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Der Irrglaube um die Referenz abzeichnen, Referenz, Studien, zeichnen

Autor:  AvisNocturna

Ich frage mich bei Zeiten, ob ich die einzige bin, die sich darüber wundert, was für einen schlechten Ruf Referenzen und Studien bei Animexx haben.

An vielen Ecken liest man, wie stolz Zeichner darauf sind, Bilder gänzlich ohne Referenzen anzufertigen. An anderen Ecken wird behauptet, dass Abzeichnen nur etwas für Anfänger sei, von dem man so schnell wie möglich wegkommen sollte. Dann liest man sogar wieder davon, dass Leute das Zeichnen von der Natur nicht gut heißen!

Da wundert es einen doch tatsächlich nicht, wenn einige Zeichner ihre Markierungen weglassen, oder sich gar ganz davon verabschieden, nach Vorlagen zu arbeiten.

Und beide Sachen finde ich persönlich nicht sehr sinnvoll.
Wenn man mal einen Blick über den Tellerrand wagt, wird man feststellen, dass in der Welt der professionellen Illustratoren Referenzen als notwendig erachtet werden. Was soll man auch machen, wenn der Kunde gerne ein Pekari auf einem Trekker gezeichnet haben will. Ich weiß nicht, wie das aussieht. Ihr? Das Wissen kann doch gar nicht aus dem eigenen Kopf kommen. Wie soll es denn da reingelangt sein? Vor allem, wenn man sich gändlich dem "Abzeichnen" verweigert, was in anderen Kreisen als Studie bezeichnet wird. Dass solche Zeichner letztendlich auch noch stolz darauf sind, entlockt mir nur ein trauriges Kopfschütteln.

Worauf begründet sich denn dieser Stolz? Dass man es geschafft hat, ohne Hilfe etwas anzufertigen? Alles aus dem Kopf gekonnt zu haben? Das ist eine schöne, romantische Vorstellung. Letztendlich sieht man den Arbeiten allerdings an, wenn an der ein oder anderen Stelle eine Referenz gebraucht worden wäre.
Man vergisst bei allem Idealismus leider gerne, dass es letztendlich um das Ergebnis geht, und nicht darum, wie man dahin gelangt ist.

Ein Grund, warum mich dieser noch immer kursierende Glaube so erschüttert ist, dass er vor einigen Jahren dazu geführt hat, dass ich mich nicht verbessert habe. Ich war ebenfalls der Meinung, dass Abzeichnen verwerflich sei. Das Wort Referenz kannte ich gar nicht. Irgendwann bin ich aber dahinter gekommen, dass Bilder viel besser werden, wenn man sich vorher anguckt, was man da zeichnen will, und dass man Farben, Licht und Schatten nur durch Natur und Fotostudien erst so richtig versteht und anwenden lernt.
Ohne diese wäre ich jetzt immer noch auf dem Stand von 2005. Schade, dass solche Gerüchte noch anderen Zeichnern, die gerne besser werden wollten, schaden.

Fast schon dreist finde ich es danach zu verlangen Aktzeichnungen nach Modell als abgezeichnet zu markieren. Ich glaube, es wird vergessen, dass der Button bei Animexx dazu da ist, um das Copyright zu schützen. Bei einer Zeichnung nach Modell oder einem Stilleben jedoch kopiere ich doch nicht ein schon vorhandenes Kunstwerk. Ich wähle Licht und Komposition eigenständig, ich reduziere und gestalte, was ich auf das Blatt Papier bringe. Im Idealfall hat jeder Strich seine individuelle Bedeutung, in jedem Fall aber eine individuelle Note des Künstlers. Zeichnen nach Modell hat eine Jahrhunderte alte Tradition, genauso wie Studien. Ja selbst die alten Meister haben von ihren Meistern gelernt und abgezeichnet. Oder sie haben von der Natur gelernt, und diese abgezeichnet, meistens jedoch beides. Und wenn sie ein Portrait gezeichnet haben, saß das Modell davor. Wenn sie ein großes Gemälde angefangen haben, haben sie zuerst Studien der Objekte angefertigt. Warum hängt wohl das Rasenstück von Dürer in der Albertina, wenn Studien verwerflich sind? Und Michelangelo konnte seine Figuren irgendwann nur deshalb aus dem Kopf darstellen, weil er zuvor so viele Studien angefertigt hat.

Wer nur immerzu aus seinem Kopf zeichnet, der kann nicht anders, als sich selbst zu kopieren. Und wer sich selbst kopiert, der verbessert sich bis auf einige nicht nennenswerte Technikfeinheiten kaum.
Es ist, als wolle man eine Sprache lernen, und sich verweigern Vokabeln und Grammatik zu lernen. Vielleicht kann man sich durch ein paar aufgeschnappte Fetzen verständlich machen, aber das wird kaum dazu führen, dass man die Sprache sicher beherrscht. Zumal man Wörter ja auch nicht durchs angucken lernt, sondern entweder durch abschreiben und das wiederholen laut oder im Kopf. Und da Zeichnen eine visuelle Sprache ist, wie soll man etwas zu zeichnen lernen, ohne es vorher von der Vorlage abgezeichnet zu haben?
Der Wortschatz muss in den Kopf.
Es mag einige Genies mit fotografischem Gedächtnis geben, denen es vielleicht reicht, Dinge anzusehen, um sie wiedergeben zu können. Die Mehrheit der Menschen kann das allerdings nicht.

Versteht mich nicht falsch. Ich sage nicht, dass ich es prima finde, wenn Leute auf Mexx ihre schlecht abgezeichneten Naruto-Panels ausstellen, und erwarten dafür sehr viel Lob und Aufmerksamkeit zu bekommen.
Auch interessieren mich 1 zu 1 kopierte Screenshots nicht sonderlich, in denen ich vom Künstler nichts mehr wieder finde. Es gibt auch Leute, die sich nicht verbessern durchs abzeichnen, weil sie vergessen, dass man auch lernen muss, die Dinge zu verstehen, die man abzeichnet.


Ich finde es nur traurig, dass durch das generelle Schlechtreden von Referenzen und Abzeichnen der Eindruck entsteht, man könne ohne Studien und Referenz nennenswerte Fortschritte machen, und Profis hätten das erst recht nicht nötig.

Manche, die das Abzeichnen schlecht reden, wissen das sogar, und reden eigentlich von besagten Manga-Panels die da aus Jux abgezeichnet wurden. Das weiß nur der, der er dann nachher liest leider nicht.

Musste mir das mal von der Seele reden :)

 

Edit: Hier hat jemand meine Meinung noch besser in Worte verfasst, als ich es selbst hätte tun können :)
 

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Datum: 23.07.2009 19:09
*salve*

Sehr guter Beitrag zum Thema auch hier:
http://drawsketch.about.com/gi/dynamic/offsite.htm?zi=1/XJ/Ya&sdn=drawsketch&zu=http%3A%2F%2Fwww.howarddavidjohnson.com%2Fpencil.htm
"We also know that what we see with our eyes alone isn't necessarily the truth...Won't you join me on a journey for the 'truth'?"
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Datum: 05.08.2009 22:28
Ich erinnere mich an ein Bild, wo ich aus dem Fenster gesehen habe und mir die Regenwolken genauer angesehen habe. Danach habe ich bei dem Bild im Hintergrund Wolken gezeichnet und nach dem "Schema" wie ich sie am Himmel sehen konnte, sie sahen um einiges besser aus. Referenzen sind was tolles :)
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Datum: 14.08.2009 14:58
yeah! genau meine meinung! ein super eintrag (und zudem noch gut geschrieben!)
ich kann jetzt nichts weiter sinnvolles hinzufügen. ich bin einfach echt froh, dass es noch mehr leute mit dieser meinung gibt.

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Datum: 16.12.2009 17:37
Ich stimme dir voll und ganz zu, als ich richtig angefangen hab zu zeichnen habe ich mich auch zu der Zeit auf Animexx angemeldet. Hier wurde mir in einer Tour gesagt (ich habe viele Sachen zunächst abgezeichnet Managa sowie Realistisches), dass soll ich lassen, wenn ich richtig was lernen möchte soll ich gefälligst eigenes zeichnen. Naja ich glaube das hat mich persönlich viel Zeit gekostet o_o Mitlerweile hab ich schon viele richtige Profis kennen gelernt (die nicht aus dem Mangabereich kommen) und mich sehr viel schlau gemacht über die großen Namen, fast niemand arbeitet ohne Referenzen. Das was mich ärgert sind die Leute die ihre Ansichten einen Aufzwingen wollen und davon gibt es leider sehr viele auf Animexx... x_x
Träume niemals von den Träumen der Erwachsenen, denn die wirklich wahren Träume haben ganz allein die Kinder.

www.cindorasnightmare.ch.vu
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Datum: 21.12.2009 19:08
Ich kann dir nur in allen Punkten zustimmen!
Datum: 06.03.2010 17:21
Vielen Dank!!

Endlich jemand der in Worte fasst, was auch ich denke.
Datum: 29.04.2010 18:30
Das zu lesen tut einem, oder vor allem mir, echt gut. Ich hatte von Zeit zu Zeit richtige Minderwertigkeitsgefühle, weil ich für beinahe jedes meienr Bilder, von denen ich allerdings kaum welche hier hochlade, Referenzen benötige. Auch gebe ich dir vollkommen Recht, wo soll das Wissen herkommen? Wir werden damit ja nicht geboren! Um mehr über Posen und all das zu lernen, beobachte ich auch immer wieder die Leute um mich herum, um festzustellen, wie lange Arme und Beine im Verhältnis zum Körper sind und wie sie sich bewegen. Das sind ja auch Referenzen. Ich bin echt froh,dass du das geschrieben hast.
Datum: 26.02.2013 02:47
Seh das soweit genauso. Abzeichnen ansich ist nichts schlimmes, ich denke, die meisten von uns haben so angefangen.
Und es ist, wie du sagst, sehr gut zum Lernen etc.
Ich weiß noch, wie ich angefangen habe, mir morgens im Bus anzusehen, wie die Falten in der Kleidung der anderen Leute fielen und versucht habe, mir das zu merken.
Referenzen sind was tolles.

Was einfach nur gar nicht geht, ist Bilder abzeichnen (sei es nun komplett, oder teilweise, mit kompletten Posen, die übernommen werden und ähnlichem), und das dann nicht erwähnen. Ich finde, das ist dann... "Betrug" ist ein sehr hartes Wort, aber irgendwie trifft es trotzdem zu.
Man gaukelt dem Betrachter damit vor, dass das Bild von einem selbst ist. Dass Pose und Proportionen, Schattensetzung, Falten etc von einem selbst überlegt und umgesetzt wurden.
So was find ich nicht okay...

Stimm dir aber sonst soweit zu.


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