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Warum erwachsen werden

von

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Kapitel 17

Seit einer gefühlten Ewigkeit trottete Peter hinter Hook her. Die anderen Piraten hatten sie schon längst überholt, so dass Hook als Anführer voran ging. In seiner Hand hielt er ein altes Pergament, das auf einem Stück Stoff befestigt worden war. Gelegentlich blickte Hook darauf, wenn er an einer Kreuzung ankam. Sie liefen durch dichten Wald. Peter kannte dieses Gebiet und wusste, dass es Indianer-Territorium war. Hinter jedem Baum konnte eine Rothaut lauern und nach ihren Skalpen trachten. Da spielte es keine Rolle, ob es sich um einen Piraten oder einen verlorenen Jungen handelte. Wäre er bewaffnet und von den Fesseln befreit, würde er sich in dieser Ecke Nimmerlands wohler fühlen, doch da die Gegebenheit nicht vorhanden war, konzentrierte er sich darauf, Hooks Rücken anzustarren, so als könnte er ihn mit seinen Blicken aufspießen.
 

Ihre Gangart war inzwischen langsamer geworden. Nun, es lag nicht an Peter, sondern eher daran, dass die Piraten ihr anfänglich sehr strammes Tempo nicht hatten halten können. Insgeheim amüsierte sich Peter sogar darüber, denn er hatte von Anfang an geahnt, dass die Piraten konditionell schwächer waren als er. Gleichwohl seine schlechte Laune immer noch anhielt, was angesichts des breiten Männerrückens vor ihm, auch nicht verwunderlich war, ging es ihm eigentlich ganz gut. Obwohl weiterhin gefesselt und angeleint, gewann er mit jedem Schritt Kraft und Energie durch die Insel. Nimmerland und er hatten eine ganz besondere Bindung. Es war fast so, als gehörten sie nach all den langen Jahren zusammen wie eine Symbiose.
 

Die Vögel sangen Lieder, die Peter zwar nur lückenhaft verstand, weil die Sprache der Vögel so verschieden zu der seinen war, aber er hörte den Mut und die Zuversicht heraus, die sie ihm zusprechen wollten. Auf merkwürdig rührselige Weise war er ihnen hierfür dankbar, auch wenn er ihnen den Dank nicht sagen konnte, da sie seine Sprache ebenso wenig verstehen würden. Doch hier und da, wenn er einen Vogel auf den Ästen sitzen sah, nickte er ihm dankend zu.
 

Die Strecke, welche Hook bisher ging, war leicht zu gehen, denn sie folgten alten, längst verlassenen Pfaden. Auf diese Art konnte Peter seine Gedanken schweifen lassen und ohne große Verwunderung drehten sich diese um den Mann vor ihm, dessen roter Kapitänsrock ähnlich auf Peter wirkte wie ein rotes Tuch auf einen Stier. Im Gegensatz zu einem Stier jedoch, konnte Peter sich gerade noch beherrschen und wartete auf seine Gelegenheit, Hook alles heimzuzahlen. Bald würden sie eine Pause machen, dessen war er sich sehr sicher. Die Piraten stöhnten und jammerten schon eine ganze Weile. Sie hatten Durst, Hunger und ihre Füße schmerzten. Bisher hatte Hook dieses nervige Verhalten seiner Männer ignoriert, doch Peter bemerkte, dass auch Hook bald soweit war, dass er eine Rast brauchte. Die Schritte des Kapitäns wurden allmählich kleiner, langsamer und Peter konnte in Hooks Nacken die Schweißtropfen sehen, da er sich sein dichtes Haar mit einem purpurnen Band zu einem Zopf gebunden hatte. Nun, auch Peter hätte gerne gerastet, wenngleich er die Hitze und die schwüle Luft des Nimmerwaldes besser wegsteckte. Das viele Laufen war auch für ihn ungewohnt, da er viel lieber flog, doch ohne Feenstaub war dies vorerst nicht möglich.
 

Als hätte Hook seine Gedanken erraten, hielt er plötzlich an, so dass Peter, der noch immer mental versunken war, beinahe in ihn hineingelaufen wäre.

„Männer, halt!“, rief der Kapitän. „Wir rasten hier.“

Unverzüglich kam Smee angelaufen. „Wie lange bleiben wir hier?“

„Bis die Sonne bei diesem Baum angelangt ist“, meinte Hook und deutete auf einen der Bäume, durch die etwas Sonnenlicht hineinfiel. Peter wusste, weshalb Hook auf diese Art die Zeit maß. Er hatte keine Uhr. Kein Pirat hatte eine Uhr. Nicht seit der Sache mit dem Krokodil. Unwillkürlich musste Peter grinsen. Wahrscheinlich würde das Krokodil ihnen schon längst folgen. Auf das Meer traute sich das Ungetüm nicht, doch hier an Land war es Zuhause und hier fand es Hook immer.
 

Der Schiffskoch kam angerannt und brachte Hook einen Trinkbeutel mit klarem Wasser, ein Stück feinsten Brotes und einen Viertelleib Käse. Peter lief bei diesem Anblick das Wasser im Mund zusammen. Auch er hatte Hunger, doch falls er glaube, dass man ihm ebenfalls etwas zum Essen brachte, dann täuschte er sich. Doch da Peter die Magie Nimmerlands wieder fühlte, zuckte er lediglich mit den Schultern, ehe er sich auf den Waldboden setzte, die Augen schloss und an ein herrliches, warmes Brathähnchen dachte. Schon bevor er die Augen wieder öffnete, konnte er das frisch gebackene Huhn riechen. Unter den erstaunten Blicken der Piraten und des stechenden Hooks biss er genüsslich in einen Hähnchenschenkel, was etwas ungeschickt wirkte, da er ja Fesseln trug, doch dies störte ihn nicht. Peter bedauerte nur die Tatsache, dass er sich keine Waffe wünschen konnte.
 

„Wie hast du das gemacht?“, wurde er gefragt. Ein Pirat mit verfaulten Zähnen, Dreck im Gesicht und einer hässlichen Narbe quer über seine Wange hatte sich an ihn herangewagt.

„Das geht dich nichts an“, sagte Peter einfach.

„Gib es mir!“, befahl er und ehe Peter sich versah, hatte der Pirat ihm das Hähnchen aus der Hand gerissen. Widerlich gierig machte sich der Pirat über das Huhn her, was auch die andern Piraten aufmerksam machte. Finster dreinschauend stellte sich Peter einen Schweinebraten vor und kurz darauf lag dieser auch schon vor ihm und genau das war sein Fehler. Angesichts der Leckereien vergaßen die Piraten ihre Furcht vor ihm und drängten sich jetzt alle vor ihn. Sie riefen ihm Dinge zu, die er herbei zaubern sollte, doch da Peter sich weigerte, zogen und zerrten sie an ihm, mit ihren dreckigen Fingern. Er versuchte sich zu wehren, trat und schlug nach ihnen, so gut es ging, biss zwei von ihnen sogar in die Arme, doch erst als ein Schuss ertönte, hielten sie inne.
 

„Nehmt eure Finger von Pan!“ Hooks Befehl war kalt und drohend. Unwillig ging die Piratenmeute auseinander. Natürlich nicht, ohne Peter auch den Schweinebraten zu klauen.

„Ihr lasst Pan gefälligst in Ruhe.“ Die Stimme des Piraten grollte wie der Donner nach einem Blitz. Sie war tief und dunkel, so hatte Peter ihn noch nie gehört und irgendwie verursachte dieser Tonfall ein merkwürdiges Ziehen in seinen Eingeweiden.

„Aber warum, Kapitän?“, traute sich ein Todesmutiger zu rufen.

„Weil ich Pan noch brauche. Ist das klar!?“ Hart, unmissverständlich, so wirkte Hook gerade. All seine Autorität, die er über das Piratenpack hatte, kam zum Vorschein. Peter verdrängte ab und an, dass dieser Mann ein Anführer war, einer, zu dem andere aufsahen, denn Peter konnte Anführer nicht ausstehen, obwohl er selbst einer war.

„Aye, Kapitän“, murmelte die Menge.

„Gut, denn ich werde mich kein weiteres Mal wiederholen. Der Nächste, der meine Anweisungen missachtet, wird aufgeknüpft.“

„Aye.“
 

Damit wandte sich Hook Peter zu, der sich von dem Schreck inzwischen erholt hatte.

„Und du! Du hörst mit deiner Magie auf. Iss gefälligst das“, sagte Hook und warf Peter Brot und Käse in den Schoss. Erst danach beugte Hook sich zu Peter vor und sprach ihm leise ins Ohr. „Ich mag zwar ihr Kapitän sein, aber wie soll ich ihnen erklären, dass der Gefangene besseres Essen bekommt als sie? Wenn du nicht möchtest, dass sie über dich herfallen, hör gefälligst auf mich. Irgendwann kommt der Punkt, da kann ich dich vor der Meute nicht mehr beschützen.“

„Wenn du meine Hände losbinden würdest, bräuchte ich deinen Schutz nicht“, zischte Peter zurück.

„Würde ich dies tun, dann würdest du wegrennen wie ein Kaninchen vor der Schlange.“

„Gib mir eine Waffe und ich beweise dir das Gegenteil!“, entgegnete Peter und ihre Blicken trafen sich zu einem mentalen Duell.

„Ich glaube dir sogar, dass du das denkst. Aber sei ehrlich, wie willst du ohne Feenstaub gegen mich kämpfen? In der Luft magst du geschickt sein, doch hier am Boden bist du nichts als ein Kind. Du könntest mich niemals besiegen.“

„Ich werde wieder fliegen.“

„Vielleicht, doch bis es soweit ist, gehörst du mir. Und jetzt iss gefälligst. Unsere Rast ist in Kürze vorbei und wir haben noch einen langen Weg vor uns.“
 

Tatsächlich tat Peter wie ihm geheißen und er riss trotzig mit den Zähnen ein Stück von dem Brot ab. Hook lächelte ihn gezwungen an, setzte sich auf seinen Platz zurück und ließ sich neuen Käse und Brot bringen. Die restliche Ruhepause verlief ohne besondere Vorkommnisse und als sie endlich weitergingen, war Peter wachsamer als gewöhnlich. Er behielt die Piraten stets im Augenwinkel und ließ seine Sinne trotzdem noch durch den Wald wandern, denn er spürte, dass sie nicht alleine waren. Auch wenn er mit den Augen kein Anzeichen der Indianer erkennen konnte, so wusste er doch, dass sie da waren. Hook selbst schien, im Gegensatz zu seinen Männern, ihre Gegenwart auch zu wittern, denn auch er war stets wachsam. Doch beide, weder Peter noch Hook, konnten zu diesem Zeitpunkt das Ausmaß des Chaos abschätzen, welches in der Nacht über sie hereinbrechen würde.
 

Fortsetzung folgt…



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Sky-
2015-05-05T09:01:08+00:00 05.05.2015 11:01
Na das ist ja gerade noch mal gut gegangen. Wenn Hook nicht dazwischengegangen wäre, dann hätte die Meute den armen Peter noch auseinandergenommen.


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