen nach Ren suchen...“, kommentierte Ryu.

„Naja, das wird nicht nötig sein...“, entgegnete Tokageru entspannt.

„Wie meinst du das?“, fragte die halbe Gruppe synchron, woraufhin Tokageru mit seinem Finger aus dem Fenster zeigte und antwortete: „Da ist Ren.“
 

„Hä?! Was soll das denn hei-“, wurde Yoh von der sich plötzlich öffnenden Haustür unterbrochen. Ungläubig starrten alle die Tür an, durch die tatsächlich Ren in das Haus eintrat.

„REN?!“, riefen sie gleichzeitig, als ob sie sich vergewissern wollten, dass ihr Freund wirklich hier war, und sie sich ihn nicht nur einbildeten. Doch das taten sie nicht. Ren war tatsächlich da. Mit deutlich langsameren Bewegungen als gewöhnlich trat er ein und schloss die Tür hinter sich. Sein Kopf war gesenkt, als wollte er den Blickkontakt mit seinen Freunden vermeiden. Trotzdem war deutlich zu sehen wie blass der Chinese war. Augenblicklich lief Run auf ihn zu und schloss ihren kleinen Bruder fest in ihre Arme.

„Ren! Ich bin ja so froh! Ich habe mir solche Sorgen gemacht!“, sprach sie mit Tränen der Erleichterung in den Augen, bevor sie die Umarmung löste, ihre Handflächen an seine Wangen legte und erschrocken feststellte: „Ren! Du bist ja eiskalt! Deine Lippen sind schon blau!“

Tatsächlich hatte Rens Haut gefühlt die Temperatur eines Eiszapfens. Eine Gänsehaut zog sich über seinen gesamten Körper und er zitterte stark.

„Ich bin ein paar Stunden gelaufen, der Wind war kalt...“, antwortete Ren nur leise und monoton.
 

„Ren! Bist du verletzt?!“

„Hat Zeke dir etwas getan?!“

„Habt ihr gekämpft?!“

„Wie bist du entkommen?!“, prasselten die Fragen der Schamanen alle gleichzeitig auf Ren ein. Doch Ren antwortete nicht. Erst jetzt spürte er, wie erschöpft er eigentlich war. Starke Kopf- und Gliederschmerzen, Schwindel und leichte Übelkeit nahm er plötzlich wahr. Die Stimmen seiner aufgebrachten Freunde und seiner Schwester wurden immer leiser und wichen Stück für Stück einem unangenehmen Rauschen in seinen Ohren.
 

„Hey, Ren! Geht's dir gut?“, fragte Joco, sich über Rens Schweigen wundernd.

„Was ist das für eine Frage? Natürlich geht es ihm nicht gut, du Genie!“, erwiderte Ryu genervt.
 

„Ren?! Ren!“, schrie Run laut, als ihr kleiner Bruder plötzlich zusammensackte und in ihre Arme fiel. „Er ist ohnmächtig! Faust!“
 

Sofort kniete sich Faust neben die beiden Geschwister und begutachtete Ren. Er fühlte den Puls den Chinesen und prüfte dessen Atmung.

„Er ist völlig erschöpft, unterkühlt und dehydriert, wir müssen ihn aufwärmen. Eliza, bitte lass schnell ein heißes Bad ein!“

Eliza nickte und machte sich sofort auf in das angrenzende Badezimmer.
 

Fürsorglich streichelte Run durch das Haar ihres bewusstlosen Bruders.

Auch Yoh hatte sich neben Run auf den Boden gekniet und blickte seinen ohnmächtigen Freund besorgt an. Was war mit ihm passiert? Er sah nicht aus, als wäre er verletzt, abgesehen von seiner Unterkühlung und Dehydrierung zumindest. Am liebsten hätte Yoh Ren in seine Arme geschlossen, doch natürlich tat er dies nicht. Doch Sorge war nicht das Einzige, was Yoh momentan empfand. Auch Wut drohte ihn mehr und mehr zu überwältigen. Was hatte Zeke ihm nur angetan? Auch wenn Ren offenbar nicht verletzt war, so wirkte er doch ziemlich verstört. Yoh konnte im Moment nicht einschätzen, was wohl zwischen Ren und Zeke passiert sein konnte. Er konnte sich auch keinen Reim darauf machen, wieso Ren wieder hier war, auch wenn er natürlich froh und erleichtert darüber war. Doch wie war Ren entkommen?

'Ich glaube nicht, dass sie miteinander gekämpft haben...Selbst wenn Ren ihn besiegt hätte, wäre er sicher nicht völlig unversehrt...Dass er entkommen ist, ohne dass Zeke es gemerkt hat, kann ich mir auch nicht vorstellen, dafür ist Zeke zu clever...Dann bliebe eigentlich nur noch die Möglichkeit, dass Zeke ihn tatsächlich hat gehen lassen...Aber wieso? Wieso sollte er Ren aus heiterem Himmel entführen, um ihn dann nach ein paar Stunden wieder frei zu lassen? Das ergibt doch keinen Sinn...'
 

„Okay, bringen wir ihn schnell in die Badewanne!“, wurden Yohs Gedanken von Faust unterbrochen. Gerade als Ryu den Bewusstlosen auf seine Arme heben wollte, hielt Yoh diesen zurück: „Warte Ryu, ich mache das.“ Der Biker machte zwar ein verwundertes Gesicht, nickte jedoch. Vorsichtig schlang Yoh seinen linken Arm um den Oberkörper Rens, legte seinen rechten Arm unter dessen Kniekehlen und hob ihn mit einem Ruck hoch. Für eine Sekunde erinnerte er sich, wie so oft in den letzten Stunden, an das Bild, wie Zeke seinen Freund genauso auf den Armen trug, wie er selbst es jetzt tat. Er hasste dieses Bild. Schnell schüttelte er einen Kopf ein paar Mal hin und her, als könnte er den verhassten Anblick, wie Zeke seinen Ren anfasste, auf diese Weise aus seinen Gedanken verbannen.

Er trug Ren in das Badezimmer, in dem die Badewanne mittlerweile etwa zur Hälfte mit heißem, dampfendem Wasser gefüllt war. Während Yoh Ren vorsichtig auf dem Rand der Wanne absetzte und stützte, zog Faust dessen Hose und Hemd aus. Nur noch mit seiner Unterhose bekleidet wurde Ren von den beiden Schamanen behutsam in das heiße Wasser gelegt. Erst als sein Körper bis zum Hals mit Wasser bedeckt war, schaltete Faust den Wasserhahn aus.

„Er bleibt jetzt erst einmal eine Weile in der Wanne liegen, bis sich sein Körper wieder richtig aufgewärmt hat“, sagte Faust und setzte sich auf den kleinen Hocker, der neben der Dusche stand. „Du kannst ruhig gehen, Yoh, ich sage euch Bescheid, wenn es etwas Neues gibt“, fügte er hinzu und sah dabei auch Run an, die im Türrahmen des Badezimmers stand und ihren kleinen Bruder nach wie vor besorgt anschaute.

„Ist schon gut, Faust. Ich werde bei ihm bleiben...Gibt es etwas, worauf ich achten muss?“, erwiderte Yoh, ohne seinen Blick von Ren abzuwenden.

Faust schwieg einige Sekunden, antwortete dann aber: „In Ordnung; wenn die bläuliche Färbung auf seinen Lippen verschwunden ist und seine Wangen rot werden, ruf mich bitte. Oder wenn er aufwacht, natürlich...“

Yoh nickte verstehend und richtete seinen Blick auf Run.

„Keine Sorge, ich werde auf ihn aufpassen...“
 

Die Chinesin zögerte zwar kurz, nickte dann aber ebenfalls. „Okay“, sagte sie und verließ gemeinsam mit Faust das Badezimmer. Nachdem sie die Tür hinter sich geschlossen hatten, holte Yoh sich den kleinen Hocker, stellte ihn neben die Badewanne und setzte sich darauf. Er tauchte seine rechte Hand in das warme Wasser, griff nach Rens Hand und verhakte seine Finger mit den Seinen. Mit seiner linken Hand streichelte er ein paar Mal durch das leicht feuchte Haar seines Freundes, bevor er mit seinem Daumen sachte über das Pflaster an dessen Schläfe fuhr.

Eine ganze Weile verging und Yoh beobachtete mit Erleichterung, dass sich sowohl Rens Gesichts- als auch Lippenfarbe mehr und mehr normalisierte. Trotzdem quälten ihn Schuldgefühle. Wenn er beim Training besser aufgepasst hätte, wäre Ren vielleicht nicht von Zeke entführt worden. Er senkte seinen Kopf hinab und küsste Ren zärtlich auf die Stirn, bevor er seine eigene Stirn auf seiner ablegte.

„Du musst dich nicht schuldig fühlen, Yoh. Es war keine Absicht, und niemand von uns konnte damit rechnen, dass Zeke plötzlich auftauchen würde...“, versuchte Amidamaru seinen Schamanen zu trösten.
 

„Er hat recht...“, hörte Yoh auf einmal die leise Stimme Rens. Erschrocken hob er seinen Kopf ein Stück an und schaute in das Gesicht seines Freundes, dessen Augen sich langsam öffneten.

„Ren! Ich bin so froh! Wie fühlst du dich?“, fragte er hastig und legte seine Hände an die mittlerweile aufgewärmten Wangen des Chinesen. Dieser ließ seinen Blick einmal durch das Zimmer schweifen, bevor er seine müden Augen wieder schloss und fragte: „Wieso bin ich im Bad?“

„Du warst unterkühlt und bist ohnmächtig geworden...Ist das Wasser zu heiß? Oder zu kalt? Soll ich Faust hol-“

„Nein...Ist gut so...“, unterbrach Ren mit leiser und etwas heiser Stimme. Er musste sich Mühe geben, sich nicht anmerken zu lassen, wie peinlich es ihm war, vor seinen Freunden umgekippt zu sein. Zuerst wurde er beim Training von Yoh besiegt, und jetzt war er auch noch vor den Augen aller zusammengebrochen? Was für eine Schande für einen Kämpfer.

Yoh holte Rens Zahnputzbecher aus dem Schrank, spülte diesen kurz aus, füllte ihn mit Wasser und hielt Ren den Becher an die Lippen.

„Du bist dehydriert, trink das.“

Ohne Widerspruch öffnete Ren seine Lippen und leerte den Becher in einem Zug.

„Willst du noch mehr?“, fragte Yoh, bereit sofort wieder aufzuspringen und den Becher erneut zu füllen, doch Ren schüttelte den Kopf. Er schloss seine Augen und legte seinen Kopf wieder ab.
 

Obwohl das Wasser schön heiß und angenehm auf seiner Haut war, fror er innerlich immer noch ein wenig. Er fühlte sich schwach und erschöpft, trotzdem zwang er sich seine müden Augen erneut zu öffnen und in die besorgten und traurigen Augen Yohs zu schauen.

„Sie mich nicht so mitleidig an, ich hasse es...“, flüsterte er gereizt und wollte seinen Blick von dem des Brünetten abwenden, was dieser jedoch nicht zuließ. Mit beiden Händen hielt er Rens Wangen fest und zwang diesen, ihm ihn die Augen zu sehen.

„Sag mir, was passiert ist, Ren“, sagte Yoh leise. Seine Mimik war in diesem Augenblick schwer zu deuten, Ren hätte sie als Mischung aus Sorge und Wut beschrieben.

„Nichts ist passiert“, erwiderte Ren und schaute Yoh in die Augen.

„Und das soll ich dir glauben?“

Ren wurde wütend. Yoh hatte doch wohl verstanden, dass er nicht darüber reden wollte, konnte er ihn also nicht einfach in Ruhe lassen?

„Die Einzige Verletzung an meinem Körper stammt von DIR“, fauchte Ren den Brünetten an, woraufhin dieser erst kurz geschockt inne hielt, dann schuldbewusst seinen Blick senkte und flüsterte: „Es...tut mir Leid...“

Rens Brust zog sich ein wenig zusammen bei diesem Anblick. Das hätte er besser nicht sagen sollen. Doch er konnte es nun auch nicht mehr rückgängig machen. Für einige Sekunden herrschte Stille zwischen den beiden, bevor Yoh seinen Blick wieder hob und Ren erneut in die Augen blickte.

„Bitte erzähl mir, was passiert ist. Wieso hat Zeke dich entführt? Und wie bist du entkommen?“, versuchte Yoh es erneut. Er wollte auf keinen Fall locker lassen. Er musste wissen, was zwischen Ren und Zeke vorgefallen war. Seine Handflächen lagen nach wie vor an Rens Wangen. Hauchzart streichelte er mit seinen Daumen einmal darüber. „Erzähl es mir, Ren“, bat er den Chinesen mit sanfter Stimme, senkte seinen Kopf hinab und umschloss dessen Lippen zärtlich mit den Seinen. Yoh schloss seine Augen und leckte mit leichtem Druck über die geschlossenen Lippen Rens, als er plötzlich dessen Warme Hände auf seiner Brust spürte. Mit einem kräftigen Ruck schubste Ren den Anderen von sich weg und keifte: „Lass das!“
 

Doch noch im selben Moment riss Ren erschrocken die Augen auf, denn er hatte Yoh so überrascht, dass dieser das Gleichgewicht verloren hatte und mit dem Hintern auf dem Fliesenboden gelandet war. Das hatte Ren nicht beabsichtigt.

„Au...“, jammerte Yoh und rieb mit seiner linken Hand sein schmerzendes Hinterteil.

„Ähm, en-entschuldige...“, stammelte Ren und wand seinen Blick von dem Brünetten ab.

„Was hast du de-“, setzte Yoh an, unterbrach sich jedoch selbst. Weil Ren seinen Blick abgewandt hielt, konnte er nicht sehen, wie Yoh schlagartig leichenblass im Gesicht wurde. Eine Mimik des puren Horrors zeichnete sein Gesicht, denn auf einmal fuhr ein grauenhafter Verdacht durch seinen Kopf. Blitzschnell stand er wieder auf den Beinen und griff Rens Schultern. Dieser war völlig perplex und ein wenig erschrocken von der plötzlichen Aggression, die von seinem Freund ausging. War Yoh wirklich so wütend, weil er ihn weg geschubst hatte? So kannte er Yoh gar nicht, das machte ihn nervös. „Was...Was ist-“

„Ren...“, unterbrach Yoh mit lauter Stimme. „Zeke...Hat...Hat er dich etwa...angefasst?!“

Für ein paar Sekunden starrte Ren den Anderen nur verwirrt an, bevor er verstand, worauf dieser hinaus wollte.

„Natürlich nicht! Wie kommst du denn darauf?!“, wies er Yohs Verdacht energisch zurück.

„Wirklich nicht?“, hakte Yoh nach.

„Wirklich nicht.“
 

Es vergingen erneut einige Sekunden der Stille, bevor Yoh mit trauriger Stimme fragte: „Und wieso hast du mich dann weg geschubst?“

Mit einem lauten Seufzer antwortete Ren: „Ich habe einen harten Tag hinter mir und bin erschöpft; mir ist jetzt einfach nicht danach, okay?“

„Okay...“, erwiderte Yoh leise und stand auf. „Ich werde Faust holen, damit er dich untersuchen kann.“ Damit verließ er geknickt das Badezimmer. Ren sagte nichts dazu. Er schloss seine Augen, legte seinen Kopf wieder ab und wollte versuchen ein wenig das heiße Wasser auf seiner Haut zu genießen, als plötzlich die Stimme seines Schutzgeistes in sein Ohr drang:

„Meister Ren...“

Ren öffnete die Augen und blickte zur Seite, wo Bason vor der Badewanne mit gesenktem Kopf auf dem Boden kniete.

„Ich habe als Schutzgeist versagt...Ich habe es nicht geschafft, dich zu beschützen...Es tut mir so Leid, Meister Ren...Bitte verzeih mir...“

Basons zittriger Stimme war zu entnehmen, wie schwer der Vorfall auf dessen Gewissen lastete. Ren hob seinen rechten Arm aus dem Wasser und legte seine Hand auf die Schulter seines Gefährten. „Es ist alles in Ordnung, Bason...Du musst dich nicht entschuldigen...Du hättest nichts dagegen tun können...“

Der Geist öffnete zunächst seine Lippen um zu widersprechen, entschied sich dann aber dagegen.

„Ich...bin froh, dass es dir gut geht, Meister Ren...“
 

„Hallo Ren, wie fühlst du dich?“, fragte Faust, der gerade in das Badezimmer eintrat.

„Ich bin müde, habe Kopfschmerzen und mir ist ein bisschen übel“, antwortete Ren ohne seine Augen zu öffnen.

„Die Übelkeit kommt von der Dehydrierung; ich habe dir eine Flasche Wasser mitgebracht, trink sie so schnell wie möglich aus, du brauchst Flüssigkeit“, erwiderte der Arzt und setzte sich auf den Hocker neben der Badewanne. „Lass mich deine Kopfwunde ansehen.“
 

Während Faust Ren im Bad verarztete saßen die übrigen Schamanen im Wohnzimmer.

„Hat er dir gesagt, was passiert ist, Yoh?“, fragte Run neugierig, woraufhin dieser den Kopf schüttelte. „Nein, er wollte mir nichts erzählen.“

„Zeke hätte ihn wohl kaum einfach entkommen lassen, was bedeutet, dass er Ren vermutlich wieder frei gelassen hat“, schlussfolgerte Anna und trank seelenruhig von ihrem Tee.

„Ja, das habe ich mir auch schon gedacht“, pflichtete Yoh ihr bei.

„Aber wieso sollte er das tun?“, fragte Trey verwirrt.

„Das frage ich mich auch...Zuerst dachte ich, dass Zeke uns vielleicht schwächen will, indem er Ren gefangen hält, um uns ruhig zu stellen oder erpressen zu können...Und nachdem Run die Geschichte mit Nichrom erzählt hat, dachte ich, es ginge vielleicht darum, Ren auf seine Seite zu ziehen...Aber wenn Ren abgelehnt hat, hätte Zeke ihn doch erst recht nicht gehen lassen...“, erwiderte Yoh nachdenklich.

„Stimmt...Ich werde aus diesem Zeke einfach nicht schlau...“, sagte Ryu und trank seine Dose Bier mit einem Zug aus.

„Naja, wie auch immer...Die Hauptsache ist doch, dass Ren wieder da und unversehrt ist...“, versuchte Joco die Stimmung etwas aufzulockern.

„Stimmt schon, aber trotzde-“, wurde Yoh von der sich öffnenden Badezimmertür unterbrochen. Nur mit einem Handtuch um die Hüften bekleidet trat Ren in das Wohnzimmer ein, gefolgt von Faust.

„Wie geht es dir, Ren?“, wollte Run wissen.

„Mir geht’s gut“, antwortete dieser knapp und verschwand umgehend im Schlafzimmer, ohne seine Schwester oder seine Freunde auch nur einmal anzusehen.

„Keine Sorge, er muss sich nur etwas ausruhen“, sagte Faust lächelnd und setzte sich neben Yoh an den Tisch, als plötzlich das nur allzu bekannte Piepen der Orakelpager erklang. Sofort schauten alle Kämpfer auf ihre Pager.

„Wir haben einen Kampf; morgen Mittag im Kolosseum“, stellte Trey fest, was Joco durch ein Nicken bestätigte.

„Oh nein...Ren kann doch nicht morgen schon wieder kämpfen!“, rief Run besorgt.

„Ach, keine Sorge, Run; die machen Trey und ich auch allein platt!“, versicherte Joco überzeugt.

„Genau, Ren soll sich erst mal erholen, den nächsten Kampf übernimmt er dann!“

„Ja, das ist eine gute Idee“, stimmte Yoh zu, und auch Run nickte erleichtert.

„Wir sollten dann jetzt auch schlafen gehen, wenigstens ein paar Stunden; es ist schon nach sechs“, schlug Ryu vor, womit alle übrigen einverstanden waren. Ren war hier und unverletzt, das war für den Moment die Hauptsache.
 

Als Ren etwa dreißig Minuten später davon überzeugt war, dass seine beiden Teamkameraden tief und fest schliefen, stieg er leise aus dem Bett, holte sich Kleidung aus der Kommode und ging ins Bad. Schnell zog er sich an und kämmte sein Haar, bevor er das Haus verließ und durch die leeren Straßen Doby Villages lief.

„Meister Ren, willst du dich nicht lieber ein wenig ausruhen?“, fragte Bason mit besorgter Stimme.

„Mir geht’s gut, keine Sorge“, antwortete Ren nur, offenbar in seinen Gedanken versunken.

„Wo gehen wir denn hin, Meister Ren?“, fragte der Geist vorsichtig, bekam jedoch keine Antwort.

Doch als sie sich mehr und mehr auf den Fuße eines hohen Felsens bewegten, hatte Bason langsam eine Ahnung, wo sein Meister hin wollte.

Schon von weitem war der Eingang zu einer Höhle erkennbar, die sich in der riesigen Felswand befand. Vor der Höhle standen drei Schiedsrichter, die augenscheinlich als Wachen fungierten.

Ren trat vor diese und forderte: „Lasst mich zu Goldva.“

Offensichtlich irritiert über den Befehlston des jungen Schamanen zogen die drei Wachen je eine Augenbraue hoch.

„Das geht nicht, er ist beschäftigt; wir können ihm aber eine Nachricht überbringen, wenn du-“

„-Nein!“, unterbrach Ren energisch. „Sagt ihm, dass Ren Tao sofort mit ihm sprechen muss.“

Für einige Sekunden schwiegen die drei Schiedsrichter, bevor einer von ihnen ohne ein weiteres Wort in der Höhle verschwand. Nicht einmal eine Minute später kam er wieder heraus und deutete Ren einzutreten. Ebenfalls schweigend tat er dies und lief einen langen, kaum beleuchteten Gang entlang, der geradewegs in einen großen Raum führte. Vor mehreren Bildschirmen saß Goldva, Ren den Rücken zugewandt. Ohne ein Wort der Begrüßung setzte der Chinese sich auf einen Sessel, und schlug seine Beine übereinander.

„Du wolltest mit mir reden, Ren?“, durchbrach Goldva die Stille, ohne seinen Blick von den Bildschirmen abzuwenden.
 

„Ich werde es tun“, erwiderte Ren mit ruhiger, beinahe unbeteiligter Stimme, woraufhin Bason überrascht zusammenzuckte und seinen Schamanen fragend anblickte. Auch Goldva drehte seinen Kopf ruckartig zur Seite und schaute Ren mit ernster Mimik an.

„Tatsächlich?“, fragte er ungläubig.

Ren nickte.
 

„Ich werde mich Zeke anschließen...“


Nachwort zu diesem Kapitel:
Oh nein 0o

Das war Kapitel 6 und ich hoffe sehr, dass es euch gefallen hat!

Glaubt ihr, dass Ren das ernst meint? Und wenn ja, könnt ihr euch seinen Sinneswandel erklären? Ich bin neugierig und würde mich sehr freuen, wenn ihr mir eure Antwort/ Theorien etc. in einem Kommentar mitteilen würdet! :)

Vielen Dank fürs Lesen und hoffentlich bis zum nächsten Mal!

GlG
Eure LadyKaiba Komplett anzeigen

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