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Klima

von

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Diese Art

Während sie nebeneinander durch die Stadt schlenderten, versuchte der Schwertkämpfer gar nicht erst, annähernd begeistert dreinzusehen. Das hätte ihm der Koch ohnehin nicht abgekauft. Trotz aller geistiger Defizite.

„Ziemlich viele alte Burgen hier.“

„Hm.“

„Ob wir welche kaufen sollen?“

„Warum nicht.“

„Ich könnt' sie mit ein bisschen Reis dünsten.“

„Du bist der Koch.“

Zorro bemerkte eine schnelle Bewegung zu seiner Linken, duckte sich rasch und fluchte.

„Hey! Halt' Deine Füße auf dem Boden, ja?!“

„Du hörst ja gar nicht zu, Marimo!“

„Was willst Du denn?“

„Die ganzen alten Schlösser da. Der Bäcker meinte, auf den umliegenden Inseln seien noch mehr, in denen aber seit Jahren keiner mehr wohne...bis auf ein paar Gauner, deshalb verirrt sich auch niemand dahin.“ Sanjis Stimme klang leicht verträumt.

„Achso. Hm.“ Bei „Der Bäcker meinte“ war Zorro ausgestiegen.

„Irgendwie unheimlich, oder?“

„Kann sein.“

„Mit Pfeffer und Ketchup.“

„Jepp.“

Diesmal streifte der Schuh Zorros linkes Ohr, aber der Angegangene beschränkte sich auf's Ausweichen.

Er war immer noch verstimmt, weil er sich von Lysop und Chopper in eine Sache hineingedrängt fühlte, die ihn absolut nichts anging.

Eigentlich hatte er sich vorgenommen, die beiden einfach reden, betteln und jammern zu lassen, doch leider hatten sie ihn schon so lange mit dem – wie sie es nannten - „Plan“ genervt, dass auch seine eigenen Gedanken immer wieder zum - wie sie es nannten - „Plan“ schweifen mussten.

Zorro versuchte, sich auf das nervige Gerede seines ungewollten Begleiters zu konzentrieren und dabei tausend neue Gründe zu finden, dem Kerl keine Freude zu machen.

Fast zuckte er erschrocken zusammen, als Sanji in schmerzhafter Lautstärke zwei jungen Damen hinterherpfiff, und schon dachte er, er hätte es geschafft.

Dann ertappte er sich dabei, wie er gedankenverloren ein großes, übertrieben teuer wirkendes Kochmesser betrachtete.

Sanji war viel zu sehr damit beschäftigt, die große Auswahl an exotischen Lebensmitteln zu beklatschen, als dass er sich über die ausbleibenden Nörgeleien seines Packesels hätte wundern können.

Erst als Zorro seine Aufforderung, mit dem bisher erworbenen Proviant auf ihn zu warten, während er in der Nebenstraße Wein holen wolle, mit einem simplen „Mach aber hin, klar?“ quittierte, zog der junge Koch, der zumindest ein „Ich bin doch kein Hund, Du Giftmischer!“ erwartet hatte, seine sichtbare Augenbraue so weit hoch, dass auch sie unter seinem blonden Schopf verschwand. Dann zuckte er die Schultern und schlenderte los.

„Hinne machen sieht aber anders aus, Suppenkasper.“

„Nerv nicht, Marimo.“
 

Als ein ohrenbetäubender Knall die Leute rechts und links von ihm zusammenzucken ließ, sah Zorro nicht einmal auf. Erst, als nach dem Knall eine Stille auftrat, die sich in seiner Wahrnehmung von dem geschäftigen Treiben, das zuvor geherrscht hatte, zu sehr unterschied, hob er leicht den Kopf und ließ seinen Blick mit verengten Augen in Richtung der Explosion wandern.

Hinter den hohen Häusern der Innenstadt, nicht weit von ihm entfernt, stieg etwas Rauch auf, und das sich im Himmel ausbreitende Grau lenkte Zorros Blick auf die Gebäude in der Ferne. Im Gegensatz zu Sanji hatte Zorro sie zuvor nicht bemerkt, waren sie doch weder ausreichend lebendig noch nahe genug, um ihn im nächsten Moment anzugreifen, und deshalb nicht sonderlich interessant für ihn. Trinken konnte man sie ja auch nicht.

Gerade wollte Zorro seine Augen zu der Straße schweifen lassen, in die Sanji verschwunden war, da wurden sie auch schon in die entgegengesetzte Richtung gelenkt.

Ein paar Meter links von ihm standen zwei sauber gekleidete Männer vor jemandem, der ganz offensichtlich ein Pirat oder zumindest einer vom selben Schlag war, und beobachteten gelassen dessen hektische Armbewegungen.

Zorro musste leicht grinsen, als er die Beschwichtigungsversuche des Mannes für vergeblich befand. Die Typen suchten Spaß, das hatte er, ungeachtet deren Kleidung, gleich erkannt.

Sein Grinsen verschwand jedoch schlagartig, als vier weitere Männer in der Straße auftauchten und sich vor den Streithähnen aufbauten, jeder von ihnen mit einer albernen Möwe auf dem Rücken.

Zorro rührte sich nicht und beäugte die Szene mit gesenktem Kopf.

Zu den vier Uniformierten hatte sich ein fünfter gesellt, aber der Pirat vermochte noch nicht zu sagen, welcher von ihnen die Befehlsgewalt hatte. Er warf einen Blick in Sanjis Richtung und überlegte, ob er ihn warnen sollte, da sah er aus den Augenwinkeln, wie zwei der Marinesoldaten auf ihn zuschritten.

Immer noch mit dem Rücken an die graue Steinwand des Geschäfts gelehnt, wandte er ihnen den Kopf erst zu, als sie direkt vor ihm standen.

„Was gibt’s?“

„Das ist er“, stellte einer der Soldaten fest und machte einen Schritt auf Zorro zu.

„Bleib stehen, Torgo. Das ist er!“, wiederholte sein Kamerad so laut, dass auch die weiter entfernt stehenden Soldaten es hören konnten.

Ein Großteil von Zorros Blickfeld wurde nun von zwei Gewehrläufen eingenommen. Er hätte früher handeln und die Marines samt ihren Gewehren zerlegen können, aber die anderen Soldaten waren zu weit weg, als dass er bei ihnen hätte sein können, bevor er eine Kugel im Kopf gehabt hätte, und zu nah, als dass er die Kugeln hätte abfangen oder ihnen ausweichen können.

So blieb er erst einmal still und betrachtete die beiden Männer vor ihm.

Der Linke stand etwa drei Meter von ihm entfernt und war etwas größer als Zorro, ein Mann mit festem Blick, dessen Finger reglos auf dem Abzug lag und dem man die Unruhe, die er gerade verspüren musste, nicht ansah.

Der andere war, es war nicht leicht zu erkennen, weil er einen kleinen Schritt weiter vorn stand, vielleicht von derselben Größe. Obwohl seine Mütze ihm leicht ins Gesicht hing, erkannte Zorro, dass der Marine kaum älter war als er, vielleicht Anfang zwanzig. Seine Haltung ähnelte der seines älteren Kameraden. Aber sein Blick war etwas zu konzentriert.

„Lorenor Zorro, Mitglied der Strohhutbande. Sie sind verhaftet wegen Piraterie!“

Zorro blieb höflich, er war ja ständig verhaftet. Und bisher hatte ihn das nie sonderlich gestört. Nicht einmal das „wegen Piraterie“ ließ ihn schmollen, obwohl sie da ja einiges unterschlagen hatten.

Wäre an seiner Stelle Lysop verhaftet worden, so hätte dieser sicherlich darauf bestanden, dass man ihm bei seiner Abführung wenigstens noch lauthals die „absolut verwerfliche, dennoch nicht minder tollkühne und vollkommen und absolut allein durchgeführte Stürmung des Marinehauptquartiers 'Enies Lobby' sowie die Körperverletzung an achthunderttausend gleichzeitig angreifenden schwer bewaffneten Elitesoldaten der Marine“ vorwarf, aber Zorro war da ja nicht so.

Er beschränkte sich darauf, den jüngeren der Soldaten leicht anzugrinsen, dessen grimmiger Blick ihn scheinbar einige Anstrengung kostete. Dann blickte Zorro zu dem Älteren hin, in dessen Gesicht sich nichts regte. Dessen Finger in leichter Spannung, aber immer noch unbewegt auf dem Abzug lag.

Für einen Moment hatte Zorro fast Spaß daran, wie die beiden Männer so unterschiedlich auf die Erkenntnis reagierten, dass sie die Situation nicht unter Kontrolle hatten.

Die anderen Soldaten hatten inzwischen von den drei Störenfrieden abgelassen und bauten sich neben ihren Kameraden auf.

„Mitkommen“, sagte einer der Neuankömmlinge in befehlsgewohntem Ton. Zorro sah immer noch den ruhigen Mann direkt vor sich an. Auch dieser hatte seinen Blick auf die Augen seines Gegenüber geheftet, aber Zorro wusste, dass seine Aufmerksamkeit noch einer anderen Person galt.

„Sofort die Hände hoch!“, kam es von dem Mann, der eben schon gesprochen hatte. Inzwischen hatten fünf Soldaten die Gewehre auf ihn gerichtet.

„Na los!“

Die Hände in den Hosentaschen, blickte Zorro den befehlshabenden Offizier an. Er war zu weit weg.

Es war nur eine verschwommene Bewegung in seinem Augenwinkel, als der junge Marine, den Gewehrlauf fest in der rechten Hand, seine Mütze geradezog. Seine Hand lag noch darauf, als Zorro hinter ihm war und der Junge das fast angenehme, aber lähmende Gefühl von etwas Kaltem auf der Kehle spürte.
 

Zorro hörte den Knall nicht, denn in derselben Sekunde fokussierte sich seine ganze Wahrnehmung auf ein Spritzen links an seinem Kopf, das in genau dem Moment von Schock zu Schmerz wurde, als die Kugel, die ihm das Ohr zerfetzt hatte, hinter ihm in die Wand schlug.

Seinen Schrei nahm er selbst nicht wahr, doch riss er die anderen Soldaten aus ihrer Starre.

Als sie schossen, war Zorro, der nach zwei Sekunden Weiß wieder sehen konnte, schon unter ihnen, die linke Hand auf dem kalten Stein, und zog den ihm nächsten Soldaten sein Schwert durch die Kniekehlen. Trat dem Mann in seinem toten Winkel das Gewehr aus der Hand und zog seinen Fuß weiter gegen dessen Unterkiefer. Sofort rückten die gestürzten Soldaten aus seiner Wahrnehmung, und die Bewegungen der vier anderen wurden schärfer.

Das leichte Pochen, dass sich von seinem linken Ohr bis in seinen Kopf zog, war geradezu lächerlich. Es war der Schock gewesen, die Überraschung, die das Adrenalin, das den Kampf für ihn zu führen schien, in seinen Körper gejagt hatte.

Seine linke Hand zog das zweite Schwert automatisch und führte es noch in derselben Bewegung durch den Bauch des ältesten Soldaten, während Wado-Ichi-Monji dem Vierten in entgegengesetzer Richtung die Oberarme aufschnitt.

Fast hätte Zorro es fallen gelassen, als sich ein Schlag durch seinen rechten Oberarm in die Schulter hochzog. Er wirbelte herum und schlug dem Jungen mit dem Schwert gegen den Hals. Wie aus Trotz trat er dann dessen Gewehr, dass ihm eben einen Streifschuss am Arm verpasst hatte, beiseite. Die der anderen Soldaten auch.

Als der Schwertkämpfer nun nach neun Sekunden Reflex- und Instinkthandlungen zum ersten Mal Zeit zum Denken fand, spürte er Wut in sich aufsteigen.

Sie kroch aus seinen Füßen, die auf die plötzliche Reglosigkeit nach dem Kampf reagierten wie die Füße einer Landratte auf das Gefühl, nur ein paar schwankende Bretter und Nägel zwischen sich und dem Blau und der Tiefe und dem Schwarz zu haben.

Zog sich durch das hämmernde Herz unter seinen Rippen. Gewann an bedrohlicher Kraft an der Stelle, wo der Schmerz aus seinem Ohr in seinen Kopf hinüberkroch. Und fand sich schließlich in seiner linken Hand, die sich mit fast beruhigender und doch aufstachelnder Wirkung um Kitetsus Griff klammerte.

Fast war er wütend. Er hätte ihnen allen, mindestens aber dreien von ihnen den Hals aufschlitzen können, noch bevor ihnen nach dem ersten Schock wieder eingefallen wäre, wie man aus Gewehren schoss. Aber er hatte es nicht getan, er hatte noch nicht einmal den Grünschnabel umgelegt, er hatte es noch nicht einmal vorgehabt. Und der schoss einfach.

Zorro atmete durch und betrachtete die Soldaten, die am Boden lagen. Drei reglos. Zwei pressten ihre Hände auf die dunkel durchnässten Stellen ihrer Kleidung. Schwarz glänzende Hände. Es tropfte.

Tot war wahrscheinlich keiner von Ihnen. Wenn keiner von ihnen Ärger machte, würde es auch so bleiben.

Die Schwerter noch in der Hand, wandte Zorro sich um, um Sanji vor der Anwesenheit der Marine zu warnen, als ein schmerzhaft lautes Sirren an seinem unversehrtem Ohr ihn zusammenzucken ließ.

„Wollen die mich verarschen?“ Ohne Nachzudenken wirbelte Zorro wieder herum, preschte auf seinen Angreifer los und zerlegte mit einem Schwerthieb dessen Gewehrlauf. Der Übeltäter stolperte rückwärts und fiel zu Boden, als der Pirat an ihm vorbeistürmte. Das war das Problem. Setzt man Marines außer Gefecht, werden es nicht weniger, sondern immer mehr. Sie kommen aus allen Gassen und Ecken wie Ungeziefer, sind im Einzelnen nicht weniger leicht zu zertreten, in der Masse aber auch nicht weniger lästig.

Noch hatte Zorro keine Zeit zu bereuen, dass er, anders als im letzten Kampf, nicht auf die Position, noch nicht einmal auf die Anzahl seiner Gegner geachtet hatte. Kaum hatte er Wado-Ichi-Monji im Mund, streckte er zwei weitere Marines zu Boden. Schloss kurz die Augen, als ihm etwas Blut ins Gesicht spritzte.

Links von sich hörte er ein Klicken. Obwohl Zorro das Geräusch eines Gewehres, das gespannt wird, kannte, begriff er dessen Urpsrung in jenem Augenblick nicht. Aber das spielte keine Rolle. Er warf sich nach links, packte den Soldaten und stieß ihm Shuusui in die Seite. Das Aufschlagen des Gewehres auf dem Pflaster wurde von dem Schuss übertönt, der sich löste; ein paar Meter weiter schrie irgendein Marine, und obwohl Zorro froh war, dass der Irrschuss nicht sein eigenes Bein getroffen hatte, hatte er gerade so gar keinen Spaß.

Er wich einem Marine aus, der ihm seinen Säbel in den Bauch spießen wollte, und schlug ihm die flache Seite seines Schwertes gegen den Hinterkopf. Plötzlich spürte er etwas in seinem Rücken. Nahm eine Bewegung wahr und einen Geruch. Statt sich fallen zu lassen oder sein Schwert hochzuziehen, verharrte er in seiner Position. Etwas Schwarzes sauste an ihm vorbei und landete, nicht ohne die Waffe und geschätzte vier Zähne eines Marines mitzunehmen, drei Meter vor ihm.

Ein Schuss, der in den Himmel fällt, ein Gewehr, dass über den Boden schlittert. Und Zorro hätte aus Reflex fast „Danke“ gesagt.

Aber die Art, wie Sanji sich umdrehte und in einer gewollt lässigen Geste das Knie anwinkelte. Als wolle er den Fuß präsentieren, mit dem er den Marine gerade entwaffnet und ihm den Kiefer gebrochen hatte. Ja, es war genau diese Art, die Zorro gnädigerweise von seinem Fauxpas abhielt.

„Ehrlich, Grünschädel. Man kann Dich echt nicht aus den Augen lassen, ohne dass Du Dich gleich mit den anderen Kindern streitest.“

Ja. Genau diese Art.

„Halt die Klappe und lass uns abziehen, bevor noch mehr kommen!“

„Wo sind die Einkäufe?“ Sanjis mahnender Ton schaffte es tatsächlich, die Gereiztheit seines Kameraden noch zu steigern.

„Wo ist der Wein, den Du kaufen wolltest?“, gab dieser trocken zurück. Schon fühlte er sich als Sieger.

Da hob der Koch lässig seine Hand und zeigte Zorro die Flasche, die er darin hielt.

Ja. Genau diese Art.
 

Eine Bewegung im Augenwinkel. Ein Schlag an den Hinterkopf, jemand zu seiner Rechten.

Er dachte, er würde sich gleich wieder fassen. Wusste, dass es nicht so schlimm war. Merkte nicht mehr, dass er irrte.

Wie er irrte.
 

Wie er irrte.



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