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Sumus Non Dei: Wir sind keine Götter

Linkin Park im Jahre 2027
von

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Silberne Funken

Silberne Funken
 

Wie begann man ein Gespräch mit einem Fremden? Einem Mann, der sich als Straßenmusiker durchschlug? Der, nachdem er seine Gitarre unter den Arm geklemmt und das verdiente Geld - auch, wenn es nicht viel war - aufgesammelt hatte, mit hektischen Schritten gehen wollte?

Ich hatte keine Ahnung, doch mein Entschluss stand fest und mein Wille setzte sich gegen die Angst, albern dazustehen, durch.

Also folgte ich dem Mann, dessen Alter ich nicht schätzen konnte, da er etwas Zeitloses an sich hatte. Vielleicht war er 20, vielleicht 40? Beides schien möglich zu sein. Seine Brille verbarg seine Gesichtszüge, machte ihn fast unsichtbar. Seine unscheinbare Kleidung ließ ihn in zwischen den anderen Menschen verschwinden, verblassen. Sein schneller Gang brachte rasch Abstand zwischen ihn und seine Bewunderer. Nur einer ließ sich nicht abschütteln.
 

Auch meine Geschwindigkeit beschleunigte sich, ich erhöhte die Frequenz meiner Schritte.

Der schlanke Sänger steuerte auf einen einfahrenden Zug zu, wartete ungeduldig darauf, dass sich die Türen öffneten. Ich hielt mich noch ein wenig zurück, wollte nicht zu aufdringlich erscheinen. Doch die Mühe hatte ich mir auch sparen können, der Mann sah weder nach links noch nach rechts und schien auch nicht zu bemerken, dass ihm jemand hinterher lief.

Als er in den silbrig glänzenden Zug einstieg, hatte ich eine schnelle Entscheidung zu treffen. Wollte ich ihm tatsächlich hinterher in den Zug steigen, der womöglich dorthin fuhr, wo ich überhaupt nicht hin wollte? Sollte ich meinen eigentlichen Tagesplan deswegen verwerfen? Immerhin hatte ich mit meiner Mutter versprochen, vorbeizukommen, und sie wäre sicherlich enttäuscht, wenn ich dieses Versprechen nun nicht einlöste.
 

Andererseits konnte ich auch noch später zu ihr fahren, der Tag war lang und diesen ausdrucksstarken Sänger würde ich sonst vielleicht nie wieder sehen und hören. Dann hätte ich meine Chance, mit ihm zu sprechen, vertan.

Eilig überflog ich meine Möglichkeiten, wägte ab und entschied mich dazu, ein wenig mit dem Zug zu fahren. Ich kannte das Ziel zwar nicht, aber zurückfahren würde ich immer können. Überall hingen Pläne und meine Universalkarte galt den ganzen Tag lang.
 

Als sich die automatischen Glastüren hinter uns schlossen, wagte ich es, ihn anzusprechen. Da mir nichts Besseres einfiel, sprach ich das Erstbeste aus, was mir durch den Kopf ging, keine Gedanken daran verschwendend, ob das ein guter Start für ein Gespräch war. Vielleicht hätte ich das tun sollen.
 

„Ich habe Ihnen vorhin zugehört. Sie haben wirklich eine außergewöhnliche Stimme. Die Performance hatte was. Würde aber besser klingen, wenn Sie ihre Gitarre stimmen würden.“

„Was?“, kam es vom Angeredeten, der sich zu mir herumdrehte und genauer musterte. Sein Gesichtsausdruck wurde missbilligend, als sein Blick an mit herunter und wieder hochfuhr.

Seine braunen Augen bohrten sich geradezu in meine, ich konnte einen leichten Anflug von Aggression in ihnen erkennen.
 

Ich ließ mich davon nicht beeinflussen, ruhig und um Freundlichkeit bemüht, wiederholte ich das soeben Gesagte.

Allerdings erreichte ich bei dem Sänger keinerlei Sympathie, im Gegenteil, mir schlug noch mehr Aggressivität entgegen. Ich wankte ein wenig, als ich diese blitzenden Augen sah, als ich die Wut in ihnen wahrnahm. Warum war dieser Mann nur so verärgert, ohne Grund? Eben noch hatte er über eine solche Ausstrahlung verfügt, mit seiner Stimme die Menschen in einen Bann gezogen. Und nun schien dieser Zauber komplett verflogen zu sein, die kaschierende Schönheit seiner Musik war verstummt und dahinter entdeckte ich nichts Besonderes mehr. Ganz im Gegenteil, sein Verhalten verstärkte eher den negativen Eindruck, den ich von ihm bekam. Ich konnte ihn nicht verstehen…
 

„Ach, bloß weil du verdammter Opti so super Ohren hast, bilde dir ja nicht ein, was von Musik zu verstehen! Dazu braucht man eine Seele und die hast du Maschine nicht!“, fauchte er mir streitlustig zu.
 

Ich trat reflexartig einen Schritt zurück, stand damit an der Wand des Wagons. Der heftige Kommentar hatte mir einiges klar werden lassen. Der vor Hass sprühende Punk war ohne Zweifel Anhänger dieser Untergrundbewegung, die sämtliche Technik verteufelten und darauf verzichteten, wo es nur möglich war.

Diese Bewegung hatte vor allem in letzter Zeit in Detroit viel Zulauf erhalten, seit sich mit dem Firmensitz von Sarif Industries ein Feind manifestiert hatte, den man angreifen konnte. Den Augmentierungen - technische Verbesserungen am Menschen - wurden von dieser Gruppe am krassesten abgelehnt.
 

Und so ließ das Schimpfwort, mit dem mich der Mann bedacht hatte - Opti für optimierten Menschen - auf eine Verbindung zu dieser Szene schließen. Es war dort ein gebräuchliches Wort, soweit ich gehört hatte.
 

Dass er mich selber so bezeichnete, verletzte mich schon ein wenig, gehörte ich doch nicht zu den Menschen, die augmentiert waren. Wie kam er überhaupt darauf? Ich sah doch ganz normal aus, nichts an mir deutete auf Reichtum hin. Bloß weil ich bemerkt hatte, dass seine Gitarre nicht gestimmt war? Das wäre doch jedem musikalischen Menschen aufgefallen, oder nicht? Waren meine Ohren besonders auf Musik getrimmt, so dass es nur mir aufgefallen war, dem Berufsmusiker? Wahrscheinlich.
 

Doch der Sänger konnte das nicht wissen, er nahm an, meine technischen Verbesserungen, Implantate und Neuroprozessoren hätten mir dies gemeldet. Die Fehler der Kunst korrigiert durch die Technik.

Allerdings lag er mit dieser Annahme falsch, ja, sie war sogar recht an den Haaren herbeigezogen. Reagierte er immer so aggressiv auf Kritik oder nutze er einfach jede Chance, seine technikfeindliche Meinung raus zu lassen?

Und dann duzte er mich sogleich, ungeachtet meiner höflichen Anrede. Er zeigte nicht die Spur von auch nur einer geringen Menge an Respekt.
 

„Ich brauche keine Augmentierungen, um schiefe Töne zu erkennen. Da reicht auch ein Studium an einer Musikhochschule. Und zusätzlich spiele ich auch Gitarre und kenne ihren Klang“, meinte ich leicht indigniert. Der Sänger hielt kurz inne, Unsicherheit flackerte über sein Gesicht, doch dann machte sich wieder diese mich verurteilende Entschlossenheit darauf breit. Er glaubte mir wohl nicht. Er hielt lieber an seiner Theorie fest, nach der ich ein superreicher augmentierter Mann war, der mithilfe der in seinen Körper eingesetzter Chips seine künstlerisch wertvolle Arbeit kritisierte, von der ich eigentlich überhaupt keine Ahnung haben müsste. Doch wie sollte ich ihn vom Gegenteil überzeugen?
 

Unter normalen Umständen wäre ich vielleicht schon längst umgedreht und hätte diesen vor Hass strotzenden Sänger mit seiner Schwarz-Weiß-Weltanschauung allein gelassen. Aber jetzt hatte mich der Ehrgeiz gepackt, ich konnte diese Erwiderung nicht auf mir sitzen lassen. Ich war kein Opti, mein musikalisches Können rührte von Talent und erworbenen Fähigkeiten her. Und das würde ich dem Sänger auch beweisen. Und vielleicht wollte ich ihm auch beweisen, dass ich MEHR konnte als er, das ich besser war als er mit seiner verstimmten Gitarre. Doch die Stimme in mir, die mir das zuflüsterte, ignorierte ich trotzig.
 

„Soll ich die Gitarre für Sie stimmen und zeigen, dass ich sie spielen kann?“, fragte ich ihn leicht amüsiert. Ich war neugierig, ob er auf mein Angebot eingehen würde. Vielleicht war er ja so verblendet, dass er es nicht tun würde.

Der Sänger beäugte mich misstrauisch, überlegte. Musterte mich mit starrem Blick. Ich bemühte mich darum, mir nicht anmerken zu lassen, dass ich die Skepsis in seinen Augen durchaus bemerkte.
 

„Was bringt dir das?“, wollte er schließlich wissen. Ich zuckte mit den Schultern, hatte ja schon mit Widerstand gerechnet.

„Nichts. Außer ein paar aus der Welt geräumte Vorurteile.“
 

„Und die sind dir so wichtig?“, hakte er nach, noch immer zweifelnd. Seine formlose Anrede störte und irritierte mich immer noch ein wenig. Auch wenn es in die Mode gekommen war, alle Menschen, die man näher kannte, zu duzen, hielt ich es für unhöflich, einen Wildfremden so anzupöbeln. Doch vermutlich legte der Mann nicht so viel Wert auf gutes Benehmen. Ich kam mir in diesem Aspekt sowieso fast wie der Vertreter einer ausgestorbenen Rasse vor. Natürlich duzte ich die Menschen, mit denen ich zusammenarbeitete oder mit denen ich befreundet war. Doch bei Fremden würde ich das nicht machen. Das war auch der Grund, warum ich bei Ricks häufig wechselnden Assistenten bisher immer bei der förmlichen Anrede geblieben war.
 

„Ja. Ich kann Vorurteile nicht ausstehen.“ Meine Stimme klang kalt, stahlhart. Ich ließ keinen Zweifel an meiner Glaubwürdigkeit aufkommen, dazu war mit das Thema zu ernst. Zu viele Erfahrungen hatte ich diesbezüglich schon machen müssen.
 

Der Sänger ließ sich wenigstens ein bisschen davon beeindrucken, wechselte einen unsicheren Blick mit mir, ließ aber nicht ab von seiner Fragerei. Sein Misstrauen schien endlos zu sein. Aber ich würde ihn schon noch von mir überzeugen können.
 

„Willst du dir jetzt noch ein paar Gründe dafür ausdenken, wie du mir ins Gesicht spucken und mich fortjagen kannst?“, zürnte ich, jetzt an sein Sprachlevel angepasst, um die Distanz zu verkleinern. Zusätzlich wollte ich ihm zeigen, dass ich auch so Sprechen konnte wie er, wenn ich es wollte. Ich war leicht verbittert. Es gelang mir, dessen ungeachtet, Groll aus meiner Stimme zu verbannen und ließ stattdessen heftigen Sarkasmus mitklingen.
 

Sarkasmus schien die Sprache zu sein, die der argwöhnische Musiker verstehen konnte. Denn sogleich huschte ein leichtes Lächeln über sein Gesicht, das er jedoch weder einfing, kaum das es sich richtig verbreiten konnte. Der zweifelnde Ausdruck kehrte ein weiteres Mal ein, diesmal in abgeschwächter Form.
 

„Mir fallen gerade keine Weiteren ein. Nenn’ du mir doch ein paar.“

Das Ganze kippte plötzlich zugunsten von mir in die Richtung einer Schauspielshow. Der unbekannte Sänger hatte soeben die Rolle gewechselt, jetzt lag es an mir, sie ihm abzukaufen und auf ihn zu reagieren. Und ich reagierte, ich spielte sein Spiel mit - teilweise aus Amüsement.
 

„Ich würde zumindest noch hervorbringen, dass ich einem Kerl, von dem ich noch nicht mal den Namen kenne, meine Gitarre niemals anvertrauen würde“, grinste ich leicht, hoffte, dass ich damit die Wirkung meines schlechten Schauspiels nicht sogleich wieder zerstörte.
 

Doch der Sänger taute bei diesen Worten merklich auf, seine angespannte Haltung lockerte sich, er hielt mir seine Hand hin und stellte sich vor: „Na schön, ich bin Chester.“

„Freut mich.“ Ich ergriff seine warme, blasse Hand, drückte sie kurz und kräftig. Und ich freute mich wirklich, erkannte ich doch jetzt zumindest zum Teil wieder diese besondere Ausstrahlung, die der Sänger nur gezeigt hatte, als er seine Gitarre spielend und singend seine Botschaft, seine Gefühle in der Unterführung erschallen lassen hatte.
 

„Ich bin Mike.“ Erneutes Grinsen von meiner Seite. Ich hatte nicht vor, ihm meinen vollen Namen zu offenbaren, wenn er seinen nicht ebenfalls nannte. Und so würde es halt bei Mike und Chester bleiben. Das störte nicht. Sogar das ‚Du’ passte mir jetzt.
 

„Und? Ein kleines Ständchen gefällig?“, kam ich auf das Hauptproblem zurück, spürbar besser gelaunt. Den Tiefpunkt des Gesprächs hatte ich überwunden.
 

Ein letzter warnender Blick. „Wehe, du fasst meine Gitarre auch nur falsch an!“, und er gab mir das gute Stück.
 

Eine Akustikgitarre der einfachsten Art. Sehr billig zu bekommen, ich besaß bedeutend Wertvollere. Aber ein gutes, solides Instrument, das ich schnell ordentlich stimmen konnte. Auch wenn es bei der Geräuschkulisse etwas schwerer werden würde. Wir waren nun mal nicht allein im Zug, dessen Motorgeräusch leise und dumpf dröhnte. Im Nachbarabteil saßen ungefähr ein halbes Dutzend Menschen unterschiedlichen Alters, die uns allerdings nicht erfassten. Doch auch in unserem Abteil befanden sich noch drei weitere Personen. Ein schlafender Mann, eine in ein E-Book vertiefte Frau sowie ein älterer Mann, der uns aufmerksam betrachtete. Unser Gespräch schien eine willkommene Abwechslung zu der aufziehenden Dunkelheit, die er auf der anderen Seite der sich durch das Abteil durchziehenden Zugfenster erkennen konnte.
 

„Etwa hier? Im Zug?“, fragte ich etwas verunsichert.

„Natürlich. Warum nicht? Hast du Angst, du verspielst dich und es wird peinlich?“, kam die hämische Erwiderung von Chester.

Jetzt hätte ich natürlich fies sein und im kontra geben können, doch würde ich ihn damit bestimmt wieder verscheuchen, also schwieg ich und begann, die Gitarre zu stimmen, während ich mein PDA zu Hilfe nahm, um die richtigen Töne erklingen zu lassen und die Saiten darauf einzustimmen.
 

Diese nützliche Funktion in dem kleinen Minicomputer in Handflächengröße hatte mir Joe irgendwie einprogrammiert. Wie er das hinbekommen hatte, war mir nebulös, vermutlich hatte er ein mir unbekanntes Programm installiert. Doch es funktionierte erstklassig. Auch wenn mich der Sänger schief ansah. Mein PDA mochte er also auch nicht. Seine aggressive Haltung erschien mir immer übertriebender.
 

Doch seine aufziehende schlechte Laune vertrieb ich auf der Stelle wieder.

Ich spielte ein paar Akkorde, versicherte mich, dass die Gitarre jetzt harmonisch klang und zupfte dann die Saiten, zog die Akkorde auseinander, spielte in Arpeggien. Ordnete sie zum Intro eines berühmten Liedes an, das Ende des letzten Jahrhunderts komponiert worden war. Ein wahrer Jahrtausendsong. Von einer ebenfalls namenhaften Band, die sogar jetzt noch Vielen geläufig war. Natürlich kannte Chester den Song. Es hätte mich auch wirklich stark gewundert, wenn nicht.
 

Das Lächeln und Funkeln in seinen Augen registrierend, ließ ich den letzten aufgelösten Akkord ausklingen und wählte dann instinktiv einen der Songs aus, an denen ich erst vor kurzem gearbeitet hatte, schlug in die Saiten und begann, mit leiser Stimme zu singen.
 

„Standing alone with no direction

How did I fall so far behind?

Why am I searching for perfection?

Knowing it’s something I won’t find“
 

Der Song hatte einen recht einprägsamen Rhythmus und ich ertappte Chester dabei, wie er im Takt mitnickte. Ein Lächeln stahl sich auf meine Lippen, als ich es wahrnahm. Meine Unsicherheit, die mich dazu bewogen hatte, relativ leise zu spielen, verringerte sich, ich gewann an neuen Erfahrungen, die mir gefielen. Chester schien den Song bisher nicht allzu schlecht zu finden, und er würde seine Meinung über mich garantiert sehr, sehr schnell ändern, wenn ich ihm eröffnen würde, dass der Song aus meiner Feder stammte.
 

Im Pre-Chorus gab ich dann alles. Ich war mir der emotionalen Wirkung dieser Stelle bewusst, deshalb steigerte ich die Lautstärke meiner Stimme, um einen maximalen Effekt zu erzielen. Tatsächlich wandelte sich Chesters Gesichtsausdruck nun völlig, er schaute mich interessiert an, beobachtete mein Spielen und Singen. Auch zwei weitere von den anwesenden Personen hörten mir zu.
 

“In my fear and flaws

I let myself down again

All because”
 

Der Refrain bestand zum Teil aus sehr lange ausgehaltenen Tönen, über die sich Mark in meinen Songs immer aufgeregt hatte und sie bei Konzerten verkürzte. Mich störten sie nicht, ich hatte genug Puste, um sie vollenden zu können. Und so schlug ich in die Saiten, vergaß die Zuschauer, die schon aus dem Nachbarabteil zu uns herüber schauten, vergaß Chester, der mich zufrieden beobachtete und den Rhythmus mit seinen zerfetzten Chucks mit klopfte. Vergaß alles, außer meiner Stimme und der Gitarre.
 

“I run

‘Til the silence splits me open

I run

‘Til it puts me underground

‘Til I have no breath

And no roads left but one”
 

In der zweiten Strophe veränderten sie die Akkorde ein wenig, doch jetzt hatte ich jede Scheu abgelegt, es fühlte sich sogar sehr gut an, einfach loszuspielen und zu singen. Und so steigerte ich meine Stimme nochmals in Lautstärke, um den dritten Refrain und die sich anschließende Bridge scharf vom darauf folgenden, leisen und dürftiger begleiteten vierten, abzusetzen.
 

Ein hartes Crescendo der Gitarre beendete den Song, beendete meinen Flug, mein Vergessen in die Musik. Ich landete wieder im Zug, in der Wirklichkeit. Neben dem Sänger mit den euphorisch leuchtenden Augen, der ein begeistertes „wow“ hören ließ.
 

„Das war wahnsinnig gut. Fantastisch. Hätte ich dir gar nicht zugetraut. Was war das für ein Song, den habe ich noch nie gehört.“
 

„Ähm…“, druckste ich herum, reichte ihm seine Gitarre und bemerkte jetzt erst die Leute, die um uns standen und mich auffordernd ansahen. Wo kamen die den alle her? Etwa aus dem Nachbarabteil? Hatte mein kleines Ständchen sie angelockt? So außergewöhnlich war das doch nun auch nicht, es spielten doch öfter Musiker im Zug um sich ein wenig Geld zu verdienen. Und dann gab es selten so einen Ansturm, die Menschen waren gewöhnt und Alltägliches rief keine besondere Aufmerksamkeit mehr hervor.
 

Was war an meinem simplen Spiel so anders? Dass der Song als ein ‚No Regrets’ Song erkannt worden war, konnte nicht sein, denn er war nie von der Band veröffentlicht worden. Was war es also?
 

„Den Song habe ich selber geschriebnen. Ich arbeite… als Komponist und Texter bei Machine Shop.“
 

„Aha. Und für wen schreibst du deine Songs?“, bohrte Chester weiter.

„Für verschiedene Bands. Je nach dem. Das war mal für ‚No Regrets’, kam aber nie auf ein Album“, erklärte ich, etwas außer Atem. Vom Singen? Konnte eigentlich nicht sein. Angestrengt versuchte ich, meinen Atem unter Kontrolle zu bringen, bemühte mich um tiefe, gleichmäßige Atemzüge.
 

„No Regrets? Für die schreibst DU die Songs? Ach du Scheiße…“, entfuhr es Chester, dem beinahe die Kinnlade herunterfiel. Er sah echt perplex aus. Ich hatte meine Arbeit nie als so große Sache gesehen, daher wusste ich nicht, was ich von der Reaktion des Sängers halten sollte.
 

„Ja, ich weiß, du denkst bestimmt, das sind nur so gecastete Nichtskönner, aber da hast du Unrecht. Ich verstehe mich wirklich gut mit ihnen und ich kenne niemanden, der meine Songs besser interpretieren könnte“, verteidigte ich sie, da ich die vorherrschende Meinung über erfolgreiche Bands kannte.

Doch Chester wollte gar nicht darauf aus.
 

„Doch, du! Du solltest sie interpretieren und niemand anderes. Aber darum geht’s doch gar nicht. Oh Mann, es tut mir echt Leid, das ich dich so angeschnauzt habe. Du hattest Recht. Ich hab dich völlig falsch eingeschätzt. Sorry.“ Der Sänger wirkte zerknirscht, genierte sich.

Ich winkte ab, großzügig vergab ich ihm.
 

„Vergiss es. Deine Reaktion war nachvollziehbar. Ich hätte bestimmt ähnlich reagiert.“ Ohne den technikverachtenden Teil, fügte ich in Gedanken an.

„Aber...“ Ein Gedankenblitz zauberte ein Lächeln auf mein Gesicht.
 

„Du könntest mir einen Gefallen tun. Und nebenbei vielleicht ein paar wichtige Leute kennen lernen. Ich bin mir sicher, das könnte dir gefallen. So als Musiker“, erklärte ich verworren. Chester sah mich konfus an.
 

„Na ja, du könntest mal bei Rick Rubin vorsingen. Ich kann dir einen Termin besorgen. ‚No Regrets’ haben höchst wahrscheinlich keinen Sänger mehr und deine Stimme ist wirklich außergewöhnlich, sodass ich mir durchaus vorstellen kann, dass du Marks Part in der Band übernehmen könntest. Also, was sagst du?“
 

„Bist du verrückt?“



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