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Jumays Kinder

Part 1: Kinder der Erde - Land des Anfangs
von

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Gegebenheiten

Kilis Augenlieder waren schwer. Es machte nichts, wenn sie ihr nun zufielen, es gab in dem dunklen Raum ohnehin nichts mehr Neues zu entdecken. Einige Tage waren vergangen, vielleicht waren sie auch schon im neuen Mond, sie wusste es nicht genau. Von dem Zimmer, in dem sie schlief aus, hatte sie bisher noch keinen Mond sehen können. Vielleicht würde es noch kommen... dass sie all zu schnell von hier wegkommen würde, bezweifelte sie mittlerweile sehr, dazu war sie bereits zu lange hier. Wenigstens die Sonne würde sie aufgehen sehen, wie jeden Morgen. Sie würde sich im Waschraum zurecht machen und ihre seltsamen, aber hübschen Klamotten anziehen. Darauf würde sie sich auf das Schlaflager setzen, um auf ihr Essen zu warten. Drei Mal am Tag bekam sie welches. Das war mittlerweile mit das aufregendste an ihrem Leben hier.

Eigentlich durfte sie sich nicht beschweren. Sie war keine Sklavin. Sie war eine Gefangene, aber man behandelte sie nicht schlecht... zumindest oberflächlich nicht. Denn darauf, wie es in ihrem Inneren, ihrem Herzen aussah, achtete niemand. Einschließlich sie selbst... es hätte sie zerstört.

Es war düster, sie erkannte nicht viel, als sie neben sich schielte. Aber in ihrem Kopf hallten Schreie, ihre eigenen Schreie, als sei es gerade einmal einen Tag her, dass sie sie ausgestoßen hatte. Es war länger her...

Ihr habt kein Recht dazu, hört ihr? Ihr habt einfach kein Recht dazu, mich hier festzuhalten!... Fass mich nicht an!

Nicht anfassen... lächerlich. Sie konnte sich glücklich schätzen, dass er sie nur anfasste, intim anfasste, aber niemals weh tat. Er hatte sie nicht angefasst, wenn sie geschrien hatte, er solle es nicht tun... das hatte er scheinbar verstanden. Aber er hatte es immer und immer wieder versucht... und sie hatte es immer und immer wieder abgelehnt, bis sie gemerkt hatte, dass es ihn weitaus mehr geärgert hatte, als er sich hatte anmerken lassen wollen. Sie wollte weg von hier und wenn man sie schon nicht ließ, dann wenigstens ihre Ruhe... und die hatte sie eigentlich gehabt in ihren edlen, seltsamen Klamotten in dem Raum, den sie sich mit ihm teilte. Es war nichts, was sie hatte verlieren wollen... und so hatte sie es zugelassen und auch nicht wirklich bereut, denn so abscheulich, wie es an sich eigentlich war, kam es ihr bis zu diesem Tage nicht vor.

Mahrran war ein seltsamer Mann, so seltsam wie alles hier in dieser fremden Welt. Er war in etwa genau so groß wie sie und Sanan hätte neben ihm wohl kräftig gewirkt, aber damit war er nicht allein, denn alle die wenigen Männer, die sie hier zu Gesicht bekommen hatte, waren ihm von der Erscheinung her ähnlich gewesen. Und die Frauen schafften es tatsächlich, noch zierlicher zu sein, allen voran Mahrrans Schwestern. Nadeshda sprach manchmal mit ihr, schien sie etwas zu verspotten, aber sie sprach meist zu unverständlich. Mabalysca hatte sie erst wenige Male gesehen, sie hatte ihr immer nur schiefe Blicke geschenkt. Ihr Bruder hatte Kili versucht zu erklären, dass es ihr nicht gut ging, weil irgendwer nicht mehr da war... sie hatte nicht verstanden, wer und warum. Sie hatte auch kein Interesse, es weiter zu erfahren, was gingen sie die Probleme dieser kleinen Prinzessin an?

„Kili... wach?“

Sie seufzte, als sich der junge Mann gähnend zu ihr umdrehte. Er bemühte sich um ihre Sprache... aber dennoch erzählte er ihr nichts. Nichts von ihrem Stamm, nichts von dem, was sie vorhatten oder was draußen geschah. Und sie fragte auch nicht. Sie wollte nicht wirklich mit ihm reden, dass er sich immer mehr von ihrer Sprache aneignete, nervte sie irgendwie. Ihr war einfach nicht nach belanglosen Gesprächen mit ihrem Entführer.

Er verschonte sie allerdings nicht davon, auch nicht in der Nacht, wie jetzt, als er ihr scheinbar interessiert ein paar Strähnen aus dem Gesicht strich.

„Nachdenkt.“, erriet er, ohne eine Reaktion von ihr zu erwarten, „Hat gut... könnte sein schlechter...“

Das wusste sie selbst. Sie schloss leise seufzend die Augen, wagte sich jedoch nicht, sich abzuwenden. Sie wollte nicht, dass er böse wurde... irgendwo war einfach diese Hoffnung, dass der Tag bald kommen würde, der Tag, an dem ihr Bruder die seltsame Tür eintreten und sie hier heraus nehmen würde.

„Keta...“

Sie blinzelte. Keta... er nannte sie oft so, sie hatte keine Ahnung, was es bedeuten mochte. Seine Hand legte sich sachte auf ihre Schulter und drückte sie so mit sanfter Gewalt auf den Rücken, damit er sich über sie beugen konnte. Im Prinzip waren Männer dann doch alle gleich.
 

Und manchmal waren sie sogar tapfer. Zum Beispiel genau dann, wenn sie trotz malträtiertem Bein probierten, aus einem riesigen Gebirge zu gelangen und dabei versuchten, sich nicht anmerken zu lassen, dass sie dabei am liebsten geweint hätten wie ein kleines Kind.

Von der Hochebene aus hatte man wirklich einen guten Blick über das Land gehabt und so hatten Alaji und Teco endlich einen Weg gefunden, mit dem sie zumindest wieder irgendwo in der Savanne heraus kommen konnten – immerhin ein Anfang. Dabei hatte der junge Mann nur wenig Rücksicht auf sein Bein genommen, die Heilerin war schließlich bei ihm und er konnte das Gestein einfach nicht mehr sehen, so hatten sie sehr schnell, viel schneller als es gesund war, das Plateau verlassen und sich an den Abstieg gemacht. Und der dauerte wie erwartet sehr lang und gestaltete sich mit dem verletzten Bein als sehr unangenehm und schwierig.

Alaji war eine gute Bestien-Frau. Diese Tatsache hatte sich der junge Mann schon sehr bald einfach eingestehen müssen. Er hatte sie entführt und was tat sie? Sie heilte ihn, sie folgte ihm, sie rettete ihm das Leben, obwohl er sie zuvor entehrt hatte und nun half sie ihm bei jeder schwierigen Stelle. Und sie verschaffte ihm ein ziemlich mieses Gefühl – er hatte sich retten lassen, wie ein kleines Kind. So hatte sie ihn in gewisser Weise auch entehrt, aber er bezweifelte, dass sie das ahnte, so nahm er ihr es nicht halb so übel, wie es an sich normal gewesen wäre. Aber was war schon noch normal in dieser seltsamen Welt im hellen Licht unter einem ewig dunklen Himmel, den keinen einzigen Bewohner der Planeten zu stören schien? Er reiste mit einer Kalenao durch ein fremdes Land und hatte keine Ahnung, was aus ihnen werden würde. Sein Speer war zerstört, sein Bein war es auch, aber seine Begleiterin war eine kleine Hexe... das war keine Situation, in der sich ein zumindest halbwegs traditionell erzogener Gewohnheitsmensch wie Teco es war wohl hätte fühlen können. Aber wie hatte Onkel Saltec immer so schön gesagt?

Immer das Beste aus der Situation machen und sich niemals Steine in den Weg legen, auch wenn sie noch so hübsch glänzen.

Hübsch glänzende Steine waren ohnehin nur etwas für Frauen. Er seufzte, als er neben sich schielte, zu der momentan einzigen Frau in seiner Umgebung. Der Weg war im Moment halbwegs passierbar, so dass sie ihn ausnahmsweise nicht stützen musste... das war ohnehin unangenehm, sie war nicht besonders groß. Nein, sie war verglichen mit den weiblichen Stammesmitgliedern sehr zierlich, fast schon reizend. Aber wie bereits an jenem unheilvollen Tag, an dem er sie fast für ihr Leben beschmutzt gehabt hätte, musste er auch nun wieder feststellen, dass ihr lächerlicher Haarschopf das schöne Bild ziemlich zerstörte. Sie hatte bei dem Angriff des seltsamen Tieres wohl ihren Hut verloren, jedenfalls trug sie ihn nicht mehr. Die wenigen dünnen Strähnen waren wirklich bemitleidenswert, so fand der junge Mann. Er würde kein negatives Wort darüber verlieren.

Teco schreckte etwas aus seinen Gedanken, als sie sprach. Er verstand sie natürlich nicht, aber als sie inne hielt und den Blick in den wolkenverhangenen Himmel richtete, wusste er dann doch, was sie meinte. Kalenao hatte Instinkte, die Menschen nicht besaßen. Wenn sie so nach oben stierte, dann hatte das vermutlich mit dem Wetter zu tun... und von Unwettern hatte er bei Leibe genug.

„Meinst du, es zieht etwas auf?“

Im Stamm gab es auch Leute, die sich damit auskannten, er gehörte jedoch definitiv nicht dazu. Für ihn gab es große Wolken und kleine Wolken, aber im Prinzip waren sie in seinen Augen alle gleich.

Alaji wandte den Blick vom Himmel ab und ihm zu. Einen Moment lang sahen sich beide in die Augen und sie schien nur auf einen Hinweis ihrer Götter zu warten, um zu verstehen, was er da sagte, dann griff sie nach seiner Hand und wechselte die Richtung, statt weiter abwärts einen schmalen Pfad nach rechts. Er ließ es geschehen, beschwerte sich nur einmal, als es zu schnell für sein verletztes Bein ging und sie konnte sich denken, was er wollte und minderte ihre Geschwindigkeit etwas.

Der Weg war zwar passierbar, aber irgendwie verunsicherte er den jungen Mann. Der Abhang oberhalb und unterhalb davon war steil, wenn es wirklich ein Unwetter gab, konnte es zu einem Erdrutsch kommen und sie mitreißen... er hoffte, seine Begleiterin wusste, was sie tat. Einen besonders guten Orientierungssinn hatte sie bisher nämlich noch nicht bewiesen...
 

Moconi beobachtete das aufziehende Unwetter sehr skeptisch. Er saß auf einem Stein in der Nähe des Lagers, Calyri direkt neben ihm. Sie hatte sich erlaubt, ihren Kopf an seiner Schulter anzulehnen – und er hatte zu ihrer großen Freude nichts weiter dazu gesagt.

Das Thema, das er anschnitt, missfiel ihr jedoch etwas.

„Sie werden die Suche abbrechen.“, orakelte er mit Blick auf die über dem entfernten Gebirge aufziehenden Wolkenberge, „Die Götter schicken uns schon wieder ein Unwetter, fürchte ich.“

Sie seufzte nur, ohne darauf einzugehen. Die junge Frau wusste genau, worum es ging – vor einigen Tagen hatte der Häuptling eine kleine Gruppe an Männern losgeschickt, um nach Teco zu suchen, die bisher nicht zurückgekehrt war. Teco war offensichtlich von selbst nicht wieder aufgetaucht und Calyri hatte klammheimlich die Hoffnung, wenn man es bei ihr als solche bezeichnen konnte, aufgegeben, ihn je wieder zu sehen, es sollte ihr also nichts mehr ausmachen.

„An sich ist es von Vorteil, wenn sie bald wieder zurück sind.“, sprach der junge Mann da weiter, „Unsere Vorräte gehen zu neige. Wir werden bald weiter ziehen und jagen. Besser wäre natürlich, wenn Teco dabei wäre, wir haben viele gute Männer verloren... aber irgendwie glaube ich nicht mehr so ganz daran, verzeih...“

Die Jüngere sah blinzelnd zu ihm auf, wie er gebannt in Richtung der Berge starrte. Worum bat er sie?

„Verzeih? Nun ja, deine Schuld ist das nicht, außerdem hatte ich nichts weiter mit deinem Cousin zu tun...“

Sie ahnte, dass er das anders sah... das war bereits seit gefühlten Ewigkeiten genau das Problem, dass sie hinter ihre Brüder stellte in ihrer Entwicklung zum vollwertigen Stammesmitglied. Er seufzte kaum hörbar, dann erwiderte er ihren Blick.

„Du bist so etwas wie seine inoffizielle Verlobte, Calyri. Das wissen alle.“

Teco war seit einiger Zeit hinter dem ansehnlichen Mädchen her gewesen und der gesamte Stamm war damit einverstanden gewesen, dass er sich sie als seine Braut ausgesucht hatte. Kein anderer Mann hatte sich seitdem an sie heran getraut, um Teco, der in seinen jungen Jahren durch sein Talent in der Jagd schon höchsten Respekt erlangt hatte, nicht zu beleidigen. Auch Moconi nicht. Nun warteten alle darauf, dass der nun Verschollene endlich um ihre Hand anhielt und die etwas besseren Beobachter hofften für ihn, dass Calyri endlich zur Vernunft fände, und ihm signalisierte, dass sie auch wollte. Bisher war das nicht geschehen.

Die junge Frau war stur.

„Ich werde niemals Tecos Frau.“, schnappte sie auch jetzt, „Ich... ich mag ihn nicht sonderlich. Seine Art ist... nicht das, was ich mir wünsche...“

Sie errötete und wandte sich etwas ab. Vielleicht hätte er eine Chance gehabt, wenn es ihren Häuptling nicht gegeben hätte, vielleicht. Aber so...

Überraschenderweise war auch er es, der dieses Mal an der schwarzen Feder an seinem Ohr zu spielen begann, vermutlich aber eher unbewusst. Dann schüttelte er den Kopf.

„Ich verstehe dich nicht ganz.“, gab er dann zu, „Ich meine... ich kann natürlich nicht denken und fühlen wie eine Frau, aber Teco würde dir ein sehr gutes und angesehenes Leben im Stamm ermöglichen, das ist doch ein Glück! Wenn er wieder auftaucht, dann wirst du ihm zeigen, dass du ihn willst... ansonsten nutze ich meine Autorität als Häuptling aus... sei mir nicht böse.“

Er zuckte zusammen, als sie fauchend aufsprang. Eigentlich war sie eine sehr friedfertige Person, dennoch konnte er ihren Ärger nun irgendwo verstehen, als er bedauernd zu ihr aufsah, noch immer auf dem Stein sitzend.

Ihre Augen glänzten bedrohlich.

„Das kannst du mir nicht antun, Moconi! Nur weil du befürchtest, der Stamm könnte dich für egoistisch halten... so ist es doch?!“

Sie wischte sich mit der Hand hastig über ihr Gesicht und er erhob sich ebenfalls. Allmählich ging sie für eine Frau ziemlich weit...

„Sag mir... sag mir, was du tun würdest, wenn Teco nicht mehr auftauchen würde!“

Sie sah ihn nicht an, als sie auf eine Antwort wartete. Eben so offensichtlich wie das, was Teco wollte, war doch auch das, was sie sich wünschte, oder nicht? Und das wollte sie nicht aufgeben, auch wenn es nicht ihr Recht war, zumindest in den Augen der großen Mehrheit...

Ich weiß nicht, was du an ihm finden magst..., hatte Mefasa ihr vor nicht all zu langer Zeit mitgeteilt, Aber lasse dir das so schnell nicht austreiben. Moconi rennt vor seinem eigenen Glück davon...

Ob es Glück war, wusste Calyri natürlich nicht, aber sie würde dem Ratschlag weiterhin nachkommen.

Ihr Gegenüber seufzte, während man es zeitgleich am Horizont grollen hören konnte. Er hasste Stürme...

„Hör zu...“, setzte er dann an, „Seit 14 Jahren bist du ein Kind der Götter auf dieser Welt, ohne ihnen dafür gedankt zu haben. Du bist lange schon eine Frau, Calyri... Frauen haben Aufgaben. Aber es nützt nichts, wenn sie ihnen nachkommen, ohne Mann und Kinder zu haben, auch wenn es sehr ehrenhaft erscheinen mag, wie du deine Mutter unterstützt, aber das ist auf Dauer nicht gut, für keinen der Beteiligten. Bitte – es ist in euer beider Interesse. Ich will dir nicht weh tun...“

Er sah zu den Wolkenbergen in der Ferne. Irgendwo dort musste auch sein Cousin sein... oder das, was von ihm übrig war. Die junge Frau sagte nichts mehr, hielt den Kopf nur gesenkt.

„Ich muss wieder zum Lager, die Leute warnen, falls sie es noch nicht selbst bemerkt haben...“, sprach der Häuptling dann weiter und wandte seinen Blick in Richtung der Hütten. Die wenigen Menschen, die er spontan erkennen konnte, schienen alle ziemlich beschäftigt...

„Calyri...“

Sie sah deprimiert noch einmal zu Moconi auf und er kam ihr zu ihrer Überraschung entgegen und lehnte seine Stirn sanft gegen ihre. Sie keuchte, als sie seinen warmen Atem mit einem Mal in ihrem Gesicht spüren konnte.

„Wenn Teco wirklich nicht wieder kommt... dann weißt du, was geschieht. Dann weißt du, wessen Frau du wirst... wer um deine Hand bitten wird...“

Die Tatsache, dass er ihre Hand während er sprach zärtlich in seine nahm, ließ kaum Zweifel an der Auslegung seiner Worte.

Sie seufzte leise und von einem Moment auf den Nächsten war der Zauber vorbei, als er von ihr abließ und sich einen Schritt entfernte.

„Aber nur, wenn Teco nicht zurückkehrt. Nur dann.“
 

Es kam nicht oft vor, dass Kili den seltsamen Raum, den sie sich mit Mahrran teilte, verlassen durfte. Letzterer war in der Morgenröte verschwunden, nachdem Shiran ihn und somit auch sie geweckt hatte. Plötzlich hatte er einfach vor dem Schlaflager gestanden und hatte in seiner seltsamen Sprache vor sich hin gesprochen. Ihr Entführer schien zunächst auch irritiert zu sein, dann hatte er sich überrascht erhoben und angezogen und war seitdem mit dem gruseligen Mann unterwegs. Shiran war anders als die anderen Magier, hatte die junge Frau gelernt. Er wusste beinahe alles... vermutlich auch, wie es ihrem Stamm ging – wenn es ihn noch gab. Für Kili machte ihn das nur noch furchteinflößender. All zu viel mit ihr beschäftigen tat er sich aber so oder so nicht, er hatte ihr relativ schnell zu verstehen gegeben, dass sie ihm etwas zu primitiv war. Primitiv... er war nur arrogant. Wie alle hier, die sie kennen gelernt hatte.

Heute war jedenfalls ein besonderer Tag, nicht nur, weil es heftig regnete wie an jenem verheißungsvollen Vormittag, an dem sie die Kalenao getroffen hatten, sondern auch, weil sie aus ihrem Raum gerufen worden war. Genau genommen von der winzigen Mabalysca zu ihrer ebenso kleinen älteren Schwester. Erstere beherrschte im Übrigen kein einziges Wort der menschlichen Sprache. Mehr als „Kili!“ hatte sie auch nicht gesagt, sondern sie nur mit sich gewunken. Sie sah krank aus, hatte die Häuptlingsschwester nebenbei festgestellt, als sie ihr verschüchtert gefolgt war.

Sie war unnatürlich blass und ihre Augen dunkel unterlaufen, schien aber ansonsten körperlich keine Probleme zu haben – es war ihr an sich auch egal. Sie wollte ihre Ruhe, die Magier-Frauen waren ihr unheimlich, noch unheimlicher als Mahrran es war. Mit dem war sie allerdings auch die meiste Zeit zusammen, da verlor sich die Scheu wohl automatisch irgendwann.

Nadeshda ihrerseits saß auf ihrem Schlaflager, in die mit Federn gefüllten Kissen gelehnt. Sie war eben so blass wie ihre jüngere Schwester und sah nicht auf, als die Menschenfrau den Raum betrat und mitten drin zum stehen kam, weil sie nicht wusste, was sie besseres tun sollte. Ihr Blick hing an den Fenstern, an denen der Regen vorbei rauschte... es gab Hölzer, um die Öffnungen zu verschließen, wenn es frisch wurde draußen, eben wie an diesem Tag am Ende eines seltsamen Sommers, aber sie waren alle offen. Kili würde sich nicht wagen, sich in solche Angelegenheiten einzumischen, obgleich sie wesentlich Schlimmeres gewohnt war. Sie war in einer Erdhütte aufgewachsen...

Als die etwas ältere Frau sich ihr dann langsam, wie in Zeitlupe, zuwandte, zuckte sie zusammen unter dem vor Schmerz vernebelten Blick, der sie musterte.

„Bana che Kili...“, begrüßte sie sie mit ungewohnt brüchiger Stimme und neigte tatsächlich den Kopf leicht. Die Jüngere war sich nicht ganz sicher, ob das tatsächlich eine respektvolle Begrüßung darstellte, wie es bei ihr zu Hause üblich war, sie war hier schließlich die Gefangene... und Nadeshda laut Shiran eine Art weiblicher Häuptling der Kalenao.

Die Magierin setzte sich etwas auf, während ihre jüngere Schwester sich auf einem seltsamen Hocker in einer Ecke niederließ und nur schweigend zusah.

„Bana che Nadeshda...“, erwiderte Kili dann leise und ihr Gegenüber strich sich eine lange Strähne hinter die Schulter. Sie seufzte.

„Shiran... kennen du, rai? Kennen du Shiran, weiß ich...“, sie hielt kurz inne, um sich ihre Worte zurecht zu legen, „Sprach ich mit Shiran... vor Zeit, Shiran sprach mir bist du eine Frau die machen kann... ähm... gut. Etwas.“

Kili hob beide Brauen. Machen kann gut? Nur weil es Worte ihrer Sprache waren, hieß das nicht, dass sie sie auch deuten konnte... Nadeshda erriet, dass man sie nicht verstand und startete einen neuen Versuch.

„Wenn bist... harc, ist krank Mensch, rai? Wenn ist krank Mensch du kannst machen gut?“

Das erschien schon einleuchtender. Kili fasste sich stirnrunzelnd an den Kopf. Heilen meinte sie... sie mochte zwar primitiver denken als ihre Entführer, doch ein Missverständnis drängte sich ihr sehr schnell zwingend auf – die Interpretationen von Heilung konnten ziemlich weit auseinander gehen. Wunden konnte man heilen, wenn sie nicht zu tief waren... Krankheiten, wenn sie nicht zu schlimm waren... aber dieses „wenn“ gab es immer, zumindest für eine einfache Menschenfrau wie sie es war. Sie war auf die Güte der Götter angewiesen... manche Leiden legten sie über ihre Kinder, damit sie daraus lernten und weise wurden, indem sie sie in unverkürzter Zeit auskurierten. Andere Leiden legten sie über sie, um sie das Himmelreich betreten zu lassen, die Übergangszone zwischen der bekannten Welt und der nächsten Welt, ein unbekannter Ort für alle lebendigen Individuen des Planeten, der ebenso von allen angestrebt wurde. Es war an sich eine besondere Ehre, auf solch einem Wege dorthin zu gelangen, der Preis war jedoch, dass man seinen hiesigen Körper zurücklassen musste, oftmals auf schmerzhaftere Art und Weise als ein schneller Tod durch den Angriff eines Raubtiers. Aber wie sollte sie einer solchen Frau erklären, dass sie ihr eventuell nicht weiter helfen konnte...? Oder fragte sie nur aus Neugierde?! Nein, sie brauchte sie. Gab es hier denn niemanden, der besser war als sie...?

Von plötzlich aufsteigender Panik gepackt wich Kili dem Blick der Älteren auffällig aus.

„Nein.“, log sie dann einfach, „Nein, ich... kann keine Menschen gut machen, wenn sie krank sind.“

Nadeshda zischte. Es war nicht verwunderlich, dass sie die hilflose Lüge sofort durchschaut hatte, denn selbst, wenn sich ihr Gegenüber besser hätte verstellen können, so war sie noch immer eine grandiose Magierin, die auch ohne eine Seherin zu sein ihre Umgebung sehr gut einschätzen konnte... zumindest meistens.

„Soll versuchen!“, schnappte sie, „Versucht! Menschenfrau sprecht nicht wirklich! Anschaut, in Moment!“

Sie deutete mit dem Zeigefinger direkt vor sich, um ihre Gefangene zu sich zu zitieren. Diese blinzelte nur verunsichert. Versucht? Sie würde sicher sterben, wenn sie es nicht schaffte... andererseits starb sie so wie so, wenn sie nicht auf das Wort gehorchte... keine gute Situation.

Sie seufzte und kam der Älteren näher, ehe sie direkt vor ihrem Lager stand.

„Womit... womit hast du Probleme, Nadeshda?“

Kili wagte es nicht, der Magierin in die Augen zu sehen... ihr Blick erschien ihr giftig. Stattdessen musterte sie ihre Füße. Ihr Gegenüber sagte nichts dazu, deutete bloß über deutlich auf ihre angeschwollenen Knie.

Die Jüngere schielte sie verunsichert an. Die Knie? Vom übermäßigen arbeiten kam das wohl nicht. Sie zuckte mit den Schultern.

„Es blutet nicht... vielleicht brauchst du nur Ruhe? Ich kann nichts machen, wenn es nicht blutet.“

Ihre Großmutter hatte etwas gegen Schwellungen gekannt, erinnerte sie sich... sie hatte allerdings nicht mehr die Gelegenheit gehabt, ihre Enkelin einzuweihen. Spätestens jetzt tat Kili diese Tatsache sehr leid.

Sie fuhr zusammen, als Nadeshda laut aufschrie. Vor Wut, sie kannte diese Reaktion bereits.

„Mach es gut, Kili!“, verlangte sie, „Harc karm dafc harc tèv teca zies!“

Die Jüngere fuhr nur zusammen, sich nicht trauend, zurückzuweichen – vor ihr flüchten war eh sinnlos. Mabalysca lenkte überraschend die Aufmerksamkeit auf sich, als sie sich erhob und sich zu ihrer Schwester setzte, ihr darauf irgendetwas mitteilend. Die Ältere schnaubte darauf und zögerte einen Moment, dann schenkte sie der Menschenfrau einen weiteren vernichtenden Blick.

In diesem Augenblick war es, dass die Häuptlingsschwester es zum ersten Mal bereute, nie Interesse an dem in ihren Augen kleinen Mädchen gezeigt zu haben. Mahrran hatte ihr öfter von ihr erzählen wollen... vielleicht hatte er auch weitergeleitet, dass sie seine jüngere Schwester einen feuchten Kehricht scherte, wofür sie sich nun rächen wollte? Kalenao waren kompliziert...

Nadeshda zischte leise.

„Kili.“, begann sie schließlich ein weiteres Mal, „Diese Frau sei krank. Auch hier...“

Sie deutete auf ihren Bauch. Die Jüngere fuhr sich nur verunsichert durch ihr dunkles Haar.
 

Alaji zuckte zusammen unter einem weiteren, unheimlich laut hallenden Donner. Sie waren noch immer im Gebirge, an sich war es nicht verwunderlich, dass es so laut wurde, überraschender fand Teco jedoch die Reaktion seiner Begleiterin darauf. Dass sie sich nicht wohl fühlte, konnte er jedoch nachvollziehen – ebenso wie er wusste, dass es seine eigene Schuld war.

Es war viel geschehen. An sich zu viel... einen Moment lang schweiften die Gedanken des jungen Mannes an die Menschen im Lager. So kannten sie ihn nicht, verletzt, schwach... und ohne jedes Wort des stinkenden Eigenlobs. Alaji wusste ohnehin nicht, was er so sagte... oh ja, es war gut, dass sie ihn so nicht sehen konnten.

Er lehnte sich seufzend zurück an den kühlen Fels. Die Magierin hatte sie unter einen Vorsprung gebracht; es war zwar eng, aber sie waren vor dem prasselnden Regen und den Blitzen, der direkten Todesstrafe der Götter, geschützt. Verständlicherweise verunsicherte die junge Frau die Nähe zu ihrem Entführer wohl auch sehr, das hatte er selbst verschuldet und das wusste er auch.

Er seufzte.

Sie waren beim Abstieg. Irgendwann, früher oder später, würden sie seinem Stamm begegnen... und dann? Einerseits hatte er es dann geschafft... man würde ihn ehren für seine Strapazen, doch was wurde aus seiner Gefangenen? Er wollte gar nicht so genau wissen, was Karem mit den Jungen angestellt hatte, die er mitgenommen hatte und erst recht nicht, was einer jungen Frau wie Alaji es war inmitten der Krieger blühen würde. Andererseits konnte er sie auch nicht einfach gehen lassen... er schätzte einfach, dass sie dafür bereits zu viel wusste. Sie stand im Kontakt zu ihren Göttern und begleitete ihn doch schon eine ganze Weile, das war nicht gut...

An sich gab es nur eine Möglichkeit, ihr die Qualen, die ihr sein Stamm antun würde zu ersparen und gleichermaßen zu verhindern, dass sie ihnen gefährlich wurde...

Sie schielte ihn gewissermaßen verschüchtert an, als Teco sich ihr zuwandte. Er wusste selbst nicht so genau, warum er das aussprechen wollte, was er dachte – auch wenn sie seiner Sprache weitgehend nicht mächtig war, so hatte er inzwischen sehr wohl begriffen, dass ihre Götter ihr des Öfteren auf die Sprünge halfen; irgendetwas in ihm verlangte einfach danach.

„Weißt du...“, begann er, „Als ich dich mitgenommen habe, da hatte ich eigentlich keinen genauen Plan, was ich mit dir anstellen wollte... es sollte bloß grausam sein. Eine gebührende Rache für die vielen guten Männer, die ihr auf grausame, widerliche, vollkommen unwürdige Art und Weise hingerichtet habt, denke ich... ich wollte dich am liebsten genau so schlachten und von deinem Blut trinken, doch wenn ich jetzt so darüber nachdenke... das hätte ich nicht gekonnt. Das Blut eines Tieres schmeckt sehr wohl anders als deines, denke ich...“

Er machte eine Pause und die junge Frau legte verunsichert den Kopf schief. Er wandte sein Gesicht ab.

„Jedenfalls... hast du wohl mitbekommen, dass ich das gar nicht erst versucht habe... ich stand plötzlich irgendwo in den Bergen, ich meine, ich war völlig perplex, ich wusste nicht, was ich tun sollte... zumindest nicht mehr als das wichtigste: Zu versuchen, zu überleben. Das habe ich bisher, auch dank deiner Hilfe...“

So gern er seine Cousine Kili auch hatte, er war sich sicher, wenn er bei seinen Leuten gewesen wäre und an diesem Tage überhaupt noch gelebt hätte, dann ohne seinen Unterschenkel. Er sorgte sich auch so genügend darum, denn auch wenn die Fleischwunden gut verheilten, so waren deutliche Schäden zurückgeblieben. Sein Fußgelenk war kaum zu bewegen und beunruhigender Weise wurde auch sein Knie immer steifer. Er war auf dem besten Wege, ein Krüppel zu werden... aber zumindest nicht so sehr, dass er sich selbst nicht mehr helfen konnte – und das war ihm wichtig. Und wem er das zu verdanken hatte, wusste er, ob es ihm gefiel oder nicht.

Er wagte es errötend, Alaji wieder ins Gesicht zu blicken. Sie hatte den Kopf weiter leicht schief gelegt.

„Jedenfalls... du hast bei mir persönlich vieles in gewisser Weise wieder gut gemacht... bei den anderen nicht... na ja. Ich brauche dich noch... du sollst mich noch etwas begleiten. Und wenn es zu gefährlich für dich wird... und für mich... dann sollen mir deine Götter verzeihen, wenn ich dich töte. Ich... ich werde es so schmerzlos machen wie möglich. Verzeih es mir bitte auch.“

Ihr Blick teilte ihm sehr schnell mit, dass sie keine Ahnung hatte, wovon er gerade geredet hatte. Sie sah ihm aufmerksam in die dunklen Augen, versuchend, irgendetwas daraus zu lesen und Teco überkam das ungute Gefühl, sie würde ihm dabei einen Teil seiner Seele rauben; der Geist eines jeden Menschen wohnte schließlich hinter den Iriden.

Er blinzelte, als sie sich mit einem Mal wieder abwandte und mit ihrem Finger begann, auf dem mit einer dünnen Sandschicht bedeckten Boden herum zu malen. Genau genommen machte sie jede Menge Striche, einfach nebeneinander, ohne ersichtlichen Sinn und er runzelte nur die Stirn. Immerhin zuckte sie bei ihrer seltsamen Beschäftigung unter dem nächsten Donner nicht weiter zusammen...

Bei dem achtzehnten Strich hörte sie auf und sah ihn wieder an. Alaji war eine intelligente Frau, hatte er gelernt, wesentlich intelligenter als er es war, und so sah er in ihrem Kunstwerk lang nicht die simple, an sich unbedeutende Botschaft, die darin steckte und die sie ihm schlicht und ergreifend zum Zeitvertreib mitteilen wollte.

Teco schnaubte.

„Ich will dich wirklich nicht beleidigen, aber malen kannst du echt nicht. Oder nennst du das etwa Kunst? Zeichnungen von Tieren sind Kunst. Zeichnungen von Menschen sind Kunst. Aber bitte, Striche? Du scheinst wirklich unbegabt zu sein oder einfach nicht besonders einfallsreich.“

Das konnte er wesentlich besser, aber auf das Niveau, im Dreck zu malen, ließ er sich nicht herab, er war doch kein Kind mehr. Es gab eine spezielle Farbe, die aus Tierblut und Beeren hergestellt wurde, mit der einige Gesandte seines Stammes einmal im Jahr zu den rituellen Ausläufern des Gebirges reisten, um ihre Generation dort zu verewigen, indem sie die Wände mit Szenen aus ihrem Leben bemalten – das war kreativ und auch noch sinnvoll! So konnte der Stamm immer sehen, wie seine Vorfahren vor vielen Generationen gelebt hatte; im übrigen genau so wie zu der Zeit, in der die Menschen unter Moconis Anführerschaft standen. Teco war bereits mehrmals mitgereist und hatte sich jedes Mal sehr ausgelassen, malen bereitete ihm Spaß. Aber... Striche?

Auf die Lippen seiner Begleiterin schlich sich ein winziges Lächeln, als sie auf ihr Werk zeigte und zu sprechen begann.

„Dafc rhem tios-vetom ce ay.“, sie deutete noch einmal auf jeden Strich einzeln, dann auf sich, „Tios-vetom, rai?“

Er hob beide Brauen, als sie nun auch beide Hände hob und zunächst alle zehn Finger und dann noch einmal acht Finger zeigte und dann wieder auf sich.

„Tios-vetom! Quiadt ay dafc tèv? Quiadt ay dafc Teco?“

Sie lächelte etwas breiter. Achtzehn. Er hüstelte errötend, ein weiteres, abermals lauteres Donnergrollen ganz in der Nähe vollkommen ignorierend. Sie war achtzehn Jahre alt – er kam sich reichlich dämlich vor, das nicht auf Anhieb verstanden zu haben. Eigentlich war es doch selbstverständlich, dass eine scheinbar kultivierte Art wie die Kalenao besser zeichnen konnten als ein paar Striche in den Schmutz, nun war er belehrt.

Er strich sich durch sein rotbraunes Haar.

„Alaji ist achtzehn Jahre alt.“, erklärte er noch einmal, um ihr zu zeigen, dass er sie verstanden hatte, „Alaji ist schon eine erwachsene Frau, die in meinem Stamm längst verheiratet wäre und ein Baby hätte. Das ist bei euch scheinbar anders, sonst wärst du sicher nicht mit deinen Bestien her gekommen. Ach, wen schert das?“

Der junge Mann seufzte und beugte sich etwas nach vorn zu ihrem Kunstwerk, um mit seiner Hand drei der Striche zu verwischen. Auf ihren verwunderten Blick gluckste er.

„Ich bin fünfzehn, auch wenn ich für dich älter aussehe.“

Als Jäger war er natürlich darauf abgerichtet, sehr aufmerksam zu sein. Bei dem Angriff der Magier war ihm durchaus aufgefallen, dass eigentlich die komplette Gruppe ausgesehen hatte wie gerade von Mutters Brust abgewöhnt, aber er hatte sich nicht vorstellen können, dass der Häuptling der Kalenao kleine Kinder auf eine solch anstrengende Reise geschickt hatte. Folglich sahen diese Leute in menschlichen Augen einfach jung aus – und umgekehrt. Wirklich verwunderlich war es an sich nicht, sie waren schließlich nicht von einer Art.

„Dafc Teco tios-tok ce ay, rai.“, teilte sie ihm nickend mit, dass auch sie ihn verstanden hatte und musterte sein Gesicht einmal besonders auffällig, „Dafc Teco ved zawias Etay.“

„Ja ja, du hast vermutlich völlig Recht...“

Der junge Mann schloss seufzend die Augen. Beinahe hatte er vergessen, wie es war, wenn man sich mit jemand anderem verständigen konnte, beinahe – oder er hatte sich einfach an den umgekehrten Umstand gewöhnt.
 

Als es erneut donnerte und ein leuchtender Strahl aus dem Himmel vor dem Felsvorsprung in die Erde traf, war es nicht nur Alaji, die schrill aufschrie. Ein verdorrter kleiner Strauch in der Nähe ging in Flammen auf und Teco keuchte, als seine Begleiterin ihn am Arm fasste, ihm dabei die klauenähnlichen Nägel ins Fleisch bohrend. Sie starrte ihn apathisch an.

„Hafass mece Iapat Hafatrosa en! Daain Stamm vabrennt in Dornenfeuer, Teco!“

Sie keuchte und ließ von ihm ab, sich die Hände an die eigenen Schläfen legend.

Sie rang nach Luft. Und der Jüngere öffnete trotz seines Schocks unmittelbar zuvor verblüfft den Mund.

„Du sprichst ja... was? Wie kommst du denn bitte darauf?!“

Er fuhr sich selbst seufzend durchs Gesicht, dann einen Moment lang den Kopf senkend. Das war zu viel für ihn, wahrlich. Alaji wimmerte.

Als er wieder zu ihr aufsah, schüttelte sie schluchzend den Kopf und zog die Beine an, während vor ihnen unbarmherzig weiter Regen niederging. Er verstand sie... ihm fehlte die Kraft mittlerweile auch. Es war so furchtbar ermüdend...

Er dachte nicht weiter darüber nach, als er sie in dem Augenblick, in dem sie hemmungslos zu weinen begann, einfach in seine Arme zog.
 

„Er ist dumm, oder?“

Sanan hob ahnungslos beide Brauen, während Novaya vor ihrem rothaarigen Gefangenen kniete und ihn anstarrte, während der verzweifelt auf seiner Sprache vor sich hinsprach, gelegentlich auch rief. An sich war der Junge mit dem langen Haar wesentlich anstrengender gewesen bisher, aber momentan schien auch der nur irritiert von seinem Bekannten zu sein.

„Ich weiß nicht... ich glaube, er will irgendetwas.“

Semliya, der am Zelteingang stand, schüttelte nur den Kopf.

„Wir lassen die beiden doch oft genug heraus, um sich zu erleichtern – ich finde das überdies ziemlich gütig, ich meine, das sind unsere Gefangenen, das sind verdammte Menschenmörder, die verdienen es doch, in ihren eigenen Ausscheidungen zu hausen!“

Der Junge schnaubte und trat etwas unruhig hin und her. Sanan wusste nicht, was er dazu sagen sollte. Irgendwo hatte er schon Recht, sie verdienten wirklich die schlimmsten Qualen, aber wenn er den beiden so in ihre Gesichter sah... in die Augen, die seinen eigenen so ähnlich waren... nein. Er war froh, dass Moconi sich mit Grausamkeiten bisher zurückgehalten hatte – schlimm genug, dass die beiden den ganzen Tag über festgebunden waren. Ihre Handgelenke wollte er nicht haben...

„Wäre es schlimm, wenn ich ihn zum schweigen bringe?“, wollte Novaya unterdessen weiter wissen, „Ohne ihn zu töten, versteht sich.“

Sein Zwilling kicherte nur. Sanan verzog angewidert das Gesicht, als der Jüngere dem jammernden Magier an den Kopf trat, so dass der sein Bewusstsein verlor. Der langhaarige Junge schnappte einen Moment lang nach Luft, doch noch ehe er sich auf seiner seltsamen Sprache hätte empören können, schenkte Novaya ihm ein sehr eindeutiges Grinsen, sodass er hochrot anlief und sein Gesicht tief senkte. Scheinbar hatte auch der mittlerweile etwas von seinem anfänglichen Eifer eingebüßt, aber sie saßen schließlich bereits seit einer ganzen Weile hier fest.

„Ich glaube, irgendwann essen sie freiwillig nichts mehr!“

Semliya lachte herzlich. Sanan senkte den Blick etwas. Diese Überheblichkeit... was hatten die beiden davon, wenn sich die Magier vor Gram dazu entschieden, zu sterben? Das war doch grauenhaft und nützte keinem.

Er wechselte das Thema.

„Wir werden bald das Lager abbrechen, eben um neues Essen her zu schaffen. Wie du angedeutet hast, gehen unsere Vorräte langsam zu neige...“

Novayas Grinsen verschwand, als er dem Älteren einen herablassenden Blick zuwarf, während sein Bruder sich noch immer über die unterlegenen Gefangenen amüsierte.

„Ich gehe davon aus, du arbeitest an einer guten Route?“

Er nickte. Es lag abermals in seiner Hand, aber wirklich beunruhigen tat ihn das nicht. Nicht nur, weil es so schon öfters gewesen war, sehr oft, seit er sich erinnern konnte sogar, sondern auch, weil er es realistisch gesehen nur besser machen konnte, als Karem es zuvor getan hatte. Das war hinsichtlich der Entwicklung der Jugend in seinem Stamm doch ein wirklicher Lichtblick...
 

Sie wurden von lauten Rufen aus ihren Gedanken gerissen. Eigentlich gab es nicht viel, dass das Dreiergespann dazu animieren konnte, das alte Vorratszelt, in das sie sich geflüchtet hatten, als der Regen eingesetzt hatte, zu verlassen, letztendlich siegte die Neugierde dann jedoch doch. Sie ließen den verschüchterten und den bewusstlosen jungen Mann einfach zurück und folgten den aufgeregten Stimmen an den Rand ihres Lagers, wo sich eine ganze Menschenmenge versammelte hatte, in erster Reihe natürlich Moconi als Häuptling.

Porit keuchte, in die Ferne starrend.

„Ist... ist das etwa Teco?“

Sein Neffe legte die Stirn in Falten, die vom Regen ziemlich undeutliche, scheinbar menschliche Silhouette angestrengt anstarrend.

„Nein...“, wagte er dann zu vermuten, „Ich glaube, der müsste größer sein... ich bin mir aber nicht sicher.“

„Das ist nicht Teco.“, erhielt er darauf jedoch überraschend Unterstützung von Karem, „Teco müsste humpeln.“

Raunen ging durch die Menge. Da war ein Fremder – und er kam direkt auf sie zu.
 


 

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Es geht langsam voran und alles ist Linni Schuld! òo Ne, Unsinn <3 *herzt*



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Enyxis
2014-03-15T17:07:06+00:00 15.03.2014 18:07
*quietsch* Moconi und Calyri *______* *quietsch* So süß!!!! ♥ *quietsch* xD
Alaji und Teco sind auch ein lustiges Pärchen xD
Na, jez bin ich ya mal gespannt, wer da ankommt o___O

>„Er ist dumm, oder?“
Sanan hob ahnungslos beide Brauen, während Novaya vor ihrem rothaarigen Gefangenen kniete und ihn anstarrte, während der verzweifelt auf seiner Sprache vor sich hinsprach, gelegentlich auch rief. An sich war der Junge mit dem langen Haar wesentlich anstrengender gewesen bisher, aber momentan schien auch der nur irritiert von seinem Bekannten zu sein.
„Ich weiß nicht... ich glaube, er will irgendetwas.“<
xDDDDDDDDDDD Ich muss so lachen ey xDDD

Hamma Kapitel!!
Von:  Decken-Diebin
2010-10-06T16:11:42+00:00 06.10.2010 18:11
Ich find Alaji und Teco immer noch herzzerreißend süß *____* Und oha, er ist ja drei Jahre jünger als sie... aber egal, man sieht's eh nicht xD
Nadi war auch putzig.... du machen Menschen gut wenn krank? xD Süß <3 Was hatte sie eigentlich mit ihren Knien, kam da was vor, was ich vergessen habe? Das 'krank im Bauch' war ja nun eindeutig xD
Kili hat's überraschend gut, ich muss schon sagen óo Da geht's Kajira und eh, ich hab den Namen vergessen, scheiße xD, wesentlich schlechter...
Ach, genau, Moconi und Calyri... Moconi ist doch blöd, wenn er es will und sie es will, hat er das Recht, sie zur Frau zu nehmen, das wirkt nicht überheblich, selbst nicht als Häuptling >o<
So, ich freu mich aufs nächste Mal <3
Von:  Linchan
2010-10-02T19:53:17+00:00 02.10.2010 21:53
Ich weiß gar nicht mehr was hier vorkam xD *erstmal wieder gucken* <33!

aaaw, Kili! <3 Ich maaag sie und Mahrran, sie sind süß ó////ò ich meine, aaw... verglichen mit den Kalenao bei dne Menschen geht es ihr als Gefangener wirklich sehr gut, hahah xD und Mahrran herzt sie ja so an xD

Und aaw, Teco und Alaji <3 sie sind auch so herzig! Es gibt eigentlich viele herzige Pairings in KdE o,o ich les egerne mit Pairings >////<

Und Moconi und Calyri haben es da etwas schwer, haha xD bzw Moconi macht es schwerer als es sein könnte, dieser Depp xD Naja er hat ja noch Tinash, haha xD wobei, damals gab es dne noch gar nicht, ich denke... aaaw <3 kapi 9, das ist irgendwie so lange her óo
> „Wenn Teco wirklich nicht wieder kommt... dann weißt du, was geschieht. Dann weißt du, wessen Frau du wirst... wer um deine Hand bitten wird...“
Die Tatsache, dass er ihre Hand während er sprach zärtlich in seine nahm, ließ kaum Zweifel an der Auslegung seiner Worte.
aaaww... das war voll süß ./////. sie können so herzen... irgendwie kann ich aber auch beide Ansichtspunkte nachvollziehen, ich meine, er kann eben nicht alles einfach nehmen was ihm gefällt, nur weil er der Häptling ist óo Baby kann gute Dialoge schrieben, gefällt Mami <3

und Nadi ist so arm xD da smit ihrne Beinen ist echt übel... und ich mag es so wenn sie versucht die Menschensprache zu sprechen xDDD das ist einfach so geil xDD und ijaahh, sie ist... krank im bauch. Hüstel. xDDD

und Alaji udn Teco sind immer noch süß xD wie er labetrt und labert und sie versteht ihn nicht... und dann da smit dme Alter! xD das war so herz! xD
> „Ich will dich wirklich nicht beleidigen, aber malen kannst du echt nicht. Oder nennst du das etwa Kunst? Zeichnungen von Tieren sind Kunst. Zeichnungen von Menschen sind Kunst. Aber bitte, Striche? Du scheinst wirklich unbegabt zu sein oder einfach nicht besonders einfallsreich.“
xDDDDDDDDD *lacht* omg xD
Ach ja und da kam ja noch diese Szene wo Alaji so psycho war o.o Dein Stamm verbrennt im Dornenfeuer, na, da bin ich ja auch gespannt was das eigentlich mal wird... o.o klingt spannend >/////< ich mag dieses psycho-gelaber <333

Und die Zwillinge freuen sich weil sie sadistisch sein können xD der arme Chejat xD ach mann, er ist auch arm .____. und, aaw óo jetzt kommt Zerit ^o^ *freu* Zerit it irgendwie cool... er ist soh poser >////< naja noch isser ja nicht da, haha xDDD

Und aaahhh q_____q meine Schuld?! HERZ??!! *nöl* *Keksis schenk*


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