Thread: EM 2008

Wien - Der große Traum ist geplatzt: Kurz vor dem Gipfel war dann doch Schluss. Die deutsche Nationalmannschaft hat den vierten Europameistertitel verpasst.
In einem temporeichen und packenden Finale unterlag die Mannschaft von Bundestrainer Joachim Löw 0:1 (0:1) gegen Spanien, das sich zum zweiten Mal nach 1964 den Henri-Delaunay-Pokal sicherte.
Vor 51.428 Zuschauern im Ernst-Happel-Stadion, unter ihnen das spanische Königspaar, Bundeskanzlerin Angela Merkel, Jürgen Klinsmann, Michael Schumacher und Fernando Alonso, erzielte Fernando Torres in der 33. Minute das Tor des Abends.
Dritte Finalniederlage für DFB-Elf
Deutschland verlor nach 1976 und 1992 zum dritten Mal ein EM-Finale und muss weiter auf den vierten Titel nach 1972, 1980 und 1996 warten.
Löw blieb es somit versagt, als zweiter Bundestrainer nach Jupp Derwall (1980) bei seinem ersten Turnier einen Titel zu gewinnen.
Löw: "Kompliment an die Mannschaft"
"Ich muss der Mannschaft ein Kompliment machen für die letzten sechs Wochen, das ist fantastisch. Die Spieler sind natürlich enttäuscht, wir brauchen aber den Kopf nicht hängen zu lassen", sagte Löw.
"Ins Finale gekommen zu sein, ist schon etwas Besonderes. Die Spanier hatten heute die besseren Chancen und waren in der Vorwärtsbewegung besser."
Verdienter Erfolg für Spanien
Der Erfolg der Iberer war über 90 Minuten allerdings verdient, zumal die DFB-Auswahl kaum gefährliche Torchancen herausspielen konnte.
Spanien hingegen blieb zum 22. Mal in Folge und auch während des gesamten Turniers ungeschlagen und stellt zudem im 69-jährigen Luis Aragones den ältesten Nationalcoach, der jemals Europameister wurde.
Ballack verpasst beste deutsche Chance
Die beste deutsche Chance besaß Michael Ballack in der 60. Minute, als er von der Strafraumgrenze nur das Außennetz traf.
Der Kapitän konnte dem deutschen Spiel allerdings nicht wie erhofft seinen Stempel aufdrücken und musste bereits zum zehnten Mal in seiner Karriere mit dem zweiten Platz Vorlieb nehmen.
Für den Kapitän war es nach der Niederlage mit dem FC Chelsea im Champions-League-Finale gegen Manchester United das zweite verlorene Endspiel innerhalb von etwas mehr als einem Monat.
"Wir wollten, aber wir konnten nicht mehr"
"Es ist immer enttäuschend, ein Finale zu verlieren. Die Mannschaft hat aber eine großartige EM gespielt", meinte Ballack. "Leider haben wir heute ein bis zwei Fehler zu viel gemacht. Wir wollten, aber wir konnten nicht mehr."
Dabei hatte sich die Finalteilnahme Ballacks, der schon vor einem Monat mit dem FC Chelsea das Champions-League-Finale gegen Manchester United verloren hatte, erst kurz vor dem Anpfiff durch den italienischen Schiedsrichter Roberto Rosetti entschieden.
Kapitän rechtzeitig fit
Der 31-Jährige meldete sich nach seiner Wadenverhärtung doch noch rechtzeitig fit. Löw konnte somit seine Bestbesetzung auf den Rasen schicken.
Die Spanier begannen in der erwarteten 4-1-4-1-Formation. Francesc Fabregas rückte für den verletzten David Villa, der sich mit vier Treffern den Titel des besten Torjägers sicherte, in die Startformation und steuerte das Offensivspiel in Zusammenarbeit mit Xavi aus der Zentrale.
DFB-Team mit dem besseren Start
Den besseren Start erwischte jedoch die deutsche Mannschaft. Nach knapp drei Minuten leistete sich Rechtsverteidiger Sergio Ramos einen eklatanten Fehlpass.
Miroslav Klose war dazwischen, doch der Bayern-Stürmer zögerte mit dem Abschluss und die Chance war dahin.
Wenig später setzte sich Ballack auf der linken Seite durch, doch seine abgefälschte Flanke fand keinen Mitspieler.
Lehmann glänzend
Die Spanier versuchten Ruhe ins Spiel zu bringen und ihr durch viel Ballbesitz geprägtes Kombinationsspiel aufzuziehen. In der 14. Minute hätte dies beinahe zum ersten Treffer geführt.
Nach einem Fehler von Thomas Hitzlsperger spielte Xavi direkt auf die linke Strafraumseite zu Andres Iniesta. Dessen Hereingabe hätte Christoph Metzelder beinahe ins eigene Tor gelenkt, doch Jens Lehmann bewahrte sein Team mit einer Blitzreaktion vor dem Rückstand.
Der Pfosten rettet
Spanien übernahm das Kommando und hatte in der 23. Minute die nächste Großchance.
Nach einer Ramos-Flanke gewann Torres, den die deutsche Innenverteidigung nicht in den Griff bekam, das Kopfballduell gegen Per Mertesacker. Sein Kopfball aus sechs Metern prallte gegen den linken Pfosten, und Bastian Schweinsteiger schlug die Kugel aus der Gefahrenzone.
Podolski wartet zu lange
Die deutsche Elf hielt dagegen und versuchte ihr Glück mit schnellen Gegenangriffen - vor allem über die linke Seite, wo Lukas Podolski die meiste Torgefahr ausstrahlte.
Einem Schuss von Ballack warf sich Ramos entgegen, Podolski wurde von Klose aussichtsreich geschickt, doch auch er zögerte zu lange (26.).
Führung durch Torres
Spanien versuchte es weiter mit Steilpässen auf den agilen Torres, dessen Einsatz in der 33. Minute belohnt wurde:
Nach einem Zuspiel von Senna überwand Xavi die deutsche Abwehr mit einem Steilpass in die Schnittstelle zwischen Innen- und Außenverteidigung, wobei Philipp Lahm äußerst schlecht aussah.
Der Münchner ließ sich von Torres überlaufen, und der Liverpooler Torjäger überwand den herauseilenden Lehmann mit einem Lupfer aus 14 Metern.
Platzwunde bei Ballack
Das DFB-Team fand kein Mittel gegen die Nadelstiche aus dem spanischen Mittelfeld, leistete sich viele Abspiel- und Abstimmungsfehler und musste kurze Zeit erneut um Ballack bangen.
Bei einem Kopfballduell mit Senna zog sich er Kapitän eine Platzwunde an der Augenbraue zu, wurde mehrere Minuten am Spielfeldrand behandelt, konnte aber weiterspielen.
Nach einer Diskussion mit Iker Casillas sahen Ballack und der spanische Torhüter Gelb. Mit der verdienten Führung der Spanier ging es in die Kabine.
Jansen für verletzten Lahm
Nach der Pause kam Marcell Jansen für den angeschlagenen Lahm, der wegen einer Risswunde im linken Spann nicht mehr weiterspielen konnte.
Doch das Spiel lief so weiter wie zuvor. Ein Fehlpass von Frings blieb ungestraft, kurz darauf jedoch hätte es beinahe zum zweiten Mal im deutschen Tor eingeschlagen.
Zunächst schoss Xavi knapp am Tor vorbei, dann verpasste Ramos nach einem Schuss von David Silva den Ball am Fünfmeterraum nur knapp.
Löw bringt zweite Spitze
Löw reagierte und brachte Kevin Kuranyi für den schwachen Hitzlsperger (58.), und kurz darauf hatte das DFB-Team die Chance zum Ausgleich.
Nach schöner Ablage von Schweinsteiger verfehlte Ballack mit einem Flachschuss das Tor nur knapp. Nach einer Ballack-Flanke ließ Casillas den Ball aus den Händen gleiten, doch Kuranyi konnte den Fehler des spanischen Kapitäns nicht nutzen.
Chancen im Minutentakt
Dann baute die deutsche Mannschaft jedoch wieder ab und hatte dreimal Glück:
Jansen hob bei einem Freistoß die Abseitsfalle auf, doch Ramos köpfte unbedrängt über das Tor (66.), dann klärte Frings Xavis Flachuss auf der Linie (67.), und schließlich hielt Lehmann gegen Iniesta (68.).
Aragones brachte Santi Cazorla für Silva, der zuvor nach einem Kopfstoß gegen Podolski Glück gehabt hatte, dass Rosetti die Tätlichkeit nicht gesehen hatte.
Auch Gomez bringt keine Wende mehr
Löw brachte Mario Gomez für Klose (79.), doch auch der Stuttgarter konnte nicht mehr für die Wende sorgen.
Vielmehr besaßen die Spanier weiter die besseren Möglichkeiten: In der 81. Minute verpasste Senna nach einer Kopfballvorlage von Güiza den Ball nur um Zentimeter.
Die deutsche Schlussoffensive blieb aus und Spanien brachte den historischen Triumph verdient ins Ziel.