So, Endstation.
Ich starrte auf das weiße, bedruckte Blatt vor mir, gebannt, als würde es sich jeden Moment in Luft auflösen, als würde es vielleicht vor meinen Augen verbrennen, einfach so. Aber es tat nichts, lag reglos da, wie ich auf meinem Stuhl saß, alleine und ohne eine Anstalt zu machen.
Damit hatte doch alles erst begonnen; dieser Schulwechsel, diese Idee von Ino – und nun? Plötzlich war alles okay… oder sollte es sein. Vielleicht dachte meine Mutter das. Wenn sie unterschrieb, wenn sie mich von der alten Schule ließ, wäre alles okay, würde ich sie wieder als Mutter ansehen, würde ich vielleicht damit leben können, dass davor alles eine Lüge war, dass ich immer ein getrübtes Bild von meinem Leben hatte. Aber so einfach war das nicht – es war eben nicht einfach so. Aber vielleicht musste ich mich damit abfinden, ich hab mich immerhin schon mit vielem abgefunden, egal, wie schwer, absurd oder absolut krank es war.
Ich wusste nicht mehr, wie viele Tage oder Wochen vergangen waren, seit der Todesnachricht, wie viele Tage ich vielleicht ein bisschen getrauert habe, um den Menschen, der sich mein Vater genannt hatte, um den Menschen, den ich so selten zu Gesicht bekam, ich wusste nicht, ob ich überhaupt getrauert habe.
Ich wusste nicht einmal, wie ich einfach so wieder mit Ino redete, als wäre nichts gewesen, wie ich einfach verzieh, ohne nachzudenken – aber es versetzte mir immer noch einen Stich, ich verzieh, aber vergaß nicht, doch das bemerkte keiner.
Und irgendwie war alles anders; wenn ich mich umblickte, um mich herum alles gleich, wenn ich in mich hineinblickte, in mir drin – alles anders.
Aber ich hatte mich nicht verändert, ich habe mich selbst gefunden.
Und doch fragte ich mich, ob all das dafür nötig gewesen war, ob es nicht viel leichter hätte sein können, ohne dass man Herzen brach, Menschen verlor und sich selber nicht mehr wiedererkannte. Aber ich würde es ja nie herausfinden, und eigentlich wollte ich es auch nicht – ich war nun glücklich, so wie es war.
Und Anzu sagte nichts, wenn ich mich mit Sasuke traf, was in letzter Zeit öfters der Fall war. Wir standen uns nahe, aber nie nah genug, um meine Sehnsucht zu stillen. So sehr ich mich danach verzerrte, hielt ich mich immer wieder zurück, immer wieder in Gedanken an jede einzelne Erinnerung, denn die Erinnerungssplitter bohrten sich noch immer in mein Herz, welches doch immer höher schlug, wenn ich ihn sah, wenn ich wusste, er wartete auf mich.
Ob es halten würde? Ich wusste es nicht. Und wie lange war ungewiss.
Aber manchmal blieb mir der Atem weg, mein Herz schien zu zerspringen, wenn ich in seinem Arm war und vergaß, dass ich nie wusste, was passieren würde, dass wir nie wirklich das Paar waren, was ich mir gewünscht hatte und es vielleicht auch nie sein würden, wenn er mir einfach so, federleicht, einen Kuss auf die Stirn setzte, während ich meine Augen schloss und jeden klitzekleinen Moment davon genoss und mir einprägte…
… und dann suchte ich die Repeattaste – und dann der Abspann.