Zum Inhalt der Seite

Before I die

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Stroke of Fate?

Ruki und sein kleiner Chihuahua Koron betraten das Hospiz. Für ihn war es zu einer Normalität geworden sterbende zusammen mit seinem Hund zu besuchen, sie damit zu erfreuen und mit ihnen zu sprechen. Es gab ihm ein gutes Gefühl und ließ ihn intensiver Leben, wenn auch nur ein wenig.

Denn das Leben ist schneller vorbei, als man denkt. Und der Tod kommt plötzlich. Das hatte Ruki gelernt, seit er hier tätig war.
 

Seine Eltern hatten schon früh nach der Geburt seines Bruder´s wieder angefangen zu arbeiten. Da war Ruki gerade zehn. Natürlich war er nie alleine mit dem Säugling gewesen, doch er lernte schnell, dass nun auch noch jemand anderes war, um den er sich sorgen musste.

Auch Koron genoss die zusätzlichen Streicheleinheiten und die doppelte Zuwendung.
 

Er ging in den Personalraum, wo Namie, eine Krankenschwester saß und eine Krankenakte las. Er klopfe am Türrahmen.

„Hallo Ruki, schön, dass du wieder da bist. Oh Koron, komm mal her.“, piepste sie. Koron setzte sich direkt in Bewegung und wedelte mit dem Schwanz während er von Namie liebevoll gestreichelt wurde.
 

„Und, was gibt es heute zu tun?“, fragte Ruki und nahm sich den Stuhl neben Namie.

„Yuuri wartet schon sehnsüchtig auf Koron. Sie fragt täglich, wann ihr nochmal zu ihr kommt.“
 

Yuuri. Eine 80 jährige Frau mit Bauchspeicheldrüsenkrebs. Mittlerweile konnte sie nicht mehr das Bett verlassen aber sie liebte es, wenn Koron auf ihr Bett sprang und sich neben sie legte, während sie ihn ordentlich durchwuschelte.
 

„Das habe ich mir schon gedacht.“ Er grinste. „Wer noch?“

„Wir haben letzte Woche einen Neuzugang bekommen. Keiko, eine junge Frau mit Leukämie.“
 

Ruki kannte sich etwas mit Tumorerkrankungen aus. Im Hospiz war es unerlässlich, dass man ein Grundwissen erarbeitete. Bei Leukämie war es so, dass man nur Symptome der Schwäche und Gewichtsverlust empfand. Viel zu leicht winkt man diese Anzeichen ab – jeder fühlt sich doch mal schwach – und wenn man merkt, dass sich nichts ändert und die Symptome nicht verschwinden, dann ist es vielleicht schon zu spät.
 

Ruki´s Augen weiteten sich bei dem Wort ´jung´. „Wie alt?“

„25 Jahre alt.“

Er schüttelte den Kopf. „Oh Man, das Leben ist echt unfair.“

„Ich denke, sie fände es gut, wenn du zu ihr gehen würde. Ich frage sie aber vorher und sage dir nochmal bescheid.“
 

Namie ging aus dem Raum.
 

Ruki hatte in seinen 2 Jahren Arbeit hier noch nie eine so junge Patientin betreut. Für ihn war es unvorstellbar, wie furchtbar es für sie sein mag hier zu sein.

Normalerweise war er nicht nervös, wenn er zu einem neuen Patienten ins Zimmer ging, diesmal war es anders. Er wappnete sich, dass er nach dem Besuch ein schlechtes Gefühl haben würde. Immerhin war sie in seinem Alter.

„Ruki, sie freut sich auf deinen Besuch.“, hörte er Namie sagen, die plötzlich wieder im Zimmer stand.

„Dann werde ich zu ihr zuerst gehen.“
 

Zimmer 45. Ruki sammelte sich noch einmal, dann klopfte er.
 

„Herein.“, hörte er eine weibliche Stimme sagen. Er griff langsam den Türknauf und drehte ihn, bis sich die Tür bewegte.
 

Auf der Fensterbank saß eine junge Frau in einem Jogginganzug und Seidentuch auf dem Kopf.

„Hey, ich bin Ruki und das ist Koron.“, stellte sich Ruki vor. Als Koron seinen Namen hörte spuchtete er los und sprang auf Keiko´s Schoß. Keiko lachte.

„Hallo Koron. Du bist aber süß.“ Sie streichelte Koron, während er freundig auf ihrem Schoß hin und her wedelte.
 

„Hallo Ruki.“. Sie wandte sich zu Ruki, der immer noch im Türrahmen stand. „Komm doch rein. Wie geht´s?“

„Wäre es nicht meine Aufgabe dich das zu fragen?“

„Ich werde andauernd nach meinem Befinden gefragt. Manchmal nervt das.“ Sie lächelte.
 

Ruki´s Schultern entspannten sich und er trat näher, nahm sich einen Stuhl und stellte ihn in Keiko´s Nähe, nicht zu nah aber auch nicht zu weit entfernt. Er war entspannter als er merkte, dass Keiko sich scheinbar normal verhielt.
 

Er sah sie einen Moment an. Sie war dünn und knochig, das merkte er sofort an ihrer Kleidung, die schlapprig an ihrem Körper herunterhingen. Und auch ihr Gesicht war ein Spiegel ihrer Krankheit. Die Wangenknochen hoben sich deutlich hervor. Ihr fehlten Augenbrauen und Wimpern. Doch ihr lächeln wirkte echt und ließ sie nur halb so krank aussehen.
 

„Mir geht es gut.“, sagte er lächelnd. „Und Koron scheint deine Streicheleien auch gut zu finden.“
 

Koron lag entspannt auf Keiko´s Schoß und hatte die Augen geschlossen.

„Ja scheint so. Er ist aber auch wirklich süß.“

„Mein ein und alles.“ Ruki lächelte und sah Koron an.

„Also, erzähl mir was von dir. Was hat dich dazu bewegt ehrenamtliche Arbeit zu machen?“, wollte Keiko zu Ruki´s Überraschung wissen.
 

Noch nie hatte er es erlebt, dass ein Patient direkt etwas von ihm wissen wollte. Das kam immer erst später. Vorerst sprachen die Patienten immer erst über sich. Doch Keiko übersprang diesen Schritt einfach. Darauf war er nicht vorbereitet.

„Ich finde es schön Menschen zu zu hören und sie mit Koron zu erfreuen.“

„Wie alt bist du?“

„28.“

„Ziemlich ungewöhnlich in deinem Alter.“, bemerkte Keiko.

„Na ja.“ Er wollte sich nicht damit brüsten, dass er als Ehrenamtlicher arbeitete.

„Und du bist seit letzter Woche hier?“ Ruki sah sich um. Überall standen persönliche Gegenstände, Bilder hingen an der Wand.

„Ja, frisch aus dem Krankenhaus hier her.“

„Warum?“

„Was warum?“ Sie sah ihn verwirrt an.

„Warum hier und nicht zu Hause?“

„Als sterbende hat man gute und schlechte Tage. Meine Eltern sind beide Ärzte, sie hätten mich versorgen können aber sie haben so viel zu tun und ich wollte sie damit nicht belasten. Es ist schon schwer genug.“
 

Bei dem Wort ´sterbend´ zuckte Ruki kurz zusammen. Ihm war bewusst, dass alle Patienten hier sterben werden aber man sprach es in der Regel nicht aus, schon gar nicht der Patient. Und schon gar nicht bei der ersten Begegnung.

Ruki bemerkte direkt, wie sonderbar Keiko war.
 

„Du scheinst so warnsinnig im Reinen damit zu sein.“, bemerkte Ruki verwundert.

Keiko zuckte mit den Schultern. „Ich hatte lange Zeit um das zu verarbeiten.“
 

Sie sprachen weiter über ihre Krankheit und der Weg bis hier hin. Keiko erzählte von der Chemotherapie und den damit verbundenen Symptome.
 

„In dieser Zeit habe ich viel mit Übelkeit und Erbrechen zu tun gehabt. Ich habe gedacht, ich schaffe es nicht.“ Dabei senkte sie den Kopf und sah zu Koron runter, der selig auf ihrem Schoß lag.

„Aber du hast es doch geschafft.“

„Aber nur knapp. Mein Zustand reduzierte sich so weit, dass ich auf die Intensivstation musste. Doch die Ärzte und Physiotherapeuten haben alles getan um mich wieder auf zu peppeln.“

„Und wann war der Zeitpunkt, als du merktest, dass du es nicht überleben wirst?“, fragte Ruki vorsichtig.
 

„Fragst du immer so tiefgründig? Ich dachte wir würden über das Wetter reden oder Musik?“, grinste sie, doch ihr Gesichtsaudruck ließ verlauten, dass sie genervt war.
 

Ruki schreckte zurück. Es war nicht zu erahnen, dass sie plötzlich so reagieren würde. Bislang führten sie eine sehr lockere Unterhaltung, dass dieser plötzliche Wandel sehr überraschend kam. Schnell versuchte er die Situation wieder zu entspannen.
 

„Was magst du für Musik?“, fragte er unsicher.

„Ich finde Rock gut.“, sagte sie und ihr Gesicht entspannte sich etwas.

„Ich habe eine Band, The Gazette. Möchtest du unsere Musik mal hören?“

„Sehr gern.“
 

Ruki kramte seine MP3-Player aus der Hosentasche und suchte nach einem aufgenommenen Lied seiner Band. Dann reichte er Keiko einen Kopfhörer und nahm den anderen.

Sie lauschten beide der Musik.
 

„Du singst?“, fragte Keiko.

„Ja.“

„Du bist wirklich gut.“

„Danke.“
 

Ruki war froh, dass sich die Situation wieder entspannt hatte. Er erkannte, dass er bei Keiko einen anderen Weg einschlagen musste. Sie war keine alte Frau, die ihr Leben gelebt und Abenteuer erlebt hat. Bei Keiko war es etwas anderes. Er fragte sich, wie viel sie im Leben schon erreicht hatte.
 

Sie hörten noch ein paar Lieder.

Dann sah Ruki auf die Uhr und bemerkte, dass er schon zwei Stunden bei Keiko war. Er beschloss zu gehen.

Koron war nicht begeistert gewesen, als er geweckt wurde. Ein leichtes Knurren war zu entnehmen.
 

„Du bist jederzeit willkommen.“, lächelte Keiko, als Ruki sich verabschiedete.

„Ich komme gern wieder.“, sagte Ruki ebenfalls lächelnd.
 

Als Ruki verschwunden war, nahm sie sich wieder ihren Laptop und schrieb über die letzten 2 Stunden.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück