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Longing

von

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Seufzend sah Titi aus dem großen Fenster in Hildas Schlafgemach und legte die Hand an die kühle Scheibe, suchte mit den Augen den blauen Himmel ab.

"Immer noch nichts zu sehen?" erklang hinter ihm die leise Stimme von Hilda. Titius drehte sich kopfschüttelnd zu der blonden Frau um, die in viele weiche Kissen und Decken gehüllt halb in ihrem Bett saß. Sie sah sehr erschöpft aus, war etwas blass und ihre Augen machten einen müden Eindruck.

Aber dennoch wirkte sie unglaublich schön. Ihre blonden Haare waren offen und flossen in weichen Locken um sie herum über die seidenen Kissen. Und man sah das Glück in ihren Augen und das sanfte Lächeln, dass ihre Lippen umspielte, als sie auf das kleine, in warme Decken eingehüllte Bündel in ihren Armen hinuntersah.
 

Titius trat an das Bett heran und ließ sich sachte auf die Bettkante gleiten. Die letzten Stunden waren für alle Beteiligten recht anstrengend gewesen. Hilda hatte einige Stunden in den Wehen gelegen, bevor es endlich soweit war. Und ständig waren Dienstboten geschäftig durch das Zimmer gewuselt, die Stimmung war ungewöhnlich hektisch gewesen. Denn zum einen schwebte nicht nur die Angst um Sherril die ganze Zeit wie eine dunkle Wolke über ihnen, sondern nun auch noch die Sorge um das Baby, dass immerhin eine Frühgeburt war. Hilda war von der Nachricht vom Verschwinden ihrer Tochter derart geschockt gewesen, dass dies die Geburtswehen ausgelöst hatte.
 

Aber es war gut gegangen. Das Kind war gesund zur Welt gekommen, wenn auch etwas kleiner und schwächer als gewöhnlich. Das war allerdings normal für eine Frühgeburt und würde sich bald legen. Nach dem alles überstanden war hatte Titius jedenfalls erstmal alle aus dem Zimmer rausgeschickt, damit die junge Mutter endlich etwas Ruhe haben konnte. Und nun herrschte erstmals seit den letzten Stunden Ruhe um sie beide.
 

Liebevoll strich Titius Hilda eine feuchte Strähne aus dem Gesicht. "Es wird schon gut gehen. Ich meine, die gesamte Drachenkompanie befindet sich draußen. Sie werden es schon schaffen." Sagte Titius mit beruhigender Stimme, wie er es die letzten Stunden schon so oft getan hatte, um wenigstens Hilda ihre Angst etwas zu nehmen. Er versuchte dadurch auch seine eigene Unsicherheit zu verbergen, die ihn langsam aber sicher von innen immer mehr zerfraß, je mehr Zeit verstrich.
 

Laures Frau nickte nur leicht. "Ja, du hast Recht." Allerdings wirkte ihre Stimme nicht so sicher, wie sie den Engelsdämon glauben machen wollte. "Aber ich bin froh, dass wenigstens du hier geblieben bist. Wenn ich allein gewesen wäre, ich glaub ich wäre verrückt geworden. Dabei weiß ich doch, dass du lieber bei der Suche nach Sherril mitgeholfen hättest...Es tut mir leid." Sie lächelte Titius entschuldigend an.

"Nein, nein, denkt bitte nicht, dass ihr an irgendetwas Schuld seid! Ich bin froh, wenn ich euch helfen kann! Ich bin genauso euer ergebener Diener wie der von Laures-sama!"
 

"Daran zweifle ich auch gar nicht. Aber glaub mir, wäre mein kleiner ungeduldiger Sohn nicht dazwischen gekommen, ich hätte mich selber auf einen Drachen geschwungen und hätte Sherril selber gesucht!"

"Das hättet ihr gewiss, daran besteht kein Zweifel. Und im Notfall hättet ihr das Kind halt unterwegs zur Welt gebracht. Ihr habt den gleichen Dickschädel wie eure Tochter." Beide fingen an, leise zu lachen, merkten aber nach wenigen Sekunden, wie ihnen beiden die Tränen in die Augen stiegen. Sie wurden beide ganz still und Titius wandte sich hilflos ab, um ein weiteres Mal zum Fenster zu gehen und wieder hinauszuschauen, wie er es die ganze Zeit immer wieder hoffnungsvoll tat.
 

Und obwohl er es jetzt schon kaum mehr erwartete, sah er dieses Mal endlich das ersehnte. Gerade landeten mehrere Drachen im Hof, wurden von ungeduldigen Bediensteten umzingelt. Das einzige, was Titius genau ausmachen konnte, war der große Drachen von Laures, der aus der Menge deutlich hervorstach. Mehr Details konnte er von hier oben nicht erkennen. Augenblicklich fuhr Titi herum und eilte schon zur Tür. "Sie sind angekommen. Laures-sama ist da!" rief er Hilda noch zu.

"Schick ihn bitte zu mir ja?" rief ihm Hilda aufgeregt hinter her, die ihre Tränen nun nicht mehr zurückhalten konnte, während sie gleichzeitig ein Stoßgebet zum Himmel schickte, dass ihr Geliebter gute Nachrichten bringen würde.
 

Titius nickte ihr eilig zu und war schon aus der Tür. Er würde Laures wohl nicht extra auffordern müssen, zu seiner Frau und seinem neugeborenen Sohn zu gehen. Auch Titius betete inständig, dass Laures und Hilda an diesem Tag nicht ein Kinderleben gegen ein anderes eintauschen mussten.
 

Schnell hastete er die Flure entlang, die große Treppe zur Eingangshalle hinunter und durchquerte diese in Richtung Ausgang, als das große Eingangstor auch schon aufschwang und eine Gruppe Leute, angeführt von Laures, die Halle betrat. Titius erstarrte und spürte, wie seine Knie weich wurden. Fast wäre er zu Boden gesunken, als er die kleine Lady in Laures-samas Armen liegen sah. Körperlich offenbar unverletzt.
 

Vor Erleichterung aufseufzend, hielt Titius sich an einem Geländer fest. "Sherril, Gott sei Dank! Laures-sama, wie ist...?"

"Wo ist meine Frau? Wie geht es ihr und dem Kind?" unterbrach ihn der Dämonenfürst schroff. Er stand nun direkt vor Titius und erst jetzt viel diesem auf, dass etwas mit Sherril nicht stimmte. Sie war wohl bei Bewusstsein, die Augen waren immerhin geöffnet, aber sie schienen irgendwie ins Leere zu starren. Bewegungslos lag sie in den Armen ihres Vaters.

"Beiden geht es hervorragend. Es ist alles gut gegangen. Aber sagt, was ist mit Sherril?"

Auf diese Antwort hin wirkte auch Laures mit einem mal erleichtert. Dann jedoch sah er Titius mit einem merkwürdig traurigen Blick an.
 

"Sherril steht nur unter Schock. Das wird sich schon legen. Aber...Zadei...wie soll ich dir das sagen...?!" meinte er vorsichtig, als sich Titius Augen schon panisch weiteten, als ihm fürchterliches schwante.

"Was...was ist mit ihm passiert?" fragte er mit belegter Stimme. In diesem Moment kam eine weitere Gruppe herein. Mehrere Soldaten und Diener schienen sich um etwas Bestimmtes zu drängen. Einige gaben Laute des Entsetzens von sich, andere riefen etwas von Arzt und man solle ihn nach oben bringen. Titius setzte sich augenblicklich in Bewegung um mit eigenen Augen zu sehen, was passiert war. Doch Laures hielt ihn rau am Arm fest, meinte aber dann mit besorgter Stimme.

"Ich weiß nicht, ob du das unbedingt sehen solltest. Es ist..." Doch Titius war schon längst nicht mehr ganz aufnahmefähig. Ohne auf seinen Herrn zu hören riss er sich los und hastete zu der Menge, die sofort ein wenig vor ihm wich, als sie ihn erkannte.
 

Er bahnte sich einen Weg durch die Leute, zum Mittelpunkt des Tumults, der, wie er mittlerweile sicher wusste, Zadei sein musste. Aber als er ihn dann tatsächlich sah, traf es ihn wie ein Schlag ins Gesicht. Als hätte man ihm einen kräftigen Stoß versetzt, taumelte er nach hinten und schlug sich entsetzt die Hand vor's Gesicht. Fassungslos starrte er auf das Bild, das sich ihm bot.
 

Sie hatten Zadei auf eine Art provisorische Bahre gelegt, um ihn besser tragen zu können. Dort lag er bewußtslos, die Klaue hing leblos auf der einen Seite herunter, war auf seltsame Weise verkrampft, als würde sie etwas festhalten. Aber das wirklich schlimme war Zadeis linke Körperhälfte, besonders das Gesicht. Es war zu Hälfte verbrannt, die Haut war dunkel gefärbt, hing teilweise in blutigen Fetzen herunter. Noch mehr Blut quoll von überall her und durchtränkte die Stofffetzen, die man provisorisch darauf gelegt hatte. Die linke Seite seiner Rüstung war förmlich geschmolzen und zum Teil weggefetzt. Das Gesicht war völlig bewegungslos, das linke Auge unter all dem verkrusteten Blut kaum zu erkennen. Nur das ganz leichte heben und senken des Brustkorbs verriet, dass noch Leben in ihm war.
 

Titius musste hart schlucken. Er hatte schon so viel in seinem Leben gesehen, aber dieses Bild füllte sogar ihn mit Entsetzen. Langsam und unter Aufwendung all seiner Kraft zwang er sich, wenigstens halbwegs die Ruhe zu bewahren und seine Stimme zu erheben, um den Bediensteten, die selber sehr schockiert waren, Anweisungen zu erteilen.
 

"Bringt...bringt ihn nach oben in sein eigenes Zimmer. Schnell! Und holt den Arzt." Er hörte seine eigene Stimme nur wie aus der Ferne und nahm seine eigenen Handlungen nur war, als würde er sich selber von wo anders her beobachten. Nur wenige Minuten später befanden sie sich in Zadeis Zimmer und legten ihn auf sein Bett.

Titius und ein weiterer Soldat bemühten sich, die teilweise verschmolzene Rüstung von dessen Oberkörper zu entfernen. Nach einiger Zeit gelang es ihnen auch. Und zur Erleichterung stellten sie fest, dass der Oberkörper weitgehenst durch die Rüstung geschützt worden war und dort nur leichte Verbrennungen anzutreffen waren. Aber wirklich Sorgen machte ihnen Zadeis linke Gesichtshälfte.
 

Dann traf der Arzt ein, der für heute auch schon überstrapaziert schien. Er schickte die Diener und auch Titius und die Soldaten erst mal raus, um in Ruhe seine Untersuchungen durchführen zu können. Dann stand Titi draußen vor der Tür zu Zadei Gemach und hatte erst mal wieder Zeit zum Durchatmen. Der Stress hatte ihm kaum Zeit zum Nachdenken und er hatte überhaupt nicht fragen können, was eigentlich passiert war. Also wandte er sich an den Drachenritter, der ihm soeben mit Zadeis Rüstung geholfen hatte und der jetzt mit ihm zusammen vor die Tür gesetzt worden war, und im übrigen genau wie Titius etwas verloren auf dem Flur rumstand.
 

Auf Titis Frage hin, musste er sich selber erstmal sammeln, um die chaotischen Ereignisse dieses Tages in eine Reihenfolge zu bringen. Dann fing er langsam an zu erzählen, schilderte die Dinge so, wie er sie erlebt hatte.

"Ich war in Zadeis Trupp eingeteilt. Wir flogen zu einem der Drachennester, wo Zadei-sama Lady Sherril vermutete. Nach einigen Stunden fanden wir sie dann tatsächlich. Wir sahen sie erst nur von weitem. Sie wurde von drei Monstern angegriffen. Zadei-sama ist sofort vorrausgeprescht, wir konnten überhaupt nicht mithalten. Er hatte wirklich so ein halsbrecherisches Tempo, wir konnten mit unseren Drachen nicht..."

"Ja ja, ist ja gut! Du musst dich nicht rechtfertigen. Erzähl einfach weiter!" fuhr Titius ihn etwas ungehalten an, so dass der Soldat ihn etwas verwundert anblickte. Man erlebte den stillen Dämonenengel selten so. Dann fuhr er aber schnell fort, um sich nicht noch weiter dessen Unmut zu zuziehen.
 

"Er konnte einen Angriff auf Lady Sherril abwenden, wurde aber dann von den beiden übrigen Biestern angegriffen. Er kämpfte mit ihnen und plötzlich tauchten noch weitere Biester auf. Wir waren immer noch zu weit entfernt und es ging alles so schnell. Eines der Viecher stieß die kleine Lady von ihrem Drachen runter. Ich weiß nicht wie er das gemacht hat, aber Zadei-sama hat es tatsächlich geschafft, sie aufzufangen! Er konnte gerade noch ihre Hand schnappen, als sie fiel."
 

Der Soldat kniff die Augen zusammen, als er versuchte, alles genauso zu schildern, wie er es gesehen hatte. "Sie hing in der Luft und er hielt sie mit seiner rechten Hand, seiner Klaue, fest. Dabei musste er sich ziemlich weit nach rechts von seinem Drachen runterbeugen. Aber dabei er hat nicht gesehen, wie eines der Viecher auf ihn schoss, im gleichen Moment wie er sein Flugmanöver vollendet und die Kleine geschnappt hatte. Es ging alles so schnell und gleichzeitig. Auf einmal schrie einer der Jungs auf und wir sahen wie Laures-sama von weitem angeflogen kam, auch so unheimlich schnell. Es passierte alles so schnell, wir wussten nicht, wo wir hinschauen sollten.

Aber Zadei hatte nur auf Lady Sherril geschaut, er sah den Feuerball erst, als dieser direkt vor ihm war. Er konnte sich kaum noch schützen und so traf das Ding ihn mit voller Wucht. Im gleichen Moment hatte Laures uns erreicht und mit einer einzigen Attacke, machte er der ganzen Herde innerhalb von einer Sekunde den Garaus!"
 

Der Mann gestikulierte wild mit den Armen. Titius konnte verstehen, wie sehr er von Laures Kräften beeindruckt war. Er erinnerte sich an seine Ergriffenheit, als er seinen Fürsten zum ersten Mal in Aktion gesehen hatte. Damals, als Laures ihn gerettet hatte...Titius vertrieb den Gedanken. Das gehörte jetzt wirklich nicht hier her. Außerdem fuhr der Andere weiter fort.

"Ich habe nur noch einen hellen Blitz gesehen, sah noch so gerade eben, wie Zadei zusammenbrach und das Mädchen fallen ließ. Zum Glück war Laures schnell genug um sie aufzufangen, sie muß wohl ohnmächtig geworden sein. Sonst hat sie keine Verletzungen davon getragen. Zadei-sama...war ja vor ihr, als der Feuerball in ihre Richtung flog. Na ja, und dann..."
 

"Schon gut, das reicht. Den Rest kann ich mir auch so denken. Danke, du kannst jetzt gehen." Titius machte eine Bewegung mit der Hand, die deutlich machte, dass er allein zu sein wünschte. Der Aufforderung kam er nur zu gerne nach.

Titi indes lehnte sich gegen die Wand hinter sich, vergrub das Gesicht in den Händen. Er konnte sich gut vorstellen, wie das alles abgelaufen war. Und es machte ihn zunehmend fassungsloser, je mehr er sich darüber klar wurde, was Zadei getan hatte. Er hatte Sherril festgehalten, konnte in dem Gewühl das Geschoss nicht bemerken. Und als es auf ihn zukam und er es endlich sah, hätte er nur die rechte Hand heben müssen um einen Schutzzauber aufzubauen, oder wenigstens mit der Hand das Gesicht schützen können. Oder mit dem Drachen ein Ausweichmanöver starten. Das alles aber ging nicht, solange er Sherril festhielt. Und er hatte sie bis zum Schluss nicht losgelassen...
 

Er hatte noch nicht lange so da gestanden, als sich wieder Schritte vernehmen ließen. Doch Titius musste nicht mal aufsehen, um zu wissen, um wen es sich hier handelte. Die Aura, die Laures verströmte, würde Titi unter tausenden widererkennen. Als sein Herr vor ihm stand, vollführte der weißhaarige Dämon seine übliche, ehrerbietende Verbeugung, fragte aber sofort: "Wie geht es Sherril?"
 

Laures lächelte milde. Er war soeben bei seiner Frau gewesen und hatte seinen gesunden Sohn das erste mal sehen können. Außerdem hatte er auch seine Tochter wieder. Eigentlich hatte er allen Grund, erleichtert zu sein. Wenn da die Sache mit Zadei nicht wäre...

"Im Moment in ihrem Zimmer. Hilda hat schon versucht mit ihr zu sprechen, aber sie sagt keinen Ton. Sie muss das alles wohl erst mal für sich verarbeiten. Sie ist direkt in Ohnmacht gefallen, nachdem Zadei attackiert wurde und ich weiß nicht, wie viel sie gesehen hat. Sie ist zwar während der Rückreise aufgewacht, hat aber seitdem kein Wort gesprochen. Es braucht wohl Zeit, bis sie damit fertig geworden ist."

"Werdet ihr sie strafen?"

Laures seufzte. "Ich denke, der Schock und das, was sie gesehen hat, ist erstmal Strafe genug für sie. Und es ist ja noch nicht vorbei..." Laures deutete mit einem Nicken in Richtung Zadeis Zimmertür, bemerkte dabei aus dem Augenwinkel, wie Titius sich auf die Lippen biss. Sein engster Vertrauter sah nicht besonders gut aus. Der Tag war lang und anstrengend gewesen und hatte einen Schock nach dem anderen für sie alle bereitgehalten. Und der vermeintliche Engel schien am meisten mitgenommen worden zu sein.
 

Laures streckte eine Hand nach ihm aus und nahm das fein geschwungene Kinn seines Dieners zwischen die Finger. Dieser schaute ihn etwas verwirrt an.

"Zadei wird sich wieder regenerieren. Er hat die Kraft dazu. In ein paar Tagen ist er wieder hergestellt. Er schafft es ganz bestimmt. Und wegen der Sache heute morgen: Ich wollte, dass du deine Aufgabe richtig erledigst, so dass ich mir nicht so viel Sorgen wegen Hilda machen muss. Ich wusste, dass sie bei dir in guten Händen sein würde. Ich hätte dich nicht gestraft, wäre bei der Geburt etwas schiefgegangen. Ich weiß nämlich, dass du immer dein bestes gibst, wenn ich es von dir verlange. Immerhin...hast du mich noch nie im Stich gelassen, nicht wahr?!", raunte er leise, nahm dabei eine von Titis silbernen Haarsträhnen zwischen die Finger und ließ sie zärtlich hindurch gleiten.

Titi sah ihn verwundert an. Versuchte sein Fürst gerade tatsächlich, ihn aufzumuntern? Und wieder kam ihm der Gedanke, dass an seinem Herrn wirklich alles so unheimlich perfekt war. Er war durch und durch ein Herrscher, eine stolze und aufrichtige Seele, die durch nichts beschmutzt werden konnte. Ergeben sank er auf den Boden, küsste den Saum des Mantels seines Herrn und bekundete:
 

"Ich würde mich niemals widersetzen, Laures-sama. Ihr könnt euch immer auf mich verlassen."

In diesem Moment öffnete sich die Tür zu Zadeis Räumlichkeiten und der Arzt erschien. Als er den Dämonenfürst und seinen Diener erblickte, der noch immer vor ihm kniete, ging er zu ihnen rüber, verneigte sich und erstattete Bericht.

"Zadei-sama hat schwere Verbrennungen im Gesicht und auch teilweise am Oberkörper. Aber er hat genügend Regenerationskräfte, ich schätze, in ein bis zwei Tagen wird die fehlende Haut wieder hergestellt sein. Einzig das linke Auge macht mir sorgen. Die Verletzung ist sehr schwer, ich kann nicht sagen, ob es ganz wieder hergestellt werden kann. Um ehrlich zu sein, bezweifle ich es sehr. Es tut mir leid." Sein Blick fiel dabei auf Titius, der sich langsam wieder erhob und ihn mit traurigen, blauen Augen ansah.
 

"Ich habe den Heilungsprozess mit Salben unterstützt. Außerdem habe ich ihm ein starkes Schlafmittel verabreicht, damit er nicht aufwacht, bevor er zumindest teilweise wiederhergestellt ist. Er wird vor morgen nicht aufwachen. Und er muss in dieser Nacht absolute Ruhe haben", meinte er noch, bevor er sich abermals verbeugte und sich verabschiedete, natürlich mit dem Hinweis, ihn jede Zeit zu wecken, wenn es Probleme geben sollte. Er war sichtlich erschöpft.
 

Laures wandte sich darauf wieder an seinen Untergebenen. "Ich denke, wir können im Moment nicht mehr tun, als abzuwarten. Und vor allem solltest du dich jetzt etwas ausruhen. Du siehst wirklich fertig aus."

"Ich würde gerne noch mal nach Zadei sehen bevor..." wandte Titi ein, als Laures auch schon den Kopf schüttelte. "Du hast gehört, was der Arzt gesagt hat. Er braucht absolute Ruhe. Und du brauchst sie auch dringend."

Titi gab sich daraufhin geschlagen. Er nickte nur schwach, verbeugte sich noch einmal und wandte sich ab. Er versuchte sich selbst Mut zuzusprechen. Immerhin hatte Zadei schon einmal seine ganze Hand verloren, damals, als er Titius vor Laures hatte beschützen wollen. Und die hatte sich ja auch wieder regeneriert. Und, hey, der Typ hatte auch die Höllendimension überlebt. Auch das hier würde er irgendwie überstehen...Zadei war nicht so leicht unterzukriegen, wie der Dämonenengel nun schon allzu oft festgestellt hatte.
 

Er war schon ein paar Schritte gegangen, als er Laures' Stimme noch einmal hinter sich hörte.

"Du hast bestimmt schon gehört, was genau passiert ist. Du weißt, was Zadei getan hat. Und ich habe mit eigenen Augen gesehen, wie er sie noch immer festhielt, auch als er getroffen wurde... bis er schließlich das Bewusstsein verlor. Ich ziehe meine Schlüsse daraus. Was ist mit dir?" Titius wollte sich umdrehen und etwas erwidern, aber als er sich umsah, hatte Laures sich bereits abgewandt und war schon halb in den Schatten der weiten Flure verschwunden. So schwebte die Frage unbeantwortet in der Luft, setzte sich in Titius' Kopf fest. Aber wie auf so viele andere auch, wusste er auch auf diese keine Antwort.
 

*********
 

Rastlos lief Titius durch die Gänge. Er war einerseits erschöpft und müde, andererseits hielt irgendetwas ihn davon ab, in sein Zimmer zu gehen. Er wusste nicht warum, aber die Vorstellung von der Abgeschiedenheit seines kalten Zimmers bereitete ihm größtes Unbehagen. Darum wanderte er eine Weile ziellos durch die Gänge, versuchte, einen klaren Kopf zu bekommen und seine Gefühle zu ordnen. Er merkte, wie sehr er sich um Zadei sorgte und das ängstigte ihn gleichzeitig.
 

Irgendwann, er wusste nicht wie lange er durch die endlosen Gänge des Palastes gewandert war, als er sich plötzlich vor der Tür zu Sherrils Zimmer wieder fand. Einen Moment hielt er inne, musste aber nicht lange überlegen, schon ging er zur Tür und klopfte. Er hatte ja noch gar nicht mit ihr gesprochen. Wie musste sie sich fühlen, nach allem, was sie erlebt hatte? Laures hatte gesagt, Sherril hatte kein Wort gesprochen, seit sie angekommen waren. Bestimmt brauchte sie Zeit allein, um alles zu verarbeiten und vermutlich hatten Hilda und Laures schon mit ihr geredet, aber Titius wollte sie trotzdem noch mal sehen, selbst sehen, wie es ihr ging.
 

Auf sein Klopfen kam keine Antwort. Er klopfte ein zweites mal und als wieder nichts geschah, kam er mit dem Gesicht nah an die Tür und sagte mit sanfter Stimme, die jedoch laut genug war, dass das Mädchen sie hören konnte: "Sherril? Du bist doch da, nicht war? Ich komme rein, in Ordnung?" Obwohl wieder keine Antwort kam, drückte Titi langsam die Klinke und trat ein in Sherrils Zimmer. Es war recht dunkel hier, nur ein paar Kerzen brannten auf den Nachttischchen um das große Himmelbett, auf dem Sherril lag. Sie lag auf der Seite und hatte Titi den Rücken zugekehrt. Sie hatte sich zusammengekrümmt wie ein Embryo und sagte noch immer kein Wort. Ein sehr ungewöhnlicher Anblick bei dem Mädchen, auch für Titius. Langsamen Schrittes ging er um das Bett herum, bis er sie von vorne sehen konnte.
 

Dann strich er den violetten, fast durchsichtigen Vorhang des Himmelbettes beiseite und betrachtete das Mädchen. "Ich bin's, kleine Lady. Darf ich mich setzen?"

Jetzt sah Sherril zu ihm auf. Ihre Augen glitzerten feucht in dem schwachen Licht. "Bist du gekommen, um mit mir zu schimpfen?" kam die leise Frage.

Titi lächelte leicht. "Hat denn bis jetzt jemand mit dir geschimpft? Ich glaube nicht. Und ich glaube auch, dass das nicht nötig ist. Ich denke du weißt ganz genau, was du getan hast und welche Konsequenzen es nach sich gezogen hat."
 

Sherril beobachtete die weiß glänzende Gestalt vor sich, die sich mit traurigem Gesicht langsam auf die Bettkante sinken ließ. Die weißen Flügel umrahmten Titius' Gestalt, wölbten sich leicht nach unten. Abrupt richtete sie sich auf und erneut stiegen ihr Tränen in die Augen.

"Ich hab das wirklich nicht gewollt, Titius, bitte, du musst mir glauben! Du darfst mir nicht böse sein, bitte...Es tut mir alles so leid, ich...hab das doch nicht gewollt!" Erst jetzt bemerkte der Engelsdämon, dass sie einen Gegenstand in den Armen hatte und ihn fest an sich drückte, als würde sie sich daran festhalten.
 

"Ich glaube dir, dass du das nicht gewollt hast, Sherril. Du hast einfach unüberlegt gehandelt...Sag mal, was hast du da eigentlich?" Er deutete mit einem Kopfnicken auf den Gegenstand in ihren kleinen Ärmchen. Sie folgte seinem Blick, sah an sich runter und drückte den Gegenstand noch fester an sich.

"Das ist mein Schatz", meinte sie leise, hörte für einen Moment auf zu Schluchzen.

"Darf ich mal sehen?"

"Wenn du willst..." Das Mädchen öffnete ihre Umklammerung und reichte Titius den Gegenstand, den Titi als das Schmuckkästchen erkannte, das er ihr zum Geburtstag geschenkt hatte. Aber es war genauso leicht wie damals.
 

"Ist da nichts drin?" fragte er irritiert.

"Doch, da ist was drin", meinte Sherril heftig nickend. Skeptisch öffnete er daraufhin das Kästchen und sein Blick fiel sofort auf das einzige, was es enthielt: Einen kleinen, unscheinbar wirkenden, milchigtrüben Stein. Titius seufzte.

"Die Drachenschuppe, die Zadei dir geschenkt hat...das ist dein Schatz?!" stellte er überrascht fest, dann blickte er auf, sah die kleine Lady aus traurigen, blauen Augen an.
 

"Es tut mir so leid! Ich wollte nicht, dass das passiert! Ich wollte doch nur die Drachen sehen. Es tut mir so..." sie fiel wieder ins Schluchzen zurück und wiederholte ihre Entschuldigungen tausendfach, ging gar nicht auf Titius Frage ein, die ohnehin mehr eine Feststellung war. Mit einem milden Lächeln streckte der Engelsdämon nun eine Hand aus und streichelte dem schluchzenden Mädchen tröstend über den Kopf.

"Schon gut. Komm, hör auf zu weinen. Einer hübschen Lady wie dir stehen keine Tränen", tröstete er sie mit sanfter Stimme. Daraufhin sah sie ihn wieder an, begann aber noch heftiger zu schluchzen und warf sich schließlich in seine Arme, klammerte sich an den weißen Stoff über seiner Brust und weinte hemmungslos. Liebevoll nahm er sie in die Arme und streichelte den kleinen zitternden Körper.
 

<< "Wem du einmal die Treue geschworen hast, dem ist deine Loyalität sein Leben lang gewiss, so ist es doch, nicht wahr?! Der einzige, für den das nicht gilt, bin ich.">> Plötzlich kamen Titius Zadeis Worte in den Sinn, die er zu ihm gesagt hatte, als sie sich über Sherril unterhalten hatten. Nun war Titi noch elender zumute als vorher. Irgendwie hatte ja Zadei Recht. Es fiel Titius nicht schwer, für die Kleine oder Hilda oder Laures da zu sein. Nur bei Zadei war das anders. Aber woran lag es denn?
 

Seufzend ließ er sich zurücksinken an die Lehne des Bettes, behielt das Mädchen dabei in den Armen. Er strich weiter über ihren Kopf, versuchte sie weiterhin zu beruhigen. "Mach dir keine Sogen mehr, Sherril. Zadei wird das schon schaffen. Der Arzt sagt, er hat gute Chancen." Von der Sache mit Zadeis linkem Auge sagte er erst mal nichts.
 

"Ist das wirklich wahr?" Mit tränennassem Gesicht sah sie zu ihm auf. "Es hat so schrecklich ausgesehen...als die Feuerkugel auf uns zu kam...es war alles so hell...ich dachte wirklich, er stirbt...dass er das nicht überlebt und ich auch nicht. Sein ganzes Gesicht war verbrannt. Ich krieg das Bild nicht mehr aus dem Kopf", stammelte sie unwirsch, war dabei so aufgewühlt, dass sie zu allem Überfluss auch noch einen Schluckauf bekam.
 

Bei diesem Anblick kamen Titius selbst fast die Tränen. Schnell drückte er sie wieder fest an seine bereits tränennasse Brust. Er versuchte, seine Stimme so sicher wie möglich klingen zu lassen, als er beschwörend meinte: "Glaub mir, Zadei-sama hat schon ganz andere Dinge durchgestanden. Er war sogar schon in einer Höllendimension gefangen und selbst daraus kam er wieder hervorgekrochen. Er ist wie Unkraut und Unkraut vergeht ja bekanntlich nicht." Seine Worte verfehlten ihre Wirkung nicht, sie beruhigte sich tatsächlich eine klein wenig.

"Das mit dem Unkraut ist aber ein sehr unschöner Vergleich", murmelte sie unter ihm.

"Tja, vielleicht hast du Recht. Aber mir fällt...nichts anderes ein." Er schmunzelte dabei ein wenig, wurde aber plötzlich wieder ernst. <<Sehen andere etwas anderes in ihm als ich? Bin ich vielleicht sogar der einzige, der dieses Bild von ihm hat?>>
 

Noch eine ganze Weile saßen sie so zusammen. Titius versuchte weiter, sie mit Worten zu trösten, aber nach einiger Zeit schwiegen sie beide, jeder in seine eigenen Gedanken versunken. Aber es dauerte gar nicht mehr lange, bis Titi merkte, wie Sherrils Atmung zunehmend ruhiger wurde, bis sie schließlich völlig erschöpft auf seinem Schoß einschlief, immer noch fest an ihn geschmiegt. Einen Moment lang überlegte Titius, ob er sie von sich runterschieben und in sein eigenes Zimmer gehen sollte, aber wieder kam ihm das Bild von der kühlen Einsamkeit seines Zimmers in den Sinn. Außerdem wollte er nicht riskieren, die Kleine wieder zu wecken.
 

Also ließ er sich noch etwas tiefer in die weichen Kissen in seinem Rücken sinken, bis er einigermaßen bequem lag bzw. halb saß, und schloss nun auch die Augen. Auch ihm hatte der Tag reichlich zugesetzt. Darum dauerte es auch bei ihm nicht lange, bis er in einen tiefen Erschöpfungsschlaf fiel, zum Glück frei von jedem Traum.
 

*******
 

Der nächste Tag begann für Titius erst gegen Mittag, als er und Sherril durch die Amme geweckt wurden, die ins Zimmer kam um die kleine Lady zum Essen zu holen. Als sie festgestellt hatte, dass auch Titius sich im Zimmer befand und sie ihn geweckt hatte, entschuldigte sie sich tausendfach, aber Titius winkte ab; er hatte sowieso nicht vor gehabt, so lange zu schlafen.
 

Doch Sherril war bei weitem nicht so gelassen, sie wollte nicht aufstehen und ihr Zimmer verlassen und schon gar nicht essen. Trotzig klammerte sie sich an dem Engel fest. Aber schließlich gelang es der Amme und Titius mit vereinten Kräften, die kleine Prinzessin davon zu überzeugen, dass sie in jedem Fall etwas essen musste, wenn sie nicht krank werden wollte. Außerdem durfte sie mit ihrer Mutter und ihrem kleinen Bruder zusammen essen, was sie dann doch schnell umstimmte und sie beinahe wieder etwas fröhlich werden ließ.
 

Als die beiden Frauen verschwunden waren, verließ auch Titius das Zimmer. Aber er hatte keineswegs vor, seinen üblichen Arbeiten nachzugehen. Stattdessen steuerte er Zadeis Räumlichkeiten an. Der Arzt hatte gesagt, dass er heute aufwachen würde, also hatte er beschlossen, darauf zu warten. Es war in jedem Fall besser, wenn jemand da war, wenn er zu sich kam.
 

Den Dienstboten, denen der engste Vertraute des Dämonenfürsts unterwegs begegnete, gab er einige Anweisungen und teilte ihnen mit, wo er im Notfall zu finden sein würde. Und schließlich gelangte er am Zielort an und öffnete leise die Tür zu Zadeis Zimmer. Es war völlig still hier drin. Langsam schritt er auf das große, rot bezogene Himmelbett zu, auf dem der Dämonengeneral lag und zog sachte einen der dunkelroten Samtvorhänge zurück. Irgendwie erschien es ihm wie ein dejà-vue. Genau so hatte er den schlafenden Zadei schon oft betrachtet während der vergangenen sieben Jahre, als er unten in den Katakomben gelegen hatte. Und auch jetzt stellte er sich wieder ungeduldig die Frage, wann er wohl aufwachen würde.
 

Titius seufzte. Und wenn er dann aufgewacht war, dann wusste er wieder nicht, wie er sich verhalten sollte. Und dann würde wieder irgendetwas schiefgehen. Es war immer das gleiche. Immer wenn Zadei vor ihm stand, kam er sich so hilflos und gleichzeitig ratlos vor. Und ohne es zu wollen, provozierte er Zadei dann immer. Warum verstand Zadei ihn denn nur nicht? Aber andererseits...hatte er seinerseits jemals versucht, Zadei zu verstehen?
 

Titius nahm sich einen Stuhl, der in einer Ecke des Zimmers stand, schob ihn neben das Bett und setzte sich darauf. Dann betrachtete er das schlafende Gesicht unter sich. Um den schwarzhaarigen Kopf war ein Verband gewickelt, der das linke Auge verbarg. Die zerstörte Haut schien sich schon ziemlich gut regeneriert zu haben, auch an der bandagierten Brust, soweit Titi es erkennen konnte. Nein, Unkraut verging wirklich nicht. Egal, was Zadei bis jetzt zugestoßen war, am Ende landete er irgendwie immer wieder an Titius' Seite. Er kam immer zurück zu ihm. Warum war Zadei nur so besessen von ihm, der er ja eigentlich nur ein kleiner Unterdämon war, der nur durch reinen Zufall überhaupt noch am Leben war?!
 

Und dabei hatte er Zadei von Anfang von sich gestoßen, ihn immer die volle Härte seiner Ablehnung und Verachtung spüren lassen. Und Zadei hatte es ihm ja auch leicht gemacht, nach allem, was er ihm angetan hatte, hatte Titi durchaus Grund genug, ihn zu verabscheuen. Aber wenn Titius ganz ehrlich mit sich war...hatte er den anderen nicht schon verurteilt, noch bevor er damals das Siegel gebrochen und ihn befreit hatte? Angenommen, der Dämonengeneral hätte sich von Anfang an anders verhalten, hätte Titi nicht verletzt, wäre vielleicht sogar freundlich zu ihm gewesen und hätte genau so agiert, wie Titi es in seinem damaligen Plan vorgesehen hatte...hätte er selber sich dann auch anders verhalten...? Die Erkenntnis, wie die ehrliche Antwort auf diese Frage lautete, schockierte Titius in diesem Moment selber...
 

Viele Stunden saß er auf diese Weise grübelnd an Zadeis Seite, ohne eine Regung seitens des anderen wahrzunehmen. Inzwischen war eine Dienerin gekommen, hatte ihrem Vorgesetzten etwas zu Essen angeboten, was dieser aber dankend ablehnte. Ähnlich wie Sherril, hatte auch er keinen Appetit. So verging die Zeit und Titi fragte sich schon, ob der Arzt sich nicht vielleicht geirrt hatte oder das Schlafmittel zu stark gewesen war. Aber endlich, es musste schon später Nachmittag sein, begann Zadei sich zu regen.
 

Titius bemerkte zunächst nur die etwas zuckende Hand und die unregelmäßiger werdende Atmung. Aufgeregt blickte er in das maskuline Gesicht, das langsam zu zucken begann. Und dann öffnete sich tatsächlich Zadeis rechtes Auge und er gab ein mühsames Stöhnen von sich.

"Zadei-sama! Endlich seid ihr wach. Wie fühlt ihr euch?" fragte Titius etwas erleichtert.

Etwas verwirrt richtete sich das goldene Auge nun auf ihn. Zadei schien nicht ganz glauben zu können, das Titius es war, der hier bei ihm saß.
 

Dann formten seine Lippen Worte, allerdings versagte seine Stimme und er musste sich erst räuspern, um seine Stimmbänder wieder in Bewegung zu bringen.

"Ähm...na ja, wenn du das genau wissen willst: ich fühle mich, als hätte mich eine Horde Elefanten überrannt", sagte er mit heiserer Stimme. "Bin ich im Schloss? Oder vielleicht doch schon tot und im Himmel und du erscheinst mir jetzt als echter Engel?"

Natürlich. Selbst in diesem Zustand hatte Zadei einen dummen Spruch drauf. Titius schüttelte den Kopf.
 

"Ich bezweifle, dass ihr nach eurem Tod in den Himmel kommen würdet. Und ich wohl genauso wenig...Ich weiß nicht, ob ihr euch erinnern könnt, aber Laures-sama hat in den Kampf eingegriffen und euch hierher gebracht. Und das ihr euch so kraftlos fühlt ist normal, euer Körper hat sehr viel Kraft für die Regeneration verbraucht. Ihr habt sehr schwere Verbrennungen erlitten...aber das meiste scheint ja wieder verheilt zu sein."
 

Zadei hörte aufmerksam zu, aber Titius merkte, dass ihm das einige Mühe bereitete. Sein Körper war vermutlich so ausgelaugt, dass er sich kaum bewegen konnte und wahrscheinlich hatte er noch Schmerzen, wovon er sich natürlich nichts anmerken lassen wollte.

"Aha. Und was ist mit dem Monster?"

"Oh, keine Sorge, Laures hat jedes von ihnen vernichtet."

"Herr Gott nein, ich meine nicht die Viecher, sondern Sherril...ist sie noch an einem Stück?"
 

Schon machte Zadei sich bereit für einen stechenden Blick von Titius, gefolgt von einem herablassenden Tadel. Umso erstaunter war er, als nichts dergleichen folgte. Titius senkte den Blick nur etwas.

"Der kleinen Lady geht es körperlich gut. Sie hat nur einen Schock erlitten."

"Sehr gut, dann kann ich das Gör ja mit eigenen Händen umbringen!", knurrte Zadei, aber auch jetzt bekam er keine Strafpredigt. Oh Gott, er musste mitleiderregent aussehen, wenn Titius nicht mal darauf einging!
 

Stattdessen sah Titi ihn nur mit einem seltsamen Blick an.

"Ihr würdet es ja doch nicht tun." Zadei schwieg daraufhin, richtete seinen Blick an die Decke.

"Sherrils neuer kleiner Bruder ist im Übrigen auch bei bester Gesundheit. Die Geburt verlief gut", teilte Titi ihm noch mit, was er aber nur mit einem gedankenverlorenen Nicken registrierte.
 

Dann war es einige Minuten still zwischen ihnen. Titius beobachtete Zadei etwas verwundert, wie er so schweigsam an die Decke starrte. So war er ihn gar nicht gewöhnt. Als einige Minuten der Stille verstrichen waren, in denen Zadei sich kein bisschen geregt hatte, hielt Titius es nicht mehr aus, verzweifelt suchte er nach etwas, um das betretene Schweigen zu unterbrechen.

"Kann...kann ich vielleicht etwas für euch tun, Zadei-sama? Wünscht ihr etwas zu essen? Oder soll ich den Arzt kommen lassen?"
 

Damit hatte er den anderen wohl aus seinen Gedanken gerissen, denn erst etwas verzögert drehte er den Kopf zu ihm, sah ihn mit dem einen goldenen Auge an.

"Was? Ähm, nein danke...obwohl, wenn du den Verband um meinen Kopf abmachen könntest...Er stört und es ist so dunkel auf dem linken Auge."

"Ja, natürlich." Titius stand auf, beugte sich rüber und begann, vorsichtig an dem Verband zu nesteln und ihn dann langsam abzuwickeln. Er arbeitete langsam, um den geschwächten Zadei nicht noch zu verletzen. Bahn um Bahn entfernte er den weißen Stoff, bis er schließlich auch den letzten Streifen entfernte, doch was er dann sah, ließ ihn zusammenzucken.
 

Statt des erwarteten goldenen Auges mit dem katzenartigen Schlitz blickte er in eine hellgraue, milchigtrübe Iris ohne Pupille. Augenblicklich schlug er eine Hand vor den Mund, konnte aber den kehligen Laut, der sich ihm vor Schreck entwand, nicht unterdrücken.

"Was ist, Titi? Ist der Verband schon runter? Es fühlt sich noch immer so komisch an..." Zadei sah ihn fragend an und Titius glitt zitternd mit dem Verband in der Hand auf seinen Stuhl zurück.
 

"Es...es tut mir so leid, Zadei-sama...euer Auge...euer Auge...es..." Noch während Titius stammelte, hob Zadei eine Hand vor die Augen und kniff dass rechte zu. Aber alles, was er durch das linke Auge sah, waren ein paar Lichtreflexe, weder Formen noch Farben. Er konnte seine eigene Hand nicht sehen...

Für einen Moment verdüsterte sich sein Gesichtsausdruck, er ballte die Hand zur Faust und ließ sie langsam wieder auf die Decke sinken, wobei er einmal hörbar tief einatmete und beide Augen schloss.
 

Zwei Sekunden blieb er so, dann öffnete er die Augen wieder und drehte den Kopf zu dem Engel neben sich, der inzwischen verstummt war.
 

"Tja, auch meine Regenerationskräfte haben scheinbar ihre Grenzen", meinte er mit einem schiefen Lächeln.

"Es tut mir so leid, Zadei-sama. Das...meine ich wirklich ernst." Titius senkte den Blick, sah ihn nicht an, aber Zadei blieb der Mund offen stehen. War das wirklich ein feuchtes Glitzern in den eisblauen Augen seines Engels? Konnte das wirklich sein?! Zadei reckte den Kopf etwas, um das ebenmäßige Gesicht genauer betrachten zu können, aber Titius hatte den Kopf so zur Seite geneigt, dass er es nicht genau sehen konnte.
 

"Sag mal, kann es wirklich sein, dass du dir Sorgen um mich machst? Weißt du, Titius, ein Auge reicht vollkommen aus um zu sehen. Es ist in Ordnung, für mich ist das genug." <<Solange ich dich damit sehen kann, reicht mir eines völlig aus.>>

Titi wandte ihm sein Gesicht noch immer nicht zu, schwieg eine Weile und Zadei hätte in diesem Moment auch sein anderes Auge dafür gegeben, jetzt die Kraft zu haben sich aufzusetzen und in das Gesicht seines Engels zu sehen, nur um sicher zu gehen, dass er sich nicht irrte. Aber sein Körper war wie Blei, sogar das Atmen fiel ihm sehr schwer, er war einfach zu erschöpft. Also konnte er nicht feststellen, ob Titi wirklich Tränen wegen ihm vergoss.
 

Plötzlich erhob sich wieder die sanfte Stimme des Engelsgleichen. "Ich weiß nicht, warum ihr das getan habt, aber ich bin euch dankbar dafür, dass ihr Sherril beschützt habt. Und ich denke, ich spreche auch für Laures-sama. Auch er war beeindruckt von eurer Tat...Danke..."

Zadei konnte seinen Ohren kaum trauen. Was wurde denn hier gespielt?

"Also, ich hatte bestimmt nicht vor, den strahlenden Helden zu spielen. Ich wollte lediglich verhindern, dass Laures mir den Schädel spaltet, weil ich seine unerzogene Rotzgöre von ein paar dummen Riesenrochen fressen lasse. Ich hatte also die Wahl zwischen gegrillt werden oder von ihm persönlich gekillt zu werden. Und du weißt, dass ich ihn nicht leiden kann, da habe ich den Rochen halt vorgezogen", erklärte er in einem beiläufigen Ton, hoffte, die Stimmung dadurch etwas aufzulockern, merkte aber gleichzeitig, wie es ihm zunehmend schwerer fiel, konzentriert zu bleiben und die Augen offen zu halten.
 

Er kämpfte gegen den Schlaf an, der ihn wieder überkommen wollte. In diesem Moment drehte Titius sein Gesicht wieder zu ihm um und Zadei glaubte, sein Herz würde zerspringen, als er in dem engelhaften Gesicht über sich Tränenspuren entdeckte und schließlich...ein leichtes, zaghaftes Lächeln. Es war genau das Lächeln, dass er schon oft in Titius' Gesicht gesehen hatte, das aber nie ihm gegolten hatte. Aber jetzt lächelte sein Engel ihn tatsächlich zaghaft an. Dieses Bild war das letzte, was er sah, bevor der Schlaf ihn endgültig überkam und die leisen Worte "Natürlich, Zadei-sama. Nur aus diesem Grund..." waren das letzte, was er hörte.
 

Titius merkte, wie Zadei langsam wegdriftete, wie ihm die Augen zufielen, obwohl er dagegen ankämpfte. Sein Körper forderte nun mal seinen Tribut für all die Kräfte, die er verbraucht hatte. Leise stand er auf und ging zum großen Fenster. Die Abenddämmerung setzte langsam ein und der Himmel über der Dämonenwelt nahm einen rötlichen Ton an. Vorsichtig tastete er über sein eigenes Gesicht. Es war tatsächlich etwas feucht. Kaum zu glauben, dass ihn das ganze so mitnahm. Aber wie er es auch drehte und wendete, er konnte nicht verleugnen, dass es ihm wehtat, Zadei so zu sehen. Ärgerlich war nur, dass er sich vor ihm so die Blöße gegeben und seine Gefühle so offen gezeigt hatte. Aber bei allem was recht war, dies war die friedlichste Konversation zwischen ihnen gewesen, die jemals stattgefunden hatte...
 

Er zog die schweren Vorhänge zu, dann ging er durchs Zimmer und entzündete eine Kerze, die er auf den Nachttisch stellte. Dann setzte er sich wieder auf seinen Stuhl. Er würde noch ein wenig hier sitzen bleiben, nur noch ein wenig, etwas anderes hatte er sowieso nicht zu tun.
 

********
 

Die Kerze war ausgegangen. Das war es wohl, was Titius geweckt hatte. Etwas verwirrt blickte er sich in dem dunklen Zimmer um, das nur ganz leicht vom Mondlicht erhellt wurde, das gedämpft durch die Vorhänge am Fenster fiel. Es war offenbar mitten in der Nacht. Titius legte eine Hand in seinen steifen Nacken. Er musste wohl auf dem Stuhl eingeschlafen sein. Na, das hatte er ja eigentlich nicht geplant. Er warf einen Blick auf die friedlich schlafende Gestalt im Bett vor ihm. Dann stand er auf und ging auf das Fenster mit dem Balkon zu, während er sich den schmerzenden Nacken rieb. Er zog die Vorhänge zurück und öffnete die Tür, trat hinaus ins Mondlicht. Immer, wenn er nachts wach war, zog es ihn nach draußen. Er betrachtete den weißen, fast vollen Mond über sich, während der kühle Wind mit seinen offenen Haaren spielte. Wie viele Nächte hatte er schon so verbracht?
 

Es kam so oft vor, dass er nicht schlafen konnte, er konnte schon nicht mehr zählen wie oft er einfach stundenlang auf dem Balkon in seinem Zimmer stand und darauf wartete, dass es endlich morgen wurde. Die Nacht war seltsam und beängstigend. Die Zeit schien stillzustehen und alle Gefühle und Emotionen schienen so viel stärker zu sein als am Tag.
 

"Du bist wie der Mond, Titius. Genau so strahlend weiß und wunderschön. Aber auch vollkommen unerreichbar für mich."
 

Titius fuhr blitzartig herum. Für einen Moment machte sein Herz einen Aussetzer vor Schreck, als er Zadei im Türrahmen lehnen sah.

"Zadei-sama, ich dachte ihr schliefet...Ihr dürft doch noch gar nicht aufstehen! Ihr hättet doch nur zu rufen brauchen, wenn ihr etwas wünscht."

"Tja, ich bin halt von Natur aus neugierig und ich wollte halt wissen, warum meine Balkontür aufstand. Es geht mir schon etwas besser als vorhin. Außerdem brauche ich frische Luft."

"Entschuldigt, ich wollte eigentlich gar nicht mehr hier sein, aber ich muss eingeschlafen sein."

"Deine Gegenwart stört mich nicht im Geringsten. Stört dich meine?"
 

Zadei stieß sich vom Türrahmen ab und trat nun endgültig hinaus in die kühle Nachtluft. Dabei näherte er sich Titius, der wie immer instinktiv zurückwich. Und zu seiner Überraschung hielt Zadei tatsächlich inne.

"Ich...werde dich nicht berühren, keine Angst." Mit diesen leise gesprochenen Worten ging er tatsächlich an Titius vorbei und stützte sich auf das Geländer, blickte in die Ferne.

Ein paar Minuten haderte Titius mit sich, aber dann fasste er einen Entschluss, trat neben den anderen, allerdings mit einem gewissen Sicherheitsabstand, und stützte sich genau wie er auf das Geländer.
 

"Ihr könnt es einfach nicht lassen, was?", sagte er dann unvermittelt, ohne Zadei anzusehen.

"Was meinst du?" Der Schwarzhaarige blickte ihn fragend von der Seite an.

"Ihr sagt immer solche Dinge zu mir. Ich frage mich immer wieder, warum ihr das tut."

"Weil ich dich lie..."

"Shht!" Titius drehte sich nun zu ihm um und legte mahnend den Finger an die Lippen. "Sagt das nicht! Sprecht diese Worte nicht aus, ohne zu wissen, wovon ihr redet. Ich...hasse es, diese Worte aus eurem Mund zu hören!"
 

Zadei zog die Augenbrauen zusammen und sah das helle Geschöpf neben sich mit seinem goldenen Auge ernst an.

"Und warum glaubst du nicht, dass ich weiß wovon ich rede?"

"Weil eure Taten diesen Worten immer widersprechen. Das tun sie immer." Erneut wandte Titius seinen Blick ab, konnte selbst nicht ganz fassen, dass er so offen mit dem anderen sprach. Auch Zadei wendete den Blick wieder in den schwarzen Nachthimmel und dabei erinnerte er sich Hildas Worte.
 

<<Man darf in seinem Egoismus nicht soweit gehen, dass man den anderen einschränkt oder ihn verletzt. Solange das der Fall ist, handelt es sich nicht um Liebe. Es ist etwas anderes. Begehren, Verlangen vielleicht, aber keine Liebe.>>
 

"Ich habe dich verletzt. Ich weiß das. Auch neulich Nacht, nach dem Ball. Aber ich kann es nicht verhindern. Ich will dich, das weiss ich mit jeder Faser meines Körpers. Und wenn du in meiner Nähe bist, nimmt dieses Gefühl einfach viel zu sehr überhand. Ich kann dich einfach nicht aufgeben! Es ist genau so, wie ich dir in jener Nacht sagte: ich gebe erst dann auf, wenn du mich mit eigenen Händen tötest."
 

"Lügner!" rief Titius anklagend, wurde dann aber wieder ruhiger. "Im Grunde habe ich euch schon einmal getötet. Oder habt ihr schon vergessen, dass ich es war, der euch das Schwert der Azeel in die Brust rammte?"

"Aber es ist dir letztlich nicht gelungen."

"Weil Laures-sama uns alle gerettet hat."
 

"Natürlich...Laures..." Zadei lächelte bitter. "In deinen Augen ist er immer der strahlendste Held von allen, egal was er tut. Und nach dem, was er damals getan hat, musst du ihn ja erst recht vergöttern. Ich kann einfach nicht zu ihm aufschließen, egal was ich tue, denn er vergrößert den Abstand zwischen sich und mir immer mehr."
 

"Ihr hattet von Anfang an keine Chance gegen ihn...ihr konntet gar nicht zu ihm aufschließen, egal was ihr getan hättet, denn ich hätte es nicht zugelassen." Titius schloss die Augen, als er in sich ging. "Ihr habt in der Nacht nach dem Ball gefragt, wer von uns beiden mehr Schuld an der Situation trägt. Ich habe viel darüber nachgedacht. Ich habe darüber nachgedacht, was gewesen wäre, wenn ihr euch von Anfang an anders verhalten hättet. Darauf habe ich eine Antwort gefunden, auch, wenn sie mich selber schockiert hat." Titius schluckte, als er so ehrlich mit sich selber war wie noch nie zuvor in seinem Leben.

"Ich hätte euch umgebracht. Ihr wart eine Figur in meinem Spiel, ich wollte euch benutzen um Laures-sama wieder an seine Pflichten zu erinnern. Ich hatte von Anfang an geplant, euch dafür zu opfern. Und...es hätte nichts geändert, wenn ihr euch mir gegenüber anders verhalten hättet. Ich hätte euch benutzt, wie ich auch Sherril für meine Zwecke benutzt habe, eiskalt und das, obwohl ich sie wirklich mochte. Das ist die Wahrheit."
 

Er sah Zadei von der Seite aus den Augenwinkeln an. Seine blauen Augen glänzten so kalt wie eh und je. Sie ließen keinen Zweifel an seiner Entschlußkraft zu. Zadei schwieg. Obwohl der Inhalt dieser Worte ihm bekannt war, schmerzten sie trotzdem. Aber er sagte nichts, denn er hatte das Gefühl, dass Titius noch mehr zu sagen hatte und er behielt recht, denn schon fuhr dieser fort.
 

"Was ich damit sagen will, ist...ich hatte euch von vornherein verurteilt, ich hätte in keinem Fall auch nur die geringste Chance gegeben. Diese Schuld nehme ich auf mich. Aber all das andere...das Siegel, die Eiswüste...all das, was ihr mir angetan habt, dass kann ich nicht...", seine Stimme versagte, er musste hart schlucken, als die Bilder der Vergangenheit abermals vor seinem geistigen Auge auftauchten.
 

"Aber ich habe dir einen ganz schönen Strich durch die Rechnung gemacht, was? Hättste nicht gedacht, dass ich doch nicht ganz so blöd bin, wie du glaubtest?! Ich habe dir das Siegel auferlegt, weil ich ahnte, dass du mich vielleicht hintergehen würdest. Zumindest war das am Anfang der Grund. Später diente das Siegel vor allem dazu, dich an mich zu binden. Aber, na ja. Das hat ja auch nicht geklappt. In dem Punkt hast du mir einen Strich durch die Rechnung gemacht."

"Ich schätze, wir sind beide ziemlich dickköpfig..."

"...und verbohrt", ergänzte Zadei noch immer mit einem traurigen Lächeln. Dann sog er die Luft scharf ein. "Das, was ich getan habe...Sherril sagte, du hast oft Albträume. Ich weiß nicht, was du träumst, aber wenn es dir schlecht geht, wenn du wieder so etwas träumst, dann...komm einfach rüber und hau' mir eine rein! Einfach so, egal zu welcher Zeit!"
 

Titius sah ihn mit hochgezogener Augenbraue an. "Ihr seid kindisch, Zadei."

"Ich weiß. Und ich meine es ernst. Ich weiß, dass du mir nicht verzeihen kannst und ich habe nicht das geringste Recht, dich darum zu bitten. Ich kann nichts sagen, was dir helfen könnte. Ich kann dir zwar sagen, dass so etwas nicht mehr vorkommen wird, aber du hast keinen Grund, mir zu glauben. Es tut mir so leid, aber ich kann es nicht ändern, ich kann meine Gefühle nicht ändern, egal, wie du sie nennst, ob Liebe oder nicht!"
 

Blaue Augen richteten sich auf ihn, musterten ihn nachdenklich. "Ihr habt euch verändert, Zadei-sama." Dieser seufzte nur.

"Wahrscheinlich war ich zuviel mit dieser kleinen Rotzgöre zusammen. Vielleicht hat sie mich ja schon so viel genervt, dass ich langsam wahnsinnig werde. Wenn ich bald meine Stiefel auf dem Kopf trage und dabei Alle-meine-Entchen singend durch den Palast hüpfe, dann bring mich bitte um."

"Ich werde dran denken."
 

Zadei lächelte, als er sah, wie Titius Gesichtszüge wieder etwas milder wurden. Um so mehr tat es ihm leid, dass er ihm jetzt eine Frage stellen mußte, die ihm jetzt so sehr auf der Seele brannte.

"Sag mal Titius, hasst du mich?"

Und wie er es vorrausgesagt hatte, verdüsterte sich die Miene des anderen wieder und am liebsten hätte er sich selbst dafür geohrfeigt, aber er wollte unbedingt die ehrliche Antwort hören.
 

Aber wie lautete die Antwort? Titius wußte es selber nicht. So oft hatte er sie sich selber schon gestellt. In manchen Momenten war er sich sicher, dass er ihn hasste, zum Beispiel, wenn ihn die Erinnerungen im Traum quälten. In anderen wiederrum, glaubte er eine gewisse Wärme in sich zu spüren, zum Beispiel wenn er Zadei beim Schlafen betrachtete. Und es gab Momente wie diesen, in denen er einfach nur ratlos war.

Er schloss noch einmal die Augen. Was fühlte er jetzt, nur jetzt in diesem Moment? Er versuchte alle Erinnerungen in den Schatten zu stellen, die positiven und die negativen. Was blieb übrig?
 

Langsam öffnete er die Augen. "Ich kann euch nicht hassen", sagte er mit leiser, aber fester Stimme.

Zadei glaubte, sein Herz würde zerspringen. Eine Welle des Glücks überflutete ihn mit einem Mal und er spürte nur noch den spontanen Drang, Titius in seine Arme zu schließen, ihn ganz fest zu halten. Und nur mit größtem Kraftaufwand gelang es ihm, sich zurück zu halten. Er hatte versprochen, ihn nicht zu berühren, jetzt musste er ihm beweisen, dass es ihm ernst war, das er ihm vetrauen konnte. Er durfte nicht wieder alles kaputtmachen.

"Ich danke dir." War das einzige, was er mit bebender Stimme hervorbrachte.
 

Titius öffnete seine Augen wieder und sah den anderen an. Trotz der Dunkelheit konnte er erkennen, wie ein Beben durch Zadeis Körper fuhr. Für einen Moment sah es so aus, als würde er dazu ansetzen, Titius an sich zu ziehen, aber überraschenderweise tat er es nicht, sondern hielt inne. Aber Zadeis Gesicht sprach Bände. Ein glückliches Lächeln umspielte seine Lippen, es wirkte unheimlich warm und dadurch begann auch Titius, sich besser zu fühlen. Und so begann auch er, zaghaft zu lächeln, schon zum zweiten mal an diesem Tag.
 

"Tja, ich schätze, damit wäre alles gesagt. Ich denke, es ist besser, wenn ich jetzt gehe. Es ist kalt", wisperte er, zögerte aber noch.

"Wenn...wenn du meinst", war die etwas traurige Antwort.

Titius nickte und setzte sich schließlich in Bewegung. Den Blick auf den Boden gerichtet ging er an Zadei vorbei auf die Blakontür zu. Als er so dicht an ihm vorbei kam, konnte er die Wärme spüren, die vom Körper des anderen ausging. Wie würde es sich wohl anfühlen, wenn...?!
 

In diesem Moment bemerkte er, wie sich eine Hand um sein Handgelenk schloß. Dann wurde er mit einer schnellen Bewegung zurückgezogen und fand sich plötzlich in Zadeis Armen wieder, der ihn so fest an sich drückte, als wäre er eine Rettungsanker.

"Es tut mir so leid. Ich habe schon wieder gelogen. Ich wollte dich nicht anfassen, aber dennoch...lass mir nur einen Augenblick, bitte."
 

Titius fühlte das Herz des anderen pochen, wie es stark gegen die breiten Brust hämmerte. Er roch Zadeis Geruch, der ihm mittlerweile so vertraut war. Und er fühlte seinen warmen Atem, der über seinen Hals strich, denn Zadei hatte den Kopf in seiner Halsbeuge vergraben. Ein warmes Gefühl durchströmt Titius. Und seltsamerweise begann auch sein eigenes Herz schneller zu pochen, schien sich dem Rythmus des anderen anzugleichen. Irgendetwas in ihm begann zu bröckeln und er merkte, wie sich etwas in ihm freisetzte, was diese Situation genoss, was wollte, dass es genau so blieb wie es jetzt war. Es sagte ihm, dass Zadeis Arme ein guter Ort waren, dass es richtig war, hier zu sein.
 

Als Titius das registrierte, begann er sofort, sich mit allen Mitteln dagegen zu wehren. Mit Mühe kratzte er das letzte bisschen Verstand zusammen und zwang sich zur Beherrschung.

"Lasst mich los, Zadei. Haltet euer Versprechen. Bitte." Im ersten Moment allerdings verfestigte sich Zadeis Griff noch und Titius spürte, wie der andere hart schluckte und einmal tief durchatmete. Und dann ließ er ihn tatsächlich los, trat einen Schritt zurück.
 

"Entschuldige. Es ist wohl wirklich besser, wenn du jetzt gehst", sagte der Dämonengeneral mit rauer Stimme und Titius nickte nur. Einmal noch sah er kurz in Zadeis Gesicht, ließ den Blick über das blinde Auge schweifen, dann über das andere goldene, dass noch immer die Narbe von damals zierte und das bewegungslos auf ihn gerichtet war. Dann atmete auch er noch einmal durch und drehte sich schließlich auf dem Absatz um, verließ diesen Ort, verließ das Zimmer, verließ Zadei, der allein auf dem Mondlicht beschienenen Balkon zurückblieb.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  KaoruKenshin
2007-07-04T15:25:53+00:00 04.07.2007 17:25
AAAAAAAAAloah!
hier das versprochene kommiXD
also die ff is wirklich ober klasse!
(auch wenn hier abgeschlossen steht, wo doch ein abgebrochen eher gepasst hätte und das sehr für verwirrung gesorgt hatXD)
--> hat mich hier schon über das offene ende gefreut (bin ich voll der fan von), und dann sagt mir ne freundin, dass es auf yaoi.de weitergehtXD
aber das richtige ende is auch super knuffig...
ich liebe das pairingXD und ich finde du hast die konflikte der beiden echt super dargestellt...
ich liebe tetei*____*XD

ja... super ff halt, ne?XD

gruß, das insan
Von: abgemeldet
2005-01-09T11:12:25+00:00 09.01.2005 12:12
Hey, ich hab deine FanFic zwar erst jezt entdegt und ich hab auch noch nicht alle Bände von Seimand gelesen,
find deine Geschichte aber voll geil.
Bitte schreib schnell weiter!


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