20 Tage Zeit hatte ich dir gegeben. Danach würde ich deine Nummer löschen.
Tag 1 und du riefst mich nicht an.
Nicht dass ich es erwartet hätte. Es würde keinen Spaß machen, wenn das Spiel zu einfach war. Viel zu überlegen gab es da also nicht. Tag 1 war ein ganz gewöhnlicher Sonntag in meinem Leben gewesen. Den Kater vom letzten Abend auskurieren, ein bisschen aufräumen und mich danach mit Leuten treffen, meine Pläne für Sonntag waren immer sehr ähnlich, zumindest seitdem ich mich von meinem Ex getrennt hatte. Ich mochte Sonntage nicht. Sie waren zu ruhig, so als ob die Welt stehen geblieben wäre. Wenn du so viel Zeit hast, dann kannst du nicht wirklich verdrängen. Auch wenn du nichts mehr willst als das.
Tag 2 und du riefst mich nicht an.
Montage waren für mich immer ein Zeichen dafür, dass die Welt sich doch drehte. Sie bedeuteten Arbeit und Flucht.
Tag 3 und du riefst mich nicht an.
Ich musste zum ersten Mal nach der Party an dein Lächeln denken. Mein Ex hatte immer gelächelt, wenn er Etwas vertuschen wollte. Zum Beispiel seine gelegentlichen Abenteuer mit anderen Frauen. Erst als er mich mit meiner besten Freundin betrogen hatte, da erst habe ich dann die Notwendigkeit sehen müssen, die Reizleine zu ziehen. Es wurde gesellschaftlich so von mir erwartet und da mir der Schein immer wichtiger war als das sein, machte ich dann schließlich Schluss mit ihm. Seine Tränen hatte ich davor noch nie gesehen, ein Anblick, den ich mir gerne erspart hätte. Es hatte ihm leidgetan. Mir aber kein bisschen.
Tag 4 und du riefst mich nicht an.
Die ersten anderen Typen von der Party meldeten sich. Sie wollten mich zum Essen einladen, mit mir ins Kino gehen oder einfach nur Sex, sich die Zeit vertreiben mit mir. Dieser Typ Mann war mir inzwischen am liebsten.
Tag 5 und du riefst mich nicht an.
Ich hatte an diesem Tag vergessen meinen Regenschirm mitzunehmen. Nass zu werden von den fallenden Regentropfen fühlte sich gut an. Auch wenn meine verlaufende Mascara nicht unbedingt ästhetisch aussah.
Tag 6 und du riefst mich nicht an.
Ich hatte viel zu tun und war gestresst von der Arbeit. Unser Team hatte ein neues, größeres Projekt gestartet und ich kam deshalb jetzt häufiger erst spät abends nach Hause. Den Überblick über meine vielen Überstunden hatte ich schon längst verloren. Aber je mehr ich zu arbeiten hatte, desto weniger musste ich über mich, über mein Leben nachdenken. Deswegen beschwerte ich mich nie und war insgesamt sogar ein wenig froh über die Situation.
Tag 8 und du riefst mich nicht an.
Es war Sonntag und ich wünschte mir, du würdest mich anrufen.
Tag 9 und du riefst mich nicht an.
Es regnete wieder. Diesmal hatte ich aber einen Regenschirm dabei. Ich hatte mich nach der Arbeit auf ein Date mit einem der Typen von der Party eingelassen, bereute die Entscheidung aber bereits in dem Moment, wo er mich begrüßte. Sein Lächeln gefiel mir nicht. Seine Tränen würde ich nicht sehen wollen.
Tag 12 und du riefst mich nicht an.
Mein Ex hatte es sich zur Angewohnheit gemacht, mich immer um Punkt neun Uhr abends anzurufen. Wahrscheinlich hatte er geglaubt, damit ein Alibi zu haben, dass ihn vor allen Zweifeln bewahren würde. Wahrscheinlich hatte seine Geliebte da neben ihm gelegen, während er mir von seinem Tag berichtetet und seine unendliche Liebe bekundete. Der Typ, mit dem ich das Date hatte, rief um Punkt neun Uhr an. Er erzählte mir von seinem Tag. Bevor er zu dem Part mit der Liebe kommen konnte, hatte ich bereits aufgelegt.
Tag 14 und du riefst mich nicht an.
Ich hatte Lust mich zu betrinken heute und das tat ich auch. Nicht weil es Etwas zu feiern gab, und auch nicht, weil ich Etwas zu verarbeiten hatte. Einfach nur, weil ich nicht wusste, was ich sonst machen sollte mit meiner freien Zeit, mit meinen Gedanken, mit mir selbst.
Tag 15 und du riefst mich an.
Ich ging nicht ran.