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Imperativ

Kontrolle über deine Sinne.
von

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-4-

 

Mit viel zu viel Wucht riss Sakura die Tür auf. Man konnte den Windstoß der dadurch entstand, auf dem ganzen Gang bis hin zum Aufzug spüren. Als sie das zaghafte Klopfen gehört hatte, hatte sie darin ihre Chance erkannt, endlich ihrem Ärger Luft zu machen und genau das würde sie jetzt auch tun. Ihre Augen waren zu dünnen Schlitzen verengt und sprühten nur so vor Zorn, als sie ihm, die Hände in die Hüften gestemmt, entgegentrat.

 

„Du“, sie spuckte das Wort aus als wär es vergorener Fisch und bohrte dem perplexen jungen Mann den Finger in die Brust. „Du hast mich reingelegt und wusstest ganz genau, dass ich aus der Scheiße nicht mehr rauskommen würde!“

 

Er wich unwillkürlich einen Schritt zurück und hob abwehrend die Hände, um eine gewisse Distanz zwischen sich und Sakura zu bringen. Natürlich hatte er es gewusst, so viel war ihr mittlerweile klar und natürlich war ihr zufälliges Aufeinandertreffen auch alles andere als zufällig gewesen. Sasuke hatte ihn vorgeschickt, aus dem einfachen Grund, dass er vergleichsweise harmlos wirkte. Nie im Leben hätte sie geahnt, dass sie durch ihn mit solchen Leuten in Kontakt kommen würde. Leuten, die ihr drohten. Die damit drohten, Ino etwas anzutun.

 

„Hey Sakura, warte mal“, versuchte er sie zu beruhigen. „Das war nichts Persönliches, echt jetzt.“

 

Seine Stimme klang fast schon verzweifelt, flehend. Tatsächlich kaufte sie es ihm sogar ab. Sie hatte sich zwar schon einmal von ihm täuschen lassen, doch sie hatte das Gefühl, dass er ihr nichts vorgespielt hatte, was die Grundzüge seines Charakters betraf.  Er war ein sehr spontaner und offener Mensch. Impulsiv, aber freundlich. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass er wirklich jemandem etwas Böses wollte. Aber warum hatte er sie dann da mit reingezogen?

 

Ohne ihn noch eines Blickes zu würdigen, überprüfte sie ein letztes Mal, ob sie die Schlüssel eingepackt hatte und zog dann mit Schwung die Tür hinter sich zu. Das Geräusch hallte von den kargen und trostlosen Wänden des Ganges wieder und verlor sich etwas weiter vorne. Es war ihr egal, ob sie damit jemanden beim Lernen gestört oder gar aus seinem Mittagsschläfchen gerissen hatte. Irgendwie musste sie ihrem Unmut Luft machen. Schon wieder hatte Sasuke ihr vorgeschrieben, was sie zu tun hatte. Er zitierte sie herum wie ein Dienstmädchen und das passte ihr überhaupt nicht.

 

Bereits letzte Woche hatte Suigetsu ihr die Entwürfe zurückgebracht, zusammen mit ein paar Fachbüchern zum Thema Logo-Design. Gefühlt auf jeder zweiten Seite klebte ein Post-it, auf dem in fein säuberlicher Schrift ein paar Hinweise notiert waren. Sakura vermutete, dass sie von Sasuke stammten. Nur er schaffte es, bereits durch wenige geschriebene Worte so viel Überheblichkeit zu vermitteln. Er hatte ihr eine Deadline gesetzt, innerhalb derer sie die Entwürfe gemäß seiner Anweisungen noch einmal überarbeiten sollte und heute war diese Deadline abgelaufen. Vermutlich wollte er ihre Fortschritte sehen.

 

Naruto jedenfalls hatte den Auftrag, sie zu ihrem neuen Arbeitsplatz zu bringen – wo auch immer das sein sollte. Man hatte ihr nicht gesagt, wo es hinging. Generell hielten Sasuke und sein Team sich sehr zurück, was Informationen betraf.  Diskretion schien bei ihnen ein großes Thema zu sein und so hatte Suigetsu Sakura auch verboten, mit irgendjemandem über die Sache zu sprechen. Jedes Mal, wenn sie sich mit Ino traf, zerriss es Sakura fast innerlich, weil sie nichts lieber wollte, als ihre beste Freundin zu warnen. Stattdessen musste sie jedes einzelne Wort hinunterschlucken, um sie auf keinen Fall zu gefährden, was dazu führte, dass sie in Inos Gegenwart immer stiller geworden war. Es war ein beklemmendes Gefühl, niemanden zu haben, dem sie sich anvertrauen konnte.

 

Sakura stapfte an Naruto vorbei den Gang entlang und auf den Aufzug zu. Was hatte sie schon für eine Wahl? Sie musste mit ihm gehen, allerdings konnte keiner von ihr verlangen, dass sie sich ihm gegenüber höflich verhielt. Naruto war etwas überrumpelt von ihrem plötzlichen Aufbruch und machte ein paar große Schritte, um sie einzuholen. Kurz bevor sie den Aufzug erreichten, griff er nach ihrem Ärmel, um sie festzuhalten.

 

„Er hätte sonst jemand anderen geschickt“, sagte er leise und eindringlich.

 

Offenbar war es ihm wichtig, dass Sakura ihm die Sache verzieh. Seine strahlend blauen Augen hefteten sich fest an ihre und sie unterbrach schnell den Blickkontakt, da sie ihnen nicht länger standhalten konnte. Anders als bei Sasuke lagen so viele Emotionen darin, dass Sakura das Gefühl hatte, sie würden sie einfach mit sich reißen. Doch noch war sie nicht bereit, Naruto zu verzeihen und deswegen musste sie ihn auf Distanz halten so gut es ging. Um sich nichts anmerken zu lassen, drückte sie auf den Knopf des Aufzugs und fixierte anschließend die grün leuchtenden Zahlen, die anzeigten in welchem Stockwerk der Lift sich gerade befand.

 

Als er schließlich kam, stiegen sie wortlos ein. Es war ein unangenehmes Gefühl als sich die Türen hinter ihnen schlossen und sie auf so engem Raum eingeschlossen wurden. Naruto suchte noch immer ihren Blick, auch wenn er ihren Arm mittlerweile losgelassen hatte und sie starrte verbissen auf den Boden. Man konnte hier nicht ausweichen. Sie hatte das Gefühl, dass sein Schuldbewusstsein sich ihr geradezu aufdrängte und dass sie dem nicht entkommen konnte.

 

„Warum hast du mich nicht gewarnt?“, fragte sie beherrscht.

 

Wieder spürte sie seinen Blick auf sich, doch er wagte es nicht, sie zu berühren.

 

„Er ist mein Freund“, sagte er dann. „Und wir brauchen dich in unserem Team. Ich bin überzeugt davon, dass du die Richtige bist.“

 

„Die Richtige für was?“, hakte sie skeptisch nach.

 

Diese Frage stellte sie sich schon eine ganze Weile. Warum hatte Sasuke ausgerechnet sie ausgewählt, wenn es doch genug andere Leute in ihrem Kurs gab, die weitaus besser zeichnen konnten? Scheinbar hatten sowohl er als auch Naruto gewisse Erwartungen an sie, die sie glaubte nicht erfüllen zu können. Sie war nicht die Richtige.

 

„Das kann ich dir nicht sagen.“

 

Narutos Stimme klang mit einem mal wieder verschlossen und abweisend. Wenn er so war, konnte sie sich schon viel eher vorstellen, dass er ein Teil von Sasukes Team war. Mehr noch, er hatte ihn als seinen Freund bezeichnet. Das schloss dann wohl aus, dass Sasuke ihn ebenfalls erpresste und er nur deswegen so gehandelt hatte. Überhaupt hatte sie nicht den Eindruck, dass Naruto irgendwelche negativen Gefühle Sasuke gegenüber hegte, ganz im Gegenteil. Die beiden schienen sich sehr nahe zu stehen.

 

„Wie kannst du nur mit so jemandem befreundet sein?“, hauchte Sakura ungläubig.

 

Noch immer wollte sie Naruto nicht direkt in die Augen sehen, doch im Spiegel erkannte sie, dass sich ein versonnenes Lächeln auf seinen Lippen ausgebreitet hatte, fast so als würde er sich an eine spezielle Situation erinnern.

 

„Du kennst ihn nicht Sakura“, antwortete er dann mit rauer Stimme, den Blick fest auf die gegenüberliegende Wand geheftet. „Auf den ersten Blick kommt er vielleicht wie ein kaltes Arschloch rüber, aber das ist er nicht.“

 

Eine seltsame Traurigkeit umspielte seine Züge, doch Sakura hatte keine Zeit, sich darüber weitere Gedanken zu machen, da sich in diesem Augenblick die Türen des Aufzugs mit einem metallischen Surren öffneten. Sie traten nach außen in den Eingangsbereich und in dem Moment, wo sie den Aufzug verließen, hatte Naruto auch schon wieder seine typisch unbekümmerte Mine aufgesetzt.

 

„Wir müssen zur Haltestelle“, verkündete er.

 

Da Sakura am äußersten Rand der Stadt wohnte, dauerte die Fahrt etwas länger. Sie fuhren zum Bahnhof, wo sie noch einmal umsteigen mussten, in einen Bus, der sie in die betuchteren Gegenden von Konoha brachte. In diesem Bezirk war sie noch nicht wirklich oft gewesen, was schlicht und ergreifend daran lag, dass sie niemanden kannte, der sich hier eine Wohnung oder gar ein Haus leisten konnte. Abgesehen davon hatte man es als Student sowieso schwer, ohne geregeltes Einkommen an eine Wohnung zu kommen.

 

Es war keine Bonzengegend, aber man konnte doch deutlich sehen, dass die Leute hier wohlsituiert waren. Die Häuser waren mit hübschen kleinen Verzierungen, Türmchen und Balkonen geschmückt, wobei keines davon aussah wie das andere, umgeben von wunderschönen Gärten, die ausnahmslos einen sehr gepflegten Eindruck machten. Selbst unter dem wolkenverhangenen Himmel versprühten sie einen gewissen Charme gepaart mit der Illusion von Vorstadtidylle.

 

Als der Bus an der nächsten Station hielt, stiegen sie aus. Naruto steuerte zielsicher auf einen kleinen Weg zu, der zu ein paar weiteren Anwesen führte, die nicht direkt an der Straße lagen und Sakura zweifelte ernsthaft daran, dass sie hier richtig waren. Sollte er ihr nicht ihren neuen Arbeitsplatz zeigen? Soweit sie wusste, war das hier ausschließlich eine Wohngegend, in der sich keinerlei Büros oder ähnliches befanden.

 

Das Haus, auf das er zuging, reihte sich perfekt in die Gegend ein und stach doch irgendwie hervor. Wie die anderen Häuser auch besaß es eine Garage, sowie einen etwas größeren Garten, der einmal rund um das Gebäude verlief. Allerdings versuchten die Besitzer nicht, mit kunstvoll geschnittenen Hecken und exotischen Blumenbeeten auf sich aufmerksam zu machen, sondern begnügten sich stattdessen mit einem akkurat gestutzten Rasen und ein paar Büschen. Das gesamte Erscheinungsbild wurde von der großen, schweren Eingangstür dominiert, an der ein ebenso imposanter Türklopfer hing. Sakura konnte weder eine Hausnummer, noch ein Namensschild erkennen.

 

Naruto betätigte die Klingel neben dem gusseisernen Eingangstor, das er kurz darauf einfach aufschob. Scheinbar war der Türklopfer nur zur Dekoration gedacht. Sakura folgte ihm den gepflasterten Weg entlang und die Stufen hinauf bis zur Tür. Sie hatte das Gefühl, dass sie von allen Seiten aus beobachtet wurde und die Leute genau sehen konnten, dass sie nicht hierher gehörte. Unwohl sah sie sich um, doch die meisten Fenster waren von Vorhängen verhängt, sodass man nicht hinein schauen konnte. Trotzdem glaubte sie ab und zu, eine Bewegung wahrnehmen zu können.

 

„Scheint niemand da zu sein“, stellte Naruto fest und zog plötzlich einen Schlüssel aus der Tasche.

 

Erst als er ihn ins Schloss steckte und er offensichtlich passte, verwarf Sakura den Gedanken, dass sie hier womöglich einbrechen wollten. Ehrlich gesagt traute sie Sasuke nach der Sache mit Suigetsu so einiges zu. Ein Einbruch hätte sich sicher nicht gut in ihrer Vita gemacht.

 

„Du wohnst hier?“, fragte sie überrascht.

 

Aus irgendeinem Grund hatte sie Naruto nicht zugetraut, dass er aus so einer guten Gegend stammte. Viel eher passte er wie sie in eines der vielen Studentenwohnheime, die in Konoha fast an jeder Ecke zu finden waren oder in eine WG.

 

„Nee, nee“, winkte er lachend ab. „Ich hab nur einen Schlüssel.“

 

Sie betraten das Haus und fanden sich in einer Art Flur wieder, von dem aus eine Treppe in das obere Stockwerk führte und eine in den Keller. Im gesamten Eingangsbereich konnte sie nirgendwo so etwas wie eine Garderobe entdecken – ganz im Gegenteil, hier standen überhaupt keine Möbel. Stünde nicht die Tür zur ihrer rechten Seite einen Spalt breit offen, sodass sie in die geräumige Küche dahinter blicken konnte, hätte sie geglaubt, dass das Haus gänzlich unbewohnt wäre. Es war komplett still hier.

 

„Komm mit.“

 

Naruto ließ ihr gar keine Wahl und packte sie am Unterarm, sodass er sie mit sich die Treppenstufen nach oben ziehen konnte. Fast wäre sie gestolpert, konnte sich jedoch im letzten Moment am kunstvoll gestalteten Holzgeländer festhalten und so ihr Gleichgewicht wiederfinden. Eine Stolpergeschichte im Zusammenhang mit Naruto war wahrlich genug und sie konnte sich sein Grinsen schon ganz genau vorstellen, wenn sie diesmal in ihn hineingefallen wäre. Warum war er nur immer so ungeduldig?

 

Schimpfend stapfte sie ihm hinterher den Flur entlang und hätte sich beinahe zu Tode erschreckt, als sich plötzlich die Tür neben ihr öffnete und ein junger Mann seinen Kopf aus dem Zimmer streckte. Unter seinen Arm hatte er einen Laptop geklemmt.

 

„Warum macht ihr denn so einen Lärm?“

 

Er hat etwas längeres dunkles Haar, das er zu einem hohen Zopf zusammengebunden hatte, sodass es wild vom Kopf abstand und musterte Naruto mit einem strengen Blick wie ein kleines Kind, dem er schon mehrmals gesagt hatte, dass es endlich leiser spielen sollte.

 

„Shikamaru“, rief Naruto und deutete anklagend mit dem Finger auf ihn. „Du bist ja da. Warum hast du nicht die Tür aufgemacht?“

 

Wieder einmal zeichnete er sich durch die Eigenschaft aus, dass er sich durch böse Blicke kein Stück weit einschüchtern ließ. Vielleicht war das der Grund, warum er mit Sasuke befreundet sein konnte. Shikamaru zuckte nur desinteressiert mit den Schultern.

 

„Ich hatte keine Lust aufzustehen. Viel zu lästig.“ Sein Blick fiel auf Sakura. „Die Neue?“

 

Energisch nickte Naruto.

 

„Das ist Sakura. Ich zeig ihr heute ihren Arbeitsbereich. Ist Sasuke da?“

 

„Nein, er hat wieder irgendein Treffen mit einem Großkunden, aber er wollte später nochmal vorbeischauen“, Shikamaru wandte sich an Sakura. „Also hat er sich wirklich für eine Frau entschieden.“

 

Durch die Betonung des Wortes Frau ließ er keinen Zweifel daran, dass er nicht gerade begeistert darüber war. Sein Blick wanderte einmal prüfend über ihr Gesicht, als wolle er abschätzen, ob sie ihm in Zukunft Ärger bereiten würde. Dann nickte er zufrieden und streckte ihr die Hand entgegen.

 

„Schlimmer als Karin kann es ja kaum werden. Ich bin Shikamaru und hier für alles zuständig, was mit Technik zu tun hat. Freut mich dich kennenzulernen.“

 

Trotz seiner offensichtlichen Abneigung gegenüber Frauen wirkte seine Begrüßung seltsamerweise ehrlich und Sakura ergriff seine Hand. Die Vorstellung konnte sie sich sparen, denn das hatte Naruto ja bereits für sie übernommen und für was sie zuständig war, wusste sie selbst noch nicht so genau. Ein bisschen fühlte sie sich dennoch durch seine offene Ablehnung des weiblichen Geschlechts gekränkt.

 

Noch bevor Shikamaru sie in ein Gespräch verwickeln konnte, zog Naruto sie auch schon weiter den Gang entlang und versprach später nochmal zu ihm zu kommen. Scheinbar hatte Shikamaru sowieso vorgehabt eine rauchen zu gehen und war bisher nur zu faul gewesen, seine Arbeit zu unterbrechen und aufzustehen. Was er da genau tat, wusste sie nicht, aber es hatte wohl mit verschiedenen Sicherheitscodes zu tun, die er versuchte zu knacken. Wenn sie es sich recht überlegte, wollte sie auch lieber nichts Genaueres wissen. Sie bekam schon kalte Füße, wenn sie bei Freunden illegal einen Film streamte.

 

Naruto betrat einen Raum am hinteren Ende des Ganges. Als er die Tür aufschob, knisterte es leise und Sakura registrierte verblüfft, dass der gesamte Boden mit Plastikfolie abgedeckt war. Auch die Wände waren abgehängt worden, sodass kein Zentimeter Wand mehr hervorblitzte. Einzig und allein der Heizkörper war nicht unter einer Plane begraben. In der Mitte des Raumes lag ein seltsamer Stapel, der sich aus diversen Kartons und dünneren und dickeren Holzplatten zusammensetzte, die ein wenig an Sperrmüll erinnerten. Ansonsten war das Zimmer bis auf eine antike Kommode aus dunklem Holz komplett leer.

 

„Was ist das für ein Haus?“, fragte Sakura neugierig.

 

Ihr Verdacht, dass hier wirklich niemand wohnte, schien sich immer mehr zu bestätigen. Abgesehen von der Küche hatte sie bisher kaum möblierte Räume gesehen und anscheinend gingen hier sowohl Naruto, als auch Shikamaru und Sasuke ein und aus. Wahrscheinlich besaßen sie alle einen Schlüssel.

 

„Es gehört Sasuke und seinem Bruder“, erklärte Naruto bereitwillig. „Die haben eine Zeit lang hier gewohnt, aber mittlerweile wird es hauptsächlich für die Organisation genutzt.“

 

Während er sprach, schlug er die durchsichtige Plane zurück, die die Kommode bedeckte und zog eine der großen sperrigen Schubladen auf. Sie bot zunächst ein wenig Widerstand, ließ sich dann jedoch mit ein wenig Kraftaufwand öffnen. Es war ein wirklich schönes Stück und Sakura konnte nachvollziehen, warum man es nicht wie die anderen Möbel entsorgt hatte.

 

„Warum wohnen die beiden nicht mehr hier?“, erkundigte sie sich.

 

Es überraschte sie, dass Sasuke einen Bruder hatte. Irgendwie hätte sie ihn eher als Einzelkind eingestuft, aus dem einfachen Grund, dass er es scheinbar gewohnt war, immer zu bekommen, was er wollte. Vielleicht war das nur ein Vorurteil, aber sie selbst war auch Einzelkind und konnte nicht leugnen, dass sie manchmal einen richtigen Dickkopf haben konnte.

Naruto zuckte mit den Schultern.

 

„Sie sind in die Stadt gezogen, das ist näher an der Uni dran und so. Außerdem ist das Haus viel zu groß für die beiden.“

 

„Warum haben sie es nicht verkauft?“

 

Die Frage war ihr einfach so rausgerutscht und doch fand Sakura sie berechtigt. In Narutos Gesicht trat eine gewisse Unentschlossenheit und sie hatte das Gefühl, dass er einen Moment lang innerlich hin- und hergerissen war, bevor er schließlich antwortete.

 

„Erinnerungen, schätze ich.“

 

Damit war das Thema für ihn beendet und er widmete sich wieder der Kommode. Eine Zeit lang wühlte er darin herum, bis er endlich gefunden hatte, wonach er suchte. Triumphierend hielt er ihr ein Paar schwarze Einweghandschuhe unter die Nase. Hatten sie etwa doch vor, irgendwo einzubrechen? Wenn Sasuke wirklich von ihr verlangte, etwas Illegales zu tun, würde sie nochmal ein Wörtchen mit ihm reden müssen.

 

„Willst du mir nicht erstmal sagen, was wir vorhaben?“, fragte Sakura zögerlich.

 

Bisher hatte sich noch immer niemand die Mühe gemacht, ihr zu erklären, was sie hier eigentlich sollte. Die Sache mit der Grafikerin glaubte doch kein Mensch.

 

„Pass auf, wir fangen einfach schon mal an und währenddessen erkläre ich dir, worum es geht, einverstanden?“

 

Naruto wedelte wild mit den Handschuhen vor ihrem Gesicht herum und sie seufzte ergeben. Zwar kannte sie ihn noch nicht besonders lange, doch sie wusste schon jetzt, dass es keinen Sinn machte, eine Diskussion mit ihm anzufangen. Sie griff nach den Handschuhen und streifte sie sich über. Dabei kam sie sich vor wie ein Chefarzt, der kurz davor war einen Operationssaal zu betreten, nur dass ihre Handschuhe schwarz waren und nicht grün. Allein die Farbe assoziierte sie schon mit etwas Verbotenem.

 

„Ich werde nichts Illegales machen“, stellte sie vorsichtshalber klar.

 

Naruto sah sie verblüfft an.

 

„Das verlangt auch niemand von dir. Die Handschuhe sind zu deinem Schutz. Die haben eine spezielle Beschichtung, damit die Farbe die Haut nicht angreift. Du solltest dir auch noch einen Überwurf anziehen.“

 

Er reichte ihr einen seltsam aussehenden Plastikoverall, den er ebenfalls aus der Schublade gezogen hatte.

 

„Farbe?“, wiederholte sie.

 

„Wir grundieren als erstes die Kartons und Holzplatten“, er deutete auf den Stapel in der Mitte des Raumes. „Hast du sowas schon mal gemacht?“

 

Sakura nickte abgehackt. Sie war ziemlich perplex darüber, dass es hier tatsächlich nur darum ging, etwas zu malen. Fast kam sie sich ein wenig doof vor, weil sie ihm unterstellt hatte, irgendetwas Illegales geplant zu haben.

 

Naruto reichte ihr noch eine Atemschutzmaske und verschwand dann aus dem Raum, nur um kurz darauf mit den Farben zurückzukommen. Sakura hatte in der Zwischenzeit vorsichtshalber zusätzlich das Fenster geöffnet. Es war nie ratsam in einem geschlossenen Raum für längere Zeit mit aggressiven Farben zu arbeiten. Der Fensterrahmen war genau wie der Rest des Zimmers sehr sorgfältig abgeklebt worden und doch konnte sie einige Farbspritzer erkennen, wenn sie genau hinsah.

 

Die beiden setzten sich auf den Boden und begannen damit, die erste weiße Farbschicht auf die Kartons aufzutragen. Die Atemmasken schützten sie dabei vor dem beißenden Geruch des Lacks und die Plastikoveralls verhinderten, dass ihre Klamotten schmutzig wurden. Sie kam sich ziemlich lächerlich darin vor, aber mit einem Blick auf Naruto stellte sie fest, dass er auch nicht viel besser aussah. Konzentriert hatte er die Augen verengt und biss sich auf die Zunge, die zwischen seinen Lippen hervorspitzte, während er sorgfältig die Farbe auftrug.

 

„Wofür machen wir das eigentlich?“, erkundigte sie sich.

 

Durch die Maske klangen ihre Stimmen seltsam dumpf. Er hielt einen Moment lang inne und setzte dann eine gewichtige Miene auf.

 

„Also Folgendes“, begann er. „Ich darf dir leider nicht alles sagen, aber es geht gewissermaßen um unseren Lieferanten. Er unterzieht uns jedes Jahr einer… Prüfung.“ Zufrieden mit seiner Wortwahl nickte er bestätigend. „Wir müssen zeigen, dass wir in der Lage sind, sein Produkt bestmöglich an den Mann zu bringen, weil er danach sein Kontiment einteilt.“

 

Unwillkürlich musste Sakura schmunzeln. Offenbar wollte Naruto sie beeindrucken, indem er mit wirtschaftlichen Fachbegriffen um sich warf und verrannte sich dabei gnadenlos.

 

„Kontingent meinst du“, schlug sie ihm lächelnd vor.

 

Die Art und Weise, wie er versuchte ihr zu erklären, was der Sinn und Zweck der Aktion war, wirkte erfrischend unbeholfen. Seltsamerweise fand sie es immer weniger schlimm, mit ihm Zeit zu verbringen und er war definitiv ein sympathischerer Zeitgenosse als Suigetsu. Trotzdem hatte sie das Gefühl, dass er um den heißen Brei herumredete, so vage wie er sich die ganze Zeit über äußerte. Er verbarg etwas.

 

„Hab ich doch gesagt“, behauptete er. „Auf jeden Fall geht es dabei um Marktanteile und so einen Kram, frag mich nicht, das ist eher Sasukes Ding. Ich bin für ihn im Verkauf tätig.“

 

Sakura speicherte das Gesagte sofort ab. Die kleinen Informations-Bröckchen, die er ihr zuwarf, könnten noch einmal wichtig werden.

 

„Aber was hab ich damit zu tun?“, hakte sie noch einmal nach.

 

„Also, wie gesagt, demnächst steht wieder eine Prüfung an und unser Lieferant möchte sehen, ob wir in der Lage sind, uns in verschiedenen Bereichen gegen die Konkurrenz durchzusetzen. Unser ehemaliger Grafiker ist leider… nicht mehr verfügbar. Das kam ein bisschen überraschend, deswegen haben wir schnell einen Ersatz gebraucht. Und das bist du. Ich bin dafür zuständig, dich für die Prüfung fit zu machen, zumindest in der Anfangsphase“, seine Stimme wurde zum Ende hin immer schneller und Sakura hatte Mühe ihm zu folgen.

 

Also ging es darum, dass Sakura für Sasuke an einer Prüfung teilnehmen sollte, um seinen Lieferanten davon zu überzeugen, dass seine Organisation wettbewerbsfähig war. Und er hatte sie nur ausgewählt, weil ihr Vorgänger plötzlich aus irgendwelchen Gründen nicht mehr antreten konnte. Das bedeutete, dass er gewissermaßen von ihrer Leistung abhängig war. Nicht nur er hatte ein Druckmittel gegen sie. Sie schätzte ihn jedoch nicht wie jemanden ein, der freiwillig die Kontrolle über etwas abgab, insbesondere wenn es sich um etwas so Entscheidendes wie diese Prüfung handelte. Vermutlich hatte er aus irgendeinem Grund keine andere Wahl.

 

„Warum macht er denn die Prüfung nicht selbst?“, fragte sie ein wenig schadenfroh. „Sag bloß, der ach so tolle Kommunikationsdesign-Student ist zu uninspiriert.“

 

„Ist er nicht.“

 

Sakura fuhr erschrocken herum. Diese dunkle, melodische und gleichzeitig autoritäre Stimme hätte sie unter tausenden wiedererkannt. Sasuke stand im Türrahmen, den Unterarm lässig auf der Türklinke abgestützt und sah sie mit einem stechenden Blick von oben herab an, der ihr das Blut in den Adern gefrieren ließ.

 


Nachwort zu diesem Kapitel:
Hier also das neue Kapitel von Imperativ, ich hoffe es hat euch gefallen.
Ich werde mich ab jetzt mal an einem wöchentlichen Upload-Rhythmus versuchen,
aber versprechen kann ich leider nichts, weil bald wieder die Uni losgeht ;)
Jedenfalls würde ich mich riesig über Feedback freuen, wenn euch das Kapitel gefallen hat
und natürlich auch, falls ihr gerne Kritik loswerden wollt.

Einen guten Start in die Woche und herzliche Grüße
-Zerschmetterling- Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (6)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Xiaolie
2015-10-30T23:10:14+00:00 31.10.2015 00:10
Würde mal sagen "Erwischt! ".😟
Scheibe gelaufen Sakura. 😓
Antwort von:  -Zerschmetterling-
31.10.2015 11:27
Es hätte sicher besser laufen können,
aber Sasuke hat einfach ein Talent,
immer im richtigen/falschen Moment aufzutauchen. ;)
Vielen Dank für dein Feedback und
Herzliche Grüße
-Zerschmetterling-
Von:  Manga3
2015-10-07T18:58:24+00:00 07.10.2015 20:58
Hey,
ich bin gerade auf deine FF gestoßen und finde sie unglaublich gut geschrieben! Die Charaktere und die Storyline gefällen mir sehr gut. Aber du hast an einer fiesen Stelle aufgehört :D ich freue schon aufs nächste Kapitel!
LG, Manga3 x
Antwort von:  -Zerschmetterling-
07.10.2015 23:02
Herzlichen Dank für deine lieben Worte :)
Es freut mich sehr, dass dir Story und Charaktere gefallen.
Ich muss zugeben, die Stelle war vielleicht etwas fies,
aber ich versuche bald das nächste Kapitel hochzuladen. ;)
Herzliche Grüße
-Zerschmetterling-
Von:  Kleines-Engelschen
2015-10-06T20:21:15+00:00 06.10.2015 22:21
ein tolles kapitel, ich bin gespannt was als nächstes passiert. weiter so!

greetz
Antwort von:  -Zerschmetterling-
06.10.2015 22:27
Vielen Dank :)
Ich werde mir Mühe geben.
Herzliche Grüße
-Zerschmetterling-
Von:  bella1234
2015-10-06T18:21:30+00:00 06.10.2015 20:21
Yeey endlich, super tolles Kapitel 😁
Antwort von:  -Zerschmetterling-
06.10.2015 20:23
Dankeschön :)
Ich versuche, euch nicht zu lange warten zu lassen ;)
Herzliche Grüße
-Zerschmetterling-
Von:  Sasu1988
2015-10-06T16:53:49+00:00 06.10.2015 18:53
Sehr gutes Kapitel👍ich finde die Geschichte wird immer interessanter 😉mich interessiert jetzt jedenfalls was das für ne organisierung ist bestimmt akatzuki?^-^naja ich freu mich schon auf das nächste Kapitel
Lg Sasu 🐉 😊
Antwort von:  -Zerschmetterling-
06.10.2015 19:16
Vielen Dank :)
Freut mich, dass ich die Spannung noch steigern konnte.
Akatsuki werden auf jeden Fall eine Rolle spielen,
welche wird noch nicht verraten ;)
Herzliche Grüße
-Zerschmetterling-
Von:  fahnm
2015-10-06T12:56:37+00:00 06.10.2015 14:56
Spitzen Kapitel
Antwort von:  -Zerschmetterling-
06.10.2015 15:09
Danke dir und freut mich, dass es dir gefällt.
Herzliche Grüße
-Zerschmetterling-


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