Ein neuer Aufgabenbereich
"Ah, sehr schön, du kommst pünktlich!", begrüßte ihn der Hohepriester, nachdem die Wachen in das Audienzzimmer geführt hatten.
Die Wache verneigte sich kurz, ehe sie die Tür hinter sich schloß und erneut Stellung im Gang bezog.
Der Steinmetz holte den Geldbeutel hervor: "Ich konnte euch die überzähligen Münzen nicht mehr zurückgeben, da ihr bereits in der Menge verschwunden wart." Er wollte den Beutel auf den Tisch legen, hinter dem der Priester stand, doch dieser sagte: "Setz dich bitte." Der Steinmetz folgte der Aufforderung, der Priester nahm ebenfalls Platz.
"Ich habe dich nicht wegen ein Paar überzähligen Münzen rufen lassen."
Überrascht sah der Steinmetz auf und begegnete wieder den unergründlich leuchtenden Augen des Hohepriesters, in die er regelrecht hineingezogen wurde.
"Behalte sie. Ich denke, dein Werk ist es wert. Ich wollte dir anbieten, zukünftig in meine Dienste zu treten, als Steinmetz für die Heiligen Tempel des Pharaos."
Als der Steinmetz nach einer Weile noch immer nichts entgegnet hatte, fuhr er fort: "Ich bin von deinen Fähigkeiten überzeugt, auch wenn ich erst eine Arbeit gesehen habe. Deine Handwerkskunst wird die Huldigung an die Gottheiten bereichern."
Der Steinmetz hatte sich wieder gefasst und erwiderte mit gesenktem Blick:
"Wenn dies euer Wunsch ist, so werde ich ihm Folge leisten."
"Gut, mein Schreiber wird dir alles Weitere mitteilen." Er bewegte in einer Geste die rechte Hand als Zeichen, dass die Unterredung beendet war.
Der Steinmetz erhob sich und verneigte sich, doch ehe er sich umwandte, um den Raum zu verlassen, hielt ihn die Stimme des Hohepriesters zurück.
"Wie ist dein Name?", wollte er wissen.
"Ich bin Breori, Hohepriester.", dieser nickte daraufhin und entließ Breori endgültig aus diesem Gespräch.
Der Schreiber führte ihn in seine neue Heimstätte, nahe den Werkstätten des Tempelordens. Es war ein schlichtes Zimmer mit einem Schreibtisch und verschiedenen Utensilien sowie einer Schlafnische.
Die Werkstatt war äußerst geräumig und umfasste mehrere Arbeitsbereiche: Hieroglyphentafeln, Skulpturen, Figurinen.
Breori war überwältigt von der Dimension dieser Arbeitsstätte, er fühlte sich leicht verloren inmitten der vielen fremden Menschen.
Der Handwerksmeister begrüßte ihn und zeigte ihm die Räume, danach führte er Breori an seinen Arbeitsplatz und erläuterte ihm den ersten Auftrag: die Herstellung einiger Gottheiten, ähnlich denen, die der Hohepriester gesehen hatte, allerdings wesentlich größer.
Breori gewöhnte sich relativ schnell an die Arbeit in dieser Gemeinschaft, doch er vermisste die gesellige Nachbarschaft seines einstigen Wohn- und Arbeitsortes , dort war es stets lebhaft zugegangen und abends hatten sich die verschiedenen Händler und Kunsthandwerker oft besucht.
Er arbeitete nun schon einige Monate in den Diensten des Tempels, als eines Abends ein Bote mit einer Papyrusrolle erschien.
Breori erbrach das Siegel und las die Nachricht.
Verwundert las er sie ein zweites Mal: Er sollte heute Abend am königlichen Bankett teilnehmen, der Bote hatte zusammen mit dem Papyrusblatt auch eine, diesem Anlaß entsprechende Bekleidung abgegeben.
Bei Beginn der Dämmerung verließ Breori seine Heimstatt, um sich auf den Weg zu der Residenz des Pharaos zu begeben.