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Das Vermächtnis des Kain

Vergessene Magie
von

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Grindstone

Sie waren zu siebt. John hockte in der Mitte am Boden. Die anderen Werwölfe hatten sich locker im Halbkreis hinter ihrem Anführer versammelt und warteten. Sirius versuchte, sich seine Aufregung nicht anzumerken. Er saß als der Neuling genau wie Cale, der Jüngste, am äußersten Ende des Halbkreises. Sylvia, Harald und Septimus kannte Sirius schon etwas besser, sie spielten öfter mal mit ihnen Karten und waren alle mindestens seit zwei Wochen im Hauptquartier. Auch Simon, dem blonden Streuner in der Blüte seiner Jahre, war er schon mehrmals über den Weg gelaufen. Er war seit drei Jahren ständig dabei. Die wenigsten Wölfe blieben ständig im Hauptquartier, ein vollständiges Rudel kam nur zu Vollmond zusammen. Aber für heute würde es genügen.

John hob den Kopf, als hätte er etwas bemerkt. Einen Moment später hörte auch Sirius das leise Knacken von Ästen und das Rascheln von Laub. Und dann trat das schönste Wesen, das er jemals gesehen hatte, hinter den Bäumen hervor.

Ihr Haar war hüftlang, fein und glatt wie Seide. Es schimmerte wie weißes Gold und umgab sie wie eine königliche Schleppe. Leicht wiegte es sich in einer frischen Brise, die Sirius nicht spüren konnte. Ihre Haut war hell wie das Mondlicht und sah trotzdem nicht unnatürlich weiß aus. Diese Augen – wie glänzende Saphire schienen sie das Licht zu brechen. Irgendwo in einer Ecke seines Unterbewusstseins wusste Sirius, dass sie eine Veela war und dass er ihrem magischen Charme erlag. Aber ob Magie oder nicht, das war ihm ganz egal. Mit der weißen, altmodischen Toga, die sie sich um den schlanken Leib geschlungen hatte, sah sie aus wie eine griechische Göttin.

„Gute Nacht, Jenande. Oder sollte ich besser schon 'Guten Morgen' sagen?“, begrüßte John das wunderschöne Wesen und trat höflich, aber mit einem gewissen Sicherheitsabstand auf sie zu.

„Auf jeden Fall ist es eine höchst unangenehme Zeit“, erwiderte Jenande mit einer herrlich melodischen Stimme, „das Nachtleben liegt mir nicht, aber was soll ich machen, wenn die Vampire nur des Nachts an den Ratssitzungen teilnehmen können?“

Sie ließ ihren hellen Blick über das Rudel streifen und Sirius' Herz schlug irgendwo in der Nähe des Adamsapfels, als ihre Augen an ihm hängen blieben.

„Dein Rudel hat Zuwachs bekommen, wie ich sehe.“

„Ein bedauernswerter Unfall.“ John warf Sirius einen flüchtigen Blick zu. „Er sorgt bereits jetzt für Schwierigkeiten. Das ist auch der Grund, warum wir deine Hilfe brauchen.

Die Veela trat ein paar Schritte vor, an John vorbei. „Ich erinnere mich“, flüsterte sie. „Wir haben uns schon einmal getroffen, Canis Majoris.“

Sirius blinzelte überrascht, als Jenande ihn bei der lateinischen Form seines Namens nannte.

Es wunderte ihn kaum, dass sich die Anführerin der zwielichtigen Veela an ihn erinnerte. Er hatte sie nur ganz kurz gesehen, als er Harry zum Zirkel gebracht hatte. Sie hatte sich maßgebend im Rat dafür eingesetzt, dass er bleiben konnte und unterrichtet wurde. Vollkommen schleierhaft war es ihm allerdings, warum er ihr bei jener ersten Begegnung so wenig Aufmerksamkeit geschenkt hatte.

Die Veela kam immer näher und Sirius, der noch immer am Boden hockte, kam sich vor wie ein Ritter, nein, ein unbedeutender Diener, der das Privileg hatte, zu seiner umwerfend schönen Königin aufzusehen.

„Ähm... Entschuldigung, aber könntest du das vielleicht lassen? Wir brauchen ihn für die Jagd.“ Johns Stimme klang wie durch Watte zu ihm durch.

„Oh, natürlich. Alte Angewohnheit.“

Mit einem Mal war die Watte weg. Sirius' Kopf fühlte sich auf einmal wie leergefegt an. Er schüttelte den Kopf, um die Benommenheit loszuwerden und starrte die Veela an. Sie war immer noch wunderschön, aber ihre Anziehungskraft schien mit einem Mal auf ein menschliches Maß gesunken zu sein.

Sirius fand zu sich selbst zurück und stand hastig auf, wobei er sicherhaltshalber einen Schritt zurücktrat. Ein unwilliges Zischen von einem der Werwölfe und eine leicht gehobene Augenbraue der Veela verrieten ihm, dass das vermutlich ein Fauxpas war. Wenn John, als der Alphawolf, sich normal mit Jenande unterhielt und ihr auf gleicher Ebene begegnete, mochte das noch angehen, aber Sirius war ein frischgebackener Werwolf, der noch nicht einmal lange im Zwielicht war und in der Hierarchie deutlich weiter unten stand. Aber Sirius hatte sich ohnehin nie an Regeln gehalten, erst recht nicht an die der Höflichkeit.

„Mrs... Ähm... Ms Jenande, wir brauchen dringend deine Hilfe!“ Er sah gar nicht ein, warum er sie siezen sollte. „Du leitest doch den Schmuggelhandel des Zwielichts, nicht wahr? Während mein Patensohn Harry hier trainiert wurden, habe ich ein paar Mal schon einige Gegenstände für dich besorgt.“ Er hatte sich als Hund in ein paar schwarzmagische Läden geschlichen und sie gestohlen. Es war nicht viel anders gewesen als seine Jagt auf Zeitungen und Essen während seiner Flucht. Allerdings hatte er diese Gegenstände nur an Mittelsmänner weitergegeben und nie mit den Veela direkt zusammengearbeitet, die den Weiterverkauf organisierten. „Mein letzter Lohn steht noch aus. Ich will das Geld nicht – bald brauchen wir sowieso keinen Unterhalt mehr – aber ich brauche etwas anderes.“

Jenande sah gelinde gesagt verdutzt aus. Sie war es gewohnt, dass Männer bei ihrem Anblick aus dem Gleichgewicht gerieten und vollkommen umsonst alles taten, was sie wollte. Sie war es auch gewohnt, dass die Männer sie umsorgen und verhätscheln wollten, wenn sie ihren Charme einmal losließ. Nicht gewohnt war sie es, dass jemand in ihr so etwas wie... eine Geschäftspartnerin sah, eine mächtige Frau, der man etwas geben musste, wenn man etwas bekommen wollte. Oder, anders ausgedrückt, der erwartete etwas zurückzubekommen, wenn er etwas gab.

„John hat mir davon erzählt“, sagte sie langsam. „Ihr wollt Grindstone. Nun, ich habe natürlich Kontakte, die euch diese Droge beschaffen können. Von ihrer Benutzung rate ich ab, weil sie nicht nur gefährlich ist, sondern auch süchtig macht. Aber sag mir, Canis Majoris, warum bist du bereit, den Preis dafür zu zahlen? John hat sich schon einverstanden erklärt, mir dafür einige magische Gegenstände aus seinem Familienerbe zu verkaufen. Was übrigens mehr ist, als du zu bieten hast.“

Überrascht sah Sirius zu dem Werwolf hinüber, der seinem Blick jedoch auswich. Anscheinend hatte er die Bereitschaft der Wölfe, sich füreinander einzusetzen, stark unterschätzt.

„Harry ist mein Patensohn und er ist verschwunden“, sagte er dennoch zu Jenande. „Wir brauchen den Stoff, um ihn zu finden, bevor ihm etwas passiert. Das liegt allein in meiner Verantwortung.“

„Dieser Harry ist doch ein Vampir, richtig?“, fragte die Veela neugierig, „und doch setzt du dich als Werwolf so für ihn ein... und hast sogar dein Rudel überzeugen können! Erstaunlich, wirklich!“

Die Schmuggler unter den Veela arbeiteten mit beiden Rassen zusammen. Die Werwölfe beschafften die Ware, die Vampire kauften sie ihnen ab. Im Grunde profitierten die Veela damit von der Feindschaft zwischen Werwölfen und Vampiren, die niemals freiwillig miteinander Geschäfte machen würden.

Die Veela schob ihre Hand unter die Falten ihrer Toga und zog ein kleines, samtenes Säckchen heraus. Sie warf es Sirius zu, der es überrascht auffing.

„Ich nehme dein Angebot an, Canis Majoris. Mögest du deinen Patensohn wiederfinden.“

Mit diesen Worten wandte sich Jenande zum Gehen. Als ihre silbrige Gestalt hinter den Bäumen verschwand, war es, als hätten sich dunkle Wolken vor den Mond geschoben.

„Dann lasst uns jetzt endlich anfangen!“, rief Septimus ungeduldig.

Sirius reichte das Säckchen an John weiter. Der nickte ihm zu und breitete den Samt auf dem Boden aus. Auf dem schwarzen Hintergrund blitzten neun kleine weiße Kügelchen wie herausgerissene Zähne.

„Das ist Grindstone“, begann der Alphawolf, „die Werwolfdroge. Unter ihrem Einfluss werden wir uns nicht komplett verwandeln, wie zu Vollmond, aber unsere Jagdsinne schärfen sich trotzdem. Dann sind wir so etwas wie menschliche Wölfe und verhalten uns genauso blutrünstig wie zu Vollmond, deswegen ist diese Droge auch so gefährlich.

Unser Biss ist dann zwar nicht anstrengend, aber wir haben viel mehr Kraft, mit denen wir selbst in dieser Gestalt einen Menschen auseinander reißen könnten. Das Rudel gibt uns bei Vollmond eine gewisse Sicherheit und lässt uns unseren Verstand behalten. Unter dem Einfluss von Grindstone ist das nicht mehr ohne weiteres möglich, wenn nicht wenigstens einer einen klaren Kopf behält.“ John sah Sirius an. „Grindstone weckt animalische Instinkte. Wenn du lediglich als Hund mit uns läufst, werden wir dich als Beute sehen, aber wenn du auch den Geruch der Droge an dir hast, werden wir dich akzeptieren. Da du dich so viel öfter in ein Tier verwandelst als wir, harmonierst du viel mehr mit deiner animalischen Seite, als das jeder Werwolf könnte, denn du tust das ohne jeden Druck. Es ist deswegen wahrscheinlich, dass Grindstone deine Sinne zwar schärft, du aber dennoch die Fähigkeit zu denken behältst. In diesem Fall will ich, dass du uns anführst. Du bringst uns dorthin, wo Luca's Spur aufhört. Sie ist frischer als Harrys und leichter zu verfolgen. Wenn wir ihn finden, liegt es in deiner Verantwortung, uns davon abzuhalten, ihn oder Harry zu töten und uns den Rest der Nacht zu beschäftigen, bis die Wirkung nachlässt. Damit wir dir gehorchen, musst du vorübergehend die Rolle des Alphawolfes übernehmen.“

„Ich? Der Alphawolf?“, wiederholte Sirius baff, „aber wird man nicht erst der Anführer, wenn man den Alten getötet hat?“

„In einem festen Rudel schon“, bestätigte John, „aber da wir hier wechselnde Mitglieder haben, reicht ein Kampf aus. Also?“

Sirus zuckte mit den Schultern. „Wenn es Harry hilft...“

„Dann sprich mir nach: 'Ich fordere dich zum Kampf um deine Position als Alphawolf heraus. Das erste Blut soll entscheiden.'“

Sirius tat wie geheißen.

John zückte ein Messer und reichte es dem Ex-Häftling. „Ich nehme die Herausforderung an. - Jetzt schneidest du mich.“

„Das ist alles?“

„Willst du mich lieber zerfleischen?“

„Nein, aber... Ich hab mir so etwas immer eindrucksvoller vorgestellt.“ Sirius fügte John einen kleinen Schnitt auf der Handfläche zu, bis ein dünner roter Faden zu sehen war.

„Und jetzt?“

„Jetzt gehört das Rudel dir. Jedenfalls bis wir morgen früh wieder tauschen.“

Sirius konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. „Cool.“

John gab jedem der Wölfe eine Tablette. Trotz seiner großen Reden sah Sirius ein wenig unschlüssig auf das weiße Ding in seiner Hand herab, bevor er sich überwand und es schluckte.

Es dauerte nur ein, zwei Sekunden. Als Sirius das Kribbeln in seinem Magen spürte, begann er vorsorglich mit seiner Verwandlung. Er brauchte länger als gewöhnlich, aber schließlich hockte an seiner Stelle ein riesiger, schwarzer Hund zwischen den Menschen.

Dann kam der Schmerz. Er fuhr Sirius Beine hinauf, juckte in seinen Muskeln und breitete sich in seinem Kopf aus. Etwas Dunkles, Riesiges wollte sich aus seinem Innern erheben und Sirius ließ es nur widerwillig zu. Wie eine Wolke, wie ein schwarzes Tuch entfaltete sich das Gefühl in seinem Inneren – und explodierte. Plötzlich sah Sirius nur noch rot. Er fühlte sich, als hätte er fünf Liter Kaffee intus und wäre voll ausgeschlafen. Ein unheimlicher Adrenalinschub überkam ihn. Plötzlich hatte er so viel Energie! Diese Kraft in ihm, sie musste heraus, sonst würde er platzen!

Hektisch sah Sirius sich um. Die anderen hatten begonnen, sich zu verändern. Vor Schmerz waren sie auf die Knie gesunken, aber jetzt erhoben sie sich, wenn auch ohne davon abzulassen, ihre Finger in die Erde zu krallen. Ihre Rücken krümmten sich unter der einengenden Kleidung, ihre Haare wuchsen um mindestens zehn Zentimeter und ihre Augen huschten wild umher. Sie alle hockten angespannt an Ort und Stelle, aber nur für den Moment. Dann machte einer von ihnen – Sirius glaubte, Septimus zu erkennen – eine hektische Bewegung und sofort stürzten sich die anderen auf ihn. Dankbar, ein Ventil für seine Energie zu finden, folgte Sirius ihnen und bellte dabei freudig. Seine Krallen gruben sich in Körper, seine Zähne in Kleidung. Er zurrte und zerrte halb ernst, halb im Spiel an dem Kopf eines Mannes und überlegte, wie wenig Kraft es doch brauchen würde, ihn ganz abzureißen. Jemand krallte sich auf seinem Rücken fest und zog blutige Striemen über sein Fell. Da kam die Wut dazu. Sirius fuhr knurrend herum und stürzte sich auf den Angreifer. Reißen, beißen, zerfetzen, das war alles, woran er noch denken konnte. Ja, hauchen, schlagen, sich drauf stürzen! Das machte Spaß!

Sirius sprang zur Seite. Ein Luftzug verriet ihm, dass der nächste Wolfsmensch von hinten angreifen würde. Der Geruch von Blut nahm immer mehr zu. Er wirbelte herum und ging dem Halbmensch an die Kehle. Niemand legte sich mit ihm an.

„Awooooooooo!“

Sirius ließ für ein paar Sekunden von seinem Opfer ab. Der hohe, herzzerreißende Ton weckte ihn aus seinem Wahn. Jemand rief nach ihm! Jemand brauchte ihn!

Sirius wusste es einfach, wusste, dass dieser Ruf für ihn bestimmt war.

Er konnte nicht sagen warum oder woher, aber es war so selbstverständlich wie die Luft, die er atmete.

Wer auch immer da nach ihm rief, er gehörte zu ihm und er brauchte ihn.

Seine Nase verriet ihm, dass das Geräusch von Cale kam, der gerade mit Sylvia und Simon kämpfte. Sirius ließ von dem Wolfsmenschen ab, der ihn angegriffen hatte und stürzte auf die Gruppe zu. Noch im Rennen wollte er Cale zurufen, dass er kam. Aber statt Worten oder dem üblichen Bellen kam nur ein lang gezogenes, wütendes Heulen aus seinem Maul.

Die Wölfe fuhren herum. Sylvia und Simon erstarrten mitten in der Bewegung und sahen ihn überrascht, ja schuldbewusst an. Die herannahenden, tapsenden Geräusche seines Angreifers verstummten mit einem Mal und Sirius brauchte sich nicht umzusehen, um zu wissen, dass auch die beiden hinter ihm inne gehalten hatten. Cale befreite sich aus dem Griff der Angreifer und kam auf allen Vieren auf ihn zugerannt. Mit einem Mal verspürte Sirius einen ausgeprägten Wunsch, den Jungen zu beschützen. Gleichzeitig aber wollte er nicht gegen die anderen Wölfe kämpfen. Aber das war auch gar nicht mehr nötig. Sylvia und Simon hatten sich zusammengekrümmt, senkten den Kopf bis zur Erde und streckten die Hände mit den unnatürlich langen Fingernägeln nach vorn. Instinktiv wusste Sirius, was diese unterwürfige Geste zu bedeuten hatte. Sie erkannten ihn als ihren Alphawolf an.

Stolz ließ ihm die Brust schwellen. Noch einmal reckte er die Kehle zum Himmel und stieß ein lautes, bestimmendes Heulen aus. Die Wölfe taten es ihm nach und ihr mächtiges Gebrüll hallte durch den ganzen Wald. Jetzt wollte Sirius nur noch rennen. Er wollte zwischen den Bäumen hindurch rasen, an der Spitze seines Rudels und sie durch die Nacht führen. Er wollte frei und wild sein, so wie damals, als er mit den Rumtreibern gerannt war. Mit Remus und James und Peter.

James.

Harry.

Harry!

Abrupt stoppte Sirius in seinem Lauf. Verwirrt kamen die Wölfe hinter ihm zum Stehen und jaulten fragend. Er hatte gar nicht bemerkt, dass er tatsächlich losgerannt war. Jetzt aber erinnerte er sich endlich wieder an seine Aufgabe. Er musste Harry finden!

Sirius machte auf dem Absatz kehrt und rannte in die entgegengesetzte Richtung davon. Hechelnd und schnaufend folgten ihm die Wolfsmenschen. Die Bäume flogen nur so an ihnen vorbei, so schnell waren sie. Bald schon hatten sie den Waldrand erreicht. Da es Nacht war, hielt sich niemand auf dem Gelände um das Hauptquartier herum auf. Gut so.

Sirius schnüffelte ein wenig am Boden und führte sein Rudel dann zu dem Gebäude, in dem Luca's Bar lag. An der Hintertür war der Geruch des Vampirs noch deutlich wahrzunehmen. Sirius ließ die Wolfsmenschen eine Weile dort am Boden herumkriechen. Vielleicht hatten einige von ihnen sich an ihre ursprüngliche Aufgabe erinnert, vielleicht nahmen sie auch nur die Witterung des verhassten Blutfeindes auf: dem Vampir.

Sirius stieß ein weiteres Heulen aus. Die Jagd war eröffnet.
 

*
 

Eins.

Es war ein verlassenes Wohnhaus. Kahle Wände, brettervernagelte Fenster und abgerissene Tapete. Kaputte Möbel lagen in den Fluren herum und Teile des Treppenhauses waren weggebrochen.

Zwei.

Es stank fürchterlich. Der Geruch von Moder, Verwesung und Schimmel mischte sich mit dem von frischem Blut. Kein Lüftchen wehte. Wenn sie sich schnell genug bewegten, würde ihr Geruch ihre Feinde nicht warnen können. Einzig die knarrenden Dielen könnten ein Problem sein. Es war gut, dass sie allesamt leichtfüßig waren und sich darauf verstanden, kein Geräusch zu machen.

Drei!

Luca gab das vereinbarte Zeichen und stürmte an der Spitze des kleinen Trupps nach vorn. Als er aufgebrochen war, hatte er sich lediglich die ersten drei Zwielichtigen geschnappt, die ihm über den Weg gelaufen waren. Nun würden sie zu viert gegen eine Übermacht von etwa zwanzig Vampiren kämpfen, aber das spielte keine Rolle. Er selbst traute sich zu, die Hälfte allein zu übernehmen. An seiner Seite waren André und Calis, zwei Stammkunden von ihm, die beide über 500 Jahre Zeit gehabt hatten, Macht anzusammeln. Besonders zählte er hier jedoch auf die Veela, die sich ihnen angeschlossen hatte. Sie ging sowohl im Hauptquartier der Zwielichtigen, als auch in der Botschaft des Ministeriums ein und aus. Ihr Name war Melair und Luca hatte sie aus einem ganz bestimmten Grund mitgenommen.

Die Vampire stießen alle gleichzeitig durch den Boden und in den Keller des verlassenen Hauses. Schutt und Staub regnete mit ihnen herab. Schreie wurden laut, wütend und überrascht. Luca und die beiden Vampire arbeiteten schnell und effizient. Anstatt sich einfach nur ins Getümmel zu stürzen und den Überraschungsmoment zu nutzen, um möglichst viele Feinde auszuschalten, stürzten sie sich gezielt auf die weiblichen Vampire. Das waren gerade mal sechs.

Luca riss der Ersten mit seinen zu Klauen verformten Fingern die Kehle auf, bis ihr Kopf nur noch an ein paar Sehnen baumelte. Eine warme Flüssigkeit tränkte seine Hände und den Umhang, ohne dass er davon in der Dunkelheit viel erkennen konnte. Dies war ein Sicherer Ort. Die Vampire hatten sich nicht zu ihrem Vergnügen hier versammelt, sondern um Schutz vor der Sonne zu suchen, die bald aufgehen würde. So jedenfalls sollte es aussehen.

Luca überließ André und Calis das Feld, als ihn ein vertrauter Geruch in der Nase kitzelte. Sie wollte fliehen!

Luca wirbelte herum und zückte ein Messer. Er konzentrierte sich nur auf Ohren und Nase, ihnen konnte er hier am besten vertrauen. So gelang es ihm, den schlanken Arm einer Frau zu packen. Reflexartig stieß er zu und das Messer landete gezielt in ihrem Hals. In diesem Moment spürte Luca, wie ein paar Hände von hinten nach ihm griffen, um ihn von seinem Opfer wegzuzerren. Die anderen Vampire waren nicht untätig.

„Melair, jetzt!“

Die Veela, die als Einzige oben geblieben war und das Schauspiel verfolgt hatte, sprang nun direkt in die Grube voller kämpfender Vampire hinunter. Ihr langes, eigentlich viel zu auffälliges Kleid flatterte in dem Luftzug um sie herum. Sie streckte die Arme aus und lächelte. Wie ein Engel, der vom Himmel herabstieg.

Obwohl die Veela Luca, André und Canis mit ihrem Charme verschonte, starrte der Meistervampir sie gebannt an. Ein wunderschönes Geschöpf. Anziehend, unschuldig, göttlich. Reihenweise fielen die Männer vor ihr zu Boden. Alle vierundzwanzig feindlichen Vampire gaben sofort jeglichen Widerstand auf, gefangen von ihrem Anblick. Melair stand in der Mitte des Raumes, ihre klaren grünen Augen funkelten amüsiert. Eine Königin.

„Bastard!“

Dieses gekeuchte Wort ließ Luca wieder in die Realität zurückkehren. Die Veela umgab ein magischer Mondschein, der den dunklen Keller in sanftes Licht tauchte. Drei der Frauen lagen mit abgetrenntem Kopf am Boden, eine Dritte war ausgeweidet und lehnte an der Wand. Noch lebte sie, aber Canis, der die vierte Frau festhielt, hatte ein Auge auf sie. Die Letzte wurde von André in Schach gehalten.

Sie hatten das Versteck der Dunklen überrumpelt, ohne selbst auch nur einen einzigen Mann – oder eine Frau – zu verlieren. Der Kampf hatte keine fünf Minuten gedauert.

„Was zum Teufel willst du hier, Luca?“, fragte die Frau feindselig. Obwohl ihre Wut offenkundig war, sprach sie vorsichtig, damit die Wunde in ihrem Hals nicht noch weiter aufgerissen wurde.

Luca richtete seinen Blick auf die intensiv glühenden, eisblauen Augen.

„Sariel“, sagte er mit unbewegter Miene. „Eine falsche Bewegung und ich trenne dir mit diesem Messer den Kopf ab. Die Klinge ist gerade durchgedrungen, ich wäre wirklich vorsichtig an deiner Stelle.“

Sariel rollte nur mit den Augen. „Okay, ich hab's verstanden! Du bist in der überlegenden Position – noch – und ich muss tun, was du sagst. Verrätst du mir jetzt endlich, warum du diesen Zirkus veranstaltest und drei meiner Schwestern getötet hast?“

Luca's Mundwinkel zuckten ein wenig. „Du brauchst dich nicht zu verstellen. Ich weiß, dass die Wunde schmerzt. Selbst Vampire sind dagegen nicht gefeit, auch wenn wir schneller heilen.“

Luca stand so dicht bei der Vampirin, dass er ihren Körper zwischen seinem und der Wand gefangen hielt. Sie konnte nirgendwo hin.

„Du weißt, was ich will“, flüsterte er in ihr Ohr. „Gib ihn mir zurück, dann verschone ich dich.“

„Wovon redest du da eigentlich!?“

„Spiel keine Spielchen mit mir! Du warst es, die Harry aus dem Hauptquartier entführt hat.“

Sariel starrte ihn an. Eine Sekunde verstrich. Zwei. Drei.

Dann lachte sie los. Ein offenes, wenn auch höhnisches Lachen, dass sofort wieder abbrach und in einem Röcheln endete, als Blut in die Luftröhre gelangte.

„Den Potter-Jungen meinst du?“, stieß sie mühsam, aber immer noch mit genügend Spott, hervor, „weit gefehlt, Luca. Wie kommst du auf die hirnrissige Idee, ich könnte ihn entführt haben? Das muss doch wohl ein schlechter Witz sein!“

„Harry kennt die Regeln, er würde nicht so kurz vor Ablauf der Frist einfach abhauen. Glaubst du, ich habe unsere letzte Begegnung vergessen?“ Luca, der das Messer in Sariels Kehle noch immer umklammert hielt, drehte es nur ganz wenig in der Wunde, doch die Vampirin schrie schmerzerfüllt auf und warf den Kopf in den Nacken, sodass ihre schwarzen Haare nur so herumwirbelten.

„Harrys Erzeugerin befindet sich unter deinen Leuten. Nach dem Vampirrecht gehört er ihr und muss jedem ihrer Befehle gehorchen. Es wäre ein Leichtes für sie, ihm zu befehlen, seine eigene Flucht vorzutäuschen und zu dir zu kommen. Also – wo ist er?“

„Du wirst langsam paranoid, Luca“, knurrte die Anführerin der Dunklen. „Ich habe den Jungen nicht.“

Luca zischte böse und stieß ihr das Messer noch ein wenig weiter ins Fleisch, bis es auf Knochen traf. „Hängst du so wenig an deinem Leben?“

„Weißt du, was dein Problem ist?“, fragte Sariel, nunmehr heiser. „Du kannst einfach nicht verlieren. Ist es denn so schwer vorstellbar, dass der Junge es einfach nicht mehr bei euch Weicheiern ausgehalten hat? Vielleicht wollte er echte Macht. Vielleicht war er noch schwächer als du und selbst deine Macht war ihm zu viel. Niemand hält es lange bei dir aus, Luca. Du bist ein Monster, selbst unter den Vampiren. Akzeptier das endlich!“

Für einen kurzen Moment huschten Zweifel über die Augen des Meistervampirs.

„Luca“, flüsterte Melair, „ich kann sie nicht mehr lange halten. Es ist schwerer bei Vampiren, als bei Menschen.“

Widerstrebend trat Luca einen Schritt von Sariel zurück, hielt ihre Kehle aber immer noch mit einer Hand umklammert. Seine Getreuen sahen ihn erwartungsvoll an.

Zum ersten Mal betrachtete Luca den Raum in Melairs Licht genauer. Wie er es sich gedacht hatte. Dieser Keller war nicht einfach nur ein Schutzbunker vor dem Sonnenlicht. Im Raum verteilt konnte er Tische sehen, viele jetzt natürlich umgestoßen. Eine Menge Papier und Kartenmaterial lag auf dem Boden verstreut. Aus einer Ecke des Zimmers starrten ihn die toten Augen eines Menschen an. Jetzt wusste er auch, woher der Verwesungsgeruch kam. Die Vampire mussten sich einen menschlichen Spender gehalten haben, der irgendwann einfach nicht mehr die Energie hatte, so viele hungrige Vampire zu versorgen. Das war ein Ort, an dem die Dunklen ihre Pläne schmiedeten.

Luca's Blick wanderte weiter auf der Suche nach einem Indiz, dass Sariel vielleicht gelogen hatte. An der gegenüberliegenden Wand hing eine Pinnwand mit einer Landkarte, an der zahlreiche verschiedenfarbige Stecknadeln gepinnt waren.

Luca gab Canis ein Zeichen, der daraufhin sein Messer in die Kehle seiner Vampirin rammte und es über ihre Brust bis hinunter zum Bauch zog. Die Frau schrie wie am Spieß, als Canis sie der Länge nach aufschlitzte und ihre Eingeweide in einem blutigen Knäuel hervorquollen. Aber ihr Kopf saß noch auf ihren Schultern. Die Verletzungen würden sie vorübergehend außer Gefecht setzen, sie aber nicht töten.

Canis kam herüber und übernahm Luca's Position, hielt Sariel fest, damit er sich die Karte ansehen konnte. Der Anführerin durfte nichts passieren, nicht nur, weil sie nützliche Informationen hatte, sondern auch, weil sie als Geisel gegen die männlichen Blutsauger dienen konnte, wenn Melair sie nicht mehr halten konnte. Die Schwarzhaarige hatte einmal kurz gezischt, als Canis ihre Vampirschwester aufgeschlitzt hatte, aber ansonsten ließ sie durch nichts erkennen, dass deren Schmerzen sie berührten. Sie beobachtete Luca mit wachen Augen, als dieser zu der Karte trat. Sie zeigte das Gebiet nördlich von Griechenland. Zuerst dachte er, es ginge um Rumänien, das Ursprungsland des Vampirismus. Dort sah er zahlreiche rote Nadeln, die verschiedene Orte markierten. Vielmehr Punkt sah er jedoch im nahe gelegenen Albanien.

Luca war einer der wenigen alten Vampire, die den Bezug zur Gesellschaft und zur Menschheit nicht verloren hatten. Obwohl er im Hauptquartier eher zurückgezogen lebte und schon seit Jahren nicht mehr unter Menschen gewandelt war, ohne auf der Jagd zu sein oder eine andere Verpflichtung erfüllen zu müssen, war er immer auf dem neusten Stand der Ereignisse. In seiner Bar kam ihm so ziemliches jedes Gerücht zu Ohren und so wusste er auch, was sich laut vieler Zauberer in Albanien verbarg. Was – oder vielmehr wer.

Mit einem wütenden Aufschrei fuhr Luca herum und starrte Sariel aus zornfunkelnden Augen an.

„Nein, das hast du nicht getan!“, brüllte er, jegliche Fassung verlierend, „du hast nicht wirklich nach dem Dunklen Lord gesucht!“

Sariel lächelte nur Unheil verkündend. „Gesucht...?“

Luca wandte sich erschrocken noch einmal zu der Schautafel um. In Albanien häuften sich gelbe Punkte zwischen den roten. Aber, da am äußeren Rand, blinkte eine einzige, grüne Nadel.

„Du kommst wie immer zu spät, Luca“, flüsterte Sariel mit Genugtuung.

Die Kraft seiner Wut wich so plötzlich aus dem Meistervampir, wie sie gekommen war. Auf einmal wirkte er erschöpft.

„Aber... warum?“, stieß er hervor, „das wird Krieg geben, Sariel, das weißt du! Hunderte werden sterben.“

Sariel zuckte mit den Schultern. „Hunderte von Menschen. Was gehen uns die schon an?“

Luca schnaubte verächtlich, doch Sariel lehnte sich vor, ohne auf Canis' warnendes Knurren zu reagieren. Eindringlich sah sie Luca in die Augen. „Überleg doch mal! Der Dunkle Lord ist auf der Seite der Vampire. Das Ministerium ist schwach und versucht schon seit Jahren, uns zu vernichten. Nur durch ihn können wir jetzt noch Gleichberechtigung erhalten, nur durch einen kompletten Umsturz! Was hält dich schon bei den Menschen? Alle deine Freunde sind durch und durch magisch. Mit der schwachen Rasse gibst doch auch du dich nicht ab. Denk nur daran, was sie dir genommen haben! Das kannst du alles zurückbekommen. Du kannst sogar diesen Jungen behalten, an dem du so sehr hängst. Der Dunkle Lord wird begeistert sein, wenn sich das Symbol der Lichtseite ihm unterwirft.“

Ein Ausdruck purer Verachtung trat auf Luca's Gesicht. „Die Sariel, die ich einst kannte, hätte sich mit Händen und Füßen dagegen gesträubt, sich irgendeinem dahergelaufenen Zauberer zu unterwerfen.“

„Was heißt schon unterwerfen? Es ist ein vorübergehendes Bündnis. Der Dunkle Lord zieht die Massen mit sich. Durch ihn können wir die Regierung stürzen – aber danach brauchen wir ihn nicht mehr. Er ist der Kopf, ohne ihn sind seine Todesser nichts mehr. Ihn zu töten wird dann eine Leichtigkeit.“

Ihre Stimme wurde sanfter, als sie flüsterte: „Du bist über sechstausend Jahre alt, Luca. Was kümmert dich so ein kleiner Krieg? Was kümmert dich diese Ära? Du hast nichts zu verlieren, aber viel zu gewinnen. Komm zu mir, Luca. Es kann wieder so sein wie früher. Wir beide, zusammen.“

Luca trat langsam auf sie zu. Zögernd, angespannt.

„Ja, Luca. Wir beide waren doch so ein gutes Team. Wir waren so glücklich. Schließ dich mir an!“

Der Meistervampir zog ein zweites Messer und ließ es locker in seiner Hand herumwirbeln. Sariels Miene verfinsterte sich.

„Das ist nicht, was du willst“, antwortete er ihr. „Du verachtest mich.“

Noch einmal lachte Sariel, hell diesmal, ein wunderschönes, melodisches Lachen. „Hast du das etwa jemals wirklich geglaubt, Luca? Du bist der mächtigste Vampir in ganz England. Ich verstehe nicht, warum du diese Macht nicht nutzen willst, aber allein für ihr Vorhandensein habe ich dich immer respektiert.“

„Dann wird es dich freuen, keinen unwürdigen Tod gestorben zu sein“, sagte Luca und schob Canis beiseite, um seinerseits Hand an die Klinge an ihrem Hals zu legen.

Für einen Moment huschte ein Schatten über ihre Augen.

„Du kannst mich nicht töten“, flüsterte sie, vorsichtiger diesmal. „Das wirst du nie können. Du liebst mich, Luca, dagegen kannst du nichts tun.“

„Ich liebe eine Frau, die vor fast dreihundert Jahren gestorben ist“, antwortete er emotionslos.

Da verzerrte sich das Gesicht der wunderschönen Vampirin und wurde zu einer Grimasse des Zorns und der Verachtung.

„Dann tu's doch, du Monster!“, schrie sie ihn an. „Tus's doch, wenn du es kannst! Stoß schon zu, worauf wartest du?“ Und als er sich immer noch nicht rührte: „Du bist so schwach, Luca, so unglaublich schwach! Deine Gefühle haben dich weich gekocht. Du warst damals nicht bereit, mich zu erlösen und heute bist du nicht bereit, dich selbst zu erlösen. Du wirst auf ewig in deinen Seelenqualen gefangen sein. Ein Teufelskreis, dem du nicht entkommen kannst, solange du das Böse in dir verleumdest. Du bist ein Vampir, verdammt! Verhalt dich endlich mal wie einer!“

„Wir scheinen höchst unterschiedliche Vorstellungen davon zu haben, wie sich ein Vampir verhalten sollte“, knurrte er.

„Luca...“

Nur dieses eine, geflüsterte Wort warnte ihn.

Luca fuhr gerade noch rechtzeitig herum, um zu sehen, wie Melair die Augen verdrehte und in sich zusammensackte. Die lange Aufrechterhaltung ihrer Magie hatte sie zu viel Kraft gekostet. Noch bevor sie auf dem Boden aufschlug, regten sich vierundzwanzig mordlüsterne Vampire und erwachten aus ihrer Trance.
 

*
 

„Nicht Harry, nein, nimm mich!“

„Geh aus dem Weg, du dummes Mädchen!“

„Nicht Harry, nicht Harry... Töte mich, aber nicht Harry!“
 

„So alleine hier? Du solltest vorsichtig sein. Hier treiben sich eine Menge dunkler Gestalten herum.

„Äh, danke für den Tipp, aber ich muss jetzt wirklich-“

„Du willst doch nicht etwa schon gehen? Es ist mitten in der Nacht. Willst du nicht lieber mit uns kommen?“

„Ich will wirklich nicht-“

„Lass den Scheiß, Jake. Ich hab Hunger. Lass es uns jetzt tun!“
 

„Unschuldig, ja, ich bin unschuldig... Unschuldig, ich war's nicht... ich bin unschuldig... Peter war´s... nicht ich... unschuldig...“

„Du musst mir mit Sirius helfen, der hat zu viel getrunken. Lass ihn uns ins Hauptquartier bringen, bevor der Mond sich lichtet!“

„Ich nehm ihn schon, beobachte du den Mond und sieh zu, dass uns niemand folgt.“

„Remus...“

Awooooooooooooooooo!
 

Harry schüttelte den Kopf und rannte weiter. Doch immer wieder blitzten die Bilder vor seinem inneren Auge auf, diese schrecklichen Bilder. Er konnte sich an kein glückliches Ereignis erinnern, fühlte sich zu schwach, um einen Patronus herauf zu beschwören. Aber das hätte er ohnehin nicht gedurft, wenn er seine Postion nicht preisgeben wollte. Er musste es aushalten.

Sirius hatte Recht behalten, solange er sich in seiner Animagus-Gestalt befand, war es erträglich. Mit mächtigen Sprüngen rannte der schwarze Löwe den nächtlichen Weg entlang, hoch zum Schloss. Ein grüngeschuppter, geschmeidiger Leib hatte sich um den Seinen geschlungen, ein zweiter um seinen Hals.

Die Schlangen beklagten sich nicht über den Hauch der Kälte, den die Dementoren aussandten.

Dann endlich hatte er die Sicherheitssperre umgangen und flüchtete sich in den Schatten des Verbotenen Waldes. Hier endlich verwandelte er sich zurück.

“Wassss ist los? Brauchssst du eine Pause?“, fragte Gomorrha zischelnd.

Nein, aber ich setze euch hier ab“, erwiderte Harry. „Von nun an gehe ich allein weiter.“

„Was!?“, protestierte Sodom. „Nein, wir kommen natürlich mit!“

„Nein, ihr könnt nicht mitkommen! Ihr bleibt im Wald, das habt ihr mich versprochen! Sonst hätte ich euch überhaupt nicht mitgenommen.“

„Aber Harry! Wasss, wenn er dich angreift?“

„Genau! Wir haben dich schon einmal im Sssstich gelasssen, dassss machen wir nicht noch einmal. Darauf kannsst du dich verlasssen!“

„Jetzt hört ihr mir mal genau zu. Ein allein umherstreunender Kater fällt ja wohl im Schloss viel weniger auf, als ein Kater mit zwei Schlangen im Schlepptau! Gegen wen wollt ihr mich denn verteidigen? Euer Gift ist tödlich.“

„Wir sssind doch deine Waffen! Der Zauberer hat doch keinen Ssstab, oder? Da wird er ssich so auf dich stürzen.“

„Dann brauchssst du eine Nahkampfwaffe und die sssind wir.“

Doch Harry schüttelte den Kopf. „Ich habe nicht vor, mich dort als Mensch sehen zu lassen.“

„Alsss Vampir, meinst du wohl.“

„Äh... ja...“ Natürlich, als Vampir. Etwas anderes würde nie wieder möglich sein.

„Warum bissst du auch abgehauen? Wir wären noch mindessstens vier Tage sssicher gewessen. Du hattessst doch versprochen, drei Monate da zzzu bleiben.“

„Sie haben mir alles beigebracht, was ich wissen muss. Auf die paar Tage kommt es nicht an. Ich brauchte diesen Vorsprung, damit Sirius mir nicht folgen kann.“

„Er könnte apparieren.“

„Das wird er nicht riskieren. Nicht mit den Hundertschaften an Dementoren hier überall.“

„Wasss sssoll ssso schlimm an denen sssein?“

„Ihr seid Tiere, ihr spürt das nicht so sehr, aber für Menschen ist es ziemlich heftig. Naja, und ihr habt ja auch kaum schlechte Erinnerungen, glaub ich.“

Harry musste noch weitere zehn Minuten auf seine Basilisken einreden, bis sie endlich versprachen, im Wald auf ihn zu warten, bis er wieder zurückkehrte.

„Ach ja – und falls ihr irgendwelche übergroßen Spinnen hier seht, grüßt sie schön von mir!“, meinte er noch schelmisch, bevor er begann, sich zu verwandeln.

Die zunächst große Gestalt des zottigen Löwen schrumpfte immer weiter, bis ein, zugegeben recht stattlicher, schwarzer Kater auf dem Laubboden hockte.

Harry funkelte die beiden Schlangen noch einmal warnend an, dann wandte er sich um und trottete langsam auf das Schloss zu.

Beim Anblick der hohen Türme, des vertrauten Eingangstores und des Quidditch-Feldes schlug sein Herz höher. Hier war er zwei Jahre lang zu Hause gewesen. Jedenfalls mehr zu Hause, als er es jemals bei den Dursleys war. Dort oben waren irgendwo Ron und Hermine.

Aber deswegen war Harry nicht hier.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Kagomee16
2011-11-24T17:24:54+00:00 24.11.2011 18:24
schönes kapi^^
auch wenn ich nicht verstehe wieso harry nicht noch 4 tage warten konnte...

lg kagomee16
Von:  pingu
2011-11-18T22:02:45+00:00 18.11.2011 23:02
Das lange warten hat sich gelohnt und trotzdem stelle ich mir eine Frage:
Warum macht Harry das? Was wird mit Luca? Wird er Harry noch finden? wenn ja, wie reagiert er? Und Sirius wo ihn Harrys Spur doch direkt zu den Dementoren leitet?
Wieder einmal lässt du mich nach einem Kapitel zurück, mit vielen Fragen und erwartungsvollen Gedanken an das nächste Kapitel, sowie einem ehrlichen: "Einfach Genial" für dich,
Von: abgemeldet
2011-11-17T07:18:56+00:00 17.11.2011 08:18
Ein super spannendes Kapitel!!!
Richtig super vom Verlauf, aber auch von der Schreibweise!!
Ich freu mich schon auf das nächste Kapitel!!!

Lg Duski


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