Gleich vorne weg: Nein, ich habe niemanden zur Verzweiflung getrieben, sondern nur meine Umwelt beobachtet. Da ich heute glücklicherweise früher von meinem Blockseminar nach Hause konnte, kam ich so gegen 12 Uhr Mittags am Bahnhof an. Man lasse hierbei mal die gefühlten 1000 Baustellen außer Acht, die ein pünktliches Ankommen von Bussen oder wahlweise mir selbst sehr erschweren. Episode 1 der ganzen Geschichte begann bereits an den Plakaten mit den Ankunfts- und Abfahrtszeiten am Gießener Bahnhof. Mein Handy ist eigentlich nur Uhr und Wecker für mich, da mich eh kaum jemand anruft. Nun stand ich da vor diesen Plakaten, Musik im Ohr und erstmal nichts mitbekommen. Wer den Spruch kennt, weiß was ich meine: "Musik an, Welt aus." Ich drehe mich also zur Seite und ein Mann, um die 40 Jahre, winkt mir hektisch zu und redet vor sich hin. Freundlich wie ich nunmal bin, nehme ich die Stöpsel aus den Ohren und frage ihn, was er denn von mir will. Oh Wunder, er wollte mein Handy haben um kurz zu telefonieren. Innerlich kam mir der Gedanke: "Ja ne, is klar...". Ich bin jemand, der solche Sachen nicht gerne aus der Hand gibt, schon gar nicht wildfremden Personen, die mich mit seltsamen Dialekt am Bahnhof ansprechen. Dementsprechend war meine Antwort: "Nein, das geht leider nicht, weil ich dringend zum Zug muss." Ich hatte zwar noch eine halbe Stunde Zeit aber das war für mich freundlicher, als zu sagen: "Nein ich gebe mein Handy nicht jedem dahergelaufenen Typen, der in Karlsruhe einen Richter anrufen möchte." So weit, so gut.
 

Mit einem doch etwas mulmigen Gefühl nun begab ich mich nach draußen zu dan Bahngleisen und Steigen und begegne direkt dem nächsten "Problemfall". Ein Mann, sichtlich angetrunken, umgeben von mehreren Sanitätern und Sicherheitsbeamten der Deutschen Bahn. Der Betrunkene erheblich lädiert im Gesicht und wirklich kein schöner Anblick. Im Vorbeigehen habe ich dann nur aufgeschnappt, dass der gute Mann wohl auf die Gleise gefallen ist, glücklicherweise als kein Zug kam in dem Moment. Das Ganze hätte mich nicht weiter interessiert, wenn ich den Mann nicht ca. 10 Minuten später wankend und taumelnd mit seinem Gepäck die Treppe runtergehen gesehen hätte. Kleine Anmerkung: normalerweise werden solche Personen und Individuen immer gerne mitgenommen 1. zum weiteren durchchecken und 2. zum ausnüchtern. Das hatte man wohl nicht als nötig erachtet. Dementsprechend wankte der Mann weiter und kam schließlich auch (leider) auf meinen Steig. Mit sichtlichen Problemen was das Laufen betraf stellte er seine Sachen an einem Pfosten ab, den er fast zeitgleich herzlich umarmte um nicht schon wieder auf die eh schon kaputte Nase zu fallen. Am Bahnsteig gegenüber standen immernoch zwei Sicherheitsleute, die das ganze Spektakel mit dem selben skeptischen Blick betrachteten wie ich. Leider habe ich das Ende nicht mehr mitbekommen, da ich ja schließlich auch nach Hause wollte und meinen Zug genommen habe. Man kann sagen was man will: Bahnhöfe sind sehr interessante Orte. Manchmal denke ich mir, dass ich mich bestimmt einen ganzen Tag an einen Bahnhof setzen könnte und das schönste Kino überhaupt hätte: Menschen. Es gibt sie im betrunkenen Zustand wie heute oder im geistig umnachteten und lauthals mit sich selbst diskutierend. Dann gibt es Menschen, die einen von ihrem Glauben überzeugen wollen und Menschen, wie der, der mein Handy haben wollte. Die Menschheit ist die schönste Komödie, die es zu sehen gibt.
 

Und dann gibt es noch Menschen wie mich, die das alles beobachten und aufschreiben um es dem Rest der Welt mitzuteilen. Aber hey: irgendwer muss diese Arbeit ja machen, sonst hätte man ja nichts zum lachen, weinen, Kopf schütteln und ähnliches. In dem Sinne kann ich euch mitteilen, dass ich alleine bei der Erinnerung immer noch am Kopf schütteln bin und mich frage: Warum?