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Das Vermächtnis des Kain

Vergessene Magie
von

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Halloween

14. Halloween

Harry betrachtete missmutig sein Spiegelbild. Er hatte seinen Wolfshaarmantel, den er inzwischen richtig lieb gewonnen hatte, gegen die Schuluniform tauschen müssen. Zum Glück besaß die ebenfalls eine Kapuze, die er sich tief ins Gesicht gezogen hatte. Die Taschen hatte er magisch vergrößert. Darin befanden sich sein Besen, der Tarnumhang, sein Mantel, der Zauberstab und das kleiner gehexte Terrarium mit Sodom und Gomorrha. Alles, was er brauchen würde, falls er schnell fliehen müsste. Ach ja, und natürlich die Tube mit der Sonnencreme. Die zog Harry jetzt heraus und klatschte sich eine ordentliche Portion ins Gesicht. Solange er nicht direkt in die Sonne blickte, würde ihn das ausreichend schützen. Immerhin waren Hogwarts' Gänge recht dunkel und von den Fenstern konnte man sich fernhalten. So. Jetzt noch die schwarzen Handschuhe angezogen – gut. Er war bereit für das Frühstück.

Harry seufzte schwer. Er wollte eigentlich gar nicht hier, in Hogwarts, sein. In einer Woche war Halloween und Sirius' Prozess. Beziehungsweise Pettigrew´s. Er wollte jetzt bei seinem Paten sein.

Aber Sirius hatte alle Hände voll zu tun, denn die Vorbereitungen für den Einbruch in Askaban liefen auf Hochtouren. Der sollte drei Tage nach Halloween stattfinden, hatte Sirius ihm erzählt. Harry hatte ihn solange bearbeitet, bis der Animagus schließlich widerstrebend zugestimmt hatte, ihn mitzunehmen. Er sollte sich Luca's Truppe anschließen, die die Verstärkung bildete. Das war nicht ganz, was er wollte, aber er konnte auch nicht leugnen, dass er ein wenig erleichtert war, den Dementoren nicht zu nah kommen zu müssen.

Voraussetzung für das Gelingen des Plans war jedoch, dass Sirius nicht verurteilt wurde. Also musste Harry die restliche Zeit in Hogwarts verbringen, so tun als wäre er ein braver Junge und der ganzen Welt zeigen, dass Sirius ihn nicht misshandelt hatte oder so etwas in der Art, während Remus jeden seiner Schritte beobachtete, bereit, ihn bei Sirius zu verpetzen, wenn er nicht spurte. Und das hieß, er musste wieder in den Unterricht.

„Alles klar bei dir, Harry?“

Harry drehte sich nicht um, sondern betrachtete Rons Bild im Spiegel vor sich. Der Rothaarige sah aus, als würde er von ihm erwarten, entweder gleich zusammenzubrechen oder auszurasten und ein paar Möbel zu zerstören. Zu Letzterem hatte er nicht übel Lust. Schlimmer jedoch als Rons Zweifel waren die Gesichter von Dean und Seamus. Die Nachricht, dass Harry ein Vampir war, musste sich seit gestern Abend wie ein Lauffeuer in der ganzen Schule verbreitet haben. Seine beiden Klassenkameraden bemühten sich wirklich, ihn nicht anzustarren, aber jetzt, wo sie glaubten, er würde es nicht sehen, warfen sie ihm Blicke zu, die sie sich normalerweise wohl für Hagrids Haustiere aufgespart hätten. Erstaunlicherweise war es Neville, der die Sache am lockersten nahm. Er behandelte Harry fast wie immer und er spürte regelmäßig eine Welle der Zuneigung für den Jungen.

„Alles klar“, antwortete er Ron.

Harry kreuzte die Arme vor der Brust. Er dämpfte den weißen Schein seiner Haut und den Grünen seiner Augen, bis er fast wieder normal aussah. Das würde ihm einiges an Gestarre ersparen.

Andererseits...Harry runzelte die Stirn. Er musste wieder an Luca denken und fast von selbst ließ er die Tarnung wieder fallen. Etwas mutlos ließ er die Schultern hängen. „Gehen wir.“

In der Großen Halle angekommen, drehten sich sofort alle Köpfe nach ihm um. Alle Gespräche erstarben und Harry fühlte sich wieder wie in seinem zweiten Jahr, als ihn alle für den Erben Slytherins gehalten hatten. Es war nicht besonders angenehm.

Am Gryffindor-Tisch schien irgendwie jeder einen Platz für seinen Freund besetzt zu halten. Nur Hermine winkte ihm verhalten lächelnd zu und Harry setzte sich erleichtert mit Ron zu ihr.

„Ähm, willst du...Willst du Saft... oder so?“, fragte Hermine und man sah ihr an, dass sie sich selbst über ihre dumme Frage ärgerte. Harry lächelte ihr trotzdem zu, wenn auch gezwungen.

„Schon okay. Ich hab alles mit der Küche abgesprochen.“ Er deutete auf einen der goldenen Kelche auf dem Tisch, der sich vor ihren Augen mit einer roten Flüssigkeit füllte. Dean und Seamus starrten den Becher mit einer Mischung aus Entsetzen und Faszination an. Harry nippte kurz daran.

„Ah“, meinte er dann, „Braunbär. Gleich was Herzhaftes zum Frühstück.“ Unter den interessierten Augen seiner Freunde griff er in seine Manteltasche und holte eine winzige Phiole hervor. Er hatte sie bereits in der Nacht gefüllt. Darin befand sich ein einzelner Tropfen von Sodoms Blut, den er jetzt in den Becher gab. Er schwenkte das Ganze ein bisschen und nahm einen tiefen Schluck.

„Meine persönliche Gewürzmischung“, erklärte er auf die fragenden Blicke hin. „Sonst wäre es etwas schwierig, nur von Tieren zu leben.“ Die Luft roch wieder herrlich frisch. Harry nahm noch einen Schluck und lehnte sich zurück, während die anderen aßen.

„Macht dir das nicht aus...Nichts mehr schmecken zu können?“, fragte Ron.

Harry schüttelte den Kopf. „Jedes Tier schmeckt anders. Blut ist ziemlich abwechslungsreich.“

„Äh, tja...Erzähl doch mal, wie schmeckt es denn?“, fragte Hermine zaghaft.

Harry sah zu ihr herüber. Plötzlich war es, als würde er seine Freunde zum ersten Mal sehen. Er ließ sich Zeit mit seiner Antwort und studierte unauffällig die Gesichter der anderen Gryffindors.

Sie hatten Angst.

Sie fühlten sich unwohl in seiner Nähe. Sie waren abgestoßen von seiner Natur und entsetzt, dass er Blut trank.

Natürlich versuchten sie, es zu verbergen. Sie wollten nicht glauben, ihren Freund verloren zu haben. Sie glaubten vielleicht, sie könnten lernen, damit klarzukommen. Aber daran, wie befangen sie in seiner Gegenwart waren, wie sie darauf achteten, ihm nicht zu nahe zu kommen, als hätte er eine ansteckende Krankheit...Wie sie ihn behandelten, wie ein rohes Ei, wie eine Bombe, die jeden Moment hochgehen konnte.

Sie kam ganz plötzlich, die Erkenntnis, brach über ihm zusammen. Er hatte sich zu sehr verändert. Er war nicht mehr der Harry, den sie kannten. Er war nicht mehr ihr Freund.

Er könnte ihnen eine neue Chance geben. Die Chance, einander besser kennenzulernen und darauf hoffen, dass sie ihn noch einmal akzeptieren würden. Aber das würde Zeit brauchen. Viel, viel Zeit. Zeit, die er nicht hatte. Er konnte nicht an ihrer Seite, in Hogwarts bleiben, er konnte nicht sein Leben mit ihnen gemeinsam verbringen. Er gehörte zu den Zwielichtigen. Und egal wie sehr Ron und Hermine ihn behalten wollten, sie würden nicht für sein neues Ich das Licht verlassen.

Als Harry sich zurücklehnte und die Phiole wieder in der Tasche verschwinden ließ, war seine Miene zu einer kühlen, distanzierten Maske erstarrt.

„Das interessiert dich doch nicht wirklich, Hermine“, meinte er zu dem braunhaarigen Mädchen, das beim veränderten Klang seiner Stimme zusammenzuckte. „Du brauchst auch nicht so zu tun als ob. Ich bin kein Idiot, weißt du?“

Ron, Dean und Seamus starrten ihn an. Hermine bekam ihren Mund nicht mehr zu.

Es dauerte ein paar Sekunden, bis sich die beiden in einem Schwall aus Versicherungen ergingen, dass es ihnen wirklich nichts ausmache, was er aß oder trank, dass er ja immer noch Harry war und ihr Freund und es würde alles wie früher sein, er werde schon sehen.

Harry stand wortlos auf und verließ die Große Halle.

Eine halbe Stunde später war er der erste, der in Snapes Kerker saß und auf den Beginn der Stunde wartete. Etwas, dass nicht nur seine Mitschüler, sondern auch den Lehrer regelrecht verdutzte. Aber Harry hatte den Rest des Morgens ungern mit seinen sogenannten Freunden verbringen wollen und heimlich brannte er darauf, die von Cale erlernten Kenntnisse anzuwenden. Trotzdem hielt er sich im Schatten und setzte sich in die hinterste Reihe, zu den Vorratsschränken.

„Ah, der Held der Zaubererwelt beehrt uns auch mal wieder mit seiner Anwesenheit“, höhnte Snape, kaum dass er den Kerker betreten hatte. In der Klasse wurde es mucksmäuschenstill.

„Wollen wir doch mal sehen, was er die ganze Zeit über getrieben hat. Was erhält man, wenn man Aphrodesienkraut mit Ziegenmilch und Greifenblut mischt?“ Hermines Hand flog in die Luft.

Harry entspannte sich. Sein Werwolffreund hatte eine Schwäche für magische Kreaturen aller Art und bei Tränken, die magisches Blut enthielten, hatte Harry immer besonders aufgepasst.

„Sie erhalten ein eine faulig riechende Suppe, Sir. Wenn sie das Ganze aber aufkochen und den Dampf destillieren, können sie einen Zaubertrank herstellen, der der Person, die ihn trinkt, vorübergehend jede Angst vor der Schwerkraft nimmt. Wird manchmal im Quidditch zum Doping verwendet.“

„Womit sie sich anscheinend gut auskennen“, spöttelte Snape, doch sein eines Auge zuckte ärgerlich. „Fünf Punkte Abzug wegen mangelnder Fachsprache, Potter.“

„Welcher Trank eignet sich am besten, um einen Werwolf zu vergiften?“, fragte Snape weiter.

Harry runzelte nun seinerseits ärgerlich die Stirn. Das wusste er ebenfalls – Solom hatte ihm während des Trainings oft von den Säuberungsakionen des Ministeriums erzählt.

„Ich nehme an, es gibt viele Gifte, die einen Werwolf genauso effizient töten wie einen Menschen. Im großen Rahmen wird aber bevorzugt Blaufußessenz verwendet, weil es für normale Zauberer und Hexen ungiftig ist.“ Harry war sich ziemlich sicher, dass keine dieser Fragen zum Schulstoff gehörte.

Snape sah aus, als hätte er in eine Zitrone gebissen.

„Na schön, wie es scheint, hat Potter wenigstens mal einen Blick in den verpassten Stoff geworfen. Wollen wir sehen, ob er auch die Praxis beherrscht.“ Ein Wink seines Zauberstabes ließ einen Haufen Schriftzeichen auf der Tafel erscheinen.

„Ihr habt dreißig Minuten, um diesen Trank vorzubereiten. Ab jetzt.“

Murmelnd und tuschelnd wollte die Klasse aufstehen, um sich die nötigen Zutaten zu besorgen. Da jedoch meldete sich Hermine:

„Aber Professor, für den Trank brauchen wir Vampirblut. Damit gehört er in Gefahrenkategorie sechs, sollten wir so etwas nicht frühestens im fünften Jahr behandeln?“

„Wenn Sie glauben, dieser Trank übersteige ihr Niveau, können Sie gerne diese Klasse verlassen, Miss Granger. Ansonsten stellen Sie sich bitte an und lassen Sie sich von Potter das Blut geben.“

Die ganze Klasse erstarrte. Harry warf Snape einen geradezu mörderischen Blick zu. Dann stand er ruckartig auf. Dank seiner übermäßig geschärften Sinne bemerkte nur er das kurze Zucken von Snapes Hand Richtung Zauberstab. Doch Harry beachtete ihn nicht weiter. Er saß am nächsten bei den Vorratsschränken, zog die Türen auf und knallte eine große, mit roter Flüssigkeit gefüllte Kristallflasche auf den Tisch.

„Da“, sagte er patzig, „bedient euch.“

„Zehn Punkt Abzug für Gryffendor wegen grobem Behandeln von Unterrichtsmaterial“, meinte Snape genüsslich. „Fangt an.“

Zehn Minuten später lieferte sich Harry einen Wettkampf mit seinem Kessel in Sachen Überkochen. Snapes Verhalten regte ihn tierisch auf. Und diesmal kam keiner seiner Freunde zu ihm, um ihn zu sagen, er solle sich nicht darum kümmern.

In diesem Moment ertönte ein helles Klirren.

„Uups“, machte Malfoy – Harry hatte diesen Störenfried schon fast vergessen.

„Na so ein Mist, jetzt ist mir doch glatt die Flasche mit dem Vampirblut herunter gefallen. Potter, wärst du so gut, mir was von deinem abzugeben?“

Harry brauchte ein paar Sekunden um, über seinen Kessel gebeugt, seinen Gesichtsausdruck wieder zu richten. Die ganze Klasse war still.

Schließlich drehte er sich mit einem Lächeln um. „Weißt du Malfoy, es mag dir entgangen sein, aber wir Vampire trinken Menschenblut. Das bedeutet, dass wir eigentlich gar kein eigenes haben. Vampirblut und Menschenblut sind Synonyme, du kannst dir also gerne selbst die Pulsadern aufschlitzen. Scherben liegen da ja genug.“

Für diese Bemerkung erntete Harry leises Kichern von den Gryffendors und fünf Punkte Abzug von Snape. Aber Malfoys Gesichtsausdruck war es wert.
 

*
 

Das Feuer verfärbte sich grün. Die Flammen schlugen hoch aus und Ruß schwärzte den oberen Teil des Kamins.

Lucius zuckte zusammen. Er kniete auf dem Boden – kniete nieder, in seinem eigenen Haus! - vor dem Sofa, auf dem niemand anderer als Lord Voldemort persönlich saß. Bei der unerwarteten Bewegung hob die riesige Schlange, die sich vor ihm auf dem Teppich zusammengerollt hatte wie ein unheimlicher Bettvorleger, den Kopf und zischte drohend.

Nur Voldemort wandte unbeeindruckt den Blick zum Kamin.

Darin wirbelten die Flammen durcheinander und nach und nach erschien ein Kopf im Feuer. Es war der Kopf von Alastor Moody, dem gefürchtesten Auror des Ministeriums. Beziehungsweise des Todessers, der seine Gestalt angenommen hatte.

„Crouch“, sagte Voldemort mit seiner zischenden Stimme. „Ich hoffe, du hast Neuigkeiten?“

Besser wäre es wohl. Lucius konnte es nicht leiden, wenn fremde Leute unangemeldet in seinem Wohnzimmer erschienen – auch nicht, wenn es nur einige Körperteile waren. Überhaupt war ihm die ganze Situation zuwider. Er war natürlich froh, dass der Dunkle Lord wieder zurück war – irgendwie, glaubte er – aber das brachte einige Unannehmlichkeiten mit sich.

Zuerst einmal hatte Lucius Malfoy Jahre gebraucht, um seinen Namen reinzuwaschen und alle Verdachte, er gehöre zu den Todessern, zu zerstreuen. Es hatte ihn eine Menge Geld gekostet. Jetzt hatte er endlich wieder so etwas wie eine gesellschaftliche Position und hatte sich gerade daran gewöhnt, ein ruhiges Leben in einer Zauberergesellschaft mit Unwürdigen und Schlammblütern zu führen, anstatt eines voller Kämpfe, Blut und Folter – und jetzt war der Lord wieder da, jetzt ging das Versteckspiel von vorne los, die Angst vor dem Versagen, die Angst vor den Strafen...Die Angst um die Zukunft seines Sohns und seiner Familie.

Zweitens war Malfoy Manor immer ein Ort gewesen, an dem er sich sicher fühlte, an den er sich zurückzog. Hier empfing er nicht oft Besuch, denn das war das Reich seiner Familie. Aber seit Voldemort zurück war, war sein Haus der Stützpunkt der Todesser. Er hatte sogar sein Schlafzimmer an Voldemort abgeben müssen – obwohl er noch nie gesehen hatte, dass der Dunkle Lord schlief. Von seinem Sommerhaus, dass von Halbblütern überrannt und von Auroren in einer Schlacht beinahe zerstört worden war, wollte er gar nicht erst reden. Nicht nur gingen jetzt alle möglichen Leute in seinem Haus ein und aus, nein, da war auch noch diese unheimliche Schlange, garantiert giftig, potenziell tödlich und überall da, wo sie nichts zu suchen hatte. Und nicht nur sie – in letzter Zeit sah Lucius immer häufiger gewöhnliche Wald- und Wiesenschlangen durch sein Haus streifen: die Spione des Lords. Unnötig zu sagen, dass sie eine ganze Menge Dreck machten.

Nun, und zuletzt waren da die Vampire. Lucius konnte Vampire nicht leiden. Sie waren arrogant, sadistisch, unhöflich, leicht reizbar, in höchstem Maße gefährlich und fast immer durstig. Sie kamen und gingen wie die Todesser und tagsüber fand er fast immer in irgendeiner Ecke einen Vampir sitzen, der sich langweilte, während er auf die Nacht wartete. Nur dass sie sich meist nicht langweilten, sondern Lucius' Bibliothek durchwühlten, seine hochmagischen und gefährlichen Artefakte untersuchten und 'versehentlich' zerstörten, seine Frau schikanierten und ihn, den Hausherrn, furchtbar herablassend behandelten. Lucius hätte sie erwürgen mögen, dafür, dass sie den Dunklen Lord in sein Heim gebracht hatten. Einmal hatte er ganz vorsichtig seinen Meister gefragt, ob es denn unbedingt nötig sei, sein Haus für die Vampire zu öffnen. Daraufhin war er unter der Verwendung von einigen Cruciatus-Flüchen daran erinnert worden, dass weder er noch einer der anderen Todesser etwas unternommen hatte, um ihn, Voldemort, zurückzuholen, während die Vampire, die ihn kaum kannten, es sofort geschafft hatten.

Am wenigstens aber konnte er es leiden, wenn die Vampire seinen Kamin oder seine Eulen benutzten, um ihre Nachrichten zu verschicken. Erst recht nicht, wenn dieser Jemand ein Emporkömmling wie Crouch war. Nur weil alle glaubten, er wäre in Askaban gestorben, hatte Voldemort ihn für die Aufgabe des Spions ausgewählt. Crouch hatte seinen Vater, der ihn gefangen gehalten hatte, umgebracht sobald er von der Rückkehr Voldemorts erfuhr. In dessen Auftrag hatte er dann Moody ausgeschaltet und seinen Platz eingenommen, um die Auroren auszuspionieren. Er konnte als ehemaliger Mitarbeiter in der Zentrale ein und aus gehen und dennoch fiel es nicht auf, wenn er einmal nicht kam. Praktischerweise bekam er so auch leicht Informationen aus Hogwarts.

„Ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht“, meinte der Kopf im Feuer. „Die gute: Harry Potter ist wieder in Hogwarts aufgetaucht.“

Voldemorts Kopf flog herum und er starrte den Kopf mit seinen roten Augen an. „Du bist dir sicher?“

„Kein Zweifel, mein Lord. Hier in der Zentrale sprechen sie über nichts anders mehr.“

Nun, ob das so gut war? Immerhin hatten sie insgeheim alle gehofft, Potter wäre tot, auch wenn Voldemort meinte, er hätte das gespürt.

„Die schlechte“, fuhr Crouch Junior fort, „er ist anscheinend in einen Vampir verwandelt und unterwiesen worden. Jetzt wird er schwerer zu töten sein.“

„Potter ist ein Vampir!?“ Voldemort sprang auf, „warum erfahre ich das erst jetzt?“ Der Schwarzmagier stieß ein paar wütende Zischlaute aus. Daraufhin erhob sich seine Schlange Nagini von Malfoys kostbarem Teppich und verschwand mit ihrer Anweisung aus dem Zimmer. Es dauerte ein paar Sekunden, bis sie in Begleitung einer Vampirin wieder hereinkam. Eine Vampirin, die Lucius nur zu gut kannte und die er am meisten von allen anderen hasste.

„Sariel!“, fuhr der Dunkle Lord sie an und Malfoy freute sich innerlich, dass diese Schlampe endlich mal die Wut seines Meisters zu spüren bekam.

„Hattest du nicht gesagt, du wüsstest alles, was unter den Vampiren vor sich geht? Wie ist dir entgangen, dass Harry Potter gebissen wurde?“

Sariel schien von den funkensprühenden Augen Voldemorts gänzlich unbeeindruckt und das, musste Malfoy zugeben, war schon eine Leistung. Sie stand kalt und abweisend mit verschränkten Armen an den Türrahmen gelehnt da, ihr Gesicht bar jeder Emotion.

„Selbstverständlich wusste ich davon“, meinte Sariel kalt und Malfoy zuckte zusammen. Wie bitte!? Wie konnte diese Frau es wagen, so mit Voldemort zu reden? Wie konnte sie es wagen, eine solche Information vor ihm zu verheimlichen!?

„Potter ist von ein paar meiner Leute gebissen worden, die inzwischen allesamt tot sind. Black brachte ihn zu den Zwielichtigen, aber vor Kurzem ist der Junge von dort verschwunden und keiner scheint zu wissen wohin.“

„Und warum sagst du mir das erst jetzt?!“

„Mit Verlaub, Lord, aber das habe ich versucht. Seit Eurer Wiedergeburt war Euer Ziel, Eure alten Todesser zusammenzurufen und ihr habt meine Vampire und mich durch die ganze Weltgeschichte gejagt, um die zu töten, die Eurem Ruf nicht folgten. Sämtliche Audienzen, die ich bei Euch beantragt habe, habt Ihr abgelehnt. Ich dachte mir, dass der Junge wohl nicht so weit oben auf Eurer Prioritätenliste steht und habe die Versuche aufgegeben.“

Wider Willen war Malfoy beeindruckt. Nicht von dem Mut der Vampirin, die einen solchen Ton anschlug, sondern auch weil sie es scheinbar geschafft hatte, dass es dem Dunklen Lord die Sprache verschlug. Was nämlich wenige wussten, war, dass auch Voldemort die Vampire eigentlich nicht leiden konnte und sich so wenig wie möglich mit ihnen abgab. Werwölfe, Vampire und andere Halbblüter waren für ihn fast so schlimm wie Schlammblüter. Aber sie sprachen auf seine Motive an, also musste er sich mit ihnen abgeben, wenn er seine Streitmacht vergrößern wollte.

„Ich will, dass die Vampire verstärkt die Zauberergemeinden anfallen“, befahl Voldemort schließlich. „Sie sollen so grausam vorgehen, wie sie wollen. Das wird die Angst der schwachen Lichtzauberer gegen sie heben und Potter wird alles Vertrauen verlieren...“

„Wenn ich dazu einen Vorschlag machen dürfte“, meinte Sariel, „mir steht leider nur ein Teil der Vampire Englands zur Verfügung. Wir müssen die Zwielichtigen beseitigen, bevor sie sich einmischen können. Das wird Potter ebenfalls einen Schlag versetzten, da er somit seine Verbündeten verliert.“

„Du sagtest doch, die Zwielichtigen wären im ganzen Land verstreut...“

„Das sind sie auch, aber bei bestimmten Gelegenheiten sammeln sie sich. Derzeit sind einige von ihnen in Askaban gefangen. Ich denke, dass die Zwielichtigen sie befreien wollen und das ziemlich bald, bevor sie dort zugrunde gehen. Dies wäre eine Gelegenheit.“

„Eine Gelegenheit, die wir ergreifen sollten...“, murmelte Voldemort und grinste böse.
 

*
 

„...und eine neue Ära wird beginnen. Die Macht der Magie wird sich aus den Schatten befreien und Dunkelheit und Licht werden sich vereinen. Feuer und Schein befinden sich im Wechselspiel. Die Spinne webt ihre Fäden, doch ist sie auf die sonnenbeschienene Jungfrau angewiesen. Dem verlorenem Sohn macht die Fauna die Familie vollständig. Drei der Geschwister werden zusammen gebracht. Die letzten Bindeglieder haben die neue Welt bereits betreten. Führen sie die dritte Seite zum Sieg, wird Frieden und Wohlstand über die Welt kommen. Nimmt ein anderer ihren Platz ein, wird sich die Welt biegen unter Terror und Verfolgung, eine Welt, in der selbst die Herrschenden nie finden, was sie sich am meisten wünschen. Die letzten Bindeglieder haben die neue Welt bereits betreten...“

Die rauchige Stimme wurde immer leiser und leiser, bis sie schließlich ganz verstummte. Mit einem letzten Flackern erloschen die Kerzen und es wurde dunkel im Raum. Das Mädchen rührte sich noch für ein paar weitere Augenblicke nicht auf ihrem Kissen. Dann aber schreckte sie auf wie aus einem langen Traum und sah sich verwirrt um. Mit einem Wink ihrer Hand glühten die hellen Neonröhren an der Decke auf und es war wieder hell.

„Und? Haben Sie erfahren, was Sie wissen wollten?“, fragte das Mädchen müde lächelnd.

Vor ihr auf dem Boden kniete ein Mann mit rabenschwarzem Haar, leichenblasser Haut und stechenden Augen von der Farbe flüssiger Bronze. Er trug einen schwarzen Kapuzenumhang, unter dem man gerade noch so das Blitzen silberner Waffen an seinem Gürtel ausmachen konnte. Trotz der Verhüllung konnte man nur zu gut erkennen, wie elegant und athletisch er gebaut war. Das Einzige, was das Bild störte, war die silbrige Tätowierung in seinem Gesicht. Der schuppige Körper einer Schlange, der irgendwo auf seiner bedeckten Brust seinen Anfang haben musste, wand sich vom Schlüsselbein über den Hals an seiner rechten Schläfe hinauf, der Kopf ruhte kurz über seinem Auge. Es war ein magisches Tattoo, was bedeutete, dass sich die Schuppen bewegten, selbst wenn der Mann keinen Muskel rührte. Eine kleine, rote Zunge kam für eine Sekunde zum Vorschein und dem Mädchen war, als würden sie vier Augen aus dem Gesicht des Mannes heraus beobachten. Sie wusste nicht, ob dieser Körperschmuck den Fremden noch dunkler, anziehender oder eher abstoßender machte.

„Ihr seid noch nicht lange das Medium für das Orakel von Delphi, oder?“, antwortete der Mann mit einer Gegenfrage.

Das Mädchen, sie mochte vielleicht zwölf Jahre alt sein, errötete. „Nein, ich wurde erst letzte Woche berufen. Wieso?“

„Der Geist des Orakels geht nur in reine Jungfrauen über und verlässt ihren Körper, sobald sie alt werden und sterben. Jedes Orakel schreibt seine Erfahrungen in einem Buch nieder, das nur ihre Nachfolgerin lesen darf. Ihr habt diese Bücher noch nicht zu Rate gezogen, nicht wahr?“

Das Mädchen sah recht nervös aus. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass einer ihrer Besucher sie darauf ansprechen würde. Dass dieser außergewöhnlich attraktive Mann sich für sie zu interessieren schien, machte sie nur noch hibbeliger – dabei war sie erst zwölf!

„Also, nein...Hier kommen täglich so viele Touristen an, die ihre Fragen loswerden wollen. Ob sie mal eine Familie haben werden, wen sie heiraten und so weiter. Ich befinde mich ja praktisch nur noch in Trance. Ich weiß ja nicht, was alle daran finden. Das Orakel spricht schließlich immer in Rätseln durch mich, die ohnehin keiner versteht. Aber, ähm...Sie sind keiner dieser Touristen, nicht wahr?“

„Ich suchte den Rat einer echten Seherin und ich habe ihn bekommen. Meine Erfahrung mit Prophezeiungen reicht lang genug zurück, um aus den Rätseln des Orakels schlau zu werden. Sie sollten sich die Bücher einmal ansehen. Speziell das des letzten Orakels.“

Der junge Mann erhob sich geschmeidig. Die Schlange schien an seiner Augenbraue zu knabbern.„Wir werden uns wiedersehen.“

Das Orakel von Delphi sah dem seltsamen Mann – garantiert ein Zauberer, vielleicht sogar ein Vampir, dachte sie sich - hinterher, selbst dann noch, als sich die Türen längst hinter ihm geschlossen hatten. Schon als er hereingekommen war, hatte sie eine Art Déjà-vu gehabt. Als würde sie ihn kennen – als wäre sie ihm schon einmal begegnet. Das war sie garantiert nicht, aber vielleicht hatte er ihre Vorgängerin gekannt. Sie sollte wirklich einmal in den Büchern nachschlagen.
 

„Dasss war gemein von euch, Meissster.“

„Seit fast dreitausend Jahren suche ich dieses verdammte Orakel jetzt schon auf. Und zwar mindestens dreimal im Jahrhundert! Und jedes dritte Medium verweigert mir den Orakelspruch, so wie ihre Vorgängerin.“

„Ihr werdet ssssie nur damit ängsstigen, wenn sssie heraussfindet, dass Ihr ihre Nachfolgerin umgebracht habt.“

„Eben. Es soll ihr eine Warnung sein. In diesem Jahrhundert kann ich es mir nicht leisten, blind zu sein. Du hast die Prophezeiung selbst gehört. Sie haben die Welt bereits betreten. Die Zeit rückt näher. Es kann nicht mehr lange dauern.“

„Dasss habt Ihr letztes Mal auch gessssagt. Vor dreisssig Jahren.“

„Da wurde die Geburt des Auslösers vorhergesagt. Das war auch wichtig und was sind schon dreißig Jahre? Aber diesmal stehen wir kurz davor, ich bin mir sicher.“

„Aber wassss genau bedeutet diesssse Prophezeiung?“

„Das weißt du nicht, du angeblich so listige Schlange?“

„Im Rätssselraten war ich noch nie gut.“

„Dann will ich es dir erklären. 'Die Macht der Magie wird sich aus den Schatten befreien' bedeutet, dass die magischen Rassen endlich an die Oberfläche treten. Das ist, worauf ich schon seit Jahrhunderten warte. Die Zauberer waren viel zu lange an der Macht. 'Dunkelheit und Licht werden sich vereinen.' Die Zauberer halten die magischen Kreaturen für dunkel. Diese Kreaturen werden jetzt in ihre, ach so helle, Welt eintreten, aber es soll keine Zerstörung geben, sondern eine friedliche Vermischung. Mir wäre es lieber, wenn sie über sie herrschen würden, aber das Orakel sagte ja schon letztes Mal, dass es bis dahin, wenn überhaupt, noch weitere tausend Jahre dauern wird. Jetzt aber haben wir wenigstens einen Schritt vorwärts, wir werden das Gleichgewicht, die Gleichberechtigung von Zauberern und magischen Kreaturen erlangen. Die Personen, die aufgezählt werden, sind diejenigen, die die uralte Feindschaft zwischen drei der vier Clans beilegen werden und 'haben die neue Welt bereits betreten', sie haben also das Ziel schon vor Augen und beginnen mit ihrer Arbeit. Diese Zeile kann nicht auf eine Geburt hindeuten, weil laut der letzten Prophezeiung die des Auslösers, der garantiert einer der Bindeglieder ist, schon vor mehr als einer Dekade stattgefunden haben muss. 'Führen sie die dritte Seite zum Sieg', hier wird von einem Konflikt gesprochen, an dem drei Partien beteiligt sind, 'wird Frieden und Wohlstand über die Welt kommen.' Das typische Goldene Zeitalter. 'Nimmt ein anderer ihren Platz ein, wird sich die Welt biegen unter Terror und Verfolgung.' Zweifellos eine Warnung an mich. Es muss der Eine sein, der über die Zukunft entscheidet. Ich darf ihm helfen, seinen Krieg zu gewinnen, aber ich darf seinen Platz nicht einnehmen. Sonst würden entweder die Menschen gewinnen und meine Leute verfolgen, oder meine Leute gewinnen, werden aber verbittert und böse und versklaven die Menschen. Das sagt der letzte Teilsatz: 'eine Welt, in der selbst die Herrschenden nie finden, was sie sich am meisten wünschen.'“

„Aber wie willssssst du die Bindeglieder finden, um ihnen zu helfen?“

„Der beste Anhaltspunkt ist der Konflikt mit drei Seiten. Wenn wir davon ausgehen, dass die dritte Seite aus unseren Leuten besteht und die Feindschaft zwischen den Clans gerade erst anfängt, sich zu legen, dann müssen wir einen großen Krieg oder etwas in der Art suchen, unter dem unsere Leute zu leiden haben.“

„Und wo ssssoll dass ssssein?“

Der Schwarzhaarige lächelte unheilverkündend. „England.“
 

*
 

„Strafrechtlicher Prozess vom 31. Oktober in Sachen Verstöße gegen das Zauberergesetz bezüglich mehrfachen Mordes und Anhängerschaft von Sie-wissen-schon-wem, sowie Verstoß gegen den Erlass zur Meldepflicht unauthorisierter Animagi durch den hier anwesenden Peter Pettigrew, wohnhaft in, äh...zur Zeit nirgendwo...Es führen das Verhör: Cornelius Oswald Fudge, Zaubereiminister; Amelia Susan Bones, Leiterin der Abteilung für magische Strafverfolgung; Denise Minerva McCarty, Erste Untersekretärin des Ministers; Gerichtsschreiber, Jason Brian Smith und Zeuge der Verteidigung, William Berd Raston. Die Anklagepunkte gegen den Beschuldigten lauten wie folgt: Dass er Informationen an Sie-wissen-schon-wen über mehrere Monate weitergab, schließlich auch den Aufenthaltsort von Lily und James Potter verriet, den nur er wusste, da er der Geheimniswahrer war und...was ist das für ein Unsinn...welche daraufhin getötet wurden. Er wird deswegen der Beihilfe des Mordes beschuldigt. Des weiteren der Verleumdung, Sirius Orion Black des bezeichneten Verbrechens beschuldigt zu haben, welcher daraufhin unschuldig...das glauben Sie doch nicht selbst! - Äh, unschuldig nach Askaban gebracht wurde... Pettigrew soll weiterhin der wahre Mörder der am ersten November 1981 getöteten Muggel sein, wofür Black verurteilt wurde...Außerdem soll er ein unregistrierter Animagus sein, na wenigstens das können wir schnell überprüfen. Lasst uns diesen Quatsch schnell hinter uns bringen.“

Fudge sah entschuldigend zu dem kleinen, pummeligen Mann hinüber, den magische Ketten eisern an den Stuhl in der Mitte des Saales gefesselt hatten. Er war zwar, genau wie der Rest des Zaubergamots, überrascht, dass Pettigrew noch lebte, fand es aber sehr viel plausibler, dass dieser sich aus Angst vor Sirius Black versteckt hatte. Da konnte man ihm ja nun wirklich keinen Vorwurf machen. Aber Dumbledore hatte darauf bestanden, diese lächerlichen Anklagen zu prüfen, die der Eigentümer des Merlinordens angeblich bereits gestanden hatte. So etwas Haarsträubendes! Black konnte unmöglich unschuldig sein. Allein weil das bedeuten würde, dass ein unschuldiger Mann zwölf Jahre in Askaban gesessen hätte – und jeder, der in Askaban saß, war schuldig. Das war praktisch schon Naturgesetz. Sirius Black unschuldig zu nennen, war eine Beleidigung des Ministeriums – eine Beleidigung, für die Dumbledore noch bezahlen würde. Bei Merlin, dieser Junge da unten war von der Zaubererwelt Jahrelang gefeiert worden. Er war ein Held – wenn auch kein sehr Ansehnlicher. Sie sollten ihn gefälligst mit Respekt behandeln. Eine Befragung unter Veritaserum, wie sie seit dem Krieg Standard war bei Mordfällen, war absolut unnötig. Leider aber Vorschrift.

„Haben Sie Informationen an Sie-wissen-schon-wen weitergegeben?“, fragte Fudge gelangweilt.

„Ja.“

„Und haben Sie – Moment, wie war das?“

„Ich habe den Orden des Phönix, eine Widerstandsgruppe, die damals gegen den Dunklen Lord arbeitete, für Ihn ausspioniert. Über mehrere Monate“, kam die Antwort heiser aber ohne Gefühle von Pettigrew, der unter der Wirkung des Wahrheitsserums nicht anders konnte.

„Was, wie...Warum?“

„Ich wurde von Todessern entführt. Man hat mich gefoltert. Ich habe zugestimmt, ein Spion zu werden, damit sie aufhören und mich nicht töten.“

Fudge starrte den kleinen, pummeligen Mann entsetzt an.

„Und ha-haben sie...Waren Sie der Geheimniswahrer der Potters? Sie, nicht Black?“

„Ja. Sirius sollte es erst sein, das wusste jeder. Auf seinen Rat hin hat James sich im letzten Augenblick für mich entschieden. Es sollte ein Bluff sein.“

„Und haben Sie...sie verraten?“

„Ja.“

Totenstille kehrte im Saal ein, gleich gefolgt von aufgeregtem Geflüster. Fudge musste mehrmals um Ruhe bitten.

„Was geschah am Tag darauf?“

„Als ich erfuhr, dass der Dunkle Lord besiegt war, geriet ich in Panik. Ich ging zu meiner Wohnung und habe alles ausgeräumt. Ich wollte zum Flughafen, um ohne Magie zu fliehen und das Land zu verlassen, damit Sirius mich nicht aufspüren kann. Ich wusste, er würde hinter mir her sein, weil er der Einzige war, der sich zusammenreimen konnte, dass ich der Geheimniswahrer und Verräter war. Aber ich war nicht schnell genug. Er stellte mich in London. Er hat alles kaputt gemacht. Ich stand immer hinter ihm zurück und nur weil er vorschlagen musste, mich zum Geheimniswahrer zu machen, musste ich mich als Spion offenbaren. Er wollte mich töten, er wollte allen sagen, dass ich ein Verräter sei. Das konnte ich nicht zulassen.“ Peter sah auf und für einen Moment schien es, als kämen doch einige Emotionen durch die Wirkung des Trankes. „Wenn jemand einem alles nehmen will, dann gibt es kein richtig oder falsch. Dann macht man ihn kalt. Das ist einfach so. Die paar Muggel, die ich geopfert habe, sind ein geringer Preis für meine Flucht. Ich wünschte nur, ich hätte Black ebenfalls erwischt.“

Das darauffolgende Schweigen war erdrückend. Die Wirkung des Veritaserums verflog langsam und Pettigrew sank in sich zusammen, ein kleines Häufchen Elend, das nervös um sich sah. Er hatte keine Erinnerung an das, was er eben offenbart hatte.

„Also...ist Sirius Black komplett unschuldig?“,fragte eine Hexe aus dem Zaubergamot verblüfft. „Wie konnte dem Ministerium so ein Fehler unterlaufen?“

„Das, ähm“, machte Fudge, „das ist noch nicht einwandfrei bewiesen. So viele Zeugen können sich schließlich nicht irren.“

„Aber Pettigrew hat gesagt-“

„Das Gesetz besagt eindeutig“, rief der Minister mit hoher Stimme aus, „dass in Zweifelsfällen die Aussage einer einzigen Person nicht ausreicht, um die Schuld festzustellen. Wir haben Dutzende Muggel, die schworen, dass Black die Explosion verursacht hat, wichtige Zeugen, die...äh, deren Gedächtnis wir gelöscht haben...Fakt bleibt also-“

„Kommen Sie doch zur Vernunft!“, rief da eine Stimme aus der Menge. Dumbledore war aufgestanden, eindrucksvoll wie immer.

„Dieses Gesetz stammt von 1698! Sirius Black ist unschuldig und das Mindeste, was das Ministerium tun kann, ist, seinen Fehler zuzugeben!“

„Black ist aus Askaban geflohen! Wer weiß, was er auf seiner Flucht alles für Verbrechen begangen hat. Was ist mit Potter?“

Pettigrew sah hoffnungsvoll auf, doch Dumbledore konterte:

„Ich habe Ihnen bereits gesagt, dass Harry Potter wohlbehalten zurück in Hogwarts ist. Wenn nötig ist er sicher gern bereit herzukommen und zu beschwören, dass Black ihm nie etwas getan hat.“

Fudge klappte den Mund auf und zu wie ein wütender Fisch. „Es bleibt dabei, die damaligen Ereignisse kann kein Zweiter bezeugen, es sei denn Sie zaubern Black persönlich aus Ihrem Hut...“ Fudge lachte leise über seinen eigenen Witz.

In diesem Moment stand eine weitere Person auf. „Hat mich jemand gerufen?“

Alle Köpfe wandten sich entsetzt um. Dort, auf dem bisher leeren Platz vor Dumbledore, stand Sirius Black. Er sah bei weitem nicht so schmutzig und wahnsinnig aus wie auf den Fahndungsplakaten, aber er war es zweifellos. Die Hälfte des Zaubergamots schien bei seinem Anblick einer Ohnmacht nahe, die andere zog kampfbereit ihre Zauberstäbe, bis sie sich daran erinnerten, dass der Mann höchstwahrscheinlich unschuldig war.

„Wie, was – wie sind Sie – Ergreift diesen Kerl!“

Doch niemand hörte auf Fudge.

Sirius hatte den Desillusionierungszauber abgelegt, der ihn bisher verborgen hatte und trat jetzt vor zur Zeugenbank.

„Ich werde doch nicht zulassen, dass ihr diese Ratte entkommen lasst! Ich hab gehört, hier wird noch ein Zeuge gebraucht? Nun, ich kann alles bestätigen, was Pettigrew gesagt hat.“ Dabei sah er mit einer solchen Abscheu auf den kleinen Mann hinunter, dass dieser zusammenzuckte und sich mit schreckgeweiteten Augen an das Gericht wandte:

„Bitte, Sir, bestrafen S-sie mich, sperren sie m-mich ein, egal wie l-lange, aber lassen Sie mich nicht frei! Er würde m-m-mich um-umbringen!“

„Oh, ich hab noch ganz andere Sachen mit dir vor, als dich einfach nur umzubringen“, flüsterte Sirius leise, sodass nur Peter es hören konnte. Dieser war inzwischen in Schweiß und Tränen ausgebrochen. Er hatte nicht vergessen, was Harry ihm über Sirius' Rachegelüste gesagt hatte.

„Äh, nun...“, machte Fudge und sah aus, als würde er in eine Zitrone beißen. „Wer stimmt dafür, die dem Angeklagten, Pettigrew, zur Last gelegten Punkte fallen zu lassen?“

Drei, vier Zauberer waren noch nicht restlos überzeugt und hoben mit Fudge zusammen die Hände.

„Wer stimmt dafür“, fuhr Fudge säuerlich fort, „Sirius Black von aller Schuld freizusprechen und die ausstehende Strafe auf Peter Pettigrew zu übertragen?“

Fast alle anderen Zauberer, die größere Mehrheit der Versammlung (inklusive eines böse grinsenden Sirius) meldeten sich.

„Also schön, dann-“

„Und wer“, unterbrach Dumbledore den Minister, „stimmt zusätzlich dafür, dass Sirius Black für seine Zeit in Askaban eine Entschädigung erhält?“

„Dumbledore!“, fauchte Fudge, „Sie sind nicht befugt-“

Aber da hatte bereits mehr als die Hälfte des Zaubergamots die Hand gehoben. Sirius Black würde mit einer Entschädigung von 1000 Galleonen für jedes einzelne Jahr, das er in Askaban abgesessen hatte, nach Hause gehen.

„Damit wird Peter Pettigrew zu lebenslangem Aufenthalt in Askaban verurteilt... Sirius Black“, Fudge würgte, „Sie sind ein freier Mann.“

Sirius' Grinsen wurde immer breiter. Natürlich hatte er damit gerechnet, aber es hier und heute ausgesprochen zu hören...Er war frei!

Doch das war nur der erste Schritt, erinnerte er sich. Er hatte bereits ein Dutzend Verbrechen geplant, für die er nicht nur Askaban, sondern den Kuss des Dementors kriegen würde, sollte man ihn erwischen. Diesmal aber war er nicht allein.

Sie würden Peter schocken, bevor sie ihn nach Askaban brachten, das wusste Sirius aus Erfahrung. Aber sobald der Verräter in seiner Zelle saß, würde er sich verwandeln und fliehen. Das musste Sirius verhindern.

Als der Gerichtssaal sich langsam leerte, kamen viele Leute zu ihm, beglückwünschten ihn zu seiner neuen Freiheit oder entschuldigten sich, ihn jemals des Verrats bezichtigt zu haben. Sirius ignorierte sie alle. Sie bedeuteten nichts in seinem neuen Leben. Seine Augen waren starr auf Peter gerichtet. Als die Auroren kamen um ihn zu schocken, formten Sirius' Lippen stumm die Worte: „Ich werde dich töten.“

Peter riss entsetzt die Augen auf – dann traf ihn das rote Licht.

Sirius wandte sich ab. Dumbledore wollte mit ihm sprechen, vermutlich über Harry, aber Sirius ging einfach an ihm vorbei.

„Sirius!“, rief ihm der alte Mann hinterher, „du solltest wirklich-“

Aber Sirius hatte keine Zeit. „Geben Sie sich keine Mühe“, sagte er kalt. „Ich bin bis hierher allein gekommen, jetzt brauche ich Ihre Hilfe auch nicht mehr – genauso wenig wie Harry Sie braucht.“

Die Worte waren gar nicht mal so ernst gemeint, obwohl er tatsächlich einen Groll gegen Dumbledore hegte. Er wollte nur verhindern, dass der Schulleiter ihm folgte. Als Dumbledore hinter ihm zurückblieb, einen geschlagenen Ausdruck auf dem Gesicht, hatte Sirius ihn bereits wieder vergessen.

Es war Halloween. Er musste sich beeilen, um rechtzeitig seine Wölfe einzusammeln.

Endlich war er ein freier Mann – und schon kehrte er nach Askaban zurück - Manchmal war das Schicksal wirklich grausam.
 

XxX
 

So langsam wird es richtig spannend. Im nächsten Kapitel werden die letzten Vorbereitungen getroffen - und dann kann sie losgehen, die Schlacht um Askaban. Denn natürlich funktioniert Sirius' Schnell-und-heimlich-rein-und-wieder-raus-Plan nicht ganz so, wie er sich das denkt...

Ich freue mich immer über Kommentare!



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  pingu
2012-01-18T18:16:56+00:00 18.01.2012 19:16
Super, ich bin neugierig wer der Mann beim Orakel von Delphi war. Sirius ist frei und wird als seine erste Tat, als freier Mann, wohl ein Verbrechen begehen. Wird Dumbeldor sich noch auf die Seite der Zwielichtigen stellen, intelligent genug ist er um sich mit ihnen zu verbünden. Schreib fleißig weiter und sei vorsichtig es ist düster im Wald.
Von:  Schizo_Squalo
2012-01-18T12:19:47+00:00 18.01.2012 13:19
XD ja das Schicksal hat echt nen beschissenen Sinn für Humor.

Dieser Typ beim orakel von Delphi... das war nicht Voldemort, zuminddest kann ich mir das nich vorstellen oder? Was sollte der denn bei nem orakel und dann auch noch alle Paar Jahrzehnte über mehrere Jartausende hinweg das is wer anders...
Ahhh aber WER is es ich kann das nächste Kapitel kaum erwarten.
Von:  Kagomee16
2012-01-18T08:12:08+00:00 18.01.2012 09:12
ich freue mich für sirius^^ das er endlich freigesprochen wurde^^
naja das hermine und ron nicht so richtig mit der situation umgehen können ist irgentwie nachvollzihbar...
bin echt gespannt was da noch so alles geschehen wird^^

lg kagomee16


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