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All Hellows Eve

Ein zu perfektes Opfer
von

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Eine harmlose Tasse Tee

Mal kurz zwischendurch - ich kenne, wie gesagt, nur die beiden Anime Staffeln von DL. Die Spiele kenne ich leider überhaupt noch nicht und dementsprechend richtet die Darstellung meiner Charas sich vorrangig nach dem Anime. Natürlich fliessen ab und zu auch Charakterzüge aus den Spielen mit ein, wenn ich neues Hintergrundwissen erlange. Wen das also nicht stört, der ist hier genau richtig. Viel Spaß mit Kapile 9. :)
 

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Als Hikari die Augen aufschlug erinnerte sie sich zuerst an gar nichts. Es war, wie jedes normale Erwachen nach dem Schlaf. Sehr schnell jedoch schlich ihr in den Kopf, dass sie gar nicht wirklich geschlafen hatte. Zuletzt war Ayato hier bei ihr gewesen, nachdem sie so gerade eben noch Kanato entkommen war.

"Also war ich schon wieder ohnmächtig", murmelte sie und setzte sich langsam auf.

Sofort verspürte sie einen leichten Kopfschmerz, der aber kaum der Rede wert war.

Ihre Hand schmerzte wesentlich mehr. Es war ein unangenehmes Pochen und Reißen. Die verbrannte Haut hatte sich bereits von ihrem Fleisch geschält - wahrscheinlich als Ayato sie ins Bett gedrückt und ihr Blut getrunken hatte - und ein feuchter, klebriger Film bedeckte die große Wunde. Deutlich sah man auch die beiden Löcher, welche Kanato´s Zähne hinterlassen hatten, mitten in dieser Brandwunde. Dort heilten sie offenbar nicht so schnell, wie auf gesunder Haut und bereiteten Hikari sogar noch zusätzliche Schmerzen.

Umständlich kroch sie aus dem Bett und blieb auf der Kante sitzen. Sie mußte die Verbrennung irgendwie versorgen, denn die Wunde war jetzt bereits schon leicht entzündet. Nur wie sollte sie das anstellen? Auf keinen Fall wollte sie zu Reiji gehen und diesen um Hilfe bitten. Sie erinnerte sich nicht daran, im Bad einen Erstehilfe Kasten gesehen zu haben, entschied sich aber dazu, diesen Umstand nochmals zu überprüfen. Vielleicht hatte sie Glück und es gab doch einen.

Sie verließ ihr Zimmer und schlich ins gegenüber liegende Badezimmer. Zuerst versicherte sie sich, dass der Raum auch wirklich leer war und nicht wieder Shu in der Badewanne lag oder irgendeiner der anderen sich hier irgendwie herum trieb. Zu ihrer Erleichterung war wirklich niemand hier und so sah sie sich genau um. Einen Erstehilfkasten gab es jedoch tatsächlich nicht. Dieser Umstand stellte Hikari vor ein wirkliches Problem. Sie musste ihre Wunde in jedem Fall versorgen, denn sonst würde die Entzündung schlimmer werden, sich ausbreiten und irgendwann sogar wirklich gefährlich werden. Da sie schlecht das ganze Haus auf den Kopf stellen konnte auf der Suche nach Medizin und Verbandszeug, würde sie einen der Brüder fragen müssen. Diese Vorstellung gefiel ihr so absolut gar nicht, denn es würde wohl auf Reiji hinaus laufen und mit ihm wollte Hikari nur noch so wenig Konfrontation wie nur irgendwie möglich. Je mehr Abstand sie zu ihm hatte, umso weniger konnte ihr Blut ihn verlocken und je seltener er davon trank, desto geringer die Wahrscheinlichkeit, dass er sie irgendwann einfach nur besitzen wollte. Von Ayato als sein Eigentum angesehen zu werden brachte schon mehr als genug Schwierigkeiten, Angst und Schmerz. Sie brauchte keinen weiteren Vampir, der ernsthafte Besitzansprüche auf sie stellte. Zumal dieser Stalkie Raito sie eh bereits auch längst als sein Eigentum ansah - wenn er dies auch nicht ganz so klar aussprach wie sein Bruder und darum wesentlich weniges Aufsehen machte.

Ein schweres Seuzfen kam über ihre Lippen. Sie hatte keine Wahl. Nicht nur, dass die Wunde wirklich nicht gut aussah, sie bereitete auch ernsthafte Schmerzen und so setzte sie sich schließlich langsam in Bewegung. Sie verließ das Bad und schritt durch die, dezent beleuchteten, Korridore des riesigen Anwesens und ihre, beinahe zaghaften, Schritte brachten sie immer näher zu dem Vampir, der zwar wie ein perfekter Gentlemen erschien, in dem aber der gefährlichste Dämon aller Vampirbrüder lauerte.

Als sie sein Zimmer erreicht hatte holte sie nochmals tief Luft und hob langsam den Arm. Gleich würden ihre Fingerknöchel gegen das edle Holz klopfen und Reiji verraten, dass sie hier stand und zu ihm wollte. Das sie freiwillig sein Zimmer betrat und zu ihm kam, um ihn um etwas zu bitten, seine Hilfe zu wollen...

Je länger sie darüber nachdachte, desto weniger gefiel ihr die Situation. Im Grunde begab sie sich direkt in die Höhle des Löwen. Keiner der Vampire hatte je etwas für sie getan, ohne dadür eine Gegenleistung zu erwarten oder sich diese einfach zu nehmen. Würde Reiji ihr also einfach so behilflich sein, ihre Wunde versorgen und sie dann wieder unbehellig gehen lassen? Das würde er ganz sicher nicht.

"Wenn nur Mr. Hyde nicht wäre...", murmelte sie vor sich hin.

Dr. Jekyll war wirklich beinahe ein angenehmer Zeitgenosse, gegen diesen. Ein 'gut gelaunter' Reiji - sofern es diesen überhaupt gab - gab sich rundherum beinahe anständig, war sehr diszipliniert und kontrolliert. Selbst seinen Blutdurst konnte er scheinbar sehr viel besser kontrollieren, als jeder seiner Brüder. Selbst der träge Shu hatte sich recht schnell ihres Blutes bedient, bei erstbester Gelegenheit. Reiji hingegen hatte keines ihrer Aufeinandertreffen genutzt oder ihr irgendwo aufgelauert, wie alle anderen es getan hatten und leider auch immernoch taten. Er hatte sich von ihr fern gehalten und war einfach zu ihr ins Zimmer gekommen, als es ihn letztendlich nach ihrem Blut verlangte. Keine dummen Spielchen wie bei Ayato oder Raito, kein wie zufällig ganz unschuldig auftauchen und dann doch blitzschnell zubeißen, wie Shu oder Subaru und auch kein psychopathischer Irrer, mit dem wirklich jede Begegnung tödlich enden konnte. 'Dr. Jekyll unterschied sich deutlich von seinen Brüdern und wenn man mit einen von ihnen durchaus auch ein Gespräch ohne jedwede, böse Folge führen konnte, dann mit ihm. Das Schlimmste an dem gesitteten und beherrschten Reiji war seine abfällige Art zu reden und mit jedem seiner Worte deutlich zu machen, für wie wertlos er sein Gegenüber empfand. Damit konnte man allerdings noch irgendwie umgehen oder einfach drüber stehen. Das gefährliche an Reiji war, dass Mr. Hyde es perfekt beherrschte, Dr. Jekyll zu imitieren und sich seinem Opfer immer erst dann erkennen zu geben, wenn es für jede Flucht zu spät war.

Der pochende Schmerz ihrer Hand brachte ihre Gedanken zum erliegen. Es wurde schlimmer. Ob sie es nun wollte oder nicht - sie hatte keine andere Wahl, als Reiji um Hilfe zu bitten. Nachdem sie noch einmal tief durchgeatmet und sich innerlich Mut zugesprochen hatte, klopfte sie schließlich zaghaft gegen die Tür. Unterbewusst war ihr klar, dass sie absichtlich nur ganz sachte geklopft hatte, weil sie hoffte Reiji würde es überhören und sie müsste sich nicht in sein Zimmer begeben. Genauso klar jedoch war ihr, wie dumm dieser Versuch ihm auszuweichen war. Sie brauchte Hilfe und außer Reiji fiel ihr gerade mal noch Shu ein, an welchen sie sich mit ihrem Problem vielleicht noch wenden konnte. Dieser aber hatte ihr deutlich gesagt, dass sie sich von ihm fern halten sollte.

Noch bevor sie sich resignierend eingestehen konnte, dass sie würde nochmals klopfen müssen, wurde die Tür plötzlich geöffnet und Hikari entwich ein kurzer Aufschrei. Stocksteif stand sie da und starrte in die magentafarbenen Pupillen des zweitältesten Bruders. Sein Gesicht wirkte, wie immer, total emotionslos und seine erschreckend schönen Augen durchbohrten sie förmlich.

"Du lungerst jetzt bereits seit zehn Minuten vor meiner Tür herum", murrte er gefährlich und Hikari versteifte sich direkt etwas mehr,

"Was willst du?"

»Verdammt, Mr. Hyde«, schoss es ihr durch sämtliche Glieder.

Oder doch Dr. Jekyll? Freundlich war Reiji ja nie. Ob sie ihn gestört hatte? Wer wusste schon, was er in seinem Zimmer für finstere Geheimnisse verborgen hielt?

Reiji´s entnervtes Seufzen unterbrach ihre Gedanke.

Als er wieder an seiner Brille herum rückte fragte Hikari sich, warum er das ständig tat. Das Ding ruhte absolut perfekt auf seiner perfekten Nase, betonte seine perfekten Augen und...

Ein Schauer fuhr durch ihren Körper, schüttelte sie leicht und löste ihre Starre. Was verflucht dachte sie denn da? Sie stand direkt vor Reiji, der sie finster wie immer anblickte, eindeutig nicht erfreut war, sie vor seiner Tür zu finden und ihr in seiner ganzen Erscheinung nur ein einziges Gefühl vermittelte - ihm hilflos ausgeliefert zu sein! Und hatte nichts besseres zu tun, als in seinen Augen zu versiken, wie ein liebestoller Teenager.

Irgendetwas stimmte ganz gewaltig nicht mit ihr. Sie hätte vor Angst Sterben, vor Schmerz Schreien und vor Verzweiflung hemmungslos Heulen können, doch stattdessen starrte sie ihn an und stellte einfach nur fest, wie makellos perfekt er war.

"Würdest du mir jetzt endlich erklären, was du von mir willst?" wurde der Vampir sichtlich ungehaltener,

"Jeder in diesem Hause weiß, dass man mich nicht stören darf, wenn ich mich in mein Zimmer zurück ziehe. Was also denkst du dir dabei, hier einfach aufzutauchen und mir dann nicht einmal zu antworten? Hast du wirklich gar kein Benehmen?"

Das war eindeutig nicht Mr. Hyde gewesen, war Hikari sich nun sicher. Das war Dr. Jekyll, also die ungefährlichere Ausgabe von Reiji und bevor er noch ungeduldiger - und damit wieder zu Mr. Hyde werden konnte, nahm Hikari all ihren Mut zusammen und hielt ihm seine Hand unter die Nase.

"Ich habe mich verbrannt, als ich Plätzchen gebacken habe", erklärte sie ihm,

"Kannst du irgendetwas tun?"

Reiji zog die Augenbrauen hoch und griff nach ihren Fingern.

Er besah sich die Wunde genau, drehte ihre Hand in sämtliche Richtungen und verharrte schließlich regungslos. Nur seine Augen richteten sich auf sie, als versuche er, ihre Gedanken zu lesen. Unter diesem Blick schüttelte sie sich erneut leicht. Keine schöne Vorstellung.

"Das war Kanato", jagte seine lauernde Stimme ihr einen Schauer den Rücken hinunter,

"Du hast ihm Plätzchen gebacken und er dankt dir das so!"

Er ließ ihre Hand los und richtete sich wieder gerade auf.

Hikari nickte, obwohl Reiji sowieso voll ins Schwarze getroffen hatte. Mal wieder!

»Sollte er wirklich Gedanken lesen können?«, wurde ihr erneut sehr unwohl zumute.

Und wenn es wirklich so war? Wussten seine Brüder davon? Oder konnten das am Ende alle Vampire? Der Gedanke hier vom ersten Tage an eigentlich schon komplett durchschaut zu sein, gefiel ihr gar nicht. Ihre Gedanken hielten sie auf solch unangenehme Weise gefangen, dass sie nicht einmal registrierte, dass Reiji zurück ins Zimmer ging und sie allein dort stehen blieb. Erst als seine Stimme ein weiteres Mal ihre Gedanken unterbrach wurde ihr klar, dass sie vor seiner geöffneten Tür stand, wie bestellt und nicht abgeholt.

"Soll ich nun deine Wunde versorgen oder nicht?" klang er wieder vollkommen genervt,

"Komm endlich rein und mach die Tür zu!"

»Tür zu?« hämmerte es in Hikari´s Kopf, während sie zögerlich sein Zimmer betrat,

»Nicht gut...«

Noch zögerlicher als sie herein getreten war, schloss sie die Tür und blieb dann unschlüssig direkt davor stehen.

Ihre Gedanken überschlugen sich förmlich, während sie Reiji nicht aus den Augen ließ, welcher ihr den Rücken zudrehte und an irgendetwas herum hantierte.

»Greif niemals nach der Hand eines Vampirs«, konnte sie Ayatos warnenden Worte in ihrem Kopf hören,

»Wenn ich es will, wirst du schneller darum betteln mein sein zu dürfen, als du...«

Reiji´s Worte.

Wie ein Tonband spielte ihr Kopf jede Warnung, jede Drohung und jedes Versprechen ab, welches die sechs Brüder ihr gegenüber je hatten verlauten lassen und ließen ihr Herz spürbar schneller schlagen. Ein so ungutes Gefühl beschlich sie, wie sie es noch nie zuvor in diesem Haus verspürt hatte und augenblicklich hätte sie sich selbst in Raito´s Bett sicherer gefühlt, als hier in diesem Zimmer. Ganz allein mit Reiji.

Dabei hatte es doch so harmlos angefangen. Sie wollte sich lediglich nur einen Saft aus der Küche holen und dabei vielleicht herausfinden, warum es so ruhig war im Haus. Doch wieder hatte, mit dem Verlassen ihres Zimmers, einfach nur eines zum anderen geführt. Wieder war sie von einem Übel zum nächsten gestolpert und nun stand sie hier und rechnete mit absolut allem.

Was sie dann jedoch erwartete, damit hatte sie mal absolut nicht gerechnet. Reiji winkte sie zu sich und wurde nicht einmal ungeduldig, weil Hikari ihre Schritte erneut nur zögerlich setzte. Als sie dann schließlich bei ihm stand und sah, das er irgendetwas in kleinen Glasfiolen mischte, war ihr nicht wirklich weniger unbehaglich zumute. Schließlich drehte er sich direkt zu ihr und reichte ihr eine Fiole.

"Trink das", sagte er knapp,

"Gegen die Entzündung."

Hikari nahm das winzige Fläschen, sah es skeptisch an, leerte es dann aber doch.

Und wieder blieb eine Ermahnung von Reiji, wegen ihres kurzen Zögerns, aus. Stattdessen nahm er ihre Hand und kippte, aus einem weiteren Fläschen, etwas über die Verbrennung.

"Scheiße Mann!" fluchte Hikari los und entriss ihm ihre Hand,

"Was war das für Zeug? Fühlt sich an wie Säure!"

"Ist auch etwas in dieser Art", kam die gleichgültige Antwort und das Mädchen riss geschockt die Augen auf.

Sie starrte auf ihre Hand und wartete darauf, dass sie anfing, sich aufzulösen.

Was für ein schrecklicher Tod. Zerfressen von Säure, langsam, Stück für Stück. Sie hätte nicht herkommen sollen. Nun war es zu spät.

Hingegen ihrer Erwartung geschah nichts dergleichen und sogar der brennende Schmerz ließ nach. Nicht nur das, sondern auch der pochende Verbrennungschmerz war verschwunden. Ebenso sah die Bisswunde, welche Kanato ihr dort zugefügt hatte, kaum mehr halb so schlimm aus wie noch vor ein paar Minuten.

"Er ist wirklich Dr. Jekyll", murmelte sie zu sich selbst und erschrak beinahe zu Tode, als Reiji sich mit Schwung wieder zu ihr drehte, aus Angst, er hätte sie gehört.

Jedoch hielt er nur ein weiteres Fläschen in der Hand und sah ihr, beinahe gelassen, ins Gesicht.

"Meine Mittel sind weitaus effektiver als die jedes Arztes", sagte er ganz ruhig und hielt ihr das andere Fläschchen hin.

Als Hikari zögerte, entwich ihm ein kurzes, amüsiertes Lachen, was das Mädchen nun restlos aus der Bahn warf.

Reiji konnte lachen? Überhaupt erschien er ihr viel zu entspannt dafür, dass er doch so ungern gestört wurde in seinem Schlafzimmer.

»Schlafzimmer«, schoss es ihr durch den Kopf und kurz huschte ihr Blick durch den Raum.

Er hatte ein relativ kleines Fenster und einen Kamin. Außer einem Sofa gab es noch einen kleinen, runden Tisch, zwei Stühle und natürlich ein Bett. Was es in diesem Zimmer im Übermaß gab, waren Bücher. In drei großen Regalen nahmen sie beinahe eine komplette Wand ein. Ein dunkler Teppich zierte den Fußbden und das war es schon. Ein ganz normales Schlafzimmer eigentlich. Jedenfalls nichts, was auf finstere Geheimnisse oder andere vampirische Dinge hinwies.

"Dachtest du, mein Zimmer wäre eine Folterkammer?" huschte nun sogar ein kurzes Grinsen über Reiji´s Lippen und Hikari fühlte sich ertappt.

Warum wußte er nur immer genau, worüber sie gerade nach dachte?. Kein Wunder, dass er von Anfang an einfach nur unheimlich auf sie gewirkt hatte.

Wieder hielt er ihr die kleine Fiole unter die Nase und dieses Mal nahm Hikari sie. Auch wenn sie immernoch mißtrauisch war, führte sie sie langsam zu ihren Lippen. Dann jedoch hielt sie inne und roch an dem Fläschen. Absolut neutral. Die Flüssigkeit darin hatte keinerlei Eigenduft.

"Warum plötzlich so mißtrauisch?" zierte nach wie vor ein winziges, amüsiertes Grinsen Reiji´s Lippen,

"Hätte ich dich vergiften wollen, hätte ich das mit der ersten Fiole bereits getan, oder nicht?"

Klang ziemlich logisch für Hikari.

Warum sollte er sich die Mühe machen, sie zu heilen um sie in der nächsten Minute zu vergiften? Das könnte er einfacher haben.

"Und wofür genau ist das?" fragte sie aber dennoch, bevor sie das kleine Glasfläschen leerte.

Als sie diese dann Reiji reichte, hatte sein Grinsen sich verändert. Welcher Natur diese Veränderung war jedoch, sich darüber Gedanken zu machen, dazu kam sie vorerst nicht mehr.

"Sieh es, als eine Art Verhütungsmittel", klang die Stimme des Vampirs seltsam belustigt, während er das Fläschen zurück stellte und ihr den Rücken zudrehte.

"Bitte was?" platzte es ungebremst aus dem Mädchen hervor,

"Ver...Verhütungsmittel? Geht´s noch? Was hast du vor mit mir?"

Beinahe wie von selbst machten ihre Beine ein paar Schritte rückwärts, Richtung Tür.

Es war doch ein Fehler gewesen, dieses Zimmer zu betreten. Warum nur war sie immer wieder so dumm zu glauben, irgendetwas würde für sie in diesem Haus einfach nur mal normal verlaufen? Die Vampire sahen nichts wertvolles in einem Menschen. Eine lebende Blutkonserve war sie und sonst nichts. Sie selbst hatte nicht die geringste Bedeutung für einen der Brüder. Sie nicht, ihre Gefühle nicht, ihre Wünsche, Träume oder Hoffnungen nicht, gar nichts von ihr - außer ihrem Blut.

Wieder beschleunigte sich ihr Herzschlag, ihre Kehle fühlte sich an, wie zugeschnürt und sie wollte einfach nur noch weg. Weg aus diesem Zimmer, weg von Reiji, weg von allen anderen Vampiren, weg von diesem Haus. Nur wohin sollte sie gehen? Sie hatte Niemanden. Aber hier konnte sie nicht bleiben.

Nicht, weil hier ihr Leben dauerhaft auf dem Spiel stand. Im Gegenteil - ihr käme es nur Recht, würde einer der Brüder sie einfach töten. Dann hatte das alles endlich ein Ende. Was viel schlimmer für sie war als der Tod, der sie hier jederzeit erwarten könnte, war diese verfluchte Leere. Die Gewissheit, vollkommen allein auf der Welt zu sein, niemanden zu haben, der sie wenigstens ein bißchen verstand, bei dem sie ab und an durchatmen und einfach nur sie selbst sein konnte. Auch wenn sie immer gedacht hatte, ihr Leben konnte nicht schlimmer werden, als es das in ihrer lieblosen Familie von je her gewesen war - schlimmer ging eben immer.

Und wenn die Möglichkeiten alles menschenmöglichen ausgeschöpft waren, dann geriet man halt an blutrünstige Vampire, von denen jeder einzelne einem immer wieder vor Augen hielt, wie unwichtig und wertlos man war. Sie wollte nicht mehr wertlos sein. Sie wollte den Schmerz nicht mehr, den die kalten Worte und rücksichtslosen Taten der Vampire immer und immer wieder in ihr verursachten und der ihre Seele jedes Mal ein weiteres Stück brechen ließ.

Noch bevor sie ihre Gedanken beenden konnte oder die Tür erreicht hatte, stand Reiji plötzlich direkt vor ihr und hielt sie, zwar nicht grob, aber dennoch bestimmmt, am Kinn fest.

"Du denkst da in eine völlig falsche Richtung, dummes, kleines Menschlein", schnurrte er ihr entgegen,

"Ich bin nicht Raito und habe meine Libido sehrwohl unter Kontrolle. Außerdem wäre es unterhalb meines Niveau`s dir irgendwelche Mittelchen einzuflößen, um Sex mit dir haben zu können."

Er näherte sich ihr so weit, das sie seinen Atem auf ihren Lippen spüren konnte und leicht zu zittern begann.

"Ich sagte dir bereits, du würdest darum betteln, mir gehören zu dürfen...wenn ich es nur wollte..."

Seine Stimme war ein Gänsehaut erzeugendes Wispern und irgendetwas an ihr, klang plötzlich unglaublich anziehend. Hikari biss sich leicht auf die Unterlippe und wurde direkt rot, als Reiji sich wieder ein wenig zurück zog, um sie ansehen zu können.

"Dieses Mittel sichert dein Leben", sagte er dann ganz ruhig,

"Es wird verhindern, dass du eine Woche lang jeden von uns in den Wahnsinn treibst mit dem Geruch deines Blutes."

Er ließ sie los und erkannte sofort, dass sie ihn nicht verstanden hatte.

Resignierend verdrehte er die Augen, schüttelste leicht den Kopf und seufzte üblich genervt, während er sich von ihr wegdrehte und zurück an den Tisch trat.

"Es unterbindet deinen Zyklus", sagte er, als wäre es das normalste der Welt,

"Jetzt komm her und lass mich deine Hand zu Ende versorgen!"

»Es unterbindet...«

Augenblicklich schoss sowohl die Hitze, alsauch Schamesröte in Hikari´s Kopf.

"Du pfuscht an meiner Periode herum?" murmelte sie geschockt,

"Woher weisst du überhaupt, dass...?"

Sofort wurde ihr noch wärmer.

Ihr Schädel glühte förmlich. Das war einfach nur noch peinlich. Genau genommen peinlicher als alles, was ihr je zuvor passiert war, aber er hatte es wohl, im wahresten Sinne des Wortes, gerochen. Am liebsten wäre Hikari gerade im Boden versunken. Für Angst und verzweifelte Gedanken blieb im Moment kein Platz mehr. Erstaunlicherweise machte diese Scham es ihr noch viel schwerer, sich Reiji wieder zu nähern. Ihm jetzt in die Augen sehen zu müssen wäre so ziemlich die größte Schmach, welche sie sich im Moment vorstellen konnte.

Erstaunlicherweise wurde der Vampir erneut nicht böse, weil sie seinen Worten nicht folge leistete und einfach nur dumm herum stand. Stattdessen kam er wieder zu ihr und griff nach ihrer verletzten Hand.

"Ich will ausnahmsweise Nachsicht walten lassen", sagte er,

"Es war wahrscheinlich alles ein wenig zu viel auf einmal für so ein schwaches, dummes Mädchen wie dich. Ab morgen erwarte ich aber, das du meinen Anweisungen wieder folge leistest. Und zwar ohne jedes Zögern. Alles andere werde ich zukünftig hart bestrafen!"

Hikari schluckte hart und nickte hektisch.

Die Schamesröte war gewichen und die üblichen Ängste krochen langsam wieder in ihr hoch.

"Gut", schnurrte Reiji und zog ihre Hand zu sich.

Langsam ließ er seine Zunge über die, von Säure ausgebrannte, Wunde gleiten.

Sofort biss Hikari die Zähne zusammen und gab einen zischenden Laut von sich. Es brannte höllisch und trieb den Schmerz in Lichtgeschwindigkeit an die Grenze des Erträglichen. Als Reiji die qualvolle Prozedur endlich unterbrach schnappte Hikari hektisch nach Luft, da sie diese die ganze Zeit über angehalten hatte, um nicht die Kontrolle zu verlieren und einfach laut los zu schreien.

"Warum...hast du das gemacht?" brachte sie erschöpft hervor,

"Macht es dir wirklich so viel Spaß, mich zu quälen?"

Diesen Schmerz zu ertragen hatte sie wirklich einiges an Kraft gekostet.

"Du weisst auch wirklich überhaupt nichts", seufzte Reiji resignierend,

"Was denkst du wohl, warum unsere Bisse so schnell heilen? Das funktioniert auch bei anderen Wunden. Also fühl dich gefälligst geehrt, dass ich mich dazu herab lasse, eine ordinäre Verbrennung zu heilen!"

Erneut ließ er seine Zunge über die Wunde streichen und dieses Mal tat es weit weniger weh.

Mit abermals geröteten Wangen starrte Hikari Reiji an und konnte ihre Angst, er würde jeden Moment zubeißen, nicht völlig verdrängen. Das ausgerechnet er einfach nur hilfsbereit sein sollte, passte so gar nicht in das Bild, welches das Mädchen bisher von ihm hatte. Wieder jedoch ließ Reiji sie irgendwann einfach los und ging zum Tisch zurück. Scheinbar hatte sie heute wirklich nichts Schlimmeres von ihm zu befürchten.

"Nachdem ich dir nun dein Anliegen erfüllt - und dafür meine wertvolle Zeit geopfert habe", fing der Vampir da an zu reden und sah sie an,

"Da könntest du mir doch als kleine Gegenleistung eigentlich bei einer Tasse Tee Gesellschaft leisten."

Hikari fiel ein Stein vom Herzen.

Als Reiji zu sprechen begonnen hatte, hatte sie sich direkt wieder versteift, weil sie sicher war, nun doch den Haken an seiner Hilfsbereitsschaft zu spüren zu bekommen. Eine Tasse Tee mit ihm zu trinken, empfand sie aber nun wirklich nicht als problematisch. Sie trank gern Tee und Reiji war scheinbar ein wahrer Liebhaber der Teekultur. Vielleicht enstand bei einer gemeinsamen Tasse Tee ein halbwegs normales Gespräch zwischen ihnen beiden und sie konnten sich etwas besser kennen lernen.

Als Hikari zustimmend nickte blitzten Reiji´s Augen kurz auf und er kam wieder zu ihr.

"Dann setz dich bitte", wirkte er seltsamerweise wieder nicht gewohnt emotionslos,

"Ich koche den Tee."

Es machte zwar den Eindruck, als wäre alles geklärt und Reiji jetzt das Zimmer verlassen, doch er verharrte und sah Hikari weiter einfach nur in die Augen.

Die wurde sofort wieder etwas unsicher und fragte sich, ob sie etwas übersehen oder vergessen hatte. Oder ob sie sogar etwas falsch gemacht hatte. Der Gesichtsausdruck des Vampirs jedoch wirkte beinahe schon entspannt auf das Mädchen und sie hatte nicht das Gefühl, dass er irgendwie verärgert oder anderweitig schlechter Stimmung war. Dennoch machte dieser stille Blickkontakt sie immer nervöser. Sie hatte das Gefühl, irgendetwas sagen oder tun zu müssen, hatte jedoch nicht die geringste Ahnung was.

"Ist...noch irgendetwas?" brachte sie schließlich zaghaft hervor.

Einen Augenblick noch, bekam sie keine Reaktion, dann jedoch wich Reiji wieder von ihr zurück und schenkte ihr ein höfliches - und ganz sicher antrainiertes - kurzes Lächeln.

"Wusstest du, das deine Augen im richtigen Licht golden leuchten?" fragte er, erwartete aber keine Antwort, denn gleich daraufhin drehte er sich um und verschwand.

Hikari blinzelte ihm irritiert nach.

"Was hatte das denn nun bitteschön wieder zu bedeuten?" murmelte sie und ging langsam an den Tisch hinüber.

Auf einem der beiden Stühle nahm sie Platz und sah sich um.

Dieses Zimmer war viel zu normal für den Vampir mit den zwei Gesichtern. Dr. Jekyll mochte sich hier wohl fühlen, aber Mr. Hyde hatte sicherlich ganz andere Vorlieben. Wahrscheinlich gab es hier irgendwo einen Geheimgang oder soetwas in der Art. Einen gruseligen Tunnel, der direkt in das Labor eines verrückten Wissenschaftlers führte oder in einen Folterkeller. Letzteres behagte ihr so gar nicht und sie schüttelte sich leicht, um sich danach direkt selbst zur Ordnung zu rufen.

»Warum pflanz ich mir nur immer selbst so blöde Ideen in den Kopf, verdammt«, fluchte sie innerlich,

»Ich seh eindeutig zu viele Horrorfilme. Reiji kommt gleich mit Tee zurück, wir trinken gemeinsam eine Tasse und dann verzieh ich mich in mein Zimmer und schlaf. Alles ist gut...«

Ganz so ruhig würde es wohl am Ende nicht ablaufen, gestand sie sich jedoch direkt auch ein. Wahrscheinlich würde irgendwo zwischen ihren Gedanken wieder Ayato auftauchen und alles über den Haufen werfen, aber erstaunlicherweise störte sie dieser Gedanke gerade nicht sonderlich. Klar konnte sie auf seine verletzenden Sprüche gut verzichten und auch seine nachdrücklichen Vorderungen nach ihrem Blut waren nicht unbedingt das, was Hikari sich gewünscht hätte, aber Ayato war nach wie vor derjenige, den sie glaubte am besten einschätzen und beeinflussen zu können. Und seine besitzergreifende Art empfand sie sogar als ein klein wenig schmeichelhaft. Nie zuvor hatte jemand Anspruch auf sie erhoben und diesen auch immer wieder versucht, geltend zu machen. Ihr war zwar bewusst, dass der Rothaarige wohl auf jedes Mädchen Anspruch erhob, welches in diesem Haus landete, doch aus irgendeinem Grund neigte sie immer wieder dazu, solche Tatsachen auszublenden, wenn es um Ayato ging. Es war schon beinahe so, als hätte sie sich ein bestimmtes Bild von ihm zurecht geschneidert und tat nun alles dafür, den echten Vampir ihrer 'Wunschversion' von ihm entsprechen zu lassen.

Zum Glück erschien Reiji in diesem Moment mit einem Tablett und hinderte Hikari so daran, noch weiter in Gedanken abzuschweifen. Ihr war nämlich gerade klar geworden, dass sie Ayato scheinbar idealisierte. Und den Grund, warum Menschen soetwas taten, den wollte sie nicht einmal in ihren Gedanken zulassen.

Als Reiji vor sie trat und ihr eine Tasse wunderbar duftenden Tees reichte, nahm sie diese dankbar an. Der dunkelhaarige Vampir setzte sich auf den anderen Stuhl, nahm seine Tasse ebenfalls in die Hand und sah Hikari auffordernd an. Diese hatte sofort wieder das Gefühl, etwas tun oder sagen zu müssen, begann also das Gespräch.

"Du findest meine Augen leuchten golden?", fragte sie,

"Das hat bisher noch niemand gesagt."

"Und doch ist es so", erwiderte Reiji und nippte an seiner Tasse,

"Auch jetzt wieder..."

Hikari blinzelte unsicher.

Wollte er sie verunsichern? Oder flirtete er etwa mit ihr? Ihre Augen waren bernsteinfarben - nicht golden. Zwar mochten diese Farben sich ähneln, doch niemals hatte jemand ihre Augen mit Gold verglichen. Auch sie selbst hatte sie nie anders empfunden als bersteinfarben.

Verwirrt blickte sie den Vampir an, der nur minimal amüsiert lächelte und seinen Tee trank. Und wieder fiel Hikari dabei auf, wie perfekt er doch wirkte. Einfach alles an ihm passte. Einen sichtbaren Makel an ihm zu finden, erschien ihr schier unmöglich. Ungefähr so stellte sie sich Jack the Ripper vor. Makelslos, gutaussehend, beinahe majestätisch würdevoll. Ein Mann eben, dem ein Mädchen ohne Angst folgte, wenn er ihr ein paar romantsiche Versprechen machte, um sie so in eine dunkle Gasse zu locken und sie dort eiskalt zu töten. Ja, das beschrieb ihr Bild von Reiji ziemlich gut. Grausam, gefährlich und absolut tödlich - jedoch leider in einer, recht unwiderstehlichen Verpackung.

Als ihr klar wurde, dass Reiji sie die ganze Zeit beobachtete, wurde sie direkt wieder rot und hob ertappt die Tasse an ihre Lippen. Wenn er wirklich Gedanken lesen konnte, war sie sowas von geliefert...

Nach dem ersten Schluck Tee aber, hatte Hikari ganz andere Probleme. Direkt nach dem Schlucken schnürte sich ihre Kehle zu und eine unglaubliche Hitze schoss durch ihren Körper. So schnell sie kam, so schnell verschwand sie auch wieder und nahm dabei jegliche Kontrolle über ihren Körper mit sich. Die Tasse rutschte ihr aus der Hand und mit, vor Entsetzen, aufgerissen Augen starrte sie Reiji an.

Der grinste zufrieden, stellte gemütlich seine Tasse ab und erhob sich. Direkt vor ihr blieb er stehen und sah auf sie nieder.

"Was...hast du mir...?"

"In den Tee getan?" vervollständigte er ihren Satz, denn sie brachte kein Wort mehr heraus,

"Das ist nicht von Belang. Es wird dich nicht töten, aber es gibt mir die Möglichkeit, dich deiner angemessenen Strafe zu zu führen..."

Er legte einen Arm um ihre Schultern und schob den anderen unter ihren Kniekehlen durch, um sie auf seinen Arme zu heben.

Die Angst in ihren Augen war unverkennbar, doch ihr Kopf sank kraftlos an seine Brust.

"Strafe...?" presste sie kaum hörbar hervor,

"Wofür...?"

"Für Dr. Jekyll..." hörte sie seine kalten Worte, bevor er sich mit ihr in Bewegung setzte.



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