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Jumays Kinder

Part 1: Kinder der Erde - Land des Anfangs
von

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Vögel

Auf ihrer Reise hatten sie einiges erlebt. Häufig hatte man sie angegriffen, einmal war es eine ganze Horde der riesengroßen Savannenkatzen gewesen und im Nachhinein wusste keiner mehr, wie sie es geschafft hatten, zu entkommen. Größere Verletzungen hatte bisher niemand davon getragen und Ardoma war den Göttern dafür im Stillen mehr als dankbar gewesen, denn sie war keine Heilerin und konnte nicht mehr als dürftige Grundkenntnisse in der Heilkunst aufweisen. Die würden demnächst sicherlich nicht mehr reichen, musste sie sehr zu ihrem Leidwesen feststellen, als sie sich in jener Abenddämmerung umsah – und selbst, wenn sie theoretisch genügt hätten, so würde sie mit hoher Wahrscheinlichkeit demnächst selbst eine Behandlung benötigen. Und das in ihrem Umstand...

Karem stellte sich schützend vor sie und die Kinder, auf der anderen Seite tat es ihm ihr Bruder Randary gleich. Als auch ihr nun ältester Sohn Suale es den beiden gleich tun wollte, hielt sie ihn zurück und drängte ihn hinter sie selbst.

„Du bist noch ein Kind.“, zischte sie kaum hörbar und er hob verzweifelt die dunklen Brauen.

„Aber Vater und Onkel sind nur zwei Jäger... und das sind so viele! Ich muss ihnen helfen.“

„Einer mehr oder weniger wird sich nicht bemerkbar machen.“, knurrte darauf auch der Anführer der Gruppe, ohne den Blick von den Gestalten zu wenden, die sie hier, irgendwo im südlichen Ödland zwischen Gebirge und Savanne, umzingelt hatten.

Sie rührten sich nicht und auch die Gruppe blieb stehen und wartete ab. Sie waren unterlegen, wenn sie etwas taten, was diesen Fremden nicht gefiel, bedeutete das für sie den sicheren Tod – wenn der sie nicht ohnehin erwartete. Sie waren allesamt schwer bewaffnet, mit wunderbar gearbeiteten Speeren, soweit Ardoma das als Frau beurteilen konnte; was sie aber sicherlich wusste, war, dass diese Männer allesamt sehr gut gebaut und Karem mindestens ebenbürtig waren. Von Randary musste sie da gar nicht anfangen, als Kind derselben Eltern wie sie war er gerade so kräftig, wie sein verhältnismäßig kleiner Körper das auch verkraften konnte.

Ein kribbelndes Gefühl der Angst beschlich sie und ganz unmerklich und langsam hob sie eine ihrer Hände und legte sie Karem an den Rücken... am liebsten hätte sie gehabt, er hätte sie festgehalten, aber das war im Augenblick eine eher utopische Vorstellung.

An sich war alles Karems Schuld. Natürlich hatte er recht mit seinen Machtansprüchen – Saltec hatte sicherlich nicht geahnt, was er seinem langjährigen Freund mit seiner absolut nicht nachvollziehbaren Entscheidung vor seinem Tod antun würde – aber wie hatte er es sich mit Moconi derart verscherzen können?

Sie konnte ihm nicht wirklich böse sein. Er war ein beeindruckender Mann, aber tief im Inneren ziemlich naiv – manchmal verschloss er seine Augen einfach. Er erkannte nicht einmal sein eigenes Kind, wenn es vor ihm stand – es gab allerdings auch Dinge, bei denen sie es sich verkniff, ihn darauf hinzuweisen.

Ihre Gedanken wurden unterbrochen, als einer der Fremden ihnen plötzlich etwas in einem ganz und gar seltsamen, aber für ihre Ohren dennoch verständlichen Akzent zurief.

„Ihr befindet euch im Land von Kaless! Dass ihr es als Fremde betreten habt, sehe ich als eine Herausforderung an!“

Karem schnaubte.

„Wir wussten nicht, dass irgendjemand Anspruch auf dieses Land erhebt – es ist schließlich kein besonders gutes Land, warum sollten wir es wollen?“, er senkte die Brauen, „Und als Herausforderung bezeichnest du in diesem Fall...?“

Die Männer um sie herum brummten empört, vermutlich darüber, dass der Eindringling ihre Heimat als schlecht bezeichnet hatte – sie brachte prachtvolle Jäger hervor, also konnte sie so schlecht nicht sein, aber Ardoma verkniff es sich, ihren Mann darauf hinzuweisen, und verfolgte still weiter das Geschehen.

Der Rädelsführer der Einheimischen ließ sich jedoch nicht beirren und hob wichtig einen Finger.

„... ich nehme an, du möchtest meinen Stamm? Und das Land, in dem er lebt, das übrigens nur auf den ersten Blick schlecht ist.“

Karem gluckste, dann schüttelte er den Kopf.

„Das ist ein Missverständnis, ich hatte niemals vor, dir – ich nehme an, du bist Kaless – deinen Stamm und dein Land abzunehmen. Meine Sippe wird jetzt einfach umdrehen und wieder von hier verschwinden und du wirst niemals Ärger mit uns haben, einverstanden?“

Die Fremden zogen entsetzt die Luft ein. Kaless starrte ihn mit offenem Mund an – Ardoma verbesserte ihre Gedanken von zuvor, diese Jäger waren mehr seltsam als prachtvoll.

„... du kannst das nicht ablehnen, ich weiß doch, dass du meinen Stamm willst! Oder fürchtest du dich vor einem Kampf Mann gegen Mann mit jemandem wie mir?“

Vom äußeren Anschein her war der unbekannte Häuptling ihm mindestens ebenbürtig, aber es war nicht Karems Art, vor einer solch offensiven Aufforderung zurückzuschrecken. Dennoch zögerte er kurz.

„Wenn du so sehr darauf bestehst, kann ich dich gern vor deinen Männern entehren, deinen Stamm möchte ich trotzdem nicht...“

„Warum nicht?“, mischte sich plötzlich Randary in seiner gewohnt leisen Art ein, ohne sich dabei zu seinem Begleiter umzudrehen, „Da wären wir immerhin sicher. Und du wolltest doch immer Häuptling sein. Es ist ein Geschenk der Götter.“

Wenn es denn so einfach war, diesen komischen Kerl vor ihnen in die Knie zu zwingen, Ardoma war sich da ja nicht so sicher; prinzipiell stimmte sie ihrem Bruder jedoch zu. Hatten sie denn groß eine andere Wahl?

Karem brummte.

„Na gut, meinetwegen.“

Er seufzte und trat hervor. Darauf ließen die fremden Jäger ihre Speere sinken, einschließlich ihrem Häuptling, der nun anerkennend nickte und ebenfalls hervortrat. Da er scheinbar einen Kampf ohne Hilfsmittel wollte, zog auch Karem keinen Speer, als er seine Rückentrage abstellte. Er schielte kurz zu seiner Frau, die seinen Blick erwiderte.

Sei vorsichtig.

„Bist du bereit?“, wollte Kaless wissen und als sein Gegner nickte, verschwendete er auch keine weitere Zeit im schwindenden Licht des Abends und stürzte sich mit wildem Geschrei auf ihn. Karem, wesentlich ruhiger, wehrte ihn grob ab, indem er ihn – erstaunlich einfach – von sich schubste und zum Gegenangriff ansetzte. Er ging nicht davon aus, dass sein Kinnhaken ihn tatsächlich treffen würde, wurde aber einen Atemzug darauf eines besseren belehrt, als sein Gegenüber auf der Stelle bewusstlos zu Boden ging.

Einen Moment lang legte sich absolute Stille über die Versammlung, selbst die sich in der Nähe befindende Horde Hunde war plötzlich still.

Karem konnte sich nicht verkneifen, den anderen Mann am Boden, der vollkommen weggetreten war, etwas dümmlich zu mustern.

„War... war es das jetzt?!“, fragte er dann verblüfft in die Runde der Jäger, die sich gegenseitig betroffene Blicke zuwarfen und dann schließlich nickten. Dann hoben zwei von ihnen ihren einstigen Anführer auf und ein weiterer winkte der Familie zu.

„Folgt uns.“
 

Das Lager der Fremden war gänzlich anders als alles, was die Neuankömmlinge jemals gekannt hatten, denn es war vollkommen unbeweglich und musste sich schon seit Jahrzehnten an diesem Ort befinden. Die südwestlichsten Ausläufer des großen Gebirges bestanden aus weichem Material, in das sich die Menschen Höhlen gegraben hatten, und in diesen Höhlen standen ihre Hütten, vollkommen geschützt vor dem Wetter, aus schweren, stabilem Material und sehr geräumig, denn niemand musste sie tragen können. Ganz in der Nähe musste ein Bach fließen, denn man konnte Wasser rauschen hören, als man auf auf dem Mittelpunkt des seltsamen Lagers stand und sich verblüfft umsah. Sie befanden sich in einer Art Schlucht, erkannte Karem erstaunt, als er die bewohnten Berge, die ihn zu fast allen Seiten umgaben, betrachtete.

Kaless hatte man unverzüglich in eine dieser Hütten gebracht, damit man ihn versorgen konnte, und nun kamen von überall Männer, Frauen und Kinder und alle waren jung und gut gebaut.

Sie versammelten sich verblüfft um die fremde Gruppe, als einer der Jäger, die sie so überaus freundlich willkommen geheißen hatten, auf Karem deutete.

„Dieser Mann hat Kaless geschlagen. Hiermit ist er rechtmäßig und mit sofortiger Wirkung der Häuptling des Vogelstammes.“

Statt Entsetzen und Bedauern, wie der Mann es erwartet hätte, brach die Menge daraufhin in Jubeln aus und ließ es sich nicht nehmen, auf der Stelle und trotz fortgeschrittener Tageszeit eine Feier ihm zu Ehren vorzubereiten – und, was er nicht ahnte, eine sehr geräumige Hütte.
 

Der Wassermond stand hoch am Himmel, als ein großes Feuer brannte und sich alle im Kreis sitzend versammelt hatten – diese Szenerie erinnerte den Mann dann doch etwas an seine eigene Herkunft, dieses Bild war vertrauter und irgendwie beruhigte es sein verwirrtes Gemüt etwas. Was nun kam war klar, auch wenn sie sich noch so sehr über ihn freuten, jetzt wollten diese seltsamen Leute wissen, wer er und seine Familie denn eigentlich waren, also erhob er sich aus seinen Reihen, stellte sich für alle gut sichtbar hin und räusperte sich. Er ließ seinen Blick noch einmal über die Meute schweifen und irritiert stellte er fest, dass es hier wirklich keine Alten gab – oder irgendeine seltsame Sitte verbot es ihnen, an Festen teilzunehmen.

Er nahm es zunächst einmal hin und entschloss sich dazu, nun endlich seiner Verpflichtung nachzukommen – irgendwie fühlte es sich schon ganz gut an, endlich Häuptling zu sein, aber irgendwie wurde er auch das Gefühl nicht los, dass sein Stamm hier etwas seltsamen Gemütes war.

„Mein Name ist Karem und ich komme aus dem Schlangenstamm, der viele Tagemärsche von hier entfernt rastet. Ich bringe meine Frau Ardoma, ihren Bruder Randary und meine Kinder Suale, Resak, Rakia und Suhon mit. Und... nun ja, scheinbar bin ich nun euer Häuptling.“

Er sah sich kurz um.

„Ich bin gerne bereit, die Verantwortung für euch zu übernehmen, doch mit euren Sitten müsst ihr mich vertraut machen, denn ich kenne euch leider nicht.“

„Das ist kein Problem!“, erklärte einer der gut gebauten Jäger darauf frohen Mutes. Als er sich erhob, musterte Karem ihn kurz im Feuerschein, er schien ungefähr in seinem Alter zu sein.

„Es wird sich alles ergeben. Du wirst das gut machen – wie alt sind du, deine Frau und ihr Bruder eigentlich?“

Das neue Stammesoberhaupt hob irritiert seine Brauen. Warum wollte er denn so etwas belangloses wissen? Dennoch hielt er es für klüger, dem Mann zu antworten.

„Ich lebe seit siebenundzwanzig Jahren, meine Frau ein Jahr weniger und ihr Bruder ist vierundzwanzig Jahre alt.“

Ein erfreutes Getuschel ging durch die Reihen und sein Gegenüber grinste noch breiter.

„Das ist eine wunderbare Sache! Ich heiße Isinai, werde im Feuermond dreißig Jahre alt und werde dir bis dahin alle Fragen beantworten, damit du uns bald mit der sicheren Hand, die wir brauchen, führen kannst.“

Und dann begann die Feier und sie dauerte die ganze Nacht.
 

Am Morgen schliefen alle lange und Karem, der in seiner absolut luxuriösen Hütte in dem für ihn doch fremden, wenn auch sehr bequemen Lager bereits relativ früh mit seiner Ardoma in den Armen wach lag, fragte sich, was hier wohl für eine seltsame Moral herrschte.

„Ich fühle mich hier unwohl.“, flüsterte seine kleine Gefährtin schließlich kaum hörbar und er seufzte leise und vergrub sein Gesicht in ihrem weichen schwarzen Haar. Er doch auch...

„Aber zumindest eine Weile sollten wir hier bleiben, da hat dein Bruder schon recht.“, entgegnete er leise und strich sanft über ihren leicht gerundeten Bauch. Ja... da hatte sich abermals neues Leben eingenistet, obwohl sie keines mehr gewollt hatten. Aber nun war es da, auch wenn Ardoma es in Gedanken genau so wie bei allen anderen Schwangerschaften zuvor zu verdrängen versuchte. Sie nickte auf seine Worte nur.

Später klopfte es am Türpfosten und Isinai streckte bester Laune seinen Kopf herein.

„Ich hoffe, ihr habt euch gut ausruhen können von eurer langen Reise!“, begrüßte er die Familie und trat ein. Die noch etwas verunsicherten kleineren Kinder stellten ihr Spiel auf dem geräumigen Boden sofort ein, Ardoma kochte behände an ihrer hübschen Feuerstelle weiter und Karem und Randary standen auf, um den Gast zu empfangen.

„Das haben wir, ja.“, antwortete der Häuptling, worauf das unerschütterliche Lächeln seines Gegenübers noch breiter wurde.

„Wunderbar. Ich dachte, ich sehe einmal nach euch, du hast doch sicherlich einige Fragen, nicht wahr?“

Das stimmte allerdings und Karem nickte.

„Selbstverständlich. Ich muss wissen, wie es um den Stamm steht – wo gibt es Probleme, wo seid ihr gut versorgt? Außerdem würde mich eure Lagerhütte interessieren und wo genau sind eure Jagdgründe? Oh, ach ja, und noch etwas geht mir nicht aus dem Kopf, seit wir hier angekommen sind...“, er machte eine kurze Pause und Isinai hob erwartend seine Brauen, „Wo bei allen Göttern versteckt ihr eure Alten?“

Daraufhin wich die Fröhlichkeit der Irritation. Der Mann fasste sich an sein kurzes, braunes Haar.

„... verstecken? Wir verstecken uns doch nicht, hier!“, er deutete auf sich selbst, „Ich bin der Älteste hier!“

Darauf sah dann auch Ardoma auf. Natürlich galt man mit dreißig Jahren nicht mehr als jung, doch die meisten Mitglieder im Schlangenstamm erreichten dieses Alter, einige wurden sogar vierzig und ab und an, wenn auch selten, schaffte es jemand, fünfzig Jahre zu leben. Dass das hier niemandem gelang, war gleichermaßen verblüffend wie auch beängstigend.

Das fand auch Karem.

„Moment – wie kann das sein? Du bist kein alter Mann, es muss doch jemanden geben, der älter ist als du!“

Isinai sah sich etwas entsetzt um und hüstelte.

„Wie... um alles in der Welt sollte das denn bitte funktionieren, wenn ich fragen darf, Häuptling?“, wagte er dann dumpf sich zu erkundigen und sein Gegenüber und dessen Schwager warfen sich einen vielsagenden, vollkommen verwirrten Blick zu.

„Na ja... indem ihr einfach... lebt?“

Ardoma witterte ein beunruhigendes Missverständnis und erhob sich. Der Gast legte seinen Kopf leicht schief.

„Aber in dem Mond, in dem wir dreißig werden, müssen wir sterben. Bald ist es für mich soweit – ich bin schon ganz aufgeregt!“

Und er lächelte wieder. Daraufhin stand selbst Randary der Mund offen. Ardoma stellte sich schaudernd zu den Männern.

„Ihr tötet euch. Warum?“

Karem, der nicht ihre gespielte Nüchternheit besaß, ärgerte sich derweil darüber, dass er sich am vergangenen Abend nicht ein paar Jahre jünger gemacht hatte – hier würde er doch nicht bleiben!

„Töten?“, Isinai schüttelte den Kopf, als er scheinbar auch verstand, „Das ist mir absolut unbegreiflich, wie kann es diese mit Abstand wichtigste Sitte im Schlangenstamm nicht geben? Also gut, passt auf, ich erkläre es euch. Ein Leben hat dreißig Jahre – dann hat es so viel Weisheit inne, dass es sie weitergeben muss. Der Häuptling trennt dann die Weisheit von der Seele mit dem heiligen Speer – du wirst ihn noch erhalten – und die Seele darf in der nächsten Welt unendliches Glück erfahren, während der Stamm die Weisheit in sich aufnimmt.“

Karem schüttelte nur verwirrt den Kopf über die für ihn absolut abstrusen Worte dieses Kerls, als seine Frau die schmalen Augen etwas weitete und es auf den Punkt brachte.

„Oder kurz gefasst, wenn ihr dreißig werdet, tötet ihr euch und esst euch auf.“
 

Weit entfernt, im Lager des Schlangenstammes, dachte an diesem Morgen niemand daran, jemandem seinesgleichen zu töten und aufzuessen, schon gar nicht Semliya. Er fühlte sich unwohl, denn er war allein – vor einer Weile hatte man Novaya gezwungen, mit auf Kleintierjagd zu gehen. Er würde schon sehr bald zurückkommen, das wusste er zwar, aber er war nur ungern von ihm getrennt – mehr denn je seit dem Tag, an dem die Bestien ihn dumm gemacht hatten.

Er seufzte und lehnte sich an den kleinen Felsen, der ganz in der Nähe der Hütte seiner Eltern im Gras stand – mehr tun als hier zu sitzen konnte er ohnehin nicht. Er konnte gar nichts. Manchmal kam es ihm so vor, als sei es wieder in Ordnung – dann waren seine Gedanken klar und ein gewisses Gefühl der Kontrolle kehrte zurück. Aber nur kurz, dann kam wieder der Bruch. Er verlor den Faden, vergaß, worüber er gerade noch nachgedacht hatte, was er am tun war, wo er war und manchmal für einen Moment auch, wer er war. Zumindest das grundlegendste kehrte dann bald wieder zurück, aber letztendlich blieb er dumm, denn er konnte nie zu Ende denken. Einst war er ein Stratege gewesen, heute war er froh, wenn er nicht vergaß, wo seine Hütte stand.

Manchmal versagten ihm seine Beine und er stolperte und drohte, hinzufallen und das war bei allen Göttern das letzte, was sein ruinierter Kopf nun gebrauchen konnte. Deshalb hielt Novaya ihn immer fest – und hatte ihm nun, in seiner Abwesenheit, verboten, all zu weit fort zu gehen. Er hörte natürlich auf ihn, sein Zwilling war sein Held. Aber es langweilte ihn... er konnte auch nichts mit den Händen tun, denn seine Motorik war kaum mehr vorhanden, hätte er ein Werkzeug in die Hand genommen, so hätte er sich vermutlich sofort einen Finger damit abgeschnitten. Aber am schlimmsten war, dass nicht einmal sein Mund mehr das tat, was er von ihm verlangte. So sehr er sich auch auf das Sprechen konzentrierte, er klang immerzu wie ein Kleinkind, das das Reden gerade erst erlernte.

Sein Vater hatte gesagt, er musste lernen, sich damit abzufinden und Novaya hatte ihm versichert, dass er sich keine Sorgen machen musste, denn er würde sich immer gut um ihn kümmern, aber er empfand sich mehr und mehr als Last, die es galt, früher oder später loszuwerden. Er verstand Teco.

Eine Gestalt, die vor ihm auftauchte, riss ihn aus seinen ohnehin ziemlich abgehackten und unnachvollziehbaren Gedanken. Er sah auf und vor ihm stand einer seiner jüngeren Brüder – Ranisin – und lächelte ihn fröhlich an. Irgendetwas in seinem Kopf regte sich und er erinnerte sich daran, dass er mit ihm früher seinen Spaß gehabt hatte... aber irgendwie hatte der Kleine dabei eher selten so gestrahlt wie an diesem Tag, als er sich bester Laune vor ihn ins Gras hockte und ihn zunächst eine Weile musterte, ehe er zu sprechen begann.

„Du bist ja ganz alleine.“, stellte er fest, ohne wirklich bedauernd zu klingen, „Wie geht es dir denn, Semmi, tut der Kopf noch weh?“

Der Ältere entschloss irritiert, einfach zurückzulächeln und errötete etwas, als Ranisin kurz mit den Brauen zuckte, als sei das ein Fehler von ihm gewesen.

„Es... wenig. Geht. War... schlimmer.“

Es klopfte manchmal noch ein wenig, aber zumindest die äußere Wunde begann langsam aber sicher zu verheilen. Von den schmerzlindernden Kräutern, die er stets und ständig aß, erzählte er lieber nichts, das wäre seiner Zunge wohl auch zu anstrengend gewesen.

„Oh, es wird also besser?“

Sein jüngeres Gegenüber setzte sich in den Schneidersitz und stützte seinen Kopf auf einer Hand ab, mit der anderen sein schulterfreies Oberteil zurechtzupfend. Dann verschwand sein Lächeln mit einem Mal.

„Wie schade. Und dabei habe ich gehofft, dich vor Schmerzen schreien zu hören, du mieses Stück Dreck.“

Es benötigte nicht viel Intelligenz um zu verstehen, dass man gerade beleidigt worden war und so schnaubte Semliya empört und wich automatisch etwas zurück, sich gegen den Stein in seinem Rücken pressend, als Ranisin etwas näher zu ihm rutschte und ihn mit zu erstaunlich schmalen Schlitzen verengten, dunklen Augen einen Moment musterte.

„Hast du etwa Angst vor mir?“, fragte er dann mit seiner scheinbar unschuldigen, hohen Stimme und sein Bruder wusste nicht, was er darauf erwidern sollte, „Erinnerst du dich noch daran, wie du und Naya immer mit mir gespielt habt? Seit ich lebe... seit ich ganz klein war. Oh, ihr habt immerzu wunderbar mit mir gespielt, es war mir immer eine Ehre, euer kleiner Bruder zu sein, aber ich habe mich noch niemals dafür revanchieren können. Das... tut mir ehrlich leid. Deshalb werde ich das jetzt nachholen.“

Er lächelte wieder und streckte eine seiner Hände aus, um dem Älteren damit sanft über seinen Kopf zu streicheln, dennoch erschauderte Semliya beunruhigt. Irgendwie hatte er das Gefühl, der wollte sich gar nicht bei ihm bedanken...

Zu seiner weiteren Irritation erhob sich Ranisin dann, blieb jedoch dicht vor ihm stehen und ließ seine Hand weiter auf seinem kurzhaarigen Haupt ruhen, ihn wieder kurz musternd. Dann sah er sich kurz zu allen Seiten um.

„Du bist zwar ein bisschen dumm jetzt, aber für irgendwelche dämlichen Arbeiten wirst du wohl noch taugen. Und solange du Naya hast, wird es dir sowieso gut gehen. Das passt mir irgendwie nicht, weißt du? Die Götter waren auf meiner Seite vor kurzem, aber sie waren ein wenig nachlässig, glaube ich.“ Er sah ihn wieder an. „Naya... Naya ist ohne dich nicht böse... du bist böse, Semmi. Ich frage mich seit ich lebe warum... und warum ausgerechnet zu mir. Na ja. Wie gesagt, ich wünsche mir, dich vor Schmerzen schreien zu hören, Semliya.“

Und diesen Wunsch erfüllte er sich selbst, indem er seine Hand blitzschnell über den Kopf seines Bruders zu seiner Wunde wandern ließ, und sie, bisher gut am verheilen, mit seinen ungewöhnlich spitzen Nägeln und einem absolut gefährlichen Druck wieder aufriss.

Der Schmerz, der den jungen Mann darauf durchfuhr, war wie ein Feuer aus purer Finsternis, sofort wurde ihm schwarz vor Augen, doch sein Bewusstsein verlor er nicht sofort. Er wollte sich wehren, aber er konnte nur schreien, ohne auch nur zu ahnen, was sein eigener Bruder da eigentlich mit seiner schweren Verletzung trieb.

„Das ist für jeden Schlag und jeden Tritt, den du mir versetzt hast, Semmi! Das ist für jede Spinne auf meinem Kopf, jeden Käfer in meinem Lager, das ist für all die Spielsachen, die ihr mir zerstört habt und für jedes böse Wort, Semliya! Ich hoffe, jetzt stirbst du!“
 

Ranisin war sich eigentlich gar nicht so sicher, ob er nun wirklich darauf hoffte, dass sein Bruder starb. Ob er lebte oder tot war, war ihm an sich gleich, aber Semliyas Tod hätte für ihn sicherlich unschöne Konsequenzen gehabt... darüber hatte er nachgedacht. Und er hatte beschlossen, das Risiko dennoch einzugehen, denn die Gier nach Rache für die jahrelangen Qualen waren mit jedem Tag, an dem er den Zwilling so wehrlos gesehen hatte, ins Unermessliche angewachsen... er hatte einfach etwas tun müssen.

Was er dann tat, widerte ihn selbst etwas an, es erinnerte ihn etwas an das Schlachten eines Beutetieres, aber da er als Junge – ob er nun wollte oder nicht – auch dieser Aufgabe gewachsen war, konnte er die aufkommende Übelkeit leicht herunterschlucken und tat behände das, was er auch vorgehabt hatte. Es kam ihm vor wie eine Ewigkeit, als er die ordentlich vernähte Wunde einfach wieder aufgerissen, dabei absichtlich weiter zerfetzt hatte und schließlich in seiner unendlichen Kreativität einfach nach etwas Dreck griff und ihn in die Wunde streute – daraufhin verstummten dann die verzweifelten Schreie, die ihm den Rest seines Lebens im Ohr bleiben sollten und Semliya brach zu seinen Füßen zusammen.

„... bist du jetzt echt tot?“

Er tippte ihn kurz an und das Schaudern, das den Bewusstlosen überkam, verriet ihm das Gegenteil. Er seufzte. Zu schade, dass er da jetzt so lag... diese Wunde war echt hässlich. Angewidert entfernte der Jüngere ein paar Hautfetzen, die an seinen zitternden verschmierten Händen klebten, und überlegte sich, ob er diesen widerlichen Anblick wohl hinter ein paar Blumen verstecken sollte, Blumen konnten bekanntlich alles richten, denn sie waren wunderschön. Er liebte Blumen über alles, sie waren so friedlich und trotzdem so stark.

Im Gegensatz zu ihm, der absolut schwach war und alles andere als friedlich, wenn sich eine Gelegenheit dazu ergab. Er wäre lieber wie eine Blume gewesen und plötzlich erschauderte er beim Anblick seines bewusstlosen, heftig zitternden und stark blutenden Bruders am Boden und ließ kurz Zweifel zu. Er betrachtete seine Hände, an denen Semliyas Blut klebte wie das eines Tieres und er fragte sich, wie er das nur hatte tun können, wo sie doch dieselben Eltern hatten – dann fiel es ihm wieder ein.

Das war für jahrelange Qual... ich hätte noch viel gemeiner sein sollen!
 

„Ranisin?“

Er drehte sich um und ihm gegenüber stand Novaya. In diesem Moment fror er zunächst einmal ein – noch sah er nicht, was er angerichtet hatte, denn das Gras wuchs an dieser Stelle hoch und verdeckte den verletzten Semliya, aber in wenigen Augenblicken würde er ihn sicher bemerken... und dann?

Oh Himmel, der brachte ihn bestimmt um dafür. Er war viel zu bezaubernd zum Sterben!

Novaya, seinerseits noch völlig unwissend, hob eine Braue.

„... was auch immer du für ein Problem hast – hast du Semliya gesehen? Wir... ach, ich habe ihn heute Morgen hier in der Nähe abgesetzt und gesagt, er sollte hier auf mich warten.“

Er sah sich etwas in der Gegend um, dann heftete sich der Blick aus den eisblauen Augen auf die blutigen Hände des Jüngeren, der darauf merklich zusammenzuckte. Beunruhigt näherte er sich darauf und Ranisin wich einen Schritt zurück und stieß an Semliya, der darauf wimmerte – und Novaya stürzte sich auf ihn.

Er hatte geglaubt, jetzt war es vorbei für ihn, denn er hielt die Zwillinge keineswegs für sanftmütiger, als er es selbst war; oh nein, er wusste, dass beide gemeine Bestien waren, auch wenn Semliya eindeutig gemeiner war. Aber Novaya konnte auch sehr skrupellos sein – um so überraschter war er, als er im Dreck landete und nichts weiter geschah, als dass der Ältere sich auf ihn setzte und mit Tränen in den Augen festhielt.

„Was hast du getan?! Was hast du nur getan, wie konntest du nur?! Wir... sind doch Brüder!“

Dann stand er eilig wieder auf, überließ den Jüngeren sich selbst und kümmerte sich um seinen Zwilling.
 

Semliyas Wunde erneut zu vernähen gestaltete sich beinahe als unmöglich. Tanest, die sich von allen Frauen noch am besten darauf verstand, schüttelte bei ihrer Arbeit empört den Kopf.

„Hätte man das alles so verheilen lassen, wie es war, hätte man da sicher kaum etwas von gesehen, so ist jetzt der ganze Hinterkopf entstellt.“

Moconi, der selbstverständlich da war, denn aus verschiedenen Gründen, die keiner wirklich aussprechen wollte, hatte man den Jungen dieses Mal in die Häuptlingshütte gebracht, hob bedauernd seine Brauen.

„Er sollte sich wohl sein Haar wachsen lassen...“

Leider konnte er nichts besonders kluges dazu beitragen, und Tanest lachte nur bitter. Die Wahrheit war, dass man als Verletzter einzig in der Häuptlingshütte landen konnte, wenn der Tod unmittelbar erwartet wurde. Niemand sprach es aus und man kümmerte sich trotzdem um die vermeintlich tödliche Verletzung, weil man den Göttern demonstrieren wollte, dass der Stamm noch nicht bereit war, jenes Leben in die nächste Welt zu entlassen und dass der Häuptling persönlich versuchte, den verwundeten Körper zu bewachen.

Moconi war etwas verunsichert, nicht nur, weil ihm diese Aufgabe nun zum ersten Mal zuteil wurde – er kannte im Gegensatz zu seinem Vater alle rituellen Gebete in und auswendig – sondern viel mehr, weil er nicht wusste, wie es nun weiter zu handeln galt.

An sich schickte es sich nicht, sich als Häuptling mit einer Frau zu beraten, aber er vertraute Tanest und sprach seine Gedanken deshalb einfach aus.

„Ich weiß nicht, was ich nun mit Ranisin machen soll... ich meine, er ist doch noch ein kleines Kind, ich kann ihn nicht besonders bestrafen, er ist noch in der Obhut von Dherac!“

Seine Tante seufzte, ohne zu ihm aufzusehen und tat weiter ihr bestes.

„Bestrafe ihn nicht weiter. Der Stamm wird kein Problem damit haben, da bin ich mir sicher – du weißt selbst warum.“

Er senkte den Blick. Ja, das war wohl wahr, zumindest das Motiv des kleinen Jungen war deutlich. Die Zwillinge waren garstige Zeitgenossen, immer zu absolut grausamen Dingen fähig, die sie dann an ihrem jüngeren Bruder ausließen. Ihr jüngerer Bruder, der alles andere als besser war als sie selbst, denn sein Motiv rechtfertigte keineswegs sein Handeln... was, wenn er so etwas noch einmal tat?

„Das wird er eher nicht.“, erriet die Frau seine Gedanken wohl, „Du hast ihn Dherac überlassen – der tut seines schon. Und der tut nicht zu wenig, glaube mir das.“
 

Dherac fragte sich, was er mit seinen Kindern wohl falsch machte. Die eine fand keinen Mann, die nächsten beiden waren kaum hörig und krankhaft ineinander vernarrt und der nächste entpuppte sich als grausames kleines Biest. Er machte sich Vorwürfe – er hatte gesehen, was die Zwillinge mit ihm getan hatten, aber viel zu selten eingegriffen – Ranisins Handeln war ein Armutszeugnis für sein Können als Vater und Kinashis Können als Mutter.

„Was hast du dir dabei gedacht?!“, fuhr er den kleinen Jungen an, den er unsanft aus dem Lager hinter einen kleinen Hügel gezerrt hatte, und das Kind erwiderte seinen Blick trotzig, die Hände noch immer verschmiert.

„Ich wollte Semmi bestrafen.“

„Bestrafen?!“, der Mann zischte, „Dazu bist du nicht befugt! Du hast ihn fast getötet und das in einer solch schweren Zeit, Ranisin, denkst du überhaupt nicht nach?!“

Er fragte sich, warum er gar nicht zurückwich, als er sich wie eine Gewitterwolke vor ihm aufbaute. Stattdessen verengte er bloß seine Augen etwas, vollkommen uneinsichtig.

„Doch. Eine andere Chance hatte ich nicht. Du hast die Zwillinge nie bestraft.“

Seine Worte versetzten Dherac einen Stich und einen Moment konnte er sich nicht rühren, weil er ihn offensichtlich auf den Fehler, den er selbst bereits geahnt hatte, hinwies. Es demütigte ihn und so schlug er dem Jungen ins Gesicht, sodass er mit blutender Nase zurückstolperte. Er fiel nicht hin und atmete bloß einmal schwer, anstatt sich irgendeine Schwäche anmerken zu lassen und kurzzeitig konnte der Mann es nicht vermeiden, stolz auf die Standhaftigkeit seines Sohnes zu sein. Er verdrängte es jedoch schnell wieder.

„Du hast deinen Bruder nicht zu verletzten, Ranisin, sieh das ein! Du tust das nie wieder, sonst verstoßen wir dich, ist das klar?!“

„Wenn es nicht nötig ist, tue ich es nicht wieder, versprochen, Vater.“

Er lächelte sein hinreißendstes Lächeln und zum ersten Mal bemerkte Dherac, wie falsch es eigentlich war; dieses Kind war eine hinterlistige Hyäne. Entsetzt von seiner Feststellung tat er das, was er seiner Überzeugung nach Semliya schuldig war, stürzte sich auf den Jungen und verpasste ihm die Tracht Prügel, die er sich auch redlich verdient hatte – wenn er es nicht getan hätte, hätte er ihm vielleicht niemals verzeihen können und das wollte er bei seinem eigenen Kind nicht riskieren.
 

Tanest legte ihre Werkzeuge beiseite und erhob sich. Moconi saß ernüchtert auf seinem eigenen Lager und beobachtete sie und den bewusstlosen Semliya. Er wollte Shiran fragen, was geschehen würde... aber irgendwie traute er sich nicht, er wusste nicht weshalb. Und der Seher schien das bereits zu ahnen, sonst wäre er längst mit des Rätsels Lösung bei ihm aufgetaucht. Außerdem misstraute er dem Mann mit dem schrecklichen Gebiss noch immer etwas... wieso hatte er diese Tat nicht verhindert?

Es ging ihn nichts an. Vermutlich hätte er ihm das geantwortet... Shiran ging es um die Sache als solche, um nichts weiter. Was mit dem Stamm geschah, war ihm vollkommen gleich... Moconi war froh, wenn er den Mann wieder los war.

Er verdrängte die Gedanken an den Magier, denn es gab im Augenblick wesentlich wichtigeres für ihn.

„Soll ich mit den Gebeten beginnen?“

Tanest drehte sich zu ihm um und schüttelte den Kopf.

„Nein. Kinashi und Novaya warten draußen, sie wollen ihn unbedingt noch einmal sehen... warte noch, ich bitte sie herein.“

Der Häuptling nickte und die Frau wollte sich schon in Richtung Ausgang bewegen, als beide bis in die tiefsten Abgründe ihrer Seele erschrocken wurden.

„Nein... ach. Keine Gebete. Und die beiden sollen bleiben wo sie sind. Ich will meine Ruhe, sonst nichts.“

Beider Blicke richteten sich vollkommen verblüfft auf den scheinbar schwer verletzten Jungen, der leise seufzte und seine Liegeposition etwas veränderte, als befände er sich gerade bei Nacht in seinem eigenen Lager und es sei das Normalste der Welt, dass er um Ruhe zum schlafen bat.

„Wie... wie ist das möglich?! Ich habe in das Innere deines Kopfes gesehen, dein Schädel ist zertrümmert, deine Kopfhaut zerfetzt!“

Tanest wechselte einen vollkommen konfusen Blick mit Moconi und Semliya brummte.

„... danke. Jetzt weiß ich, weshalb das so weh tut. Und jetzt seid still, ich bin verdammt müde!“

Moconi zuckte die Schultern und schüttelte mit dem Kopf, als die Frau bloß vollends mit ihrem Wissen am Ende die Hütte verließ, um Kinashi und Novaya von der mehr als nur seltsamen Entwicklung zu berichten. Der Häuptling blieb stumm sitzen. Semliya war ein böser Windgeist, da war er sich sicher... zu seiner Freude hatte Kurapi ihn in seine Hütte eingeladen, dann musste er nicht bei dieser Bestie übernachten – er bezweifelte, dass dieser seltsame Kerl noch irgendein Gebet benötigte.
 

Calyri wusste nicht, was sie mehr verblüffen sollte; die seltsame Reaktion Semliyas auf den Angriff seitens Ranisin, die Tatsache, dass Novaya das ganz und gar nicht komisch fand oder, dass selbiger sie vor Freude und Erleichterung über Tanests Worte wie wild umarmte. Besonders anhänglich waren die beiden nie gewesen, zumindest nicht was andere Familienmitglieder betraf, und so starrte sie ihn bloß skeptisch an, als er sie auf beide Wangen küsste.

„Dieses Mal dachte ich, es sei endgültig vorbei. Aber nichts und niemand kann uns trennen, das erlauben die Götter nicht!“, erklärte er ihr fröhlich und hielt sie weiter fest und sie lehnte sich etwas an ihn, weil es irgendwie eine gute, warme Umarmung war, die sie ihm wohl als allerletztes zugetraut gehabt hätte. Niray, die gerade die kleine Morny hielt, war von dem ganzen derart irritiert, dass sie vergaß, sich vor den Wolken zu fürchten und ganz ruhig da stand und dem Spektakel zuschaute.

Kinashi hatte andere Sorgen; natürlich freute sie sich ebenso wie ihr Sohn über die unverhofften guten Neuigkeiten, aber Dherac war mit Ranisin zurückgekehrt und wo ihr Mann nun seinen väterlichen Pflichten nachgekommen war, musste sie an dieser Stelle ihren mütterlichen Pflichten nachkommen und sich um die vergleichsweise kleinen Verletzungen des Jungen kümmern, der seltsamerweise nicht weinte, obwohl er normalerweise nah am Wasser gebaut hatte.

„Werde ich wieder so schön und bezaubernd wie zuvor?“, erkundigte er sich stattdessen bekümmert um sein angeschwollenes Gesicht, das seine Mutter gerade mit einem nassen Stück Fell zum kühlen abtupfte. Sie seufzte und nickte dann – jetzt, wo sie wusste, dass es Semliya trotz allem nicht all zu schlecht ging, konnte sie ihrem jüngeren Sohn nur noch halb so böse sein.

„Mit Sicherheit. Aber bis dahin wird noch eine Menge Zeit vergehen... bis dahin haben wir dir verziehen.“

Ranisin nickte. Sie allesamt hatten sich vor der Familienhütte versammelt und an jenem freundlichen Tag war das auch eine gute Sache. Kinashi bemerkte, wie ihr Sohn vor ihr deutlich zusammenzuckte, als ein Schatten über sie fiel. Als sie sich umdrehte stand dort Novaya, der scheinbar seinen Freudentanz mit Calyri beendet hatte und nun wieder wesentlich nüchterner wirkte als zuvor und seinen jüngeren Bruder musterte.

„Gib mir bitte das Fell, ich mache weiter.“, bat er seine Mutter, ohne sie anzusehen, und sie kam seiner Bitte nach und erhob sich – sein Blick hatte keine Widerrede geduldet. Als sie sich ein paar Schritte von den beiden entfernte, erfüllte sie der Stolz einer Mutter – ihre Zwillinge waren prachtvolle erwachsene Männer.

Calyri, die Niray gerade ihre jüngste Schwester abnahm, fragte sich, was Novaya Ranisin wohl erzählte, während er die Arbeit seiner Mutter mit äußerster Vorsicht fortsetzte, denn als sein Mund still stand, begann der Jüngere endlich zu weinen.
 


 

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Tjaja, Karem ist jetzt Häuptling der Kannibalen und Ranisin gewährt uns Einblicke in seinen reizenden Charakter... XD



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Linchan
2011-11-28T16:18:50+00:00 28.11.2011 17:18
Ich wollte ja Kommis vorschreiben... hach xD

Lol, Karem <3 ich hab ihn lieb ^o^ und er... trifft komische Leute. Wtf diese Leute sind rulig... und dieser 'Kampf', wie absolut episch XDDDD Wtf, Karem ist.... jetzt Chef eines Stammes voller Spinner, wie geil XDD

Na, da bin ich ja gespannt, diese komischen Vögel sind ja echt munter XDDD was wohl mit den Alten ist? oô und was soll das Gefrage nach dem alter? XD *les*

> Ja... da hatte sich abermals neues Leben eingenistet, obwohl sie keines mehr gewollt hatten.
*////* nistet sich ein!! ó////ò Süß.... ♥

...wtf o.O WTF xD sie sterben nach 30 Jahren?! XDDD wtf... sie essen sich auf xD ich habs ja geahnt, Kannibalen müssen eben sein - aber WTF wie geil xDD die sind echt maso - selbst für Chion zu maso! XDDD

aaaaw, und Semmi! óo er ist lieb... (naja XD) er ist echt arm ó__O lol, jetzt kommt Ranisin oô na was der wohl fieses anstellt o__o *les* ... °o°! Wtf! Ranisin, du bist ja so eine Bitch o.o (mit langen Fingernägeln XD) wtf, das ist hart o.O... wow o__o Pscho-Ranisin ist gruselig xD ich fand die Szene sehr gelungen... sie war spannend und das Psycho ist gut rübergekommen o__o wtf!!


Wie Novaya sich dann so panisch auf ihn gesetzt hat und gesagt hat Wir sind doch Brüder, war echt übel, ich meine... .___. irgendwie... ach mann, Semmi tut mir leid, aber, aaaw.... och! óo Das war ergreifend... irgendwie so, Gänsehaut-macher ^^'

Wow, Ranisin ist so psycho oô der arme Dherac oô die Szene mit den beiden fand ich auch toll... sie hatte etwas boshaftes, ich meine, Ranisin ist ECHT... unglaublich bösartig o,o

Und hey, Semmi lebt ^o^ und... scheint wieder normal zu sein! o.o er redet normal o,o hihi <3 und das Ende war süß, Familienherz und manno, ich will wissen was Naya zu Ranisin gesagt hat óo Ich mochte das Kapi total gerne, es war toll, spannend, dramatisch, gefühlvoll, es war alles da <33 Liebt! ♥?


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