Rod ist nicht still, weil er nicht weiß, was er sagen soll. Er ist nicht schüchtern oder unnahbar, weder langweilig noch herablassend. Er ist auch nicht desinteressiert, langsam oder diskutiert nicht gerne. Im Gegenteil.
Doch was ihn am Meisten störte waren die Vögel. Sie zwitscherten noch immer. Als wäre nichts geschehen. Als wäre alles in Ordnung.
„Scheiß Schwuchteln“, irgendwer lachte.
„Herzchen, wenn du die Pest hättest, würde dein Körper Beulen kriegen und ich würde mich weit von dir fernhalten.“
Bela nimmt den Blick vom Fernseher und hebt die Augenbraue.
„Na gut, stimmt, würde ich nicht. Aber die Pest äußert sich trotzdem anders.“
Bela starrte die Karte eine Weile lang an. Müde strich er sich die Haare hinter die Ohren, zeichnete mit dem Zeigefinger unsichtbare Linien auf der weißen Vorderseite nach, drehte sie schließlich um und las sie erneut.
Eigentlich ist Farin Bela böse – für die Sorgen, die er sich macht, wenn er nicht nach Hause kommt, für die Sorgen, die er sich macht, wenn er nicht mehr wachzukriegen ist, für all die beschissenen Sorgen, die er ihm macht.
Eigentlich.
Ein leises Seufzen entfuhr ihm, denn die Melancholie des Tages ließ ihn einfach nicht mehr los.
Mit sich und seinen Gefühlen beschäftigt merkte Farin nicht, wie Bela im Türrahmen stand und ihn einen kurzen Augenblick beobachtete.
Ächzend hebt Jan seinen besten Freund über seine Schulter, wo er wie ein nasser Sack verweilt und, sobald Farin sich in Bewegung setzt, glücklich grinsend „Ich kann fliiiiiiiiiiiiiegen“ murmelt.
Seine Augen trafen direkt in die giftgrünen seines Gegenübers. Stumm zogen sie ihn in ihren Bann. Verschlangen seine Seele, vernebelten seine Gedanken. Sie waren so anders – lebendig.
Lautlos gleitet das Auto über die leere Landstraße, vorbei an Schatten kahler Bäume und namenloser Meilensteine, die nur vom grellen Licht der Scheinwerfer ein Gesicht bekommen. Regen peitscht gegen die Windschutzscheibe, verklärt jede Sicht auf den Weg, der da noch kommt.
Schon wieder hatte ich es getan.
Wie mittlerweile jeden Tag. Angefangen hatte doch alles ganz harmlos. Man hat davon gehört, wurde neugierig, probierte es selbst aus. Aber niemals wäre ich auf die Idee gekommen, es als Sucht zu bezeichen.
„Ach mach doch was du willst Jan!“, brüllte ein ziemlich aufgebrachter Dirk Felsenheimer alias Bela B. seinen Bandkollegen an. „Mir wird das hier langsam zu blöd! Ich bin weg,Tschö!!“
„Wir haben doch gestern ausgemacht, dass wir heute ins Kino gehen.“
„Oh mist. Das muss ich leider absagen. Ich habe heute eine Verabredung mit Christine“, erklärte Rod betroffen.
„Gute Freunde? Geschwister? Ihnen wird es zukünftig nach den Chemotherapien sehr schlecht gehen. Da wäre es gut, wenn Sie Jemanden haben, der sich dann um Sie kümmert. Die nächsten Monate werden hart.“
Bela wirbelte durch seine Wohnung, schimpfte ihn aus („Seit wann machst du bitte dein BETT, was sind das hier für ZUSTÄNDE?!“) und stellte ohne mit der Wimper zu zucken Bier in Farins alkoholfreiem Kühlschrank kalt.
Er fragte sich, ob er da nicht gerade im Begriff war, den größten Fehler seines Lebens zu begehen. Wahrscheinlich war es so. Gott, ja, er war gerade dabei, einen riesengroßen Fehler zu begehen! Er wusste ganz genau, dass das für ihn fatale Folgen haben konnte. Für sie beide.