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Drei Seiten der Medallie

Un vericueto al destino
von

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Prolog

Es war nicht immer leicht, alle Erwartungen zu erfüllen, die einem auferlegt wurden.

Das war die erste Lektion, die Arina am Hof gelernt hatte – und es war die letzte gewesen, die von allen anderen Lektionen des Lebens am Ende übrig geblieben waren.

Sie schmeckte Staub auf ihrer Zunge und Blut an ihren Zähnen. Es stank.

Der Geruch von eitrigen Wunden und trockenem Stöhnen lag in der Luft. Sie atmete einmal tief durch und richtete ihren Blick nach oben. Die steinerne Decke der Kathedrale verschwand im Halbschatten und wirkte schwer. Fast verrückt, wie dieses immense Gewicht dort oben bleiben konnte und sie nicht hier unten zermalmte mit all den anderen, die neben ihr lagen. Arina schloss die Augen für einen Moment und es tat gut.

Die Kathedrale war zu einer der wenigen Stätten der Zuflucht geworden, nach allem was passiert war.

Es war viel passiert.

Das Grauen war aus den Meeren aufgetaucht und wütete bei Tag und Nacht. Glühende Saphiraugen, rasselnde Klingen und furchterregende Schreie erfüllten jeden Landwinkel.

Jene, die sie einst verehrt hatten als Spender des Lebens, waren in ihrer ganzen schrecklichen Erhabenheit erschienen – nicht als Lebensspender, sondern als erbarmungslose Rächer.

„Es gibt Essen. Wach auf.“, sagte eine Männerstimme. Sie öffnete die Augen und blickte in das Gesicht eines Menschen, ein Mann, der seine besten Jahre bereits hinter sich hatte und dessen Haarwuchs bereits nachließ.

„Ich bin wach.“, sagte Arina – und stellte fest, dass ihre Stimme durch den wenigen Gebrauch furchtbar eingerostet war.

Wie lange hatte sie schon mit niemandem mehr gesprochen? Schwer zu sagen, wenn man hier lag, halb wach und halb in tranceähnlichem Schlaf. Vielleicht ein paar Tage.

Der Mensch trug einen Topf bei sich in dem sich die Suppe befand. Es stieg bereits kein Dampf mehr daraus hervor, aber das war nicht schlimm. Er nahm eine kleine Schale und füllte sie mit einem Schopflöffel der kalten, dünnen Suppe.

„Kannst du dich aufrichten?“, fragte er dann. Arina nickte. Sie konnte es zumindest versuchen – und der Versuch glückte. Man wusste ja nie, welche Wunden man sich einbildete zu haben, welche von dem Gebrabbel anderer Verletzter neben einem stammten und welche der Körper wirklich erlitt.

Der Mann gab ihr die Schale und sie nahm sie mit beiden Händen an, wohl darauf bedacht, nichts zu verschütten.

Es hätte Zeiten gegeben, in denen sie sich nun geschämt hätte und in der sich besonders andere für sie geschämt hätten. Als Elfe wortlos die Hilfe eines Menschen anzunehmen.

Diese Zeiten gab es allerdings nicht mehr.

„Das sind ungewöhnliche Narben auf deinen Händen.“, meinte der Mensch, nachdem er dem Flüchtling, der neben ihr lag, aufgeholfen hatte.

Arina hielt inne und betrachtete ihre Hände.

Weiße, geschwungene Linen überzogen die Haut vom Handgelenk bis zu den Fingerspitzen auf beiden Händen. Selbst durch den Schmutz auf ihrer Haut konnte man sie noch schimmern sehen.

„Ja, das sind sie.“, sagte sie nur und hoffte darauf, dass der Mann zu beschäftigt war, um weiter danach zu fragen. Er fragte auch nicht weiter – das musste er nicht.

„Ich weiß, was sie bedeuten. Du bist die Gesandte.“

Arina schloss wieder die Augen. Eine Weile lang geschah nichts, außer dem Leiden der anderen Flüchtlinge, dem Stöhnen und Jammern der Vermissenden und dem Jaulen der verrückt gewordenen.

Verrückt werden konnte man heutzutage sehr leicht.

„Warum bist du hier?“, hörte sie den Mann fragen. Sie konnte die Wut wahrnehmen, die hinter der Frage steckte. Enttäuschte Hoffnung.

Nicht erfüllte Erwartung.
 

Ich habe keine einzige Erwartung erfüllt.
 

Taras kam ihr in denn Sinn und mit ihm die alten, quälenden Fragen.

Hätte er es besser gekonnt? Hätte er es geschafft?

Hätte mein Bruder die Erwartungen erfüllen können?
 

Ja flüsterte der Zweifel in ihr, das hätte er mit Leichtigkeit. Du kannst dich an seinen Mut erinnern – seine Entschlossenheit. Nichts hätte ihn abgehalten, nicht der größte Widersacher.

Aber du bist bereits beim kleinsten zusammengebrochen.
 

Arina wusste nicht, was sie dem Menschen antworten sollte, denn offensichtlich schien er auf eine Antwort zu warten. Sie schloss die Augen langsam und öffnete sie wieder, nahm dann einen Schluck von der kalten Suppe.

Mehr Wasser, als Suppe. Aber besser als nichts.

Der Mann wartete immer noch und als sie ihn ansah, bemerkte sie, dass seine Lippen in stummer Frustration fest aufeinander gepresst waren. Sie seufzte einmal kaum hörbar. Sie konnte sich vorstellen, was der Mann hören wollte.

Ein wenig Hoffnung, weil es ihre Aufgabe war, Hoffnung zu geben. Etwas, wie Ich bin hier, weil ich meine Pflicht erfülle – warte es nur ab, die Zeiten werden besser. Oder etwas, wie Dieser Kampf ist noch nicht dabei.

Aber sie wusste genauso gut, dass er etwas wie Ich bin hier, weil ich versagt habe. Alle Hoffnung ist verloren und wir werden alle sterben ebenso viel hören wollte, wie die positiven Nachrichten.

So waren jene, die etwas von ihr erwarteten. Sie vertrauten fest darauf, dass die Gesandte es richten würde, ganz gleich was auch nur kommen mag – aber sie gierten ebenso verhungert danach, sie straucheln, stolpern und stürzen zu sehen und sie zu beobachten, wie sie im Staub nach Wasser suchte.

Es war nicht schlimm. Aber es war keine Antwort für diesen Mann.

Deshalb gab sie ihm keine und er setzte seine Arbeit fort.



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