Disdain - Pubertät 23
Kapitel 45:
Disdain - Pubertät 23
Tamaras Sicht
Mein ganzes Nervensystem liegt blank. Zuhause sieht’s aus wie auf ner Müllhalde und auf der Szene
kackt grad alles irgendwie ab. Edward und Agotogi haben die Preise erhöht, genauso wie die anderen
Dealer, und bei den Zweien sind nicht mal mehr Freundschaftspreise drin. Irgendwie muss ich ja
meinen H-Vorrat decken, das wird in Zukunft nicht so leicht sein. Ich hab schon genug Probleme, das
ist echt nicht einfach momentan mit allem.
Ich laufe dem Babystrichrevier entlang, mit schnellen Schritten, ich möchte nach Hause, mich ins Bett
legen. Ich ziehe an meiner Ziggi und halte meinen Blick gen Boden. Da rempele ich jemanden aus
Versehen an, nuschelte eine Entschuldigung und gehe noch schnelleren Schrittes weiter. Ich biege um
die Ecke eines Gebäudes in die nächste lange Straße, da stoße ich schon wieder mit jemandem
zusammen, meine Ziggi fällt mir dieses Mal sogar aus der Hand. Wiederholt entschuldige ich mich, da
laust mich ein Affe, Sanji steht vor mir. Wir beide zögern kurz, bevor wir uns mit einem „Hey“ grüßen.
Ein kurzer Augenkontakt hält an, ich spüre schon wieder das Zwicken in meiner Brust und wie auf
Knopfdruck laufen wir an uns vorbei, verfolgen unser Ziel wieder, haben den anderen ignoriert. Mit ihm
habe ich nichts mehr zu tun, er hat alles verbockt, daran lässt sich jetzt auch nichts mehr ändern, ist ja
auch egal.
Ganz zu Beginn dachte ich, dass ich mit Sanji echt das große Los gezogen habe. Normal, wenn ich
einen mit nach Hause nahm, wachte ich immer am nächsten Morgen alleine auf. Alle Kerle waren nur an
meinem Körper interessiert, darauf, eine wilde Nummer zu schieben und machten sich danach immer
aus dem Staub. Mein kleiner Blondie war am nächsten Morgen noch bei mir, obwohl gar nichts
zwischen uns war, das fand ich ultra süß und ich fühlte schon irgendwie, dass er anders ist, dass er was
Besonderes ist, nicht nur schwanzgesteuert, so wie alle anderen. Es ist richtig schade um ihn, dass er
sich hat nur noch gehen lassen, hätte ich nicht eingegriffen wäre das so weiter gelaufen. Der Ärmste ist
jetzt total runtergekommen, richtig abhängig geworden, ich dachte, ein paar Pillchen könnte er
abhaben. So einen werde ich demnächst leider nicht wieder treffen, aber von Beziehungen hab ich im
Moment eh die Schnauze voll.
Das ist wirklich Schade um ihn, von Agotogi und Edward hab ich gehört, dass sie ihn ganz schön in die
Mangel genommen haben, wobei ich sie überhaupt nicht drum gebeten hab. Sie haben Sanji irgendwie
Geldschulden angehängt, solange ich noch mit ihm zusammen war, hatte ich immer für ihn mitgezahlt,
also ihm was abgegeben, aber wenn er jetzt Stoff braucht, muss er eben selbst dafür aufkommen, ist
doch selbstverständlich. Es gibt viele, die dadurch auf hm Strich landen und morgen werd ich mal
gucken, wie mein Blondie da so zurechtkommt. Irgendwie fühle ich mich noch für ihn verantwortlich, er
ist mein Schützling und ich bin sein Mentor, auch, wenn unser Verhältnis nicht mehr bestehend ist. Ich
glaube ganz stark, dass er mir helfen würde, falls ich mal zusammengeschlagen werden sollte, genauso
wie ich noch ein Auge auf ihn werfe, obwohl wir wie unsichtbar durch einen hindurchsehen. Auch, wenn
wir füreinander gestorben sind, heißt das nicht, dass wir uns in Notsituationen nicht zur Seite stehen
würden.
///
Das ist kack übel, wie sich das alles entwickelt hat. Irgendwie müssen Agotogi und Edward Sanji
ausgetrickst haben, ich hab aber keinen Peil von nichts. Agotogi hat ja schon des Längeren dieses
verrottete Motel, das er einfach so zur ’Hilfe’ für Stricher freistellt, damit die nicht irgendwie im
Gebüsch oder sonst was landen und gefunden werden. Aber Edward hat die Marionettenschnüre
übernommen und fordert von Sanji ne erhebliche Summe, muss jedenfalls so sein, denn er ist schon
richtig gut in der Callboybranche drin. Gut eingelebt hat er sich, schnauzt andre Leute an und sagt, was
er von denen denkt. Der Junge hat vor nix mehr Respekt, echt schlimm. Sogar auf nem normalen
Bürgersteig kommt der nem alten Ehepaar ganz blöd, wenn die ihn auch nur streifen. Und ein
Kettenraucher ist er, wobei mich das gar nicht überrascht, aber er raucht jede Marke quer durch, bis es
wohl eine findet, die ihm auch gescheit schmeckt.
Ich beobachte ihn nur noch heute, mir reicht das vollkommen, was ich die letzten zwei Tage
mitgekriegt hab. Ich hab gerallt, wie er denkt, für ihn sind alle Weiber einfach nur noch notgeil, so
stempelt er sie ab. Wenn er jetzt nicht mehr die Kurve kriegt verreckt er noch, so wie alle Fixer die sich
den goldenen Schuss setzen wollen weil sie mit nichts mehr fertig werden. Echt traurig das alles, wenn
er sein letztes bisschen Selbstvertrauen auch noch verwischt kann ich nichts mehr für ihn machen.
Irgendwie bin ich eifersüchtig, wenn er irgendeinen Freier abkriegt, in letzter Zeit ist es sehr oft so ne
vollbusige Blondine, die ihn sich ausgeguckt hat. Ich hasse diese Sorte von Schlampen, die sich
vollkleistern mit Puder und drei Kilo Wimperntusche drauf machen, die haben echt voll das Geld, um
sich nur Schminke zu kaufen und nen armen kleinen Stricher vorm Abgrund zu retten, indem sie ihre
wilden Triebe an ihm auslassen und ihm dann ein paar Mäuse zustecken. Naja, Sanji wird schon wissen
was er tut, mir geht das so langsam auch am Arsch vorbei. Ich sollte mich mehr darauf konzentrieren,
wie’s bei mir weitergehen soll, ich kann meinen Kopf ja nicht überall haben und meine Zeit wegen dem
Blondie verschwenden.
erstellt am 12.05.2007
4Kolibris,
Elena