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Wie vergewaltige ich einen Mann?

von

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Kapitel 3

Tief betroffen, als sei nichts geschehen.

Tova weiß nicht, woher diese worte kommen, aber sie zwingen sich ihr immer wieder auf, wie sie da im Sessel sitzt. Es hilft nichts, die Stellung zu ändern und die Haarsträhne mit der linken Hand zu zwirbeln statt mit der rechten. Selbst als sie aufsteht und umhergeht, kann sie die Worte nicht loswerden.

Tief betroffen. Als sei nichts geschehen.

Allmählich glaubte sie, dass diese Worte tatsächlich etwas aussagen. Vielleicht sind sie nicht nur ganz unbegreiflich und ein bisschen pathetisch und geraubt, wie all diese sonderbaren wortkominationen und Rhythmen, die in ihrem Kopf hängen bleiben, wenn sie Migräne hat.

Oder kurz bevor sie Migräne bekommt oder wenn sie gerade einen Anfall hinter sich hat. Vielleicht sagen diese Worte doch etwas über sie aus, jetzt, in diesem Moment.

Tief betroffen.

Wovon?

Na, jedenfalls nicht von diesem Kerl. Mit dem hat sie nicht wirklich was zu tun gehabt, sie weiß kaum etwas von ihm , will auch nichts wissen. Von ihm und seiner Überheblichkeit, seiner Schrecklichkeit, seiner

Schreck!

Das ist es, sie ist starr vor Schreck, nicht tief betroffen, sondern wie gelähmt vor Schreck.

Paralysiert von tausend Ängsten, von alten, uralten und neueren Ängsten, und von dieser brandneuen.

Diese ganz frische Angst ist die einfachste, sie hat sich noch nicht einnisten können, hat sich nocht nicht überspielen und beschönigen lassen, und deshalb fängt Tova mit ihr an.

Tova Randers sitzt in ihrem Polstersessel, zitternd und bebend vor Angst, dass jemand etwas von ihrer Demütigung erfahren könnte.

Die Schande, gegen ihren Willen gezwungen zu werden. Die Schande, die Schwächere zu sein, die missbrauchte wird, die hasst und verachtet und sich trotzdem fügt.

Das darf niemand erfahren. Das darf niemand je erfahren.

Deshalb geht sie nicht zur Polizei. Sie bleibt sitzen und stochert in den letzten vierundzwanzig Stunden herum, als könnte sie alles ungeschehen machen, wenn sie nur lange genug stochert. Als könnte sie sich schließlich davonschleichen, es aussperren, es herausseitern lassen , es auskotzen, es wegschlafen.

Sie wird schon eine Möglichkeit finden, es unschädlich zu machen. Es ausszustreichen und darüber hinwegzugehen.

Als sei nichts passiert.

Wenn sie bloss niemand gesehen hat. Wenn es bloß nicht irgendwie rauskommt und jemand davon erfährt, so dass sie dann doch die ganze Geschichte erzählen muss. Doch noch zur Polizei gehen muss, falls jemand Anzeige erstattet, der alles mitbekommen hat und sie als Frau aus dem Café Maestro erkennt. Der Taxifahrer, der sie nach Hause brachte, muss ihr angesehen haben, was ihr zugestoßen ist, und Nachbarn können es gehört haben.

Lächerlich würde man sie jungen Polizisten im Revier, die jeder Einzelheit zu Protokoll nehmen wollen. Vielleicht schauen sie angestrengt auf ihre Papiere hinunter, während sie mit einem oder zwei Finger tippen, schauen hinunter, damit sie keine Blicke wechseln, wenn sie ihre Aussage macht.

Oder sie sehen sie an und werfen ihr Blicke zu. Und wenn sie zu mehreren sind? Dann würde sie vielleicht ihren offenen Hohn zu spühren kriegen.

Ein Strick? Aha. Ein weißer Strick also, und das linke Bein an der linken Bettpfosten gefesselt. Und was haben Sie gemacht, während der Kassette in einem Rekorder umdrehte, dieser Sittlichkeitsverbrecher? Likör haben sie getrunken, soso.

Geschieden? Alter?

Neununddreißig....ich meine vierzig.

Vierzig also. Und geschieden.Aha.

Tova , hasst die Polizei, mit denen sie in ihrer Vorstellung kämpft. Legt ihnen Worte in den Mund, die sie irgendwo aufgeschnappt hat, die schlimmsten, die ihr je zu Ohr gekommen sind. Geschiedene Frauenzimmer, da weiss man doch gleich Bescheid.

Die sollten lieber dankbar sein.

Zu lange keinen Mann gehabt. Sieht Gespenster. Es heißt, dass alle so werden.

Klimakterisch.

Oder sie kriegt gerade ihre Periode.

Tova ballt die Fäuste vor Wut. Nein zum Teufel. Sie denkt nicht daran, sich damit abzufinden. Sie denkt nicht daran, es auszustreichen und einfach weiterzumachen, als sei nichts passiert.

Lieber lässt sie sich verhöhnen. Lieber nimmt sie es in Kauf, dass sie ihr nicht glauben, wenn sie sagt , sie sei nur aus Apettit aus ein Steak mitten in der Woche am hellichten Nachmittag in ein Tanzcafé gegangen, sie sei nur wegen dem schönen Wetter die Frederiksgatan hinuntergegangen statt hinauf, es sei das Fruchtfleisch der schwarzen Kirsche gewesen, das sie dazu brachte, ihm in seine Wohnung zu folgen, sie habe sich seinen Likör nur deshalb getrunken, weil ihre Jungen bei Jon waren und nicht zu Hause ängstlich auf sie warteten, sie habe sich nur wegen dieses ganzspezielle Rasierwasserduftes auf sein Sofa gesetzt, und sie habe an ihrem Rock gezupft , weil einer, der genauso duftete, sie verlassen hatte

natürlich werden sie ihr nicht glauben

aber sie hat es wirklich nicht so gemeint

sie hat nicht im Traum daran gedacht

und im übrigen hat jeder Mensch das Recht, nein zu sagen, wenn er seine Meinung ändert.

Jetzt wird Tova plötzlich sehr aktiv. Zuerst steht sie vom Sessel auf, aber nicht, um weinend auf und ab zu gehen, sondern um sich eine Tasse Tee zu machen. Das wird ihr jetzt guttun.

Sie vergisst zwar das Wasser und läßt den Kessel fast verkochen, während sie nur wenige Meter weiter weg am Fenster steht, die Ellbogen aufs Fensterbrett gestützt, und in den dunklen Hinterhof starrt. Aber sie nimmt gar nicht wahr, was ihre Augen sehen, sie sieht nicht, welche Fenster dunkel sind und hinter welchen Licht brennt, welche von den Nachbarn im Urlaub und welche zu Hause sind.

Sie muss den Wasserkessel nachfüllen, um sich ihren starken Tee aufzugießen. Während er abkühlt spinnt sie den Gedanken weiter, der sie aus dem Stuhl hochgejagt hat. Sie braucht lange, um sie große Tasse Tee auszutrinken. Aber sie hat keine Eile. Sie hat noch die ganze Nacht vor sich, und den nächsten Tag und diesen Monat und das ganze Jahr.

Die Zeit spielt keine Rolle. Wichtig ist nur, dass sie weiß, was sie tun soll. Sie glaubt, es zu wissen, als die Tasse leer ist

Sie wird nicht zur Polizei gehen. Das hat keinen Zweck Sie würde ihr sowieso nicht glauben. An ihrer Stelle würde sie das selbst nicht tun. Niemand würde ihr glauben.

Aber das ist noch lange kein Grund, darüber hinwegzugehen, als sei nichts passiert, sich in Selbstverachtung, Migräne und Leiden zu wälzen und nach aussen hin gute Miene zu machen, während sie innerlich voller Hass ist. Wie ist sie es bisher getan hat.

Was würde Jon tun?

Was würde B. Tun?

Was hätte Kari getan?

Kurz und gut, was würde ein Mann tun, der gekränkte und gedemütigt worden ist?

Er würde die Sache selbst in die Hand nehmen. Würde sich rächen. Würde kämpfen. Vielleicht unterliegen, vielleicht dabei draufgehen, vielleicht nicht nur den Feind , sondern auch unschuldige Bürge und sich selbst vernichten.. Aber kämpfen würde er!

Tova Randers erklärt einem Mann, der in der Stenhuggeraregatan 5b im vieren Stock auf der rechte Seite wohnt, den Krieg. Morgen wird sie heruasfinden wie er heißt. Und dann wird sie sich eine Stategie ausdenken.



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