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Qononilut - Die Farben Sterben

Nicht jeder Drache ist ein Norbert!
von

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Jahr 4, Kapitel 4: Streit


 

Qononilut – Die Farben Sterben

Jahr vier: Die Kammer des Schreckens

- Kapitel vier -

Streit
 

Ruby musste nicht von ihrem Aufsatz aufsehen, um zu wissen, wer sich da gerade ihr gegenüber am Tisch niederließ.

„Guten Morgen, liebste Ruby“, trällerte Fred und er und George strahlten völlig identisch um die Wette.

„Welcher Aufsatz darf’s sein?“, fragte Ruby und schob ihnen ihre Arbeiten zu, um das Gespräch möglichst schnell zu beenden. Wie bei den meisten ihrer Klassenkameraden war sie auch bei den Weasley-Zwillingen meistens nur dann gefragt, wenn es eine besonders nervtötende Hausaufgabe zu bewältigen galt. Es machte ihr zwar nichts aus, die beiden Tunichtgute abschreiben zu lassen, aber besonders nach dem Vorfall in der Bibliothek und den nun schon drei Wochen andauernden Überfällen war sie alles andere als erpicht auf ein Gespräch.

„Nur die Astronomiekarte, danke“, sagte George und zog das Pergament zu sich. Fred hatte nur einen kurzen Blick für die Monde des Jupiters übrig. Er wühlte in seiner Tasche, zog Drachenlegenden des Neunzehnten Jahrhunderts hervor und schob es Ruby unter die tintenbekleckste Nase.

„Was soll ich damit?“

„Suchst du nicht mehr nach einem Namen?“

„Danke, ich habe schon längst einen“, antwortete sie kühl und schob Fred das Buch wieder zu.

„Doch nicht Hector, oder?“, fragte George zweifelnd.

„Aber natürlich Hector!“, rief sie trotzig.

„Na super, wer auch immer von dir mit diesem Namen gestraft wurde, wird es dir sicher danken“, antwortete er und kopierte ihre Beschriftung des Io.

„Er fand den Namen gut“, erwiderte Ruby und strich ein Wort in ihrem Aufsatz durch.

„Wer denn?“, hakte Fred nach.

„Das geht dich immer noch nichts an.“

„Doch nicht etwa ein Drache?“

„Nein!“, rief sie empört und kleckste dabei auf ihr Zaubertrankbuch.

„Also tatsächlich ein Drache?“, fragte Fred mit gedämpfter Stimme; George sah von der Sternenkarte auf.

„Bist du eigentlich taub? Ich hab Nein gesagt.“

„Bist du eigentlich blöd? Nein heißt ja“, stellte Fred grinsend fest und George nickte bestätigend. Ruby verdrehte die Augen.

„Und wo, allwissender Klon mit Erblindung fördernder Visage, soll ich bitteschön einen Drachen hergezaubert haben?“, keifte sie.

„Das, werte Zimtzicke mit Abneigung förderndem Humor, wirst du uns sicher gleich verraten“, erwiderte Fred fies grinsend. George wollte gerade etwas hinzufügen, als ihm die Astronomiehausaufgabe unter der Nase weggezogen und sein Kopf unsanft gegen den seines Zwillings gestoßen wurde. Meckernd und sich die Köpfe reibend, konnten sie gerade noch das Porträtloch zugehen sehen.
 

Eigentlich hatte Ruby Hector nicht besuchen wollen, weil seine Laune seit dem Tag seiner Namensgebung unausstehlich häufig wechselte, aber sie war lieber in einem Wald voller Ekelgetier bei einem Drachen mit Stimmungsschwankungen als eine weitere Sekunde in einem Raum mit dem beiden Klonen. Sie war seit zwei Tagen nicht mehr bei Hector gewesen, nachdem er einen Wutanfall gehabt und ihr eine böse Kratzwunde zugefügt hatte; Ruby hoffte, dass ihm die Pause gut getan hatte und er nun entspannter war, wenn sie sich ihm näherte. Wirkliche Hoffnungen hatte sie allerdings nicht, vor allem, nachdem Hagrid mit einem Veilchen und in äußerst schlechter Stimmung aus dem Wald kam.

„Tausend Mal hab ich’s ihm gesacht, soll die Einhörner in Ruhe lassen, sin’ eh zu schnell… Aber nee, pflügt lieber ’n halben Wald um…“

„Hey, Hagrid“, sagte Ruby laut über Hagrids Gemurre hinweg. Er sah auf und senkte sogleich den Kopf, um sie missmutig anzustarren.

„Der dumme Kerl hat versucht, ’n paar Einhörner zu jagen, hab ihn grad noch am Schlafittchen packen könn’! Dass du ihn bloß von dem Jährling fernhältst, Ruby! Kann ich nich gebrauchen, das einzige Fohlen dieses Jahr von so ’nem dahergelaufenen Drachen gefressen!“ Grummelnd und polternd ließ Hagrid Ruby allein am Waldrand zurück und schwenkte erbost die beiden toten Frettchen in seiner Pranke, während er hinter seiner Hütte verschwand. Die Hintertür ging auf, und bevor Hagrid ihn hätte zurückhalten können, war Fang in den Garten geprescht und hatte eine wilde Runde um die Kürbisse gedreht, bevor er Ruby entdeckte und auf sie zujagte, schwanzwedelnd, sabbernd und ganz tapsig vor Freude. Normalerweise nahm Hagrid seinen Saurüden mit, wenn er in den Wald ging, aber vielleicht, dachte Ruby, musste er drin bleiben, damit er die Einhörner nicht verschreckt. Sie hatte nicht vor, zu den Einhörnern zu gehen, also stakste sie über einige knorrige Wurzeln, die aus dem Boden ragten, und pfiff zweimal, um Fang Bei Fuß zu rufen, der ganz geschäftig eine schiefe Buche markiert hatte.

Ganz wie sie es erwartet hatte, war Hector alles andere als gut gelaunt. An solchen Tagen ließ sie ihn angebunden, und Hector kam auch gar nicht nahe genug, als dass sie das Tau hätte losbinden können. Er prüfte nur, ob Ruby etwas zu Essen bei sich hatte, bevor er ohne einen Grunzer zur entgegengesetzten Seite der Lichtung stolzierte und sich, ihnen den knöchrigen, erneut gewachsenen Rücken zugewandt, auf seine Hinterläufe setzte. Fang ließ sich genauso wenig beeindrucken wie Ruby, die die kokosnussgroßen Haufen verschwinden ließ, während der Saurüde einen jungen Knarl verfolgte, bis dieser ihm seine Stacheln schmerzhaft in die Nase rammte und auf und davon trippelte. Fang jaulte und floh rücklings, bis er mit Ruby kollidierte und sie beide in einer eleganten Drehung zu Boden fielen.

„Hör auf zu lachen!“, meckerte Ruby, unter dem verdatterten Fang liegend, als Hector, der Fang gehört und dadurch neugierig geworden über die Schulter gespäht hatte, anfing zu gackern, was sich in etwa anhörte wie Hammerschläge auf Holz. Er bleckte vergnügt die Zähne und stieß ein tiefes Krächzen aus, bevor er sich umwandte und beobachtete, wie Fang die Gelegenheit nutzte und Ruby das Gesicht abschleckte, während sie versuchte, aufzustehen. Genervt schob sie den Rüden weg und klopfte sich den Staub von der Hose. In Hectors Brust grollte es leise, er schritt auf seine Ziehmutter zu und das Grollen schrumpfte zu einem kehligen Summen, ganz wie das Schnurren einer Katze. Langsam senkte er den Kopf und schnaubte einmal. Sein heißer Atem ließ ihre Haare wehen, während seine knochige Schnauze ganz sacht Rubys Stirn berührte.

Es war sonderbar, wie schnell Hector von beleidigt zu liebenswürdig wechselte, doch noch sonderbarer war der sonst so feige Saurüde, der sich durch diese vertrauensvolle Geste ignoriert und degradiert fühlte. Er knurrte und hechtete zwischen Drache und Mädchen. Hector riss den Kopf überrascht zurück, genau wie Ruby, als Fang hochsprang und demonstrativ vor ihrem Gesicht seine Kiefer zuschnappen ließ. Das ist mein Mensch, hieß das für Hunde, für Drachen und für Menschen, lass sie bloß in Ruhe, wenn ich hier bin.

Hector fauchte beleidigt und senkte den Kopf auf die Höhe des Rüden, der ihn geifernd anknurrte, die Rute als Zeichen zur Kampfbereitschaft erhoben. Er schnappte nach ihm, doch Fang wich einfach aus und rammte ihn unsanft. Mit einem zornigen Dröhnen in der Kehle riss der Drache das Maul auf, um Fang zu packen und gegen die nächste Fichte zu schleudern, doch seine Ziehmutter machte ihm einen Strich durch die Rechnung, eher der Zweig in ihrer Hand, aus der das rote Licht geschossen war. Getroffen taumelte Hector zur Seite; Fang kläffte laut und wehrte sich gegen die Leine, die ihn nun auf Distanz hielt. Der Drache witterte seine Chance, doch ein weiterer roter Lichtblitz ließ ihn zurücktaumeln. Entsetzt starrte er seine Ruby an, wütend, dass sie den Rüden umklammert hielt und nicht ihn, beleidigt, weil sie ihn angegriffen hatte, und sehr verletzt, weil sie ihn mit ihrem Blick verscheuchen wollte. Er fauchte und schnappte in die Luft, bevor er kehrt machte und sich, so weit es seine Leine erlaubte, zurückzog.

Ruby indes hatte mit Fang ebenfalls den Rückzug angetreten. Sie zerrte ihn aus der Sichtweite der Lichtung, bevor sie ihn grob an seinem triefenden Maul packte und ihn zwang, sie anzusehen.

„Das, mein Junge, will ich nie wieder von dir sehen, hast du mich verstanden?!“, fauchte sie leise und versuchte, seinen ausweichenden Blick einzufangen. Er winselte und leckte sich über die Nase, ganz darauf bedacht, tapsig zu wirken und ihr Mitleid zu wecken. Fang hasste es, direkt angesehen und festgehalten zu werden, und weil Ruby das wusste, tat sie es länger als nötig. Sie bog nach rechts in das Unterholz und Fang folgte ihr Bei Fuß, ohne sich im Geringsten gegen die ungewohnte Leine zu wehren. Sie umrundeten gerade den mehrere Fuß breiten Stamm einer Eiche, als es links von ihnen raschelte und ein Zweig zerbarst, zu leise für den schweren Huf eines Zentauren, und zu laut für eine der scheuen Kreaturen, die jeden ihrer Schritte bedacht setzten. Alarmiert ließ sie die Leine los. Mit erhobenem Zauberstab und einem den Schwanz einklemmenden Fang pirschte sie zu der Geräuschquelle. Es blieb still.

„Kommt raus da, aber zackig!“

Zwei sehr zerzauste Karottenköpfe tauchten aus einem Buchsbaum auf und rieben sich die zerkratzten Gesichter.

„Was hat uns verraten?“

„Jedes andere Wesen, das sich durch einen knackenden Zweig hätte verraten können, hätte sofort Reißaus genommen, als wir näher gekommen sind“, antwortete sie schlicht. Fang umrundete die Klone schwanzwedelnd, bevor er wieder neben Ruby zum Stehen kam. „Also, was macht ihr hier, wenn ich fragen darf?“

„Dasselbe könnten wir fragen!“, rief der Klon, in dem sie George zu erkennen glaubte.

„Nein, denn im Gegensatz zu euch habe ich die Erlaubnis, hier herumzustreunen. Und?“

„Ist das nicht klar? Wir finden raus, wer Hector ist!“, rief Fred und sah sich um, als würde dieser Hector gleich aus dem nächsten Busch springen und sich vorstellen. „Deshalb sind wir dir gefolgt- Hey!“ Er musste sich ducken, als Ruby erneut ausholte. George tat einen großen Schritt zurück in die Büsche, während Ruby wütend zischte: „Seid ihr denn bekloppt?! Ich werde nie wieder hier rein dürfen, wenn uns jemand erwischt! Wie kann man nur so beschränkt sein!“

„Hey, jetzt komm wieder runter!“ Fred hob beschwichtigend die Hände. „Wir haben aufgepasst, uns ist keiner gefolgt!“

„Glaubst du!“

„Ja, glaube ich!“

„Könnten wir das verschieben und erstmal wieder Richtung Schloss gehen?“, unterbrach George den aufkommenden Schlagabtausch und deutete in die Richtung in der er die Ländereien vermutete. „Mir ist es hier, ehrlich gesagt, nicht ganz geheuer.“ Ruby seufzte.

„Okay, bis ihr die Wiesen seht, begleite ich euch zurück. Danach geht ihr sofort raus hier und verliert kein Wort darüber, dass wir uns hier getroffen haben, oder es setzt was, verstanden?“ Die Klone nickten; Ruby durchbohrte jeden von ihnen mit einem warnenden Blick, bevor sie an den Beiden vorbei in Richtung Ausläufer stakste, Fang an ihren Fersen und Fred und George dicht hinter sich.

Je lichter der düstere Wald mit den wenigen Laubbäumen wurde, desto mutiger wurden die Zwillinge. Sie wagten nicht, Ruby auf unbekanntem Terrain noch einmal nach Hector zu fragen, doch sie quatschten lebhaft und so war es kein Wunder, dass sie nicht bemerkten, wie Ruby stehen blieb und sie sie über den Haufen rannten.

„Na also, verlief doch alles glatt“, strahlte Fred, die Arme hinter dem Kopf verschränkt.

„Sag das erst, wenn du hier raus bist.“ Ruby sah sich skeptisch um. Vom Gelände aus waren sie praktisch nicht zu sehen, aber besonders drei leuchtende Haarschöpfe waren im Dämmerlicht des Verbotenen Waldes leicht auszumachen. Fred patschte ihr gönnerhaft auf die Schulter.

„Nun mach dir mal nicht ins Hemd, Ruby. Wir leben, da vorn sind die Wiesen und keiner hat und wird von unserem Abstecher erfahren.“

„Kein Grund zur Sorge also.“

„Das sehe ich anders.“

Drei Köpfe wandten sich zeitgleich den ineinander verwachsenen Fichten zu. Drei Augenpaare weiteten sich erschrocken. George fluchte, und Fang winselte leise, als die große und dunkle Gestalt von Severus Snape hinter den verflochtenen Stämmen hervortrat und seine kalten Augen sie nacheinander mit boshafter Genugtuung musterten.
 

„Es tut uns Leid.“

„Halt die Schnauze.“

„Es tut uns wirklich Leid.“

„Halt jetzt sofort die Schnauze!“

George duckte sich, und Verwandlung für Fortgeschrittene klatschte hinter ihm an die Wand des Gemeinschaftsraums. Er richtete sich wieder auf und begann erneut, Ruby zu taxieren. Aber sie hatte nicht nur einen Schutzwall aus Büchern um sich errichtet, sie ignorierte ihn auch noch meisterhaft.

Vor vier Tagen hatte Snape sie am Rande des Verbotenen Waldes zusammen erwischt. Für ihn und Fred war das nichts Neues. Für Ruby aber war es eine Katastrophe. Snape hatte sie allesamt buchstäblich an den Ohren zu Professor McGonagall gezerrt, und hätte Fred das Donnerwetter erahnt, hätte er wohl die Klappe gehalten, während ihre Hauslehrerin ihnen eine Strafpredigt gehalten hatte. Die schlimmere Standpauke hatte aber Ruby abbekommen. Snape hatte taube Ohren für die Beteuerung, Ruby und die Zwillinge hätten sich erst im Wald zufällig getroffen. Er erzählte McGonagall, er hätte sie alle drei erwischt, wie sie sich in den Wald schleichen wollten (was, wie George immer wieder sagte, schlichtweg erlogen war, weil sie gerade aus dem Wald raus wollten). Man konnte förmlich sehen, wie Ruby auf ihrem Stuhl immer weiter schrumpfte und die Tränen wegblinzelte, während sie Fangs Ohren knetete. Professor McGonagall baute sich vor ihr auf und redete ohne Punkt und Komma. Ruby sei eine Enttäuschung für Gryffindor, sich so dreist den Anordnungen zu widersetzen, und habe nicht nur ihres, sondern auch das Vertrauen von Hagrid und Professor Dumbledore mit Füßen getreten. Snape hingegen schien in seiner stillen Ecke vor Häme anzuschwellen, und George hätte ihn gern mit einer Nadel gestochen, um zu sehen, wie der hässliche Snape-Ballon platzte. Letztendlich wurde auch noch Dumbledore in McGonagalls Büro gerufen, und das gab Ruby den Rest: Lange Zeit schwieg Dumbledore und bedachte sie nur mit einem traurigen Blick, bevor er leise sagte: „So gern ich dieser Geschichte keinen Glauben schenken möchte, scheinen die Beweise doch gegen Sie zu sprechen, Miss O’Malley. Mir tut es leid, und auch Hagrid wird es leid tun, aber ich sehe mich gezwungen, ihnen ihre Genehmigung auf unbestimmte Zeit zu entziehen.“

Ruby hatte die ganze Zeit geschwiegen, und sie hatte auch nun nichts erwidert; sie hatte den Schulleiter einfach angesehen und die Tränen zurückgehalten, bis man sie entließ und sie unter der Hakennase Snapes hindurch zur Tür stürmte, Fang mit eingeklemmter Rute hinter sich herziehend. Dann hatte Dumbledore sich an Fred und George gewandt.

„Da die Strafe für Miss O’Malley nun verhängt ist, sehe ich keine Notwendigkeit, euch der Autorität eurer Hauslehrerin zu entziehen. Severus, wir können Minerva guten Gewissens allein mit diesen Tunichtguten lassen.“ Er hatte den Beiden noch zugezwinkert, bevor er den Raum verlassen hatte. Der Snape-Ballon, ein wenig verstimmt ob der entwischten Gelegenheit, bei ihrer Bestrafung etwas mitzumischen, war Dumbledore gefolgt. Kaum war die Tür ins Schloss gefallen, als Fred und George anfingen zu plappern.

„Ruby hatte nichts damit zu tun, ehrlich –“

„- Das war allein unsere Schuld, wir sind ihr gefolgt!“

„Sie müssen nicht –“

„Schweigen Sie!“, hatte ihnen Professor McGonagall barsch das Wort abgeschnitten. “Miss O’Malley kannte die Konsequenzen und wird wissen, dass der Schulleiter so handeln musste. Es stand ihr in keinster Weise zu, sie in diesen Wald zu begleiten, ob nun hinein oder hinaus.“

„Aber das war nicht ihre – “

„Mr Weasley, hüten sie sich! Ihre Strafen stehen noch aus, verschlimmern sie es nicht!“ Sie hatte die Zwei mit einem strengen Blicktaxiert, bevor sie fortfuhr: „Da sie wiederholt unerlaubt den Verbotenen Wald betreten haben, werden sie drei Wochen jeden Abend bei mir nachsitzen. Drei Wochen. Alle beide.“

Heute hatten sie den vierten Tag mit Nachsitzen verbracht. Als sie spät abends wiederkamen, war der Gemeinschaftsraum gewohnt leer gewesen. Nur Ruby hatte in einer stillen Ecke gesessen, begraben unter den Extraaufgaben, die sie sich vor allem in Zaubertränke und Wahrsagen eingehandelt hatte. Seit vier Tagen sank ihre Leistung mit jeder Stunde weiter in den Keller, und mit jeder dieser Stunden wuchs das schlechte Gewissen der Zwillinge. Ruby war für sie einfach langweilig und verklemmt gewesen, und George wünschte sich, der ominöse Hector hätte nie sein Interesse geweckt; nicht nur, dass Ruby kreuzunglücklich war, sie musste auch jeden Morgen Hagrids enttäuschtes Gesicht ertragen, wenn er zum Frühstück in die große Halle kam.

Genau genommen, dachte George, nachdem Ruby ihre Bücher in die Tasche gestopft hatte und die Treppe zu den Mädchenschlafsälen hoch stampfte, haben wir ihr mit unserer Aktion alles verdorben, was ihr hier Spaß gemacht hat. Mit schwerem Herzen hob er das Buch auf, das sie nach ihm geworfen hatte, und setzte sich zu Fred ans Feuer.

„Keine Chance?“

„Frag doch das Buch.“ Fred lächelte schwach und nahm Rubys Verwandlungsbuch.

„Da müssen wir uns wohl jemand Anderes zum abschreiben suchen, oder?“

„Das war gemein.“

„So bin ich“, grinste er George an. Dann wurde seine Miene ernst. „Haben wir morgen Binns?“

George runzelte die Stirn. „Glaub schon. Wieso?“

„Ist das nicht offensichtlich?“ Sie grinsten sich an. „Irgendwie müssen wir das ja wieder gutmachen, und wo plant man das besser als in einer ruhigen Stunde Geschichte der Zauberei?“
 

Als George am folgenden Vormittag hinter Fred das Klassenzimmer betrat, saß Ruby schon an einem der Pulte, eine rundliche Hufflepuff neben sich und die Stirn auf der Tischplatte ruhend. Er und Fred setzten sich drei Reihen hinter die beiden, ein wenig abseits, so dass keiner, der zufällig unter Schlafmangel litt, mithören konnte.

Professor Binns schwebte herein und begann pünktlich nach dem Klingeln ohne Verzögerung dort, wo ihn die Schulglocke letztes Mal unterbrochen hatte. Ruby lag während der gesamten Stunde reglos auf dem Tisch, beinahe so reglos wie Montague, dessen Gesicht am Ende der Stunde ein von Fred gemalter Schnurrbart zierte. Professor Binns ließ sich wie immer nicht stören, nicht einmal von den angeregt tuschelnden Zwillingen, die das Klassenzimmer auch tuschelnd verließen und sich nicht einmal von dem hereinstürmenden Lockhart und seinen fragwürdigen Memoiren unterbrechen ließen. Tatsächlich waren Fred und George immer noch am reden, als sie nach Kräuterkunde den Ravenclaws hinterher zum Festessen in die Große Halle trotteten. Unter einer kreischenden und fiependen Wolke aus lebenden Fledermäusen bogen sich die Haustische unter den Lasten der Köstlichkeiten. Nach Stunden der Planung war George wie ausgehungert und belud sich noch im Stehen den goldenen Teller mit Pasteten und Räucherlachs und Dingen, die er erst beim Kauen identifizierte. Im Rausch der kulinarischen Köstlichkeiten versunken, schmatzte Fred: „Jetsch ham wir drei Wochn Nachschitzn, un’ wir wischen immer no nischt, wer Hector isch.“

„Fest steht, er muss im Wald leben, wo sonst passt hier so was Großes wie ein Drache hin?“

„Aber“, Fred schluckte die Salzkartoffeln runter. „wir wissen gar nicht, ob es ein Drache ist?“

„Okay, dann vielleicht kein Drache, aber irgendwas Gefährliches oder Großes bestimmt“, sagte George geheimnisvoll. „Sonst würde Ruby doch nicht so ein Drama um seine Identität machen.“ Fred nickte langsam. Der Rest der Konversation bestand aus Schmatzen und ein paar kurzen Sätzen. Die restlichen Gryffindors waren schon lange fertig, als George die Gabel weglegte und sich den Bauch rieb. Schläfrig blickte er den Tisch entlang.

„Sag mal, wo stecken Harry, Ron und Hermine?“, fragte er laut. Einige Schüler in seiner Nähe sahen sich ebenfalls um. Doch bevor die Suche nach dem Zwerg mit der Blitznarbe ausarten konnte, erhob sich Dumbledore und scheuchte sie hoch in ihre Betten. Seufzend und mit einem zufriedenen Rülpser erhob sich George und folgte den Massen hinaus. Weit kamen sie allerdings nicht, als im zweiten Stock ein Stau die Schüler zum Halten zwang.

George war satt und schläfrig, und so war alles, was er von den weiteren Geschehnissen mitbekam, arg begrenzt. Jemand hatte etwas an die Wand des Korridors geschrieben und Mrs Norris darunter gehängt. Zufällig waren sein kleiner Bruder und dessen Freunde gerade am Tatort, als die halbe Schule vom Festessen den Korridor entlang heraufkam. In einem nicht ganz so satten Zustand hätte George sich über die Versteinerung von Mrs Norris gefreut, aber nach einem Festmahl wie diesem zogen die Sensation und die aufgeregten Gespräche an ihm vorbei und er bekam die erste Welle der Gerüchte nur schemenhaft mit, bevor er auf sein Bett sank und tief und fest einschlief.



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