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All Your Other Ways

von

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- John -

In der Oxford Street fühlte sich John total verloren - wie immer. Er drängte sich vorbei an Menschenmassen, wich Leuten aus und verlor fast den Kopf bei all der Unübersichtlichkeit. Links und rechts von ihm türmten sich die hohen Gebäude auf - dazu der laute, dichte Verkehr auf der engen Straße.

Am liebsten wäre John wieder umgekehrt und hätte sein Vorhaben einfach fallen lassen, aber er wusste, dass er es jetzt durchziehen musste. Etwas anderes fiel ihm nicht ein - zumindest nicht, was er Liz zumuten konnte. Sie war etwas Besonderes für ihn geworden und er wollte ihr etwas Besonderes schenken, wenn sie am nächsten Tag ausgingen.

Er suchte den "Ernest Jones" Juwelierladen. Er wollte nichts allzu Teures, aber etwas kleines, schönes. Sie waren nun seit drei Monaten zusammen und John wollte sie so einfach nicht mehr gehen lassen. Seitdem er Liz kannte, war sein Leben bunter und aufregender geworden. Er verbrachte nicht mehr so viele Überstunden bei der Arbeit und freute sich auf seinen Feierabend. Er hatte viel mehr Freude an seinem Leben. Und das nicht nur, wenn er mit Liz zusammen war. Sein Blick war geschärfter, seine Witze lustiger, seine Gefühle intensiver. Er war geduldiger, gütiger, fröhlicher. Sie brachte nur das Beste in ihm zum Vorschein. John war niemals der Typ gewesne, der sich von jemandem so mitreißen ließ und es zuließ, dass alles völlig auf den Kopf gestellt wurde - dafür war er viel zu vernünftig, viel zu vorsichtig -, aber dieses Mal hatte er gar keine Wahl gehabt. Ohne seine Kopf zu verlieren hatte er sich in die Sache reingestürzt und bis jetzt war nur Gutes dabei herausgekommen. Er war glücklich. Er war ein zufriedener Mensch, völlig ausgeglichen. Und das durch eine Frau, die ihre Launen so oft änderte wie wahrscheinlich keine andere. Aber selbst das machte ihm nichts aus.

Er rief in seinem Kopf noch mal die Stadtkarte auf, die er im Internet angeguckt hatte. Auf der linken Seite, genau an der Ecke, musste der Juwelier sein. John registrierte den Foot Locker und erinnerte sich daran, dass er diesen auf der Internetkarte gesehen hatte. Noch ein paar Meter und er würde am Ziel sein.

Als er eintrat, ertönte eine Klingel und er merkte, dass er der einzige Kunde im Geschäft war. Eine Dame mittleren Alters, sehr ordentlich und gepflegte gekleidet, schenkte ihm ein reserviertes Lächeln und nickte ihm zu. Er erwiderte ihren Gruß, war jedoch leicht überfordert.

Unsicher schlenderte er durch die Reihen und sah sich den Schmuck an. Es gab einfach alles hier. Uhren, Ketten, Armbänder, Ringe, Diamantenschmuck, Ohrringe und vieles andere. Manche Dinge waren pompös und auffallend, andere wiederum schlicht und klein. John hatte nicht vor, Liz einen monströsen Diamanten zu schenken. Er hatte so im Gefühl, dass das nicht ganz ihr Ding war. Obwohl Liz eine so präsente Persönlichkeit war, die das Potenzial dazu hatte, jedem anderen die Schau zu stehlen, hatte er sie sehr selten mit Schmuck gesehen. Das höchste der Gefühle war ihre Armbanduhr und ein paar Mal hatte sie eine Kette um gehabt. Silber war sie gewesen mit einem kleinen roten Doppeldeckerbus-Anhänger. Als er sie fragte, welche Bedeutung dahinter steckte, legte sie ihre Hand um den Anhänger an ihrer Brust und lächelte erinnerungsselig. Dann erzählte sie ihm, dass ihre Geschwister zusammengelegt und ihr die Kette und den Anhänger gekauft hatten, kurz bevor sie nach London gegangen war, um hier zu studieren. John merkte, dass Liz viel an ihrer Familie lag, aber oft betonte sie auch, dass ihre Eltern sehr konservativ waren und nicht zufrieden mit dem, was Liz machte. John konnte sich das nur schwer vorstellen.

"Kann ich Ihnen helfen?", unterbrach die Verkäufern seinen Gedankengang und sah ihn erwartungsvoll an.

Er kratzte sicher also am Hinterkopf. "Ja, vielleicht. Ich möchte einer Frau ein Geschenk machen, aber..."

Ohne, dass er zu Ende sprechen musste, nickte sie schon eifrig mit dem Kopf und kam hinter ihrer Verkaufstheke hervor.

"Woran hatten Sie denn da gedacht? Eine Uhr?"

John schüttelte den Kopf und sie fragte lauernd: "Einen Ring?"

Er musste lachen bei der Vorstellung, Liz einen Ring zu schenken. Sie würde ihn mitsamt seines teuren Mitbringsels davonjagen. Obwohl sie sich noch nicht lange kannten, hatte er doch gemerkt, dass sie dem Thema Heiraten ein bisschen skeptisch gegenüberstand. Sie hatten noch nie darüber geredet, aber manchmal ließ sie Bemerkungen fallen über verheiratete Frauen - und sei es nur über ihre Klienten -, die ihm verdeutlichten, dass das nicht unbedingt in ihren primären Lebensentwurf gehörte. John machte sich allerdings keine Gedanken darüber. Er hatte nicht vor, Liz zu fragen, ob sie ihn heiraten wollte, zumindest jetzt noch nicht. Vielleicht später, wenn sie etwas länger zusammengewesen waren. Und er würde bestimmt alles dafür tun, dass es funktionierte.

"Nein, kein Ring." Er sah sich etwas um und schüttelte hilflos den Kopf. "Wissen Sie, sie ist etwas... kompliziert. Schwer einzuschätzen."

Die Verkäufern verzagte nicht. "Erzählen Sie etwas von ihr."

John dachte kurz nach. Er wollte keine privaten Details ausplaudern. "Sie ist sehr... stur." Die Verkäufern nickte wieder. "Und sehr lebensfroh. Irgendwie ist sie eine einzige wirbelnde... Farbenpracht..." Er räusperte sich verlegen. Das hatte er gar nicht sagen wollen, aber Liz mit normalen Adjektiven zu beschreiben war fast unmöglich. Sie war alles andere als normale Adjektive. Sie war Symbole und Metaphern.

Doch anstatt sich über ihn lustig zu machen, kniff die Verkäufern die Augen zusammen. Auf ihrem Namensschild stand "Mrs. Harris". "Wann hat sie Geburtstag?", wollte sie entschieden wissen.

"Oh, es ist nicht ihr Geburtstag", widersprach John hastig, aber sie sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen fragend an, sodass er sich ihr fügte. "Im August. Am fünften."

Auf dem Gesicht von Mrs. Harris erschien ein wissendes Lächeln, das ihm, obwohl sie nichts sagte, signalisierte, sie hatte die Situation unter Kontrolle.

"Löwe also", kommentierte sie fachmännisch. "Stur, huh? Dynamisch vom Wesen her? Stürmisch? Mutig."

John nickte irritiert. Er beschäftigte sich nicht mit Horoskopen und Typologien. Hatte es niemals gemacht. Für ihn war das alles Hokuspokus. Das richtige Leben interessierte es nicht, ob man vom Sternzeichen ein Steinpilz oder ein Kassettenrekorder war. Hauptsache, man funktionierte. Doch diese spontane Beschreibung passte auf Liz wie die Faust auf's Auge.

"Das ist typisch für Löwen", redete die Frau weiter und winkte ihn mit sich, als sie sich umdrehte und langsam durch den Laden ging. Dabei wandte sie ihr Gesicht wieder John zu. "Sie können jedoch zuweilen auch stolz und etwas ichbezogen sein. Sehr starke Persönlichkeiten."

Ob Liz zu stolz oder zu ichbezogen war, dazu konnte John nichts sagen. Er sah es nicht so. Wenn er es sich recht überlegte, sah er nur ihre guten Seiten und welche Wirkung sie auf ihn hatten. Doch mit einem hatte die Dame Recht: Liz war wirklich eine starke Persönlichkeit.

Mrs. Harris kam an eine Vitrine, in der kleine Anhänger gut sortiert auslagen. Es waren ähnliche wie der von Liz und John beugte sich fasziniert darüber, um all die kleinen Bilder und Symbole zu betrachten. Er konnte es kaum glauben, was es alles gab: einen roten High Heel, einen grüne Froschkönig, über den er lachen musste - ob der Liz gefallen würde? -, einen Briefumschlag, Stern, Lippenstift, Würfel. Es gab Perlen, Tiere, Schlüssel. Und einer fiel ihm ganz besonders ins Auge: ein schwarzer Stern mit der Aufschrift: Rockstar. Er musste grinsen. Das könnte durchaus eine Bedeutung haben!

Mrs. Harris holte ihren Schlüssel heraus und öffnete die Vitrine. "Darf ich fragen, welches Sternzeichen Sie sind?", hakte sie nach, während sie mit der Türe hantierte und John sich weiterhin die Anhänger besah. Es gab sogar eine Micky Mouse und einen Donald Duck. Für die Sammler wahrscheinlich.

"Keine Ahnung", murmelte er. "Mit so was kenne ich mich gar nicht aus."

Als er ihren geduldigen Blick auf ihm spürte, erklärte er: "Ich habe im Juli Geburtstag."

Sie riss die Augenbrauen hoch. "Krebs", stellte sie dann trocken fest, fasste in die Vitrine und nahm sich einen Anhänger. John sah auf ihre Hand, aber sie hatte ihn schon um das kleine Ding geschlossen und er konnte nicht erkennen, welchen sie sich geschnappt hatte. Sie wirkte amüsierte, als sie ihn von oben bis unten betrachtete, was ihn leicht nervös machte. "Gegensätze ziehen sich an, sagt man ja", bemerkte sie dann wohlwollend, zog aber mitleidig die Augenbrauen hoch. John wusste nicht, was sie damit sagen wollte, aber es war ihm auch egal. Er fühlte sich, als wäre er in einem Esoterikshop gelandet. Wenn sie ihm gleich einen amourösen Liebestrank andrehte, würde er schnellstens die Flucht ergreifen und Liz dann doch lieber Blumen und Pralinen schenken, obwohl sie das - wie er auch - sicherlich für absolut einfallslos halten würde.

Aber sie tat nichts dergleichen. Stattdessen öffnete sie ihre Hand und ließ ihn hineinsehen. Auf ihrer Handfläche lag ein kleiner, orangener Anhänger. Es war ein Löwe, in einer so leuchtenden, hellen Farbe mit brauner Mähne und schwarzen Augen. John liebte ihn sofort.

"Dazu gibt es auch bestimmte Ketten, an die man diese Anhänger hängen kann", erklärte Mrs. Harris und lächelte, als sie John’s fasziniertes Gesicht sah. "Ich dachte mir, das würde vielleicht passen."

John nickte begeistert. Es passte wie die Faust auf's Auge. "So eine Kette hat sie schon", murmelte er und Mrs. Harris nickte zufrieden, obwohl sie doch eigentlich enttäuscht sein sollte, weil ihr mehr Umsatz verwehrt blieb.

"Vielen Dank, ich glaub, den nehme ich." Er lächelte ihr erleichtert zu. Diese Frau war seine Rettung gewesen. Obwohl sie anscheinend alles über unnütze Astrologie wusste, hatte sie auch einen bemerkenswerten Riecher. Kein Wunder, dass sie in einem Laden wie dem "Ernest Jones" arbeitete.

Es war das perfekte Geschenk. Es war nicht pompös, nicht auffällig. Es war besonders, es war persönlich, aber es war nicht zu teuer, was möglicherweise gar nicht angemessen wäre nach nur einem Monat. Niemand gab ein Vermögen für eine einmonatige Beziehung aus und bei Liz konnte man sowieso nicht wissen. John hoffte nur, dass sie sich darüber freuen würde. Er jedenfalls war hellauf begeistert. Er hätte Mrs. Harris knutschen können. Und deshalb gab er ihr auch ganze fünf Pfund Trinkgeld, was er normalerweise niemals tat.

Er hatte auch schon einen Tisch in einem netten Restaurant reserviert. Nicht zu edel, aber auch kein Fast Food Restaurant. Und dort gab es das beste Schokoladensoufflee des Landes - hatte ihm Kylie, seine Empfangsdame, verraten. Genauso, wie es in Chinatown die beste Fischreispfanne gab.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  fraeulein_moehre
2013-07-05T09:41:16+00:00 05.07.2013 11:41
Sehr schönes Kapitel. Bin gestern zufällig auf deine FF gestoßen. Ich mag deine Schreibweise wirklich sehr gern und hab die beiden Charakter und ihr Umfeld schon echt lieb gewonnen :)
Ich bin eher ein stiller mitleser Kommentare schreiben da tu ich mir immer so schwer xD

Mir ist hier eine Kleinigkeit aufgefallen weiter oben schreibst du "Sie waren nun seit drei Monaten" und hier unten sind es dann nur noch ein Monat. Oder verstand ich das falsch? :D
Aber alles in allem sehr gutes Kapitel :) Ich les dann mal weiter.
Antwort von:  fraeulein_moehre
05.07.2013 11:41
zusammen*
Von:  -Nami
2011-11-09T20:19:34+00:00 09.11.2011 21:19
ich sehe schon Liebe schleicht sich heran...
und es hat John voll getroffen!! Auch wenn es nicht direkt auf schwarz und weiß steht :D




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