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Der Jadejunge

Die Erzählungen, Teil 1 - Shounen-Ai
von

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Den Berg hinauf

16 – Den Berg hinauf
 

„Und ihr seid euch sicher, dass das ungefährlich ist?“ Misstrauisch beäugte Dakkas die ‚Brücke’ mitten im Wald, welche über den Fluss führte.

Wobei das Wort Brücke vielleicht etwas zu… positiv war. Es sah mehr wie ein halbmorscher Holzsteg aus, der einmal quer über den gesamten Fluss gebaut wurde.
 

„Jetzt, wo der Fluss sich wieder beruhigt hat, ja.“, brummte Molokosh und trat als erster auf den morschen Holzweg. Da der Drache weder einbrach noch die Brücke zum Einsturz brachte, musste der Steg tatsächlich stabil sein.
 

„Jetzt kommt schon.“ Molokosh blickte ungeduldig vom anderen Ende des Flusses herüber. Einer nach dem anderen überquerte die kleine Gruppe samt ihren Pferden den Fluss; erst Daniel, dann Nostradamus und nach ihm Dakkas, Jared und Shan stellten das Schlusslicht dar.

Als der schwerbepackte Drachenkrieger die wackelige Brücke betrat, knarrte sie besorgniserregend. Shan runzelte seine Stirn und ging vorsichtig einige kleine Schritte, aber der Steg hielt dem Gewicht stand. Dennoch ging der Drache nur langsam voran und führte auch sein Pferd äußerst vorsichtig hinter ihm her. Letztendlich erreichte aber auch er sicher die andere Seite.
 

„Nur so als Frage,“ meinte Dakkas gut eine halbe Stunde später, während sie gemächlich auf ihren Pferden den alten Waldweg entlang ritten, „Wie gut ist der Weg, den wir nehmen, instand gehalten? Könnte es passieren, dass wir irgendwann nicht mehr weiter kommen?“
 

Molokosh brummte etwas in seinen nicht vorhandenen Bart und Jared grinste von seinem Pferd aus. „Nein, so schlimm sollte es nicht sein. Die Straße wird nicht oft genommen, weil es zwischen hier und Kleingaren praktisch keine Stadt oder Dorf mehr gibt, aber wir sollten alles gefahrlos passieren können.“
 

„Bis auf die eine Schlucht.“, warf Daniel plötzlich ein. Jared und Molokosh drehten sich zu dem Heiler um, der sanft lächelte. „Ja, ich kenne mich tatsächlich einmal aus. Wir nehmen die alte Steinstraße, oder?“ Auf das Nicken der anderen hin meinte er: „Dann müssen wir an der Wolffschlucht vorbei, wenn ich mich richtig erinnere.“
 

Molokosh runzelte seine Stirn und nickte dann. „Das hatte ich beinahe vergessen.“, gab der Schwarzhaarige zu. Dakkas verkniff sich ein amüsiertes Grinsen. Dabei hatte der Drache doch fast einen ganzen Tag lang über der Karte gebrütet, aber nun ja.

Jared indessen hatte einen konzentrierten Blick in seinen Augen. Von den Erfahrungen der letzten Wochen wusste Dakkas, dass der Halbwolf fast die ganze Karte der Herzlande auswendig zu kennen schien.
 

„Dann müssen wir die hohe Steinstraße nehmen.“, erklärte er dann auch bestimmt und lenkte sein Pferd näher an das von Shan heran. „Wir müssen über die Schlucht hinweg. Durch die Schlucht hindurch geht es nach Senkstich.“

Molokosh nickte. „In Ordnung. Aber die Schluchtbrücke sollte in Ordnung sein.“ Shan grummelte etwas darüber, dass sie es lieber sein sollte, weil er keine große Lust mehr hatte ständig aufgehalten zu werden.
 

Dakkas konnte dem Drachen nur herzhaft Recht geben. Der nächste, der sich ihnen in den Weg stellte, würde es mit einem sehr aufgebrachten Illusionisten und einem noch wütenderem Schmerzensjünger zu tun bekommen.
 

~*~
 

Dakkas hätte nicht vermutet, dass sich der Wald – der Schwarzstein genannt wurde, wie Jared ihm erklärt hatte – so lange hinziehen würde. Doch er tat es.

Seit drei Tagen ritten sie jetzt schon die alte, halb im Buschwerk versunkene Straße entlang, immer gen Norden und seit neuestem gen Nordosten. Die Tage waren immer noch angenehm warm, was ungewöhnlich für die späte Jahreszeit war, aber von der Gruppe beschwerte sich keiner.
 

Wenn Jared es richtig erklärt hatte, war Schwarzstein ein langgezogener, dicht bewachsener aber dafür nicht sehr breiter Wald. Der Halbwolf hatte von einem ‚langem Elend auf der Landkarte’ gesprochen.

Laut seinen Worten gab es am Ende des Waldes ein kleines, kaum nennenswertes Dorf, dessen Namen er nicht einmal kannte. Dieses Dorf würden sie in ein bis zwei Tagen erreichen und danach noch ungefähr drei Tage durch die hügelige Landschaft der äußeren Herzlande reisen müssen, bevor die Straße auf die Ausläufer der Dern-Berge stieß.

Von da aus, so der Halbwolf, waren es noch gut vier Tage bis nach Kleingaren. Ohne ihre Pferde hätten sie gut und gerne drei Wochen allein für dieses Wegstück gebraucht.

Es war die längste Strecke, die sie hätten zurück legen müssen, wenn sie ganz zu Pferd oder zu Fuß nach Tirin gereist werden. Hoffentlich würde der Teleporter der Dogen ihre Reise stark verkürzen.
 

Es war früher Morgen, als die kleine Gruppe von Reisenden in dem unbedeutendem Dorf am Rand des Schwarzstein Waldes ankam. Ihre Pferde trotteten gemächlich aus dem Wald heraus und an den simplen Holzhäusern dran vorbei.
 

Dakkas zählte nicht mehr als fünfundzwanzig Häuser. Das war zwar wenig, aber immerhin mehr, als er von Jareds Beschreibung erwartet hatte.

So weit abgelegen von allem anderen gab es hier nicht mehr als Bauern, einem Schreiner und einem Schmied. Wahrscheinlich kannte sich jeder Bewohner des Dorfes hinreichend mit der Handwerkskunst aus, da die Häuser gut instand gehalten waren. Dakkas erkannte jedoch an keinem der Häuser ein Schild oder Zeichen für einen Heiler, Arzt der sogar Kräuterkundigen. Das Dorf musste aber doch irgendwoher medizinische Versorgung bekommen…
 

Während sie so gemächlich dahin ritten, schauten aus einigen Fenstern und Türen neugierige Gesichter heraus. Es waren Engel, so viel erkannte Dakkas, aber ihre Blicke waren besorgt und angsterfüllt.

„Ich denke, wir sollten schnell weiter.“, meinte Dakkas nervös. Er wollte es nur ungern zugeben, aber etwas in diesem Dorf störte ihn. Es war wie ein Prickeln oder Nadelspitzen, die langsam über seine Haut gezogen wurden. Nicht wirklich schlimm, aber auch nicht angenehm.
 

„Da gebe ich unserem Jadejungen Recht.“, murmelte Jared halblaut und ließ sein Pferd etwas schneller traben. Die anderen folgten seinem Beispiel und schon bald war das komische Dorf ein langsam kleiner werdender Fleck hinter ihnen. Erst als sie das Dorf eine halbe Stunde hinter sich gelassen hatten, sah Dakkas einen aufrecht gestellten Stein am Wegesrand.
 

Am Stein waren Schriftzeichen angebracht und stirnrunzelnd ließ er sein Pferd langsamer werden und zum Stillstand kommen. „Dakkas?“, wollte Daniel besorgt wissen. Shan indessen grummelte leicht verärgert vor sich hin.
 

Dakkas winkte mit der Hand ab und entzifferte die Schriftzeichen vor sich, während die anderen ihre Pferde zurück lenkten und sich um ihn herum versammelten.

„Das ist ein Warnstein.“, entfuhr es dem Grünäugigen dann plötzlich. Die anderen sahen sich unsicher an. Nur Shan wirkte plötzlich erfreut. „Warnung wofür? Kranke Wölfe? Banditen? Und woher kannst du das deuten?“
 

Dakkas musste zuerst grinsen über die erwartungsvolle Anspannung des Kriegers. So wie es aussah, konnte Shan einen guten Kampf gebrauchen. Bei der zweiten Frage verlor sich jedoch sein Grinsen.

Es war für ihn selbstverständlich gewesen, den Warnstein zu entziffern. Die Zeichen darauf war die Kurzschrift der Dogen, eine Ansammlung von Abkürzungen und Zeichen, die dem Kundigen – meistens Dogen – Informationen gaben.

„Das ist Dogen-Kurzschrift. Mir war völlig klar, wie man sie zu lesen hat.“ Nachdenklich runzelte Dakkas seine Stirn und zuckte dann mit den Schultern. „So langsam gewöhne ich mich daran, dass komische Dinge in meinem Kopfumherspuken.“
 

Die anderen sahen ihn nur ungläubig an. Es war Jared, der schließlich grinste und meinte: „Mir soll’s recht sein. Kann ja ganzpraktisch sein, wenn einer von uns das Zeug entziffern kann. Also, was schreiben die Dogen?“
 

Dakkas inspizierte den Warnstein. Er sah noch relativ neu aus und das Datum, das auf ihm angegeben war, bestätigte diese Vermutung. Der Stein war gut vier Monate alt.

Das Zeichen für Warnung und Todesgefahr war gut leserlich und vor allem groß auf dem nur grob behauenem Stein angebracht. Die Erklärung darunter war kleiner und schwieriger zu lesen.
 

„Warnung, Todesgefahr… Im Dorf am Waldrand unweit von hier… Kurz… Kürzlich! Ausstoß? Nein… Abbruch… Nein, Ausbruch. Ausbruch von… irgendeine Krankheit. Warnung, ansteckend, gefährlich… Seuche?“ Dakkas blinzelte. „Vor Kurzem Ausbruch einer gefährlichen Seuche im Dorf am Waldrand unweit von hier.“ Kaum hatte er die Wörter zu einem sinngebendem Satz zusammen gebastelt, formte sein Mund ein kleines ‚oh’.
 

Molokosh packte Daniels Zügel und hielt den Halbdrachen davon ab, ins Dorf zurück zu reiten. Shan grollte und brummte etwas über ‚genügend Krankheiten für ein Jahr gehabt’, während Jared nachdenklich seine Stirn runzelte. „Deswegen die komischen Blicke und niemand draußen unterwegs. Sie wollten nicht, dass wir uns anstecken.“
 

Dakkas öffnete und schloss seinen Mund.

Daniel gab ein Grollen von sich.„Ich sage das ja nur ungern… aber die meisten Seuchen sind deshalb so gefährlich, weil sie sich unheimlich gut verbreiten… Will meinen: Nur weil wir keinen von ihnen aus der Nähe gesehen haben, sind wir noch lange nicht gesund geblieben.“

„Deswegen wirst du noch lange nicht dahin zurück rennen und dich mit Sicherheit anstecken!“, fauchte Molokosh den Heiler an.
 

Dakkas sah Nostradamus an. Der Seher saß seelenruhig in seinem Sattel und sah dem Pferd beim Grasen zu. Der Blick des Grünäugigen ging noch einmal zurück zum Stein. Vier Monate…

„Daniel…“ Der Heiler hörte auf, Molokosh anzufunkeln und blickte fragend zu Dakkas. „Kennst du eine Seuche, die, wenn sie vor vier Monaten in dem Dorf ausgebrochen wäre, jetzt noch Überlebende zurück gelassen hätte?“
 

Das stimmte den Heiler nachdenklich. Er überlegte und schüttelte kurz darauf den Kopf. „Bei der Nähe der Dorfbewohner zueinander und ihrer Anzahl… Nein.“

Dakkas nickte. „Dann würde ich sagen, dass keine Gefahr mehr besteht. Der Stein ist vier Monate alt.“

„Wie bitte?!“, meinte Molokosh ungläubig.

Der Grünäugige zuckte mit den Schultern. „Entweder, die Dogen haben sich hier einen schlechten Scherz erlaubt, oder die Seuche war nicht so schlimm, wie sie annahmen. Da Nostradamus außerdem nicht so reagiert, als wenn wir sterbenskrank wären, würde ich mal sagen, dass keine Gefahr besteht.“ Auf Molokoshs misstrauischen Blick fügte der Kleinere hinzu: „Denk drüber nach. Wenn wirklich Gefahr bestünde, hätte Nostradamus uns nicht schon eine halbe Tagesreise vorher irgendwie bescheid gesagt?“
 

Der schwarzhaarige Drache überdachte dies und nickte dann. „Du hast Recht. Gromares hätte sich irgendwie verständlich gemacht.“

„Können wir dann jetzt weiter, wenn es nichts zum Kleinhauen gibt?“, fragte Sar’Shan in einer betont gelangweilten Stimmlage. Jared kicherte und Molokosh sah kurz genervt zum Himmel, bevor er antwortete: „Ja. Los, jetzt etwas schneller.“
 

Während sie ihre Pferde zum Weiterreiten anspornten, war es Dakkas so, als wenn irgendetwas bei all dem nicht stimmte. Die Dogen konnten normalerweise sehr gut von gefährlichen und ungefährlichen Krankheiten unterscheiden, also musste dieser Stein einen anderen Daseinsgrund haben.
 

Aber darüber sinnieren brachte Dakkas auch nichts. Stattdessen richtete er seine Augen vor sich auf die jetzt etwas besser instand gehaltene Straße. Doch während er die Zügel fest in der Hand hielt, schien es ihm fast so, als wenn er von weit her etwas hören könnte; als wenn der Wind die Worte in einer fremden und doch vertrauten Sprache an ihn herantrug…
 

--„ Wenn der Wandel erst einmal da ist, wird keiner ihn mehr aufhalten können. Auch du nicht.“--
 

~*~
 

Ihre Reise über das hügelige und mit verschiedenem Pflanzenwuchs ausgestattete Herzland verlief ruhig, ohne Zwischenfälle und dementsprechend langweilig.

Sar’Shan verbrachte das meiste seiner Zeit zu Pferd damit, gelangweilt durch die Gegend zu starren. Jared maulte irgendwann, dass er in Wolfsgestalt genauso schnell und nicht annähernd so gelangweilt wäre. Molokosh und Daniel waren genauso gelangweilt wie alle anderen, wenn sie es auch nicht zeigten.
 

Und Dakkas tat seit bereits gut einem Tag das Gesäß weh. Jared, der wohl das gleiche Problem hatte, hatte es etwas offener ausgedrückt: „Von dem ganzen Reiten tut mir der Arsch weh, verdammt!“ Der Halbwolf hätte das Argument dazu benutzen können, von Molokosh die Erlaubnis für seine Wolfsform zu kriegen. Allerdings hatte der Zauberer unbedingt noch etwas dranhängen müssen: „Wenn es wenigstens die angenehme Form des ‚Reitens’ wäre… Eh, Shan?“

Mit diesen Worten hatte der Werwolf seinem Freund zugezwinkert, der zurück gegrinst hatte. Dummerweise hatte es Molokosh nur dazu gebracht, seine Arme zu verschränken.
 

Dakkas glaubte inzwischen, dass der Drache nichts gegen Shan und Jared als Paar hatte – oder gegen Kommentare in diese Richtung im allgemeinen. Ausgehend von Kommentaren des Drachen vermutete der Grünäugige, dass Molokosh den Drachen und den Halbwolf einfach nicht ausstehen konnte.
 

Nach zwei Tagen Reiten wurde das Land langsam hügeliger, steiler und kahler. Die Berge, die vorher nur Schemen am Horizont gewesen waren, waren inzwischen in die Nähe gerückte Riesen.

Es war eine breit gezogene Kette von Bergen, die Dern-Gebirgskette. Die Straße steuerte geradewegs auf einen kleineren der Dern-Berge zu.
 

Am späten Nachmittag des dritten Tages dann begann die Straße, sich einen ansteigenden Pfad nach oben zu bahnen. Sie hatten die Dern-Berge sicher erreicht.

„Bald müsste hier eine Abzweigung kommen, auf dem ersten Plateau von dem Berg hier.“, informierte Jared die anderen. „Da müssen wir den Weg weiter den Berg hoch, nach Norden nehmen. Die Abzweigung nach Osten führt runter und unten durch die Wolfsschlucht hindurch.“
 

„Du kennst dich ja wirklich gut mit Karten und dem Land aus.“, kommentierte Dakkas, während sie den steilen Pfad empor ritten. Jared lachte leise und grinste. „Na, einer muss Shans Truppe ja sagen, wo sie lang müssen, oder?“ Der Halbwolf schüttelte seinen Kopf. „Können einen Dogen mit einem Hieb entzweien, aber lass sie mal rechts von links unterscheiden.“
 

„Shans Truppe?“ Dakkas war nicht bewusst gewesen, dass Sar’Shan ihm unterstehende Männer hatte. Der Krieger hatte nie erwähnt, dass er irgend eine Art von Leutnant war.

Und tatsächlich entfuhr Shan ein gequältes Seufzen. „Fünfzehn Schmerzensjünger und ein Halbwolf-Zauberer. Wobei Jared eigentlich nicht zu meinem Trupp gehört.“

Der Werwolf rümpfte seine Nase. „Du hast doch wohl nicht ernsthaft angenommen, ich würde dich alleine auf eine deiner Missionen lassen? Entweder stolperst du mit deinen vierzehn Hobby-Messerwerfern in eine magische Falle, die euch nicht auffällt; oder ihr landet irgendwo in Akatma, wenn ihr nach Brinn sollt! Irgendeiner muss ja für euch die Karte lesen.“
 

Dakkas erstickte ein lautes Lachen mit einem vorgespieltem Husten. Shans stechender Blick sagte ihm jedoch, dass ihm keiner das Husten abnahm. „Akatma anstatt Brinn? Jared, die liegen in entgegen gesetzten Richtungen. So schlimm kann Shan und seine Truppe nicht sein.“

Der Halbwolf schnaubte. „Das dachte ich auch, bis wir in Radek-Sha-Lanar die Nachricht kriegten, dass Shans Trupp sich leider verspätet, weil der Oberdepp die Karte falsch herum gehalten hatte. Das hätte ihm eigentlich auffallen sollen, als sie auf einen Berg anstatt von dem erwarteten Fluss gestoßen sind!“
 

Shan seufzte tief. „Das war der Moment, in dem es uns aufgefallen ist. Und Geglash hat nie wieder die Karte lesen dürfen.“

„Ja, weil ich die Karten seitdem einstecke, sobald klar ist wo’s hingeht.“, war Jareds Antwort.

Dakkas fiel inzwischen fast von seinem Pferd vor lauter Lachen. Auch Daniel und Molokosh sahen amüsiert aus, obwohl beide es nicht zeigen wollten.
 

Urplötzlich bewegte Nostradamus seine Hand. Der Seher war bereits seit mehreren Minuten neben Dakkas einher geritten, was keiner großartig beachtet hatte. Jetzt schnellte seine Hand plötzlich zum Pferd des Kleineren aus und packte die Zügel, die Dakkas aufgrund des Lachens nur noch lasch in seinen Händen hielt.

Bevor der Grünäugige fragen konnte, was der Seher da anstellte oder überhaupt begriffen hatte, dass der Seher etwas tat, bäumte sich sein Pferd plötzlich auf.
 

Dakkas klammerte sich am Pferd fest und atmete auf, als Nostradamus das Tier mit zwei Handgriffen wieder beruhigt hatte. Auch die Pferde der anderen hatten sich erschreckt, wenn auch nicht so stark wie Dakkas seins. Grund dafür war eine kleine, grünliche Schlange, die noch einmal bedrohlich zischte und dann zwischen zwei Steinen verschwand.
 

„Danke Nostradamus.“, brachte Dakkas schließlich heraus, nachdem er sich wieder beruhigt und der Seher seine Hand wieder weggezogen hatte.

Molokosh hatte ein komisches Lächeln auf seinem Gesicht, während er seinem Bruder zusah. „Das hat Nostradamus früher ständig gemacht.“, schmunzelte der Schwarzhaarige. Die anderen sahen ihn überrascht an, Daniel und Shan noch mehr als Jared und Dakkas.

„Wir reisten einige Zeit lang mit Vater umher und blieben nie länger an einem Ort. Nostradamus hatte die Angewohnheit, immer an meiner Seite zu kleben. Anfangs war das ja etwas nervig…“, der Drache schüttelte amüsiert seinen Kopf, „…Aber sehr bald begriff ich den Grund dafür. Ein Blumentopf, Stein oder sonst was fiel herunter und er zog mich zur Seite. Mein Pferd scheute, eine Brücke brach plötzlich ein… Vater befürchtete kurzzeitig, jemand hätte einen sehr trickreichen Meuchelmörder auf mich angesetzt.“
 

Shan schnaubte und Jared grinste amüsiert. Daniel hatte ein Lächeln auf seinen Lippen und war der erste, der sein Pferd zum Weitergehen anwies. Als sie kurz darauf weiter den Berghang erklommen, riskierte Dakkas einen Blick zum neben ihm her reitenden Nostradamus.
 

Der Seher starrte stur gerade aus, aber das Funkeln in seinen Augen und die kaum merklich nach oben gezogenen Mudwinkel verrieten Dakkas, dass der Seher durchaus geistig anwesend war. Außerdem bekräftigten sie eine stumme Vermutung des Kleineren: Dass die Theorie des Meuchelmörders vielleicht gar nicht so abwegig war und Nostradamus seinen Bruder nur auf die einzige Art beschützt hatte, die er kannte.
 

Der Abend dämmerte bereits, als sie endlich auf dem Plateau ankamen und die Straße sich vor ihnen in zwei verschiedene Wege aufgabelte. Nach einer kurzen Diskussion entschied man sich dafür, diese Nacht auf dem Plateau Rast zu machen.

Es war nicht mehr als ein hervorgehobener Felsvorsprung mit Straße sowie einigen Büschen und ein paar Bäumen. Trotzdem war es schön, auf einigermaßen ebenem Boden schlafen zu können.
 

Zusammen mit der Nacht brach auch eine plötzliche Kälte über sie herein. Nicht bittere Kälte, mehr ein kühles Lüftchen, dass einem trotzdem bis ins Mark hineinkroch. Dakkas vergrub sich diese Nacht unter seinen Decken und schlief auf die Seite gerollt ein.
 

Es war so heiß. Warum musste es auch in der Wüste Akatma immer so heiß sein. Wenigstens einmal könnten ja ein paar nette, dicke Wolken den Himmel verhängen. Oder eine Sonnenverdunkelung stattfinden. Ja, das wäre was.
 

Aber, was dachte Dan sich denn da. Die Wüste Akatma hieß nicht umsonst Wüste. Es war trocken, heiß und an den meisten Stellen gab es nichts außer Sand, Sand und noch mehr Sand.

Trotz allem musste Dan durch sie hindurch. Oh, er hätte auch drum herum reisen können, sicherlich. Aber das hätte Tage, Wochen gekostet. Und weiter östlich als Akatma lag nichts, was er mit einem Teleporter jedweder Art hätte ansteuern können. Also musste er sozusagen zu Fuß reisen.
 

„Dan, soll ich dir etwas abnehmen?“, drang die amüsierte Stimme seines Begleiters an sein Ohr. Böse sah er den riesigen Hünen mit den weißen Augen und den zum Pferdeschwanz gebundenem weißen Haar an. Der Kerl hatte gut reden! Nicht nur, dass er ein Drache war, nein. Er war auch noch ein Riesenexemplar dieses Volkes und würde wahrscheinlich zehn Mal so viel wie Dan tragen können, ohne ins Schwitzen zu geraten.
 

„Das merk ich mir. Irgendwann kriegst du das zurück, glaub mir.“, beschwerte der Kleinere sich gutmütig. Sein weißhaariger Begleiter lachte nur schallend und stapfte weiter pfeifend durch die Wüstenlandschaft.

Es war so heiß. Dan schwitze aus jeder Pore seines Körpers. Und es war stickig. Ihm war, als wenn er mit drei Atemzügen so viel Luft wie sonst mit einem einsaugen würde.
 

In diesem Augenblick bemerkte Dakkas die schwammigen, ausgefransten Enden der sichtbaren Landschaft. Ein Traum, sagte er sich in Gedanken. Auf einen Schlag hatte Dakkas den Nebel, der seinen Geist zu verschleiern schien, durchbrochen. Er wusste wieder, wo er war und wer er war – oder besser gesagt: Er wusste wieder, dass er nicht wusste wer er war.
 

Aufmerksam beobachtete er den Erinnerungs-Traum. Es war schon einige Zeit her, seitdem er den letzten dieser Art hatte. Hoffentlich würde er diesmal einige Erklärungen finden.
 

Eine endlos lange Zeit schien es so, als wenn sein Begleiter und er einfach nur stur in eine Richtung laufen würden. Obwohl, vielleicht liefen sie auch in großen Kurven, das konnte Dakkas nicht sagen. Es sah schließlich überall gleich aus.
 

Er war schon geistig fast eingenickt – und wie er in einem Traum einschlafen konnte war eine andere Frage… - als endlich Regung in sein Traum-Ich und seinen Begleiter einkehrte.
 

Sein weißhaariger Begleiter stoppte abrupt und starrte nachdenklich in eine Richtung. Traum-Dakkas tat es ihm gleich und erstarrte mit aufgerissenen Augen.

Dort, am Horizont, schien eine dunkle Wolke auf sie hinzu zu kommen. Nur, dass diese Wolke viel zu tief und viel zu schnell flog, als dass es eine wirkliche Wolke sein konnte. Nein, das war etwas ganz anderes.

„Verflucht! Ein Sandsturm!“, bestätigte sein Begleiter Dakkas innere Ängste.
 

Der weißhaarige Drache packte Dakkas an der Schulter und hob ihn kurzerhand in seine Arme, samt Gepäck. Dann rannte er hinter die nächstbeste Sanddüne und schmiss sich zusammen mit dem Schwarzhaarigen in den heißen Wüstensand. Dakkas wurde unter dem Körper des Riesen praktisch begraben und von ihm zu Bode gedrückt.
 

„Hey, etwas vorsichtiger, ja? Leicht zerbrechlich.“, maulte auch sein Traum-Ich. Sein Begleiter schenkte ihm ein kurzes, hellweißes Grinsen. „Keine Sorge. Aber du willst doch nicht wegfliegen, oder, Leichtgewicht?“ Traum-Dakkas brummte einige unmissverständliche Worte und brachte sich dann in eine möglichst komfortable Lage.
 

Nach einer viel zu kurzen Wartezeit dann war der Sandsturm auch schon über ihnen eingebrochen und zerrte am Körper des Weißhaarigen. Dakkas hatte seinen Kopf im Hemd des Drachen vergraben und seine Augen fest geschlossen. Ein tiefes, kehliges Grollen entfuhr dem Drachen und Dakkas konnte die Vibrationen des Kehlkopfes im ganzen Körper des Mannes spüren.
 

„Wenn wir auf der anderen Seite ankommen, muss ich mich eine Woche lang waschen, bevor der ganze Sand von mir abgeht.“, jammerte Dakkas ins Hemd des Weißhaarigen. Ein tiefes Lachen war seine Antwort.
 

Diesmal war Dakkas vorbereitet und blieb ruhig, während das Bild um ihn herum in einem Farbenspiel scheinbar zusammenbrach und sich neu anordnete.
 

Der Raum, in dem er stand, schien aus einer Horror-Geschichte zu kommen.

Er war offensichtlich unterirdisch und nur von flackerndem Fackellicht erhellt. Mehrere Arbeitstische waren quer in dem recht großen Zimmer verteilt und vollgestellt mit Destillierkolben, Fläschchen, Zangen, Messern verschiedener Größe, Form und Länge. Dazwischen lagen Teile von toten Ratten, Hunden, Katzen und abgetrennte Arme und Füße, an deren Besitzer Dakkas gar nicht erst denken wollte.
 

Die Wände waren gespickt mit Regalen voller Bücher, Krimskrams und Knochenteilen. Auch auf dem Boden lagen abgetrennte, teilweise halbverweste Körperteile herum. Der fürchterliche Gestank, den all das hätte hervor rufen sollen, wurde von an der Decke aufgehangenen kleinen Behältern verhindert. In den Behältern befanden sich süßliche, würzige und vor allem sehr stark riechende Gewürze, Kräuter und andere Dinge.
 

Mitten im Raum, am längsten Arbeitstisch, stand ein… Mann. Zumindest hielt Dakkas ihn für einen Mann. Schwarzes Haar reichte fast bis zur Mitte seines Rückens und wurde durch eine schlichte Holzbrosche daran gehindert, ihm nach vorne über die Schulter und so ins Sichtfeld zu fallen.
 

Der Mann besaß feine, sehr feminine Gesichtszüge und auch sein Körperbau war fein, graziös und feminin. Im starken Kontrast dazu standen seine Hände, deren Fingernägel eher wie lange, schwarze Krallen aussahen und mit denen er im Brustkorb einer… unglücklichen Person herum hantierte.
 

„Dalbo…“, hörte Dakkas sich plötzlich selbst sprechen.

Der Kopf des Mannes schnellte hoch und er stoppte seine Hände. Ein Lächeln stahl sich auf die hübschen Züge des Magiers – Todesmagier, Nekromant, wurde es Dakkas klar.

„Dan… Du bist schon hier.“ Eine schwarze, gespaltene Zunge schlich sich aus dem Mund des Magiers und verschwand bald darauf wieder darin.
 

„Und ich musste warten.“ Traum-Dakkas klang so, als wenn er schmollte, aber Dakkas war schwer damit beschäftigt, sich selbst zu hinterfragen. Von dem kurzen Gespräch her würde er sagen, dass dieser Todesmagier ein guter Freund von ihm war – und definitiv ein Halbdämon. Ihm war unerklärlich, warum oder wie er dieses Wesen befreundet hatte. Nekromanten waren gefährlich und nach den Regeln fast aller Wesen Kvi’stas Ausgestoßene. Halbdämonen waren nicht viel besser. Aber das würde erklären, warum er so viel über Dämonen wusste.
 

„Verzeih mir, Dan.“ Die schwarzen Krallen sanken mit einem Knacken ins Fleisch des Mannes zurück und er stieß sich ab vom Tisch. „Meine Arbeit kann natürlich warten. Geh schon mal nach oben, ich komme gleich.“

„Na dann… bis gleich, Dalbo.“ Dakkas spürte, wie er dem Magier zu blinzelte und auf dem Absatz kehrt machte. Gute Güte, schwang er gerade seine Hüften, während er lief?
 

Ein halblautes Schnurren ertönte im Raum und kurz darauf verlor sich alles wieder in einem Tumult von Farben.
 

Das erste, was er sah, war eine graue Felswand. Kein sehr aufregender Anblick, aber dadurch hatte er genügend Zeit sich über die vorherige Szene aufzuregen. Einen Halbdämon… er kannte einen Halbdämon. Vielleicht war er selbst ja doch einer, wie Shan es sagte. Er hatte zwar keine Anzeichen dafür, aber wenn er ein Illusionist war, konnte er sich doch einfach selbst verzaubern und seine Herkunft so verschleiern…
 

Seine Gedanken wurden jäh unterbrochen, als sein Traum-Ich sich von der Felswand wegdrehte und ein schneidender Wind an seinem Gesicht vorbei schoss.

Es war Nacht, was erklärte, warum er nur so wenig sah. Er trug eine Art Mundschutz oder Tuch vor dem Mund und hatte eine Kapuze über seinen Kopf gezogen.
 

Der Felsweg, auf dem er stand, war erschreckend schmal. Keine zwei Schritte vor ihm ging es rasant und äußerst tief nach unten. Im Dunkel der Nacht konnte Dakkas gerade noch so einige Tannenwipfel in der Tiefe erkennen.
 

Er war nicht allein. Neben ihm stand ein anderer, größerer Mann. Er war nicht so groß wie ein Drache, aber trotzdem größer als Dakkas. Auch der Mann trug ein Tuch als Mundschutz, nur war er nicht in schwarze, verhüllende Gewänder gekleidet wie Dakkas. Nein, er trug allem Anschein nach eine braune Hose und Hemd, zusammen mit einer dunkleren Weste und einem Rucksack. Ein dünner Holzstab mit glühender Spitze wurde in einer Hand von ihm getragen und spendete spärliches Licht, das nur wenige Schritte weit reichte.
 

Das Haar des Mannes war kurz gehalten und hellblond, seine dunkelblauen Augen huschten suchend durch die Landschaft.

„Und Ihr seid Euch sicher, dass wir hier auf dem richtigen Weg sind?“, fragte der Mann in einer müde erklingenden Stimme.

„Natürlich.“, hörte Dakkas sich antworten. „Der Pfad mündet oben direkt auf dem Festungsplateau.“
 

Festungsplateau? Wohin bitteschön waren sie hier denn unterwegs?
 

„Gut, gut. Es ist nicht so, dass ich Euch als Lügner bezeichnen möchte, aber…“

„… es ist schwer zu glauben.“, vollendete Traum-Dakkas den Satz des Mannes. Dieser lachte leise und nickte. „Dann lasst uns schneller gehen. Ehrlich gesagt kann ich es kaum erwarten, die Festung zu sehen.“
 

Dakkas spürte, wie er nickte und dann den steilen, schmalen Felsweg weiter empor klomm. Hinter ihm folgte der ihm immer noch unbekannte Mann.

Der Wind drückte sie an die Felswand und wegen der Dunkelheit mussten sie besonders auf ihre Schritte acht geben. Irgendwo unter ihnen erklang das Heulen mehrerer Wölfe und zerriss die nächtliche Stille abrupt. Sein Begleiter stoppte kurz, fing jedoch gleich darauf wieder mit dem Laufen an.
 

Der Pfad schien nie enden zu wollen. Dakkas spürte die langsam ermüdenden Muskeln seines Traum-Ichs, den heftiger werdenden Wind, der mit einem Heulen an ihnen vorbei rauschte und die wachsende Steigung unter seinen Füßen.

Vor ihnen beschrieb der Pfad eine steile Kurve, die Dakkas und sein Begleiter nur langsam passierten. Irgendwann war eine Stelle des Pfades bei einem Bergrutsch oder etwas ähnlichem beschädigt worden, so dass man nur an die Bergwand gepresst die Kurve entlang gehen konnte.
 

Nachdem sein Traum-Ich diese Kurve hinter sich gelassen hatte, atmete Dakkas innerlich auf. Sein Traum-Ich schien nicht besorgt zu sein, aber er persönlich hatte keine Lust, diesen Berghang hinunter zu stürzen.
 

Unmittelbar hinter der Kurve mündete der steile Pfad in eine ebenso steile, in die Felswand gehauene Treppe. Die Stufen war uneben, unterschiedlich groß und an einigen Stellen beschädigt. Alles in allem konnte man zwar nicht mehr links in einen frühen Tod stürzen, aber vertrauenserweckend wirkte die Treppe auch nicht.
 

„Heiliger…“, hauchte Dakkas Begleiter neben ihm, als er die Treppe erblicke. Dakkas hörte sich selbst amüsiert lachen. „Ich habe es Euch doch gesagt, oder etwa nicht?“

Der Blonde trat vorsichtig auf die Treppe zu und erklomm die ersten drei Stufen. Grinsend drehte er sich dann zu Dakkas herum. „Ihr seid Euer Gewicht in Gold wert! Kommt Ihr?“
 

Erneut lachte Dakkas belustigt und folgte dem freudig voran schreitendem Mann.

Die Treppe schien endlos lang zu sein. Der Aufstieg wurde schnell ermüdend und ging nur noch schleppend voran, vor allem auch wegen dem kräftigen Wind, der die beiden Männer mehrmals fast von der Treppe zu stoßen drohte.
 

Dann aber hatten sie endlich das Ende der Treppe erreicht. Vor ihnen war plötzlich eine große, offene Ebene mit praktisch keinem Pflanzenwuchs. Unweit von ihnen waren schemenhaft die Umrisse einer Festung im Dunkel erkennbar.
 

„Ihr hattet Recht… Ihr hattet Recht!“ Der Blonde klang sowohl überrascht, erfreut als auch erstaunt. Traum-Dakkas stoppte schwer atmend neben ihm und grinste hinter dem Mundtuch.

„Hatte ich es Euch nicht versprochen?“ Er machte eine einladende Geste und deutete auf die Festungsumrisse in der Ferne. „Willkommen auf dem Vorplatz der lange verloren und verschollen geglaubten Burg der Trolle.“
 

Burg der Trolle? Während sein Traum-Ich und sein Begleiter auf die Umrisse hinzu eilten, dachte Dakkas nach.
 

Er wusste nichts über eine ‚Burg der Trolle’, erst recht nichts über eine verschollene Burg der Trolle. Überhaupt, wie hätten die Trolle eine bauen sollen. Trolle waren seines Wissens nach einfache, gefährliche Wesen, die man nur selten und dann nur in Wäldern oder Sümpfen antraf.

Woher also diese auf einem Berg gelegene Burg kommen sollte, konnte Dakkas sich beim besten Willen nicht erklären.
 

Die Umrisse kamen näher und wurden deutlicher. Inzwischen schritten sie auf einem alten, verwittertem aber gepflastertem Weg entlang. Der Weg war wohl einmal breit und gut gearbeitet gewesen, aber im Laufe der Jahrhunderte war er praktisch zu einer Ruine verfallen, ebenso wie der Steinpfad und die Treppe hierher.
 

Irgendetwas sagte Dakkas, dass diese finster daliegende, halb verfallene Festung wirklich eine Trollburg war. Aber wann und wie hatten die Trolle sie errichtet?
 

„Ich kann es immer noch kaum glauben…“, meinte sein blonder Begleiter fröhlich, während sie durch das hohe Eingangstor schritten. Die Flügeltür war wohl einmal aus stabilem Holz gewesen, aber die eine Seite lag fast vollkommen verfault auf dem Boden vor dem Tor und die andere fehlte gänzlich.
 

„Es ist etwas überwältigend, wenn man zum ersten Mal herkommt, ja.“, gab Traum-Dakkas zu.

Die Eingangshalle war groß und ausladend und hätte sicherlich einen beeindruckenden Anblick geboten, wenn man denn auch etwas gesehen hätte. So, im Dunkel der Nacht, konnte man jedoch nur wenig ausmachen.

Mitten in der Eingangshalle stoppten Dakkas und sein Begleiter.
 

Der Blonde rammte seinen Stab vorsichtig in den teilweise aufgebrochenen, kaputten Steinboden. Das Licht der Kugel wurde nach einem Wink des Mannes etwas heller und spendete jetzt genug Licht, damit Dakkas den Mann gut sehen konnte.
 

Im Traum nahm Dakkas seine Kapuze ab und sah langes, braunes Haar über seine Schultern fallen. Zuerst irritierte ihn das, aber dann wurde ihm klar, dass er wahrscheinlich eine Illusion auf sich selbst gezaubert hatte.

Beide Männer lockerten die Tücher um ihren Mund und ließen sie, einem Schal ähnlich, zu ihrem Hals hinunter gleiten.
 

„Ihr habt Euer Versprechen gehalten, Herr Pasea.“ Der Blonde lächelte und Dakkas hätte gezuckt, wenn er seinen Körper in diesem Moment kontrolliert hätte. Pasea. Carogan Pasea, sein Pseudonym. Der Mann schien ihn nur unter diesem Namen zu kennen. Aber warum sollte man sich an einen Buchautor wenden, um eine verschollene Burg zu finden… Das machte keinen Sinn.
 

„Als ich Eure Ballade über die Festung der Trolle las, wurde ich den Gedanken nicht los, dass Ihr wirklich wusstet, worüber Ihr schreibt.“ Oder vielleicht machte es ja doch Sinn. „Da musste ich Euch einfach kontaktieren.“
 

Dakkas spürte, wie er grinste. „Es war mir eine Freude, mit Euch zu reisen, Herr Hohensonn. Aber hoffentlich habt Ihr auch den ausgemachten Preis hierfür dabei.“
 

Hohensonn…?

Wäre Dakkas nicht in dieser Traum-Erinnerungswelt gefangen gewesen, hätte er angefangen nach Luft zu schnappen. Wenn dieser Mann wirklich ein Hohensonn war, dann…

Das war unglaublich. Die Hohensonns waren die Königsfamilie der Engel… Aber dieser Mann sah nicht aus wie der Sonnenkönig. Vielmehr hatte er das etwas heruntergekommene Aussehen eines weitgereisten Mannes. Nicht nur die Kleidung, auch die Haltung des Engels schrie ‚welt-erfahren und ‚gefährlich’.
 

Obwohl das natürlich nicht ausschließen würde, dass er ein Mitglied der Hohensonn Familie war…
 

„Natürlich habe ich dabei, was ich versprochen habe.“ Der Hohensonn zog einen ledernen Beutel aus seiner Tasche und öffnete ihn langsam. Heraus zog er einen kleinen, schmalen Gegenstand, der in ein dunkelrotes Samttuch gewickelt war.
 

Der Gegenstand entpuppte sich als alter, silberner Schlüssel. „Der Schlüssel zur Gruft von Altmeister Dobren, in den Katakomben von Tirin.“ Der Blonde lächelte schief. „Ihr könnt ihn natürlich gerne ausprobieren, um die Echtheit zu überprüfen, aber ich versichere Euch, dass es der echte Schlüssel ist.“
 

Traum-Dakkas nahm den Schlüssel lächelnd entgegen. „Wunderbar. Genau das, wonach ich suchte.“ Er verstaute den Schlüssel in einer seiner Taschen. „Ihr könnt gerne Eure Leute hier hoch führen… Die Bergtrolle sind natürlich schon lange ausgestorben, aber hier und da gibt es noch einige funktionierende Fallen, glaube ich…“ Traum-Dakkas zuckte mit den Schultern. „So genau habe ich es mir nie angeschaut.“
 

Der blonde Hohensonn grinste nur. „Keine Sorge, darum werde ich mich schon kümmern. Aber, wenn ich fragen dürfte… Wofür braucht Ihr den Schlüssel?“

Dakkas hatte sich das gleiche schon lange gefragt. Aber da er ja von Beauron bereits erfahren hatte, dass er ein magisches Buch in den Katakomben von Tirin suchte, nahm er an, der Schlüssel wäre dafür.

„Ich persönlich? Gar nicht. Aber Ihr versteht hoffentlich, dass ich das Vertrauen meiner… Bekannten nicht verletzten darf.“
 

Der Hohensonn lachte leise und zuckte mit den Schultern. „Ehrlich gesagt, ist es mir egal, was Ihr damit tut. Mein Bruder wird eh nie bemerken, dass der Schlüssel fehlt und wenn sein Fehlen ihm Ärger bereiten könnte, umso besser.“ Der Blonde grinste und zeigte dabei weiße Zähne.

„Ihr scheint Euren Bruder nicht sonderlich zu mögen,“ kommentierte Traum-Dakkas.

Der Hohensonn zuckte mit den Schultern. „Hepai ist dumm, arrogant und absolut untalentiert. Kurzum, es gibt an ihm nichts, das man mögen könnte oder sollte.“
 

Zusammen mit Dakkas Lachen verschwand die Szene und der Traum in einem bunten Strudel.
 

Keuchend setzte Dakkas sich mit einem Ruck in seinem Schlaflager auf und erschreckte dabei den Wache haltenden Jared, der als Schreckreaktion seine Spielkarten wegschmiss und hinten über vom Stein kippte, auf dem er gesessen hatte.
 

Während die Karten sanft zu Boden flatterten, sah Dakkas den beschämt lächelnden Werwolf an, der sich so schnell wie möglich wieder auf den Stein setzte. „Interessante Art, Wache zu halten.“, kommentierte Dakkas leise. Jared begann, seine Spielkarten auf zu sammeln und murmelte dabei etwas Unverständliches vor sich her. Der Grünäugige lachte leise als Antwort und legte sich dann zurück auf seinen Schlafplatz.
 

Die Bilder der Traum-Erinnerungen tanzten noch hinter seinen Augenliedern. Der Nekromant. Die Trollfestung. Der vermeintliche Hohensonn. Und der Schlüssel zu der Gruft unter Tirin.
 

Wahrscheinlich besaß den im Moment Rita, seine Werwolf-Kontakt-Frau. Das machte als einziges Sinn, wenn sie das Buch aus der Gruft für ihn beschaffen sollte. Sofern der Schlüssel wirklich mit diesem geheimnisvollen Buch zu tun hatte.
 

Aber wie passte ein Hohensonn mit ins Bild? Das war es, was Dakkas nicht verstand.

Geistig rekapitulierte er.
 

Er hatte anscheinend ein sehr gutes und freundschaftliches, enges Verhältnis zu Beauron, dem Todesgott. Besagter Gott war jedoch in einer Art magischen Kristall gefangen und konnte kaum seine göttlichen Kräfte einsetzen. Dakkas war sich ziemlich sicher, dass das Buch, welches er sich beschaffen sollte, für die Befreiung des Gottes wichtig war.

Deshalb hatte er auch Rita, die Werwölfin, damit betraut es zu besorgen. Um an das Buch zu gelangen, hatte er aber einen besonderen Schlüssel gebraucht, weil es in der alten Gruft von Altmeister Dobren lag – wobei er sich momentan nicht daran erinnerte, wer der Altmeister gewesen war, abgesehen von einem sehr mächtigen Hexer. Daran zumindest erinnerte er sich.
 

Diesen speziellen Schlüssel hatte er von einem Hohensonn bekommen. Praina Hohensonn, erkannte Dakkas plötzlich. Älterer Bruder von Hepai Hohensonn, dem jetzigen Sonnenkönig.

Allerdings hatte er Praina nicht seine wahre Gestalt gezeigt, sondern stattdessen ein Pseudonym und anderes Aussehen benutzt.
 

Als Bezahlung für den Schlüssel hatte er Praina an einen lange verschollenen Ort geführt – diese mysteriöse Festung der Trolle, wo auch immer sie war und was auch immer es mit ihr auf sich hatte.

Praina hatte den Schlüssel augenscheinlich von seinem Bruder gestohlen, was bedeuten würde, dass der Sonnenkönig den Schlüssel zur Befreiung von Beauron gehabt hatte – und möglicherweise bewachen ließ…?
 

Das ganze war zwar etwas verwirrend, erklärte aber schon einiges. Beauron konnte nur durch ein bestimmtes Ritual befreit werden – Dakkas erinnerte sich, das mysteriöse Buch sollte Ritualzauber beinhalten… Vor seiner Amnesie war er augenscheinlich damit beschäftigt, alles benötigte für das Ritual zu bekommen…
 

Deswegen war er auch im Ausgrabungslager gewesen, wurde dem Grünäugigen auf einen Schlag klar. Was auch immer die Engel da ausgegraben oder untersucht hatten, es musste wichtig für das Ritual sein oder irgendeine Bedeutung dafür haben… Aber das würde dann bedeuten, dass er irgendwann dorthin zurück müsste, sofern es nichts war, an das er sich bloß erinnern brauchte.

Wunderbar. Innerlich stöhnte Dakkas auf. Es war gut möglich, dass er in Tirin erfahren würde, dass er gleich wieder zurück nach Kish-Laro und dem Lager reisen durfte.
 

Obwohl, dass hätte Beauron bei ihrem ‚Treffen’ neulich erwähnt. Davon hatte er aber nichts gesagt… Also musste Dakkas das, was er brauchte, entweder schon haben oder anderweitig auf den Weg geschickt haben.
 

Nur wie Rita und Amalie, die geheimnisvolle Unbekannte, da rein passten, verstand er nicht so ganz. Ganz zu schweigen von dem Halbdämon Dalbo. Aber… auch den hatte Beauron schon erwähnt. Was war das noch mal gewesen…?
 

--„Wenn es möglich und sicher ist, nimm das Buch und bring es in die Graue Zone, zum Todesmagier und Halb-Dämon Dalbo. Er ist einer meiner Hohepriester und wird dir weiter helfen können.“--
 

Dakkas Augen weiteten sich, während der Grünäugige weiter in den nächtlichen Himmel über ihm starrte.

Die Worte Beaurons klangen noch in seinen Ohren.

--Einer meiner Hohepriester--

Dalbo war ein Hohepriester des Beauron, daher kannte er ihn. Deshalb würde der Halbdämon ihm auch helfen… schließlich wollte Dakkas allem Anschein nach seinen Gott befreien.
 

Außerdem wohnte er in der Grauen Zone. Dakkas runzelte seine Stirn. Jared und Shan kamen auch aus der Zone. Bestand vielleicht die Chance, dass einer oder beide ihn schon mal vor seiner Amnesie gesehen hatten, bloß unter einer Illusion getarnt?

Vielleicht war ihnen sein Deckname ein Begriff. Schließlich kannten sie ihn beide nur als Dakkas, sie hatten nie erfahren, dass er unter dem Namen ‚Carogan Pasea’ einige Bücher veröffentlicht hatte.
 

Bücher, wegen denen Praina Hohensonn auf ihn aufmerksam geworden war. Wieder runzelte Dakkas seine Stirn. Die Bücher damals in der Gesellschaft Wellert waren ihm nicht wie etwas besonders aufregendes vorgekommen. Erst recht nicht wie etwas, dass irgendjemandem den Weg zu einer verschollenen Trollfestung weisen könnte.
 

Aber dort in der Gesellschaft mussten ja nicht alle Bücher untergebracht sein, die er je verfasst hatte. Es war sogar eher unwahrscheinlich, dass dem so war. Vielleicht hätte er sich doch seine Werke damals genauer anschauen sollen.
 

„Hey, kannst nicht schlafen?“ Die leise Stimme des Werwolfes erklang direkt neben ihm. Leicht erschrocken drehte Dakkas seinen Kopf nach rechts und sah Jared an, der immer noch abwesend mit seinen Karten spielte. Routiniert ließ er sie eine nach der anderen vom Stapel in der rechten Hand in die linke gleiten, dort dann einmal über den Handrücken und dann zurück hinter den Stapel.
 

„Muss zu viel nachdenken.“, antwortete Dakkas schließlich. Jared nickte stumm.

Einige Augenblicke lang verharrten die beiden so nebeneinander, bis Dakkas schließlich zögerlich zu dem Werwolf aufsah.

„Kennst du einen Carogan Pasea?“

Der Werwolf stutzte und zeigte dann ein zahniges Grinsen. „Natürlich! Verdammt guter Autor. Oh, nicht dieses Blümchen-Friede-Informations-Zeug, nein. Seine Studienbücher gehen; alles von der Theorie und dem Wissen her makellos, aber die richtig guten Sachen sind seine obskureren Werke. Na ja, und seine Mördergeschichten sind ganz interessant, aber für die meisten Leute zu kontrovers.“
 

Dakkas blinzelte und konnte vor Überraschung nichts sagen.

„Wieso fragst du? Hast du dich an etwas erinnert?“

Stumm nickte Dakkas. Er kam immer noch nicht darüber hinweg, dass Jared ihn nicht nur kannte – als Autor – sondern, dass der Halbwolf ihn auch noch mochte.

Und, dass er einige ‚obskure’ und ‚kontroverse’ Bücher geschrieben haben sollte.
 

„Was für obskure Bücher?“, hörte er sich selbst fragen.

„Hm, lass mich nachdenken…“ Der Halbwolf hörte auf, mit seinen Karten zu spielen. „Er hat einige sehr gute Gedichtbände verfasst, aber spezielle. Die Gedichte sind allesamt die Erkennungsgedichte für Dunkelwandler… wie eine Art Almanach.“ Der Zauberer schüttelte grinsend seinen Kopf. „Der Kerl muss ewig herum gereist sein, um so eine komplette Sammlung zu bekommen. Fast jede von den Engeln verbotene Sekte oder Gruppe ist in den Dingern vertreten.“
 

Dakkas konnte nur wortlos zuhören. Er konnte nicht wirklich glauben, dass er so ein… ‚Kompendium’ erstellt haben sollte. Woher hätte er die ganzen Gedichte auch kennen sollen?

Aber, schoss es ihm durch den Kopf, weit gereist war er, oder etwa nicht? Fast alle seine Erinnerungen bis jetzt zeigten ihn an verschiedenen Orten Kvi’stas, über die ganze Welt verteilt. So abwegig war das ganze doch nicht.
 

Jared plapperte immer noch fröhlich leise vor sich hin, aber Dakkas hatte nicht wirklich Lust, sich etwas über eine Reihe von Magie-Theorie Büchern von sich selbst anzuhören.

„Jared, steht in irgendeinem der Bücher, die du gelesen hast, etwas über eine Trollfestung?“
 

Der Halbwolf sah ihn fragend und verwirrt an, runzelte dann aber nachdenklich die Stirn.

„Ja… In einem… warte… Es war eine Sammlung von alten, obskuren Legenden und Erzählungen… vermischt mit einigen von ihm neu geschriebenen, wenn ich mich richtig erinnere.“ Jared sah den Schwarzhaarigen schief an. „Wieso fragst du?“
 

Dakkas öffnete seinen Mund, konnte sich aber nicht dazu bringen, dem Halbwolf alles zu erklären. Außerdem, sagte er sich im Stillen, war es sowieso besser, wenn weniger Leute davon wussten. Schließlich würde es viele Leute geben, die Beaurons Befreiung würden verhindern wollen.
 

„Ich habe mich nur vage an so etwas erinnert und da hat es mich interessiert… Kannst du irgend etwas von der Erzählung über die Trollfestung auswendig?“

Wieder starrte der Werwolf nachdenklich vor sich hin. „Ich glaub, den ersten Teil krieg ich noch hin… aber das hat mich nie so richtig interessiert, entschuldige… Es war eine schwierige Erzählung, eine Mischung aus Überlieferung und von Pasea selbst dazu Geschriebenem.“
 

Der Zauberer räusperte sich.

„Von einem dunklen Pfad in schattigen Wäldern erzählen die Geschichten der Berge

Eine verwirrende Passage, gespickt mit Gygren, die zu Stein verwandelt wurden

In den höchsten Höhen des eifernden Windes hört man eine trostlose Wehklage

Das, was sich hinter der nächsten Ecke, hinter den Irrlichtern, versteckt

Fürchtest du mehr, als das Mahl eines Beutejägers zu werden

Wenn du den Weg in diesem mysteriösem Labyrinth entlang gehst

Auf einem schweren gewundenem Pfad, eine endlos knechtende Bürde

Durch die Tiefen des Kessel-Tals, hoch zur Gipfelspitze…“

Jared schüttelte seinen Kopf. „’Tschuldige, an mehr erinnere ich mich kaum noch.“
 

Dakkas nickte geistesabwesend. „Was sind Gygren?“

Jared grinste. „Angeblich alte Bergtrolle, welche die Festung errichtet haben sollen. Schon lange ausgestorben. Angeblich sollen sie sehr viel intelligenter gewesen sein als ihre heutzutage noch lebenden Verwandten.“

Dakkas gab keine Antwort.
 

Die Beschreibung passte sehr gut auf seinen Traum. ‚Durch die Tiefen des Kessel-Tals, hoch zur Gipfelspitze…’. Ja, das passte sehr gut. Also beruhte die Erzählung, die er in diesem Buch veröffentlicht hatte, auf Wahrheit und Tatsachen.

Es war weniger eine Erzählung und mehr eine mündliche Karte, erkannte Dakkas auf einmal. Er hatte jedem, der schlau genug war es zu entdecken, den Weg zu dieser verschollenen Festung erklärt. Und Praina Hohensonn war schlau genug gewesen.
 

Während Dakkas weiter in den nächtlichen Himmel starrte, fragte er sich, was er noch alles geschrieben und veröffentlich hatte. Und zu wie vielen geheimen, verschollenen oder besonderen Orten – oder Dingen – er den Weg gewiesen hatte.
 

Vor allem aber fragte er sich, warum er so etwas machen sollte. Es machte ja schließlich keinen Sinn. Wenn er so einen Ort entdeckt hatte, warum hatte er selbst keinen Nutzen daraus gezogen?

Die einzige Erklärung war, dass er diese Entdeckung nicht wirklich brauchte und sie daher anderen überließ. Oder eintauschte, wenn er an die Erinnerung mit Praina Hohensonn dachte.
 

Vielleicht sollte er, sobald er Zeit und die Möglichkeit dazu hatte, mal ein oder zwei seiner Bücher beschaffen. Ein Gefühl sagte ihm, dass er sehr viele Erklärungen in diesen Schriften würde finden können.

Und vielleicht würde er sich beim Lesen noch an irgendetwas anderes, hilfreiches erinnern können. Auf alle Fälle konnte es nicht schaden.
 

Ohne, dass er es wollte, fielen seine Augenlieder müde zu. All dieses Erinnern und Grübeln machte doch müde, schmunzelte Dakkas geistig. Mit dem Rauschen des nächtlichen Windes und dem raschelndem Geräusch von Jareds Karten schlief der Grünäugige langsam ein.
 

--„Du solltest ein Tagebuch führen.“

„Wozu?“

„Damit man dir nicht ständig alles erklären muss, was du vergisst.“

„Aber jemand anderes kann das Tagebuch finden und gegen mich verwenden, auch wenn ich es noch so gut verzaubere und verstecke.“

„Dann versteck es halt nicht.“

„Was meinst du?“

„Versteck es nicht. Bring es unter die Leute, nur schreib nicht ‚Tagebuch’ oder ‚Meine Memoiren’ drauf. Verpack das ganze als nettes Geschichtchen oder Roman oder was weiß ich. Dir fällt schon was ein. Dann würde keiner daran denken, es gegen dich zu verwenden.“

„…Das ist eine erstaunlich gute Idee, Nicolo. Das hatte ich gar nicht von dir erwartet.“

„Du Imp. Du sollst mich doch nicht mehr so nennen.“

„Entschuldige, Mephan.“--
 


 

A/N:
 

„Die Festung der Trolle“ beruht auf einer Vorlage:

„Trollslottet“ ist eine tatsächliche norwegische Legende!

Die Erzählung von der Festung der Trolle oder auch ‚Die Burg des Trollkönigs’ in einigen Varianten, ist eine alte norwegische Legende / Erzählung. Gygren bzw. eine „Gygra“ ist auch tatsächlich eine Art von weiblichem Bergtroll aus der norwegischen Mythologie. (hier auf bestialische Art und Weise eingedeutscht *hüstel*).

Der Text ist der erste Teil einer Übersetzung einer Vertonung dieser Legende (‚Trollslottet’ der Gruppe Otyg). Die Übersetzung ist von mir, allerdings die eines englischen Textes (der meines Wissens nach aber stimmt).



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Egnirys
2008-01-05T10:33:21+00:00 05.01.2008 11:33
ohne zu übertreiben: ich LIEBE deine geschichte!
und wenn ich dann seh, dass es weitergeht, freu ich mich umso mehr >///<V
*_______*
aw~!


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