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Magnetismus

von

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W wie Wendigo…und Werwolf-Tripper

„Und?“ raunte Stiles, als er sich neben Scott auf die Bank vor den Spinden im Umkleideraum plumpsen ließ: „Konntest du Derek nun von seinem Werwolf-Tripper kurieren?“ Er zog eine Schnute.

Scott blickte seinen besten Freund verdutzt an:

„Werwolf-Tripper?“ flüsterte er:

„Naja, diese ´Top-Sekret-Wolfsache`, über die Derek mit uns minderbemittelten Menschen nicht sprechen will.“

Scott sah unbehaglich aus und mied den Augenkontakt mit Stiles, als er fahrig erwiderte:

„Ja, ja, das haben wir geklärt!“

Stiles rückte näher an Scott heran und starrte ihm penetrant ins Gesicht:

„Was?“ fragte Scott genervt:

„Musst du das echt fragen? Erzähl mir, um was es da ging, Alter!“ erwiderte Stiles bohrend.

Kopfschütteln!

„Echt jetzt Mann? Ich bin dein ältester und bester Freund, quasi dein Bruder und du erzählst es mir nicht?“ Stiles war fassungslos und verkündete eine Spur zu laut: „Ziehst du etwa diesen schlecht gelaunten WERWOLF…“ Scott riss die Augen weit auf, legte sich den Zeigefinger auf den Mund, blickte sich nach den Teammitgliedern links und rechts um und zischte: „Kannst du vielleicht ein bisschen leiser sprechen, wenn es um…“ er buchstabierte flüsternd: „W-E-R-W-Ö-L-F-E geht?“

„Pfft!“ machte Stiles und rollte mit den Augen, ehe er wispernd noch einmal ansetzte: „Ziehst du etwa diesen schlecht gelaunten Werwolf MIR vor. Du kannst Derek doch nicht einmal richtig gut leiden. Das ist echt schwach, Alter!“

Scott setzte seinen patentiert-herzerweichenden Welpenblick auf, als er zurückgab:

„Wenn es hier um mich ginge, würde ich es dir sofort verraten, egal was es wäre, das schwöre ich! Jedes noch so schmutzige, peinliche oder unaussprechliche Werwolfgeheimnis dürftest du wissen. Aber hier geht`s um Derek Hale, der einen schon mit gezieltem Augenbraueneinsatz zum Schlottern bringt. Wenn der irgendwie rauskriegt, dass ich mit dir über die Sache gesprochen habe, zerreißt er mich in der Luft. Und in seinem Fall meine ich das wörtlich: Zähne, Klauen und oh Mann! Bizeps!!“

„Nicht cool!“ maulte Stiles, doch er insistierte nicht weiter.

In Wirklichkeit hatte er sich schon einen Plan zurechtgelegt. Er würde jeden verdammten ledergebundenen Wälzer, der auch nur entfernt etwas mit dem Thema Lykanthropie zu tun hatte durchblättern und wenn er die Sache auf die fünf peinlichsten Werwolfmysterien eingegrenzt hatte, würde er Scott die Wahrheit in einer Partie ´20 Fragen` entlocken. Darin war er unschlagbar!

Zwei Tage später am Abend saßen Derek, Lydia und Scott bei Stiles im Zimmer und diskutierten:

„Ich verstehe nicht, wieso dieser Wendigo unser Problem ist! Ich hab echt Wichtigeres zu tun, als mir die Nacht mit einer kleinen Monsterjagd um die Ohren zu schlagen!“ knurrte Derek:

„Ist das dein Ernst?“ fragte Lydia und Scott empörte sich:

„Alter! Das Ding tötet Menschen und frisst sie auf!“

Stiles dachte kurz darüber nach, in den Chor der Entrüstung einzustimmen, aber weil er ahnte, das halbverputzte Schlachthofmitarbeiter keine große Priorität für Derek `Grummelwolf` Hale hatten, griff er stattdessen lieber auf altbewährten Sarkasmus zurück:

„Hör mal Genosse: Wenn eins von euch Viechern loszieht und Menschen anknabbert, fällt das doch auf die ganze Community zurück. Das wirft das `Monsters-Liberation-Movement´ um Jahre zurück, Alter!“ verkündete er in perfekter Imitation eines wohlmeinenden, wichtigtuerischen, politischen Aktivisten aus den guten alten Siebzigern, als die Bewegung noch Mut hatte, fand er selbst und machte mit den Fingern das `Peace´-Zeichen. Dann blickte er in die Gesichter der drei Anderen, die ihn mit offenem Mund anstarrten.

Ach zum Teufel! Sein Humor war einfach zu erhaben für die, die einfach im Geiste waren.

Derek löste seinen Blick kopfschüttelnd von Stiles und wandte sich an Scott:

„Also gut, machen wir`s und drehen diesem Wendigo den Hals um. Aber kannst du mir mal verraten, warum wir Menschen mitnehmen sollten, Scott? Die sind doch zu rein gar nichts gut, wenn`s zum Kampf kommt!“

Ehe Scott irgendetwas erwidern konnte, verschränkte Stiles energisch die Arme vor der Brust und empörte sich:

„Ach wirklich, Kumpel! Schon wieder dieses menschenfeindliche Gequatsche? Das ist Rassismus vom Feinsten, ist dir das eigentlich klar?“ Derek holte Luft für eine Erwiderung, doch Stiles sprach einfach weiter: „Aber damit das Eine ein für alle Mal klar ist: Ich bin der, der die Recherchen macht und die Pläne schmiedet. Ohne mich hättet ihr doch nicht mal eine Ahnung, dass das Biest sich im Schlachthof versteckt hält, weil es scheinbar auch gerne Mal eine Schweinehälfte vernascht, wenn gerade Mal kein Menschenfleisch zur Hand ist. Ich bin hier das Hirn und du bloß die tumbe Muskelmasse. Du brauchst mich, kapiert?“

Die erdbeerblonde Lydia kicherte amüsiert.

Scott riss die Augen so weit auf, dass beinahe zu befürchten stand, dass sie ihm im nächsten Augenblick aus dem Kopf kullerten. Er hatte Angst, dass ihm nun die unmögliche Aufgabe bevorstand, dass Massaker an seinem besten Freund durch einen Werwolf zu verhindern, der grösser, älter, stärker und überdies auch noch `reinrassig´ war. Er schluckte!

Es war sehr ruhig im Zimmer. Alle Augen ruhten auf Derek. Sie fragten sich, wie der Werwolf wohl auf Stiles Frechheiten reagieren würde.

Dereks kräftige Brauen berührten beinahe seine Augäpfel, die Kiefer mahlten und sein Mund war zu einem Strich zusammengezogen. Er beugte sich so weit zu Stiles herüber, dass ihre Nasen sich beinahe berührten, als er mit einem kaum mehr menschlich klingenden Grollen hervorbrachte:

„Eines Tages werde ich dir das Herz aus der Brust reißen und es von da an als Halskette tragen, Großmaul!“

Stiles wurde blass und wich ein klein wenig zurück, aber natürlich ließ auch das seine große Klappe nicht verstummen:

„Pfefferminz?“ fragte er den Werwolf, der ihm direkt ins Gesicht atmete und den Mindestwohlfühlabstand zwischen ihnen beiden damit immer noch deutlich unterschritt. Und damit nicht genug, plapperte Stiles einfach weiter: „Wirklich? Mein Herz? Das ist echt süß, Kumpel! Und irgendwie romantisch!“

Derek ließ ein donnerndes Knurren vernehmen:

„Oh, halt die Klappe Stiles!“ forderte Scott ängstlich.

Lydia seufzte entnervt und erhob sich:

„Genug jetzt Jungs!“ befahl sie und schob sich zwischen Derek und Stiles: „Wenn ihr so weiter macht bekomme ich eine Testosteronvergiftung und mir wächst ein Bart. Einigen wir uns doch darauf, dass ihr BEIDE ganze Kerle seid. Und was gibt es Besseres um das unter Beweis zu stellen, als da rauszugehen und einen Wendigo zu töten, um sich seinen Kopf als gruselige Trophäe an die Wand hängen zu können.“ Mit diesen Worten griff sie die beiden Kontrahenten am Ärmel wie kleine Jungs und zog sie hinter sich her aus dem Zimmer.

Später in seinem Jeep fragte Stiles sich, wie es nun eigentlich dazu gekommen war, dass er und Derek eines der Jagdteams bildeten und Lydia und Scott das andere? Ach ja, richtig: Es sollten jeweils ein Mensch und ein Werwolf sein; aus Sicherheitsgründen und Lydia hatte mehr als deutlich gemacht, dass sie auf Dereks Gesellschaft keinen Wert legte. Überdies fand sie:

„So könnt ihr die merkwürdige Spannung auflösen, die zwischen euch beiden herrscht. Seht es als eine Teambildungsmaßnahme an!“ und war mit diesen Worten mit Scott in ihren Wagen gestiegen und losgebraust.

Großartige Idee, Lydia!

Glückwunsch!

Der Werwolf neben ihm starrte geradewegs auf die Straße und sagte kein Wort. Stiles hingegen linste hin und wieder unauffällig zu ihm hinüber: Verbissener Kiefer und versteinerte Züge. Stiles fragte sich, ob es wohl auch einen Einfluss auf das Werwolfgebiss hatte, wenn Derek vor lauter Ärger seine menschlichen Zähne bis auf das Zahnfleisch heruntergemahlen hatte.

Er musste grinsen. Scott hatte wahrscheinlich recht, wenn er ihm immer wieder vorwarf:

„Alter! Du hast wirklich zu viele Gedanken!“

Und plötzlich spürte Stiles etwas an seinen Eingeweiden nagen. Zunächst weigerte er sich, der Ursache auf den Grund zu gehen, doch am Ende stieg es dennoch aus seinem Unterbewusstsein empor: Derek als `tumbe Muskelmasse´ zu bezeichnen ging wohl doch ein wenig zu weit, oder? Eigentlich wusste er selbst nicht genau, warum er den Älteren andauernd provozieren musste. Heimlich gefiel es ihm, wenn Derek angepisst war. Und es gefiel ihm, seine einzige Waffe an ihm zu schärfen: seine Schlagfertigkeit!

Sicher, Derek musste nicht einmal vom Sofa aufstehen, um ihm die Lampe auszuknipsen. Und vermutlich erforderte es selbst dann nicht viel mehr, als den beiläufigen Gebrauch der linken Hand, damit Stiles für immer schwieg.

Aber auch wenn Derek alles andere als dumm war, verbal war er Stiles keineswegs gewachsen. Und plötzlich fühlte er sich kleinlich, weil er es so sehr nötig hatte, das immer wieder heraushängen zu lassen:

„Sorry!“ murmelte Stiles.

Derek wandte ihm überrascht den Kopf zu. Dann nickte er sein typisches, einfaches, zackiges Nicken und richtete den Blick wieder auf die Straße.

Als Stiles das nächste Mal zu ihm hinübersah, waren Dereks Gesichtszüge wieder viel weicher. Als hätte er bloß auf die Entschuldigung gewartet.

Stiles lächelte leise. Wer hätte gedacht, dass der große, böse Wolf so empfindlich war. Und das er überhaupt auf das hörte, was Stiles so von sich gab.

Im Schlachthaus teilten sich die Teams auf. Und natürlich war es Stiles, der den Wendigo als erstes sah. Obwohl… eigentlich war es umgekehrt.

Das Biest war riesig und starrte den Jungen aus seinen milchig-trüben Augen hungrig an. In seinem Maul standen die rasierklingenartigen Zähne kreuz und quer und von den Lefzen troff zähflüssig der Geifer. Derek war überbeschützerisch voran getrottet, doch leider hatte ihnen der Wendigo nicht den Gefallen getan, sich wie eine wohlerzogene Höllenkreatur von vorn anzuschleichen. Nun war er Stiles bereits bis auf etwa vier Meter Distanz auf die Pelle gerückt, als dieser sich endlich umwandte und ihn entdeckte. Stiles hätte schwören können, dass das Vieh sich bei seinem Anblick die Lippen leckte:

„Ähm!“ machte Stiles und räusperte sich: „Mr. Bodyguard? Guck doch mal da!“

Derek fuhr blitzschnell herum und Stiles konnte mit dem menschlichen Blick gar nicht so schnell folgen, wie der Werwolf brauchte, um sich zu verwandeln und sich zwischen ihn und das Ungeheuer zu bringen: „Lauf weg!“ knurrte er ihm noch zu, ehe er sich in den Kampf stürzte.

Doch Stiles wäre nicht er selbst, wenn er tatsächlich einmal machte, was ihm gesagt wurde. Er hielt sich in der Nähe und blickte sich nach einer Waffe um. (Ein Fleischerhaken und ein Beil- gar nicht mal so schlecht!)

Er rief Dereks Namen und warf ihm das Beil zu, als dieser sich kurz umblickte. Er selbst behielt den Haken. Man wusste ja nie!

Der Wendigo war stark, Derek im Kampf mindestens ebenbürtig und es war wirklich eine gute Sache, dass Derek nun eine Waffe hatte. `Da hatten sie es wieder einmal´, dachte Stiles nicht ohne eine gehörige Portion Selbstzufriedenheit: `Muskelmasse stürzte sich in den Kampf, ohne groß nachzudenken, Brainiac hingegen hatte einen Plan´. Da hörte der Junge hinter sich plötzlich ein Knurren. Er brauchte sich eigentlich nicht umzudrehen, um zu wissen, dass sich in seinem Rücken ein zweiter Wendigo befand. Er tat es trotzdem und gab vor Schreck ein ziemlich unmännliches Quicken von sich, als er das Biest erblickte, bei dem es sich offenbar um den angepissten großen Bruder des ersten handeln musste. Tapfer hielt Stiles den Fleischerhaken vor seinen Körper, bereit, sein leckeres Menschenfleisch bis zum letzten Blutstropfen zu verteidigen, doch glücklicherweise hatte Derek die neue Entwicklung in seinem Rücken mitbekommen. Es war ihm gelungen, seinen eigenen Gegner mit einem Tritt vor den Kopf für einen Moment außer Gefecht zu setzen. Nun stürzte er sich auf die größere Bestie und versenkte das Beil in dessen Brust, wo es stecken blieb und Derek unbewaffnet zurückließ. Es war schnell absehbar, dass die Schneide in der Brust das Monster nicht lange aufhalten würde. Also schnappte sich Derek Stiles Arm, schleifte ihn hinter sich her, öffnete die erste Tür, die sich ihm bot, stieß den Jungen hindurch, folgte ihm sogleich und verschloss die Tür hektisch. Stiles blickte sich um und stellte fest, dass sie sich in einem Kühlraum befanden. Erstarrte Rinderhälften hingen von der Decke und das Thermometer an einer Wand verkündete zehn Grad minus. Lange würde er es hier drinnen nicht aushalten in seiner Jeans und seinem Sweatshirt, dachte der Junge verdrießlich und schlang die Arme eng um sich.

Vor der schweren Stahltür des Kühlraums tobten die beiden Wendigos, um sich Einlass zu verschaffen. Derek war sich nicht sicher, wie clever diese Biester waren und ob sie Türgriffe benutzen konnten, aber sicherheitshalber schnappte er sich lieber den Riegel, der dazu gedacht war, die Tür von innen zu verschließen. Er drehte ihn herum, noch ein bisschen weiter, vernahm das Einrastgeräusch, welches ihm verriet, dass die Tür nun verschlossen war und hatte im nächsten Moment den abgebrochenen Riegel in der Hand.

Verdammt!

Die Tür war zu, aber raus kämen sie nun auch nicht mehr!

„Ich schätze, wir haben ein Problem!“ verkündete Derek und hielt den Riegel hoch, damit Stiles ihn sehen konnte:

„Reife L-l-leistung, M-m-m-muskelmann!“ brachte Stiles zähneklappernd hervor.

Derek wollte gerade zu einer heftigen Erwiderung ansetzen, als er die Panik im Gesicht des bereits jetzt schon ziemlich verfroren wirkenden Jungen sah. Stiles würde hier ziemlich bald schlapp machen, wurde ihm klar.

Der Jüngere fischte mit klammen Fingern sein Handy aus seiner Hosentasche, nur um resigniert festzustellen:

„War klar! Kein Netz!“

Eindeutig distanzlos und ohne auch nur zu fragen trat Stiles von hinten an Derek heran und schnappte sich dessen Handy, welches aus seiner Gesäßtasche herauslugte. Derek rauschte angriffslustig herum, doch Stiles beachtete ihn gar nicht, blickte auf das Display und bemerkte:

„Bei deinem ist es auch nicht besser!“ Er reichte Derek sein Telefon, welches dieser zähneknirschend entgegen nahm.

Vor der Tür hatten die Wendigos es mittlerweile aufgegeben zu versuchen hereinzukommen und waren wahrscheinlich bereits dabei, sich leichtere Beute zu suchen. Hoffentlich nicht Scott und Lydia, dachte Stiles einen verzweifelten Moment lang. Um sich davon und von der Kälte abzulenken fragte Stiles:

„Sind Wendigos nicht so etwas ähnliches wie Werwölfe. Irgendwie kommt ihr Brüder mir neben diesen Monstern nämlich vergleichsweise zivilisiert vor!“

Derek starrte ihn durch Augenschlitze hindurch an:

„Die einzige Gemeinsamkeit zwischen diesen Viechern und uns Wölfen ist, dass wir beide menschlichen Ursprungs sind!“ gab er murrend zurück:

„Und wenn nun ein Werwolf nun von einem Wendigo gebissen wird, verwandelt er sich dann auch in einen? Oder wird er ein Mischwesen zwischen diesen beiden?“

Derek schüttelte genervt den Kopf:

„Nichts von beidem. So funktioniert das nicht! Der Legende nach wird ein Mensch dadurch zu einem Wendigo, dass er Menschenfleisch ist.“

Stiles sah ihn zweifelnd an und erwiderte:

„Glaub` ich nicht. Das verwandelt einen Menschen möglicherweise in Hannibal Lecter. Aber um zu so einem pelzigen Beißer zu werden, braucht es mit Sicherheit etwas mehr.“

Derek stöhnte:

„Woher soll ich diesen ganzen Mist wissen? Dieses Gespräch ist nun beendet!“ schimpfte er.

Er wandte Stiles den Rücken zu und machte sich nun daran zu versuchen, mit Wolfskräften gewaltsam die Tür einzutreten oder aus den Angeln zu reißen. `Sicher doch Kumpel! Das sind etwa zehn Zentimeter massiver Stahl, aber du machst das schon!´ dachte Stiles verbittert, als er ihm bei seinem aussichtslosen Unterfangen zusah. Er fror mittlerweile ganz erbärmlich und zog sich sein Sweatshirt so weit wie irgend möglich über den Po, ehe er sich auf dem Boden niederließ, zog die Knie ans Kinn, die Füße nah ans Gesäß, schlang die Arme um die Beine und legte den Kopf ab. Zeit Bilanz zu ziehen, dachte Stiles grimmig. Er würde hier drinnen sterben und das letzte, was er sah, war der Rücken des Werwolfs, der ihn hasste.

Plötzlich fühlte er sich ausgesprochen selbstmitleidig. Warum hatte er nicht darauf bestanden, mit seinem Freund Scott zu gehen. Wenn er schon erfrieren musste, dann lieber in den Armen seines besten Freundes. Und er wusste, Scott würde ihn bis zur letzten Sekunde festhalten.

Und darüber hinaus!

Derek hingegen war es höchstwahrscheinlich scheißegal, ob er lebte oder starb.

Und am Schlimmsten war: er würde abtreten, ohne auch nur ein einziges Mal Sex gehabt zu haben!

„Ich wünschte, der Wendigo hätte mich gefressen!“ murmelte er schmollend: „Dann hätte ich wenigstens einen Zweck erfüllt. Ich wäre eine Mahlzeit gewesen. Aber erfrieren? Das nervt echt!“

Derek hielt in seiner Aktivität inne und blickte nachdenklich auf Stiles hinab, der sich offenbar in der Zwischenzeit in ein Gürteltier verwandelt hatte- zusammengerollt zu einem Ball am Boden!

„Du erfrierst nicht!“ behauptete Derek steif und fest, auch wenn er sich seiner Sache gar nicht so sicher war. Der Junge sah übel aus, doch am meisten besorgte ihn, dass er das Zittern eingestellt hatte. Er war also schon bei Phase zwei der Unterkühlung angelangt. Und Phase DREI, dass erinnerte er noch, bedeutete den Tod. Er zog sich seine Lederjacke aus und legte sie um Stiles:

„Nö!“ Murmelte dieser: „Du und deine Wolfsphysiologie habt ja vielleicht eine Chance, das hier zu überleben. Aber nicht, wenn du deine Kleidung an einen sterbenden Mann verschwendest!“

„Du unterschätzt mich und meine Physiologie!“ erwiderte Derek sanft und zog die Jacke fest um den Anderen. Er rief sich in Erinnerung, was er über Hypothermie bei Menschen wusste. Kein Zittern. Das bedeutete, seine Kerntemperatur war bereits auf fünfunddreißig bis zweiunddreißig Grad gefallen. Ihm fiel auch wieder ein, was er als Junge in seinem Pfadfinderhandbuch als wirksame Gegenmaßnahme gelesen hatte.

Aber halt mal!

Soweit waren sie nun wirklich noch nicht!

Immerhin bedeutete es jede Menge nackter Haut!

Auf seiner nackten Haut!

Nein, auf keinen Fall!

Das kam gar nicht in Frage!

Jedenfalls nicht, wenn es sich irgendwie vermeiden ließ!

Es musste doch eine andere Möglichkeit geben?

Derek blickte sich in dem Kühlraum nach etwas brennbarem um, um ein kleines Feuerchen zu machen, doch da war nichts! Dann drosch er wieder einige Male vergeblich auf die Tür ein. Er blickte sich nach Stiles um, der mittlerweile kaum noch bei Bewusstsein zu sein schien. Er riss den Jungen auf die Füße und befahl:

„Du musst wachbleiben, kapiert?“ Dann unterstützte er Stiles dabei, im Kühlraum auf und ab zu gehen. Und gerade, als Derek ernsthaft über verzweifelte Maßnahmen in verzweifelten Situationen nachzudenken begann, nahm sein übernatürliches Werwolfsgehör etwas wahr. Stiles schien es nicht zu hören:

„Halt noch einen Moment durch! Hilfe ist unterwegs! Du musst allein weiterlaufen. Bleib in Bewegung, O.K?“ forderte Derek.

Der Junge nickte schwach.

Dann überließ er Stiles für einen Moment sich selbst und kehrte zur Tür zurück, um klopfend und rufend auf sich aufmerksam zu machen.

Und dann ging es plötzlich ganz schnell: Scott zog von außen an der Tür, während Derek sich von innen dagegen stemmte und schließlich öffnete sie sich mit einem Ruck, der Scott beinahe umgerissen hätte. Derek schnappte sich Stiles und brachte ihn ins Warme.

Als Scott seinen Freund erblickte, bleich wie eine Wasserleiche mit blauen Lippen und dunkelgrauen Schatten rings um die Augen boxte er Derek, plötzlich gar nicht mehr bange vor dem Älteren, heftig vor die Brust:

„Wie hast du das zulassen können? Du hättest ihn mit deinem Körper warmhalten können. Er hätte sterben können, du dämlicher Idiot!“

Derek erwiderte nichts, senkte geknickt den Kopf und deutete auf die Lederjacke, die noch immer um Stiles Schultern hing. Scott knurrte:

„Du hast ihm deine Jacke geliehen. Ist ja großartig! Was erwartest du jetzt? Einen Orden? Trottel!“

Trotz seines vernebelten Geisteszustands staunte Stiles nicht schlecht über den Mut, den sein lieber Freund Scott Derek gegenüber da an den Tag legte. Das musste wohl Liebe sein, dachte er und ihm gelang sogar ein winziges Grinsen. Dann fiel sein Blick auf den zerknirschten Derek, der trotz seiner Größe und Statur plötzlich ganz winzig wirkte:

„Lass` es gut sein, Scotty!“ murmelte er: „Derek hat getan, was er konnte. Er hat es gut gemacht!“

Scott blickte seinen Freund an, als habe er den Verstand verloren. Derek hingegen atmete unmerklich ein wenig auf und Lydia kommentierte trocken:

„Hast du gehört? Stiles hat etwas Freundliches über dich zu sagen gehabt. Ich würde behaupten, entweder hat die Teambildungsmaßnahme Wirkung gezeitigt oder es ist der Erfrierungsschwachsinn, von dem man immer hört. Und nun lasst das Streiten bleiben und seht zu, dass unser Amundsen hier versorgt wird“

„Häh!“ machte Scott dümmlich.

Lydia verdrehte entnervt die Augen:

„Der Polarforscher du Trottel! Bist du in der Schule eigentlich jemals wach?“

Scott zuckte mit den Schultern. Dann fragte er Derek:

„Und was ist mit dem Wendigo?“

„Die Wendigos: Plural!“ antwortete Derek: „Es waren zwei und sie sind abgehauen. Wir müssen uns ein anderes Mal um sie kümmern.“

Zurück bei den Autos verkündete Lydia:

„Ich fahre allein nachhause! Ihr zwei kümmert euch gut um den sterbenden Mann hier.“

Sie drückte Stiles einen zarten Kuss in den Mundwinkel, den dieser unter anderen Umständen sicherlich sehr zu schätzen gewusst hätte, von dem er in seinem Zustand allerdings kaum etwas mitbekam. Dann stieg sie in ihren kleinen Flitzer und war verschwunden.

„Was nun?“ fragte Derek:

„Krankenhaus!“ bellte Scott, doch da kehrte plötzlich das Leben in Stiles zurück:

„Auf keinen Fall ins Krankenhaus! Wenn mein Vater nur eine Idee davon erhält, was sich heute Nacht abgespielt hat, sehe ich kein Sonnenlicht mehr, ehe ich vierzig bin, weil ich bis dahin Hausarrest haben werde!“

„Vielleicht nicht die schlechteste Idee!“ murmelte Derek und ließ damit plötzlich und wenig überzeugend den verantwortungsvollen Erwachsenen heraushängen:

„Halt die Klappe!“ sagten Stiles und Scott wie aus einem Munde und Scott fragte ihn:

„Lust, dich heute Nacht wenigstens ein einziges Mal nützlich zu machen und mir zu helfen, Stiles nachhause zu bringen?“

Derek, immer noch weichgespült von seinen Schuldgefühlen, nahm die Spitze unkommentiert hin und nickte:

„Fein! Du fährst!“ befahl Scott und verfrachtete Stiles nach hinten in den Jeep, hockte sich neben ihn und tat nun das, was seiner Ansicht nach Derek längst hätte tun sollen- er zog Stiles eng an sich, schlang sich regelrecht um ihn, wie eine Würgeschlange und teilte seine Körperwärme, die den Werwölfen eigen war großzügig mit seinem Freund.

Im Haus der Stilinskis schafften die beiden Werwölfe Stiles nach oben in sein Zimmer, wo Scott erst Stiles und dann sich selbst oben herum auszog:

„Ey, Alter! Uncool!“ nuschelte Stiles verwirrt, doch Scott ignorierte ihn und manövrierte sie beide in sein Bett. Derek betrachtete das Schauspiel stirnrunzelnd, bis Scott ihn anfuhr:

„Was gibt es denn da zu gucken? Wenn du dich nützlich machen willst, schau lieber in der Küche nach, ob du irgendetwas Warmes zu trinken für Stiles finden kannst. Eine Instantsuppe wäre gut. Oder noch besser: gesüßter Tee!“

Derek nickte und verschwand. Stiles fragte Scott benommen:

„Was machen wir hier eigentlich?“

„Wir erhöhen deine Körpertemperatur wieder, damit du am Leben bleibst, Trottel.“ Erwiderte Scott sanft:

„Sicher, dass du mir nicht bloß an die Wäsche willst?“ fragte Stiles mit dem kläglichen Versuch eines Grinsens:

Scott lachte. Es war großartig, wenn Scott lachte, denn dann wusste Stiles immer ganz genau, dass alles wieder gut werden würde:

„Mach dir keine Hoffnungen, Kumpel!“

„Hmm! Ich werde wohl wirklich als Jungfrau sterben!“ murmelte Stiles.

Scott nickte grinsend mit dem Kopf:

„Vermutlich!“

In diesem Moment steckte Derek wieder den Kopf durch die Tür. Er schob ein Tablett vor sich her, auf dem sich sowohl eine Plastikschale mit einer Instantsuppe, als auch eine Teekanne, ein Becher und ein Gefäß mit Honig befanden. Er nahm auf der Bettkante Platz und begann, Stiles die heißen Flüssigkeiten einzuflößen. Scott rückte unterdessen kein Stück von seinem besten Freund ab, was die Fütterungsaktion nicht eben erleichterte. Als er fertig war, erhob sich Derek vom Bett und fragte Scott:

„Braucht ihr mich noch für irgendetwas, oder bin ich dann hier fertig?“

„Wenn du meinst, du hast schon alles getan, um deine Schuld wieder gutzumachen, nachdem du beinahe meinen Kumpel getötet hättest, dann verschwinde doch einfach!“ erwiderte Scott giftig. Derek öffnete das Fenster und war schon halb hindurchgeschlüpft- warum er nicht einfach die Haustür benutzte, wie normale Leute wusste keiner so genau; Gewohnheit vermutlich- als er sich noch einmal nach den beiden Jungen umdrehte, die eng aneinandergeklammert auf dem Bett lagen, als hätten sie auf der Welt bloß einander:

„Ach zum Teufel!“ grummelte er, schloss das Fenster wieder, zog sich seinen Pullover über den Kopf, streifte die Schuhe von den Füßen und befahl:

„Rutscht mal, ihr zwei!“

Und ohne abzuwarten, dass die beiden seiner Anordnung folge leisteten, schob er sich mit in das enge Einzelbett, wodurch Scott auf der anderen Seite beinahe herausgefallen wäre. Schließlich knurrte Derek:

„Wenn jemals irgendwer hiervon erfährt, dann…!“

Er wurde von Stiles unterbrochen, der murmelte:

„Ist schon klar Wolverine: Deine Zähne, meine Kehle, Verstümmelung und Tod. Ich liebe deine alten Hits und kann sie schon mitsingen.“

Dann tat Stiles etwas, dass sich nur mit Erfrierungsschwachsinn erklären ließ: Er griff nach Dereks Hand und zog dessen Arm eng um sich.

Und Derek ließ es zu.

Mehr noch: mit einem Mal fühlte sich der Grummelwolf wieder wie ein Welpe, umgeben von einem liebevollen Rudel. Alles war gut und niemand, wirklich niemand war grausam in einem Feuer umgekommen und hatte ihn so ziemlich allein auf der Welt zurückgelassen. Er atmete tief durch und fühlte sich friedlich.

Eingeklemmt zwischen mindestens hundertfünfzig Kilo warmem Werwolfkörper fühlte Stiles sich so sicher und geborgen, wie seit einer Ewigkeit nicht mehr und er hatte auch wirklich keinerlei schmutzige Gedanken währenddessen- ehrlich nicht!

Dafür waren die folgenden Wochen umso verwirrender: Spätestens, wenn er sich abends allein ins Bett legte, erinnerte er sich daran, was sich in jener Nacht hier abgespielt hatte. Und er hatte größte Mühe, seine Fantasie daran zu hindern, nicht mit ihm durchzugehen.

Nicht immer gelang ihm das auch!



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Kele
2017-01-15T22:33:58+00:00 15.01.2017 23:33
Und hier bin auch ich!
Wier wähnt guck ich auch in deine andere FF's und fange mit der hier an!
Und ich muss sagen, dass erste Kapitel war schon so "Ich muss weiter lesen" aber diese Szene mit dem erfrieren und auch Scott und Stiles (sie wäre auch sehr süß zusammen *-*) das ist einfach ales super!
Ich werde mich gleich mal ans nächste Kapitel machen ;)
Wir lesen uns!
Von:  Yaoigirl
2016-11-05T16:39:16+00:00 05.11.2016 17:39
Hier noch kein kommi? Unfassbar. Ich find das sah gut. Und kuschelig wegen der Bett -Sache zwischen Stiles -Scott- Derek, einfach süß. Entlich mal ein richtiges Rudel Ding.

Antwort von:  GingerSnaps
05.11.2016 17:59
Hallo Yaoigirl, schön, dass es Dir gefällt. Weiterhin viel Spaß beim Lesen. Hast ja noch einiges vor Dir;-)Liebe Grüße, Ginger


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