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Bloody Nights

B/V A/U
von

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A Monster‘s History

Bloody Nights
 

10. A Monster‘s History
 

Geradezu unmerklich wandelte sich der düstere Nachthimmel in ein fahles Blau, das von einem satten Dunkel langsam und stetig in ein zartes Hell wechselte. Unspektakulär blitzten einige blonde Fäden durch das Hellblau und vertrieben nach und nach die Nacht, um dem Tag Einlass zu gewähren. Die Sonne ging auf, ohne, dass es jemand wirklich registrierte. Wie hätte auch das blinde Großstadtauge die Pracht eines Sonnenaufganges erahnen können, wenn dieser von den Hochhäusern unbarmherzig verschluckt wurde.
 

In einem dieser Giganten blickte ein schwarzes Augenpaar über die Weite der Stadt, verächtlich und doch fast liebevoll blickte es der Sonne entgegen.
 

Der Großteil seiner Art war zu schwach, zu undiszipliniert und vegetierte in den tiefsten Ecken der Nacht, der Großteil sah sein ganzes, ewiges Leben keinen feuerroten Ball mehr, der in Blut gebettet zu sein schien, während sich gleißende Flammen in die Weiten des Himmels reckten. Andererseits waren die Meisten, trotz der Stärkung ihrer Sinne nicht fähig, die Schönheit dieser Dinge zu erkennen. Ein lästiges Überbleibsel der Menschlichkeit eines Vampirs.
 

Der Mensch erkannte nicht die Schönheit die ihn umgab, selbst wenn sich diese vor seiner Nase direkt präsentierte. Ein kleines, verdorrtes Blatt das in den zarten Böen des Windes tanzte und mit ihm spielte, welch wahre Schönheit, die vor den Füßen der Menschen glänzte und doch ungesehen blieb. Und so war der Mensch laufend damit beschäftigt, sich Schönheit zu bilden, Schönheit die nicht real war, die von den Rädern der Zeit zermahlen wurde als hätte sie nie existiert.
 

Dieser blinde Fleck hielt sich hartnäckig in den Köpfen der jungen Vampire. Sie hielten sich für die ultimative Spezies, für unbesiegbar, unantastbar. Sie regierten die Nacht und ignorierten die innere Leere, bis sie diese ausfüllte und völlig aufgefressen hatte. Jeder Vampir verspürte früher oder später den Durst nach Leben, nach echtem lebendig-sein, nach dem Tag, der Helligkeit. Viele verkannten diesen Durst. Sie tranken und mordeten in blinder Rage, in unbändigem Hunger, glaubten das Leben mittels Blut und warmem, frischem Fleisch erhalten zu können. Alles was sie damit erreichten war lediglich den wahren Durst zu schüren.
 

Vegeta schloss leise knurrend die Augen, während seine linke Hand den schwarzen, dicken Vorhang fallen ließ, den sie zuvor beiseite gehalten hatte. Grollen kniff er seine Augen stärker zusammen, weiße Blitze tauchten höhnisch vor seinem inneren Auge auf. Der erste Sonnenstrahl des Tages hatte sich schmerzhaft in seine Augen gebrannt.
 

Murrend legte er sich in das alte Bett, das im nun tiefen Dunkel des Raumes für das menschliche Auge nicht mehr erkennbar gewesen wäre. Es knarrte mürrisch, während es unter seinem Gewicht nachgab.
 

Eine innere Leere, dieses Gefühl war ihm nur zu gut bekannt. Auch wenn er es sich nicht eingestehen wollte, diese Leere füllte ihn quälend aus, sie verhöhnte ihn und erinnerte ihn an seine Jugend. Seine Gedanken reisten zurück, viele Jahrzehnte, Jahrhunderte.
 

Seine Geburt als Wesen der Dunkelheit lag nicht lange zurück, zumindest nicht in den Augen eines Vampires. Damals, als Hungersnöte und Seuchen das Land überfluteten, als die Armen die Kriege austrugen, die die Reichen in die Wege geleitet hatten, um noch reicher zu werden.
 

Vegeta hatte dieses Verhalten immer belächelt. Ein armseliges Bild des menschlichen Egoismus, der Auf- und Ausbau eines Klassensystems, das Jahrhunderte überdauerte. Der Mensch neigte dazu alles zu klassifizieren, alles in eine Sparte einzuordnen und hierarchisch zu ordnen. Für Vegeta war dies damals alles egal, er interessierte sich nicht für die Qualen, die sich die Menschen selbst zufügten. In einer Weise war auch er dem Egoismus verfallen. Als junger Vampir war ihm sein Vergnügen das Wichtigste. Er mordete, stahl, schändete, lediglich um im Leid der Menschen zu baden. Er feierte seine Unabhängigkeit, er glorifizierte seine Unmenschlichkeit. Doch je mehr er sich darin suhlte, desto leerer fühlte er sich.
 

Es war schwer, dieses Gefühl zu erkennen. Auch er hatte es verkannt, auch er hatte Landstriche beinah ausgerottet in seinem blinden Durst, um gerade diesen Durst zu stillen. Das endlose Trinken steigerte den Durst ins unermessliche und so trieb dieses rätselhafte Gefühl viele Vampire in den Wahnsinn. Sie mordeten blind, vergaßen was sie waren, vergaßen, was sie gewesen waren und schließlich verschwand ihr eigenes Selbst in der Dunkelheit des Vergessens.
 

Vampire verloren so eines der Merkmale, das sie von einem parasitären Wesen wie einem banalen Blutegel unterschied. Sie verloren ihren klaren Verstand, ein Verstand der so wach und rein war, dass er außerhalb der Vorstellungskraft der Menschen lag.
 

Vegeta blickte in die Dunkelheit, die ihm grau entgegen lächelte. Er vermisste manchmal die früheren Zeiten. Auch wenn Kriege und Hungersnot herrschten, herrschte auch ein anderer Umgangston. Frauen wurden umschwärmt und erobert, Höflichkeit hatte einen hohen Stellenwert. Als menschliches, unschuldiges Kind wuchs er in Armut auf, kannte Reichtum und einen vollen Magen nur von Erzählungen über die wohlhabenden Königshäuser.
 

*Flashback*
 

Europa: 1590
 

Fauliger Geruch stieg von den Gassen auf und breitete sich über weite Teile des Dorfes aus. Selbst der Regen vermochte es nicht, den Gestank wegzuspülen der somit einen stetigen Begleiter darstellte und den die Menschen, die dicht aneinander gedrängt standen gar nicht mehr wahr nahmen.
 

Ihre Körper waren aneinander gepresst, ihre feuchten Kleider klebten auf ihrer Haut, ihre Haare bildeten bizarre Muster auf ihren starren, hasserfüllten Gesichtern, während ihre nassen und kalten Füße im Match hängen blieben. Wüste Schimpfworte fielen von überall her, wie die Regentropfen, die sich vom Himmel stürzten. Das laute Prasseln vermengte sich mit ihrem lauten Geschrei, dröhnte bis hinaus in die Felder, wo es von der Stille der Wälder verschluckt wurde.
 

Vegeta schleppte ein schweres säuberlich zusammen gerolltes Seil, das er vorsichtig auf seinen Armen balancierte, während er von allen Seiten angerempelt wurde. Seine Verachtung spiegelte sich auf seinem Gesicht wider, er konnte sie nicht verbergen. Voller Abscheu ließ er das Seil schließlich fallen. Knurrend nahm er einen Klaps des Priesters hin, der ihn dafür tadelte zu langsam gewesen zu sein.
 

Vegeta verzog sich in eine Ecke und beobachtete, wie das Seil nun aufgespannt wurde und die Augen der umstehenden Menge zu leuchten begannen, während sie noch immer lauthals schrien und tobten. Wieder ein Mal verfluchte er die Tatsache, der Sohn eines einfachen armen Seilers zu sein.
 

Der Priester trat nun feierlich vor und gab mit einer Handbewegung dem Pöbel zu verstehen, dass er nun Ruhe einkehren lassen wollte. Widerwillige Ruhe trat ein und der Priester winkte dem Scharfrichter, der nun eine zierliche Frau hinter sich her zog. Ihr langes schwarzes Haar bedeckte ihr Gesicht, dessen Schönheit längst einer fahlen Farbe und vielen Schrunden gewichen war. Ihr schmaler Körper war von blauen Flecken und Narben übersät. Einige ihrer Wunden waren noch frisch, Blut trat aus, das der Regen sogleich wässrig über ihren Körper und ihre zerfetzten Kleider fließen ließ. Dieser Anblick ermutigte die Menge wieder in Getöse auszubrechen. Einige hysterische Frauen warfen faules Obst und Brot nach ihr.
 

Wieder bat der Priester um Ruhe, bevor er mit mäßigem Interesse der Frau ihre Sünden vorwarf. Bestimmt hörte dieses arme Geschöpf diese Worte schon zum zigsten Mal. „Ketzerin“, schimpfte der Priester. „Ketzerin“, schimpfte der Pöbel. „Schwarze Gedanken“, warf der Priester vor. „Hexe“, jaulte die Masse. Wie so oft zweifelte Vegeta am gesunden Menschenverstand. Es genügte, dass eine eifersüchtige Bauersfrau eine junge Meid als Hexe bezichtigte oder dem Priester nach der Messe heimlich zuflüsterte, dass diese und jene Gotteslästerung betrieben. Es genügte, eine einfache, plumpe, nicht ein Mal kreative Behauptung genügte und das Todesurteil für viele junge Menschen war gefällt. Armselig war der menschliche Geist, der sich am Leid anderer ergötzte.
 

Mit seinen 16 Jahren zählte er nun inzwischen als Mann und er hütete sich, diese Gedanken laut auszusprechen. Kritik war in dieser Zeit nicht gern gehört und Intelligenz war den „wohlhabenden“, den „hochwohlgebornenen“ vorbehalten, auch wenn diese meist strohdumm waren. Was sie sprachen, war Gesetz, zumindest behaupteten sie das. Intellekt war ihnen vorbehalten, ein Geburtsrecht sozusagen. Ein bisschen davon sprachen sie noch den Gelehrten zu, die sie zu Rate zogen, wenn sie nicht mehr weiter wussten. Eine Situation, die sehr häufig eintrat.
 

Vegeta’s Vater jedenfalls hatte ihm schon als kleinen Jungen oft den Mund verboten. Schon damals war er ein kritischer, hinterfragender Geist gewesen, der vom Wesen Mensch nicht sehr viel hielt. So war er stets ein Einzelgänge und unbeliebt gewesen. Sein Vater hatte ihm also nicht mehr den Mund verbieten müssen, er hatte schließlich kaum jemanden gehabt, mit dem er sprechen hätte können.
 

Stumm beobachtete er nun, wie der Frau die Schlinge um den Hals gelegt wurde. Eine seltsame, natürliche Stille war eingetreten und nur das Rasseln des Regens war hallend und laut, doch selbst das schien zu verstummen, angesichts der Gräueltat die nun bevorstand. Während nun ein Richter einige Worte über Recht und Ordnung sprach und der Priester zufrieden das Trockene aufsuchte, legte der Scharfrichter die letzten Handgriffe fest. Gerade nun, als die Zuschauer den Atem anhielten, dröhnte ein gellender Schrei durch die grauenvolle Ruhe, der selbst die kleinsten Regentropfen zu zerschneiden schien.
 

Verzerrt und entstellt richtete sich das Gesicht der Frau gen Himmel, nun, da die Schlinge eng ihren zarten Hals berührte. Vegeta imponierte, dass sie so lange durchgehalten hatte. Die meisten schrien und tobten zuvor, versuchten sich verzweifelt zu wehren. Dieser Schrei, war nun alles was von ihr übrig blieb. Er prallte von den kleinen Häusern ab und säuselte durch die Gassen, bis er schließlich verstummte. Die kleine Klappe unter ihren Füßen ließ nach und ihr Körper fiel in die Öffnung hinab. Die Gesichter der Menschen spiegelten ihre Ignoranz wieder. Einige wirkten zufrieden, einige noch immer hasserfüllt, wenige waren schockiert. So baumelte der leblose Körper, dessen Geist das Glück gehabt hatte ihn und diese grausame Welt zu verlassen.
 

Es war dieser Tag, an dem Vegeta nicht mehr nach Hause zurück gekehrt war. Sein Herz, seine Glieder, sein Kopf, alles schmerzte. Nachdem er so viele hatte sterben sehen, war es dieser markerfüllende, verzweifelte, verfluchende, todesängstigende Schrei gewesen, der sich in sein Gedächtnis gebohrt hatte. Es war genug gewesen, genug Tod, genug Dummheit, genug Hass, genug Abscheu.
 

Vier Jahre Später hatte er sich für ein paar Monate in einem kleinen, entlegenen Dorf nieder gelassen. Er arbeitete als Holzhacker und verdiente ein paar Groschen, mit denen er sich über Wasser hielt. Nachdem er lange durch das Land gewandert war, auf der Flucht vor dem Menschen selbst, hatte er erkannt, dass es ihm nicht möglich war vor dem zu fliehen, was er selbst war. Überall sah er Leid, Gewalt und Armut. Und je mehr er sah, desto mehr starb sein Herz, desto weniger berührte es ihn. Emotionslos erledigte er seine Arbeit und kehrte dann in sein kleines Zimmer zurück, das er gemietet hatte.
 

Er fristete sein Leben und wartete. Er wartete auf Antworten, deren Fragen noch zu früh waren, um sie zu stellen. Gerade er wusste, was einem passieren konnte, wenn man zu viele ‘unnötige‘ oder ‘unpassende‘ Fragen in die Menge warf. Der begrenzte Geist der Bevölkerung, des Pöbels war nicht bereit, sich kritischen Gedanken zu stellen. Warum sollte man auch einem funktionierenden System skeptisch gegenübertreten? Dies überschritt schlichtweg den Horizont der Menschen.
 

So lebte Vegeta den Alltag der Wesen, die er so sehr zu hinterfragen neigte, seiner Mitmenschen. Er schlief, ging arbeiten, aß und schlief wieder. Ein immerwährender Rhythmus, stereotyp, langweilig… funktionierend.
 

oOo
 

Feuchte Waldluft fegte über das saftige Moos, das sich an die alten Bäume schmiegte. Hie und da wagte es ein Busch, raschelnd die tiefe Stille der Nacht zu stören, während es der Eule leicht fiel diese mit ihren sanften Rufen zu bereichern.
 

Mit dem Wind huschte über Vegeta’s nackte Brust, ließ seine Haut sich kräuseln. Ein Frösteln ließ ihn aus seinem Nickerchen erwachen, überrascht darüber, dass es bereits Dunkel geworden war. Die Müdigkeit hatte ihn überrannt und ihn für die letzen drei beinah schlaflosen Nächte gestraft. Noch trunken vor Schlaf tastete er nach seiner Axt, die leblos direkt neben ihm ruhte. Seine Hände suchten weiter nach dem weichen Material seines Hemdes, doch blieben erfolglos. Auch seine Augen konnten in der tristen Dunkelheit nichts erkennen. Weit und breit war alles nur in ein tiefes Schwarz, stellenweise in dunkles Blau getaucht. Der Mond schien über ihm, doch die Bäume blockierten Großteils dessen Schein.
 

Vegeta richtete sich auf, hielt sich an dem Baum fest, an dem sein Oberkörper gelehnt hatte. Grummelnd registrierte er seine schmerzenden Rückenmuskeln, die sich nun über das harte Bett beklagten. Obwohl sein Körper durch seine Arbeit deutlich muskulöser geworden war, waren seine Glieder noch immer sensibel und verspannt. Leicht stöhnend hob er seine Axt hoch und schwang sie auf seine Schulter. Selbst diese wenigen Bewegungen lösten kleine aber starke Stiche in seinem Torso aus.
 

Die Augen zusammenkneifend suchte er sich den unwegsamen Pfad, der aus dem Wald führte. Doch es wollte ihm nicht so recht gelingen und so landete er auf einer Lichtung, die ihm unbekannt war. Er hatte wohl die falsche Richtung eingeschlagen. Frustriert schnaubend drehte er der Lichtung wieder den Rücken zu, die vom Mondlicht durchflutet wurde. Er wollte wieder in den düsteren Wald eintreten, doch vor ihm hing plötzlich sein Hemd an dem Ast eines Strauches. Verwirrt befreite er es von seiner Gefangenschaft und trat noch ein Mal in die Lichtung um es genauer sehen zu können. Tatsächlich, dies war sein Hemd! Perplex zog er es über seinen Oberkörper, der von zahlreichen Kratzern gezeichnet war. Verfluchter Wald!
 

Fast geblendet vom silbernen Licht blickte er in dessen Quelle. Der Mond war voll und wirkte enorm. Es schien gerade so, als könne er die Hand ausstrecken und ihn vom Himmel pflücken.
 

„Eine wahre Schönheit, nicht wahr?“
 

Vegeta zuckte zusammen. Er hatte kein Rascheln gehört, keine Zweige, die unter schweren Füßen zerbarsten. Erschrocken drehte er sich somit zur Quelle der Stimme, die ihm säuselnd um die Ohren geschmeichelt war. Doch er konnte niemanden erkennen. Wieder kniff er die Augen zusammen und versuchte im dunklen Wald etwas zu erkennen.
 

„Das Menschliche Auge, so viel Potential und doch ist es fast blind.“
 

Ein leises Glucksen hallte nun von einer anderen Richtung wieder als zuvor, doch es war dieselbe Stimme. Wie konnte sich dieser Unhold so schnell bewegen? Wie konnte er ohne jedes Geräusch zu verursachen von einer Seite zur anderen gelangen?
 

„Wer bist du? Zeig dich!“ Mit den Händen zu Fäusten geballt knurrte Vegeta in die Dunkelheit.
 

„Das ist nicht die richtige Frage, mein Junge.“
 

Wieder kam die Stimme von einer anderen Richtung. Diesmal.. über ihm? Erschrocken zuckte Vegeta zusammen und blickte sogleich hoch, doch über ihm schien nur ruhig und gelassen der Mond, wie schon zuvor.
 

„Zu langsam, mein Junge.“
 

„Zeig dich endlich. Und hör auf mit dieser Vertrautheit. Ich bin niemandes Junge.“
 

Ein hämisches Lachen ertönte... hinter ihm! Vegeta wirbelte herum und umfasste seine Axt mit aller Kraft, bereit zum Angriff. Dieses Mal blickte er in keine Leere, dieses Mal sah er tiefes Schwarz und inmitten dieser erdrückenden Finsternis stand ein mächtiger Galgen, der sich im nächsten Augenblick über ihm aufbäumte. Hier nun, inmitten dieses Waldes, verspürte Vegeta ein Gefühl, das er schon lange ausgelöscht zu haben glaubte. Angst, sie erfüllte ihn, als wäre sie immer da gewesen, als habe sie nur auf die Gelegenheit gewartet, zurückzuschlagen.
 

„Die menschlichen Emotionen sind faszinierend, aber auch sehr erdrückend, nicht wahr? Sag mir Junge, wie viele hast du hängen sehen? Wie viele wurden durch deine Mithilfe getötet?“
 

„Ich habe nie geholfen!“
 

„Hast du nicht die Seile dafür gewoben? Hast du nicht deinem Vater dabei geholfen? Hast du sie nicht zu ihnen getragen, frisch und unverbraucht, sodass ein neues Genick darin brechen konnte?“
 

Vegeta’s Augen weiteten sich und der Galgen schien nun noch näher als zuvor. Es war geradezu, als würde die Schlinge seinen Nacken berühren. In seiner schieren Verzweiflung ergriff er erneut seine Axt und schlug blind auf das vermeintliche Holz ein, das ihn immer mehr einzukreisen drohte. Doch seine Axt ging ins Leere. Alles war verschwunden, das tiefe Schwarz war dem silbernen Licht des Mondes, der Galgen dem kühlen Nebel der Gräser gewichen.
 

„Ah, die Angst zerschlagen. Keine schlechte Idee und eine durchaus gute Eigenschaft. Du stellst dich also nun deiner Angst und lässt sie nicht die Überhand gewinnen. Es hilft nicht, sie zu leugnen.“
 

Knurrend blickte Vegeta in die Richtung, aus der die Stimme dieses Mal gekommen war und war überrascht, dieses Mal eine Gestalt zu erkennen. Ein kleiner Mann, älter als er. Seine edlen Gewänder blitzten und blinkten im Mondlicht und sein grau-meliertes Haar war zu einem Knoten zusammengebunden. Er wirkte edel und doch unscheinbar.
 

„Nun, mein Junge, stell die richtige Frage.“
 

Nach kurzem Zögern atmete Vegeta tief ein und blies die kühle Luft erwärmt wieder aus. „WAS bist du?“
 

Lachend ging der Mann einige Schritte auf ihn zu und musterte ihn mit mitleidiger Mine.
 

„Ja ja, ich wusste, dass du ein cleverer Bursche bist. Tatsächlich, das ist die richtige Frage. Wer ich bin wäre nur eine unbedeutende Frage, ein lästiger Umweg. Was ich bin ist von größerem Interesse.“
 

Wieder lachte er und seine rechte Hand fuhr dabei nachdenklich über seinen schmalen Kinnbart. Er umrundete Vegeta, der ein ungeduldiges Grollen ausstieß und musterte ihn ausführlich.
 

„Oh, die Jugend. So hektisch heutzutage. Aber ich sehe, ich habe eine gute Wahl getroffen. Physisch und psychisch ein Volltreffer.“ Während er sprach tippte er dabei mit seinem hölzernen Stock, den Vegeta zuvor gar nicht bemerkt hatte, ein Mal verstärkend auf seine Brust und seine Stirn.
 

„Um deine korrekte Frage zu beantworten, ich bin ein Vampir.“
 

Dies war die Nacht, in der Vegeta’s Körper starb, um neu geboren zu werden. In dieser Nacht durchbrach er seine menschlichen Grenzen und befreite seinen Geist von der Last seiner vielen ungestellten Fragen und Zweifel.
 

oOo
 

Amerika 1740
 

Leise säuselte eine Melodie durch die schmalen, gepflasterten Gassen, die, feucht durch den vorherigen kurzen Regenguss im fahlen Licht der Straßenleuchter gelblich schimmerten. Vegeta betrachtete mit abwesendem Blick die flackernde Flamme der Laterne, während er seinen vornehmen Mantel zu Recht streifte, der mit feinen Goldfäden bestickt war. In Tagen wie diesen war es gefährlich an einem solchen Ort solch edle Kleidung zu tragen. Doch Vegeta hatte früh gelernt, dass seine „neue“ Erscheinung durchaus auch dem plumpen Verstand der Menschen Respekt einflößte und die Meisten ließen ihn daher wohlwissend in Ruhe.
 

Nun, es war nicht direkt sein Aussehen, das abschreckte. Es war wohl eher der primitive Instinkt, der dafür sorgte, dass ihm die Menschen aus dem Weg gingen. Seine dunkle Aura hatte sich in den letzten Jahren gestärkt und war selbst für Menschen leicht zu spüren. Auch wenn sie es nicht bewusst wahrnahmen, wussten sie doch, dass seine Anwesenheit Gefahr bedeutete.
 

Vegeta genoss seine neu gewonnene Ruhe und Freiheit. Obwohl er als Vampir noch immer einer der jüngeren war, hatte er doch eine bereits beachtliche Stärke entwickelt. Sein Verstand war klar und gereift, ebenso wie seine Fähigkeiten. Über 100 Jahre hatte er mit Muten Roshi verbracht, seinem Meister und Schöpfer. Doch inzwischen war er den alten Kauz leid geworden. Vor 50 Jahren hatte er ihn verlassen und war alleine durch Europa gereist, doch auch das hatte ihn schlussendlich gelangweilt. Es gab dort nichts mehr zu sehen, zu lernen, zu erobern.
 

So war er nun in Amerika gelandet, ein aufregendes, noch von Wilden besiedeltes Land, so hieß es. Doch bis jetzt fühlte sich Vegeta eher nach England oder Frankreich zurück versetzt. Die Kolonien hatten sich großzügig ausgebreitet und die „Wilden“ bereits zurück gedrängt. Die Indianer hingegen hatten in den letzten Jahren immer mehr zurück geschlagen, hatte er gehört. Vegeta rümpfte die Nase, wie töricht die Menschen doch waren!
 

Seine Augen richteten sich nun gen Himmel, der aufgeklart war und durch ein kleines Fenster der dickten Regenwolken drückte sich der silberne Strahl des Mondes hindurch. Dunkelheit war sein stetiger Begleiter geworden, doch ebenso waren es der Mond und die Sterne. Der Hauch eines Lächelns huschte über seine Lippen, während er seinen Gang durch die Gassen fortsetzte.
 

Zielstrebig ging er in Richtung eines neu erbauten Hauses, das unscheinbar am Ende der Kolonie ruhte. Die Dielen knarrten sanft, als er über sie hinweg schritt und schließlich die schwere hölzerne Tür öffnete. Ein drückender Duft von Tabak, Alkohol, Schweiß und Erregung stieg in seine sensible Nase. Mit finsterem Blick betrat er die Schenke und setzte sich sogleich an die Bar. Sein Eintreten war unbemerkt geblieben, was aber keine Überraschung war, waren hier doch alle längst betrunken oder damit beschäftigt, sich von den leichten Mädchen das Geld aus den Taschen ziehen zu lassen.
 

Vegeta bestellte sich sein übliches Alibiglas Whisky, an dem er stetig nippte. Er hatte feststellen müssen, dass der „Amerikanische“ Whisky wenig mit seinem geliebten Irländischen Whisky gemein hatte. Selbst seine Geschmacksnerven, die so vielfach besser waren als die eines Menschen konnten den edlen, schweren Geschmack des Getränks nicht so richtig heraus filtern. Er hätte auch Wasser trinken können, der Effekt wäre der Gleiche gewesen.
 

Doch letztlich lag ihm nichts am Alkohol, nichts am „Wasser des Lebens“*, auch wenn er in Irland diesem Getränk ein wenig verfallen war. Für ihn hatte nur der echte, der wahre Saft des Lebens eine Bedeutung, köstliches, frisches, zart rotes Blut. Vegeta’s Gedanken trübten sich in tiefes Rot. Er hatte seinen Hunger schon lange nicht mehr gestillt, zu sehr hatten ihn diese billigen Frauen überall angewidert, nicht ein Mal eine Jungfrau war weit und breit zu finden.
 

Er gluckste leise in sein Glas. Wie naiv von ihm zu glauben, dass hier wirklich eine noch unberührte, reine Grazie zu finden war.
 

Sein Blick schweifte wieder ab und blieb auf den Leibern der Menschen haften, der Frauen, die sich lasziv zu den Männern beugten und ihnen frivol ihre hundertfach berührte Haut preisgaben.
 

oOo
 

Edles, glitzerndes Schuhwerk betrat matschigen Boden, doch dessen Besitzer schien dies nicht zu kümmern. Der Mann klemmte seinen hölzernen Stock zwischen seinen linken angewinkelten Arm und schritt edlen Ganges den feuchten Weg entlang, bis seine Schuhe schließlich Pflastersteine betraten. Seine Nase streckte sich ein wenig in die Höhe, da er einen starken Duft wahrnahm. Seufzend fiel sein angespanntes Gesicht wieder in sich zusammen und sein Bart schien sich dabei ein wenig zu kräuseln.
 

Er war wohl zu spät gekommen. Bis weit über den Ozean hatte Muten Roshi das Unheil gespürt und doch hatte er zu viel Vertrauen, zu viel Erwartung in seinen Schüler gesetzt. Es war nicht Vegeta’s Fehler gewesen. Muten Roshi hatte ihn zu wenig gewarnt, zu wenig darauf vorbereitet. Er hatte ihm zu schnell zu viel beigebracht und mit seinem schnellen Verstand, mit seinem wachen Geist und seiner Lernbereitschaft hatte Vegeta alles in sich aufgesogen und war schon bald zu einem mächtigen Vampir herangereift, mächtiger als viele andere. Doch das alleine hatte ihn nicht weiser gemacht. Nicht die Kraft und Macht allein war es, die einen zu einem starken Individuum machte.
 

Seufzend folgte Roshi seiner Nase, die den Geruch um ihn herum immer stärker wahr nahm. Es war eine lange, weite Spur, sie führte vom Beginn bis zum Ende der Kolonie. Eine Kolonie, die nicht mehr existierte.
 

Roshi stand nun vor einer schäbigen Tür, die er mit seinem Stock leicht antippte. Hier war der Geruch frisch und intensiv. Doch nicht nur der Geruch sagte ihm, dass er hier richtig lag. Er spürte die dunkle Aura seines Schützlings nur zu gut, so tief und kalt, dass es Roshi gefröstelt hätte, wäre sein Körper noch warm und lebendig gewesen.
 

Die Tür knarrte laut, als er schließlich eintrat. Wieder traten seine Schuhe in etwas Glitschiges. Er musste nicht zu Boden sehen um zu wissen, dass diese mit Blut umspült wurden, je mehr er sich in den Raum begab, der düster und dunkel vor ihm lag. Die Dunkelheit hinderte jedoch seinen Blick nicht, der das Szenario klar und deutlich erkennen konnte. Vor ihm lagen tote Körper von Männern und Frauen, achtlos dahin gemetzelt. Ihr Blut tränkte den hölzernen Boden und ließ den Raum in einem seltsamen Glanz erstrahlen. Roshi sog die Atmosphäre des Raumes ein und richtete seine Aufmerksamkeit schließlich auf die hinterste Ecke.
 

„Warum bist du hier, alter Mann?“
 

Roshi lachte leise über diese Frage und tippte mit dem Ende seines Stockes auf eine der Leichen. „Habe ich dir nicht beigebracht, dass du mit deinem Essen nicht spielen sollst?“
 

Vegeta erwiderte sein Lachen mit einem dumpfen Brummen. Sein abwesender Blick richtete sich auf die langen, honigbraunen Locken, die weich in seinen Händen ruhten. Er streichelte sacht über das Haar und warf schließlich den Frauenkörper von sich, der sich leblos an seine Brust gelehnt hatte. Sein weißes Hemd war mit Blut getränkt, das bereits seine helle rote Farbe verloren und zu trocknen begonnen hatte.
 

Vegeta zeigte halbherzig auf den Frauenkörper, den er von sich geschoben hatte. „Ihr Blut habe ich getrunken, Meister. Es war wundervoll! Ich musste das ganze Dorf, die ganze Kolonie absuchen, um einen Körper zu finden, der solch vortreffliches Blut besaß.“
 

Seinen Schützling musternd setzte Roshi ein trauriges Lächeln auf. Sein klarer Blick, sein wacher Geist waren ihm zum Verhängnis geworden. Wer mit den Augen eines Vampires sah, sah schlussendlich auch die wahre Hässlichkeit. Hässlichkeit, die nicht der Körper, die vielmehr den Charakter spiegelte, die Lebensweise. Vegeta hatte schon immer die menschliche Seele hinterfragt, hatte sie für schwach und unreif gehalten, sie verflucht und verspottet. Wenn er darüber nachdachte, war Roshi überrascht, dass Vegeta erst jetzt seine Kraft, seine Macht bewusst geworden war. Er hatte den leichteren Weg gewählt, unbedacht und naiv, jung wie er noch war.
 

„Mein Junge, du bist stark. Aber sieh, wie schwach du heute warst. Die ganze Kolonie zu töten hat nicht die Abscheulichkeit dieser Welt vernichtet. Sie ist noch immer hier und wird auch nie verschwinden. Es ist auch nicht an uns, diese zu jagen und vernichten.“ Roshi sah, wie Vegeta’s Zorn wuchs. Es war immer das Gleiche mit diesem ungestümen Zorn in ihm. Ihn als schwach zu bezeichnen war eine der größten Demütigungen für Vegeta und es war auch nur er allein, Roshi, der es wagte, Vegeta so sehr in Frage zu stellen. „Du hast den leichten Weg gewählt und deiner Wut und deinem Verlangen freien Lauf gelassen. Stärke hättest du bewiesen, wenn du deine Abneigung überwunden und deinen Weg fortgesetzt hättest, ohne ein solches Massaker anzurichten.“
 

Vegeta’s Sturheit verhinderte, dass er die Wahrheit eingestand, die Muten Roshi sprach. Doch Vegeta hatte erkannt, als er seine Zähne in den zarten Nacken des Mädchens mit den honigbraunen Locken gerammt hatte, dass er sich noch immer leer und wütend fühlte. Er hatte all die Schwäche der Menschen gesehen, Tag für Tag. Sie hatten ihn geradezu damit verhöhnt. Und er hatte selbst mit Schwäche darauf reagiert, hatte seinem Verlangen, sie alle auszulöschen nachgegeben und hatte damit doch nicht die Erleichterung erlangt, die er erwartet hatte.
 

*Flashbeck ENDE*
 

Vegeta lachte dunkel. Ja, er hatte damals Roshi viele Sorgen berietet. Er hatte viel lernen müssen und dieses Lernen geschah durch unzählige Tote. Macht war eine starke Waffe und verleitete oft zu schnell dazu, sie zu missbrauchen. Es war für ihn ein leichtes, einem Menschen das Leben auszuhauchen. Nicht nur der eigentliche Akt war keine Mühe für ihn, es berührte ihn auch nicht. Der Tod war etwas das zum Leben gehörte, doch er selbst hatte ihn überlistet, er fürchtete ihn nicht. Und nach einem so langen toten Leben war der Windhauch eines menschlichen Daseins nichts Bedeutendes mehr.
 

Seine rechte Hand fuhr langsam durch sein dickes schwarzes Haar. Wie sehr hatte sich seine einst menschliche Einstellung geändert. Vor so vielen Jahren hatte er als junger Mann Mord und Tod verabscheut, nur um schlussendlich selbst das zu werden, was er verflucht hatte. Ein Mörder, ein Monster. Ja, er musste es schließlich eingestehen, er war ein Monster, ein Bastard, die blauhaarige Onna hatte recht.
 

Heute tötete Vegeta jedenfalls nicht mehr und er hatte auch seinen… nun, er betrachtete sie ein wenig als seine eigenen „Schützlinge“, er hatte auch ihnen beigebracht, dass es heute nicht klug war, jemanden zu töten. Es war unangenehme Fragen auf, richtete Aufmerksamkeit auf sie und war heutzutage schlichtweg unnütz.
 

Nachdenklich richtete er sich wieder auf und ging zum Fenster hinüber, das vom schweren Vorhang verdeckt wurde. Ein leichter Schauer rann über seinen Nacken, weiter seinen Rücken hinunter. Er zog den Vorhang ein wenig bei Seite und tatsächlich war die Sonne bereits wieder in ein dunkles Rot gehüllt, der Abend brach an, sein Gefühl hatte ihn nicht getäuscht.
 

Er war sich nicht sicher, ob er diesen Tag geschlafen hatte und all seine Erinnerungen geträumt hatte. War es ihm überhaupt noch möglich zu träumen? Es fiel ihm schwer, sich an seinen letzten Traum zu erinnern. Sein Schlaf war stets tief und doch immer wachsam, kleinste Geräusche oder Gefühle weckten ihn aus seiner Ruhe. Auch diese Gabe war etwas, das er in vielen Jahren perfektioniert hatte. Und doch war er sich heute nicht sicher, ob ihn der Schlaf überhaupt heimgesucht hatte.
 

Wie amüsant, er war noch immer in der Lage, sich selbst zu überraschen und sich selbst Rätsel aufzugeben.
 

Seinen Mantel um schwingend verließ er die Wohnung und schritt in das fahle Licht der Dämmerung.
 

Er spürte seine kleine Gruppe östlich der Stadt. Ein Grinsen legte sich auf sein stählernes Gesicht, er hatte seine Aura vor ihnen abgeschirmt und war zufrieden, dass selbst Juu nicht in der Lage gewesen war, ihn aufzuspüren. Sie konnten gut genug auf sich selbst aufpassen, er hatte ihnen über die Jahre vieles beigebracht, war eine Art Meister für sie geworden. Auch, wenn er sie nicht geschaffen hatte. Juu, Jay und Chichi waren erst frisch geborene Vampire gewesen, als er sie das erste Mal getroffen hatte.
 

Juu und Jay, das Zwillingspaar war von einem Vampir geschaffen worden, das nur kurze Zeit später spurlos verschwunden war. Möglich, dass es sie verlassen hatte (wie verantwortungslos, selbst für einen Vampir) oder es war in einem Feuer umgekommen, endgültig umgekommen. Feuer war schließlich eine der wenigen wirkungsvollen Waffen gegen einen Vampir. Nun, Vegeta wusste es nicht und es interessierte ihn schlussendlich auch nicht. Chichi war versehentlich umgewandelt worden. Ein lachhaft schwacher Vampir hatte sich in blinder Ektase selbst in die Lippen gebissen und so hatte sie mit Hilfe eines Kusses von seinem Blut gekostet.
 

Sie alle waren wie Weisenkinder umhergeirrt, hatten die Riten nicht gekannt, die ihnen das Überleben sichern sollten, hatten nicht gelernt, echte Vampire zu sein. Er hatte sich ihnen angenommen, entgegen seinen Willes nach Freiheit und Ruhe. Viele Jahre schon begleiteten sie ihn, sie klebten förmlich an ihm und sie zeigten ihm auch immer wieder, warum es eine kluge Entscheidung gewesen war, dass er selbst nie einen Menschen umgewandelt hatte. Auch wäre es keiner würdig gewesen, sein wahrer Schüler zu sein.
 

Selbstgefällig grinsend ging er durch die Straßen und stockte erst, als er sich vor einem hohen gläsernen Tempel wiederfand. Verwundert hob er eine Augenbraue und musterte das Haus hinter seiner Sonnenbrille. Das zweite Mal an diesem Tag, dass er sich selbst überraschte.
 

„Warum nicht ein drittes Mal?“ Leises, schweres Lachen folgte seiner tiefen Stimme.
 

oOo
 

Dunkelheit durchflutete die großen Räume, ebenso wie ein schwerer aber lieblicher Duft von Vanille, Lilien und erkalteter Zigarettenasche. Stille umgab die düsteren Schatten, die vom fahlen, bläulichen Licht der Stadt flüchteten. Die Wohnung wirkte leer, leblos. Doch Vegeta konnte ihn hören, den Lärm, der ein menschlicher Körper aussandte. Steter Herzschlag pochte, konstantes Fließen des Blutes säuselte, flacher Atem hauchte.
 

Vegeta vernahm diese Melodie des Lebens von dem Ort, der ihm sogleich am sympathischsten gewesen War, als er diese Wohnung das erste Mal betreten hatte. Das schwarze Leder der Couch schimmerte in der Dunkelheit. Auf ihr saß sie, die Frau, die ihn als das erkannte, was er schlussendlich war, ein Monster.
 

Vegeta huschte durch die vielen, pechschwarzen Schatten, ungesehen und ungehört. Er tauchte in den Schatten ein, der sich von den halb nach unten gelassenen Jalousien auf der daneben liegenden Wand warf. Von hier aus hatte er einen direkten Blick auf sie und er musterte das Geschöpf vor ihm ausgiebig.
 

Ihr feuchtes Haar hing in feinen Strähnen, gleich den blauen Fäden eines Wasserfalls in ihr blasses Gesicht und berührte schließlich ihren Nacken. Es war mit einer schwarzen Spange ein wenig hochgesteckt, sodass ihm ihr Nacken verführerisch entgegen lächelte. Ihr schmaler Körper war in einen blauen, kurzen Seidenkimono gehüllt.
 

Versteinert, stuporös saß sie quer auf der Couch, ihr Rücken ruhte an der Armlehne und ihre Beine auf der restlichen Sitzfläche. Lange saß sie bewegungslos, starrte in seine Richtung, wusste es nur nicht. Sie hatte seine Anwesenheit gespürt, ihre Nackenhaare hatten sich kurz nach seiner Ankunft gekräuselt und eine Gänsehaut hatte sich auf ihre Arme gelegt. Doch auch das wusste sie nicht. Sie schien es nicht ein Mal bewusst wahrgenommen zu haben.
 

Tief in Gedanken versunken griff sie schließlich nach einem Weinglas, das neben ihr auf dem Glastischchen auf seinen Einsatz gewartet hatte. Sie nippte mit ihren geschwungenen Lippen daran, schien sich nicht zu kümmern, es nicht ein Mal zu bemerken, dass ein Tropfen des edlen Rotweines an ihrem Mundwinkel den Weg zu ihrem Kinn suchte, als sie es wieder zurück auf den Tisch stellte. Das Glas protestierte mit einem leichten, hohen klacken bevor wieder eine seltsame Stille eintrat.
 

Er betrachtete noch ein Mal ihr Gesicht, wie es emotionslos ins Nichts starrte. Seine Zunge fuhr unweigerlich über seine Lippen und Fangzähne. Er konnte nicht leugnen, dass eine Frau mit geröteten Lippen und einer feinen roten Linie von Mundwinkel bis Kinn ausgesprochen betörend war (auch, wenn es sich dabei nur um das Rot des Weines handelte). Die blasse Haut, der rote Mund, das weiche Haar, die nach Lilien duftende Haut… Wieder ein Mal fühlte er seine inneren Barrieren wanken, seine Vernunft schwinden. Zu gerne hätte er nun seine kalten Hände nach ihr ausgestreckt und hätte diese feine Linie mit seinen Lippen verwischt. Doch einer der Vorteile, ein Vampir zu sein war schließlich, dass es nicht die körperliche Berührung benötigte, um in ein anderes Wesen einzutauchen.
 

Vegeta warf kurzerhand seinen Anstand über Bord und versuchte, in ihre Gedanken einzudringen. Neugier machte auch vor Vampiren nicht halt, im Gegenteil. Er öffnete die Tür zu ihrem Bewusstsein und erwartete dort ängstliches Nachsinnen über ihre gruselige Begegnung mit einem Vampir. Zu seinem Erstaunen jedoch war ihre Gedankenflut so gewaltig, dass er die Tür wieder schloss und sich in seinen Schatten zurückzog.
 

Dies war selbst für ihn zu viel gewesen. Ihr Unterbewusstsein hatte sich gegen sein Eindringen gewehrt, doch diese Abwehr war zu schwach um ihn aufzuhalten. Doch bei einer solchen Welle von Gedanken, die ziellos durch den Kopf rasten, war es schwierig, einen dieser Gedanken aufzugreifen und ihm zu folgen. Alles, was er erkennen konnte war, dass es Erinnerungen waren. Erinnerungen aus einer lang vergessenen, vermutlich verdrängten Vergangenheit.
 

Leise schnaubend richtete er seinen Blick wieder auf Bulma, die noch immer unverändert starr auf der Couch saß. Fast alle Menschen neigten dazu, sich von ihrer Vergangenheit jagen zu lassen. Sie sprachen ihrem vergangenen Leben so viel Macht zu, dass es teilweise in der Lage war, die Gegenwart und die Zukunft zu überdecken. Ein Umstand, den er zu belächeln neigte. War es nicht unklug, sich von etwas beeinflussen zu lassen, das schon Jahre zurück lag oder auch nur Minuten? Dies alles war schließlich vorbei, vergangen und unveränderbar. Die Gegenwart und die Zukunft waren es, die die Macht hatten, Dinge zu ändern, besser zu werden, schlechter zu werden. Die Vergangenheit stand fest, war in Stein gemeißelt.
 

Vegeta vernahm einen tiefen Atemzug und eine darauffolgende Bewegung. Ihr Körper sackte leicht und sanft in sich zusammen, ihr Kopf rollte in ihren Nacken und gegen die Rückenlehne ihrer Couch. Ihre Müdigkeit hatte sie eingelullt. Sie hatte wohl die letzte Nacht nicht viel geschlafen, was Vegeta unweigerlich schmunzeln ließ. Er wartete ein paar Minuten, bis sie in tiefen Schlaf verfallen war und trat aus seinem schützenden Schatten.
 

Sein Körper thronte nun majestätisch über ihrer kleinen, schmalen Form und er beugte sich ein wenig zu ihr hinunter, was das Leder seines Mantels leise knarren ließ. Seine Nase atmete tief ein, pumpte unnötigen Sauerstoff in seine Lungen, doch dies ließ auch becircende Düfte seinen Geruchssinn streifen, während der Daumen seiner rechten Hand in einer kaum spürbaren Berührung die Wein spur an ihrem Kiefer beseitigte. So verharrte er kurz, genoss den Augenblick, bis sich seine Arme um ihren Körper schlangen und er sie hoch hob.
 

Ohne aus ihrem Schlaf zu erwachen, der von tiefen Träumen durchzogen war, kuschelte sie sich an seinen Oberkörper, ließ ihren Kopf an seine Schulter lehnen. Mit emotionsloser Mine betrachtete Vegeta das Geschöpf in seinen Armen und trug sie in ihr Schlafzimmer, wo er sie sanft auf ihr großes Bett platzierte. Bulma protestierte dabei leicht im Schlaf, kuschelte sich doch sogleich an ihre Decke und zog ihre Beine an.
 

Vegeta knurrte leise… so wie er vermutet hatte, ein riesiges Bett mit den weißesten und weichsten Laken. Er drehte ihr den Rücken zu und verschwand daraufhin in einem fahlen Schatten, tauchte ein in sein Element, seine Heimat, tauchte ein in die tiefschwarze Nacht.
 

oOo
 

A/N

Whisky = übersetzt heißt es „Wasser des Lebens“ oder „Lebenswasser“
 

Ich weiß selber nicht, was ich von dem Kapitel halten soll. Einerseits bin ich zufrieden, andererseits kein bisschen (ein bisschen zwiegespalten sozusagen…) und ich verabscheue Flashbacks.. dazu hab ich einfach kein Talent, ich hoffe aber trotzdem, das es halbwegs autentisch geworden ist). Darum hat es vermutlich auch so lange gebraucht, bis ich mal damit fertig geworden bin. Jedenfalls tauchen wir hier ordentlich ins Alternate Universe der Story ein :) . Es soll die Veränderung erklären, die Vegeta in seinem langen Leben/Tod durchgemacht hat, aber auch seinen Charakter besser darstellen.
 

Bezüglich der Jahrhunderte, bitte seid nicht allzu kritisch. Mein Geschichtsunterricht liegt schon eine ganze Weile zurück und ich war in Geschichte so oder so nie gut. Ich habe versucht, so real wie möglich zu bleiben, aber sollte es Abweichungen geben, seid mir bitte nicht zu sehr böse.



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Kommentare zu diesem Kapitel (7)

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Von: abgemeldet
2009-01-03T17:55:37+00:00 03.01.2009 18:55
SUPER!!!
Super!!!
Ich liebe deinen Schreibstil, der ist immer so fesselnd, aber du hast schon so lange nichts mehr geschrieben(Sorry, bitte nicht sauer sein), dass ich deine Story fast vergessen hätte, wenn nicht das Lied "Eisblumen" von "Eisblume" gewesen wäre.
Deine Story ist echt klasse und ich liebe es, wenn Vegeta Bulma beobachtet, weil er mit Gefühlen nichts anfangen kann.
Freue mich schon auf das Nächste Kapi...
Von: abgemeldet
2008-11-09T14:09:21+00:00 09.11.2008 15:09
Mensch, da hast du mich aber mal wieder gefesselt =)
Dein Schriebstil war in diesem Kapitel einsame klasse.
Hat mich richtig gebändigt und festgehalten.
Die Flashbacks haben super gepasst.
Auch in welcchen Jahrhunderten du Vegetas Vampileben hast stattfindenlassen.
Einfach nur klasse.
Einen wirklichen schönen Teil hast du da auf das Papier gezaubert =)
Freue mich schön auf den nächsten, und auf B/V Handlung ^^
*knuddel*
lg
Sumsi
Von: abgemeldet
2008-10-29T09:10:57+00:00 29.10.2008 10:10
Flashbacks sind zwar auch nicht grade die Sache die ich am liebsten lese, aber dir ist er sehr gut gelungen. Ich denke nach den letzten Kapiteln, wo du so schön auf das Leben von Bulma eingegangen bist, war dieses Kapitel auch echt mal nötig :).

Also ich kann auch nur sagen, mach weiter so! Die komplette Story ist echt klasse und ich bin schon sehr gespannt was uns im nächsten Teil erwartet.
LG
Von:  Lodemai
2008-10-27T20:36:40+00:00 27.10.2008 21:36
Halli Hallo ^^
Schön mal wieder was von dir zu hören ^^
Also, es hat sich wirklich gelohnt so lange zu warten. Der Flasback ist dir meiner Meinung nach wirklich gut gelungen, nicht zu viel, aber auch nicht zu wenig hast du da rein gebracht. Ich finds immer mal wieder schön so etwas von der Vergangenheit von Charakteren zu erfahren, schließlich fangen ja nicht alle Geschichten mit 'Es war einmal..' an.. wäre ja zu langweilig ^^
Oki, jetzt schweife ich ab xD
Zumindest fand ich es gut beschrieben, wie Vegeta zu Anfang seiner Vampirzeit war, immerhin ist es sicherlich nicht leicht mit all dem Hass auf die Menschen oder besser gesagt allgemein auf die Gesellschaft dann auch noch in einen Vampir verwandelt zu werden.
Und dann diese Blutbäder in den USA.. er war jung und brauchte das Blut xD
Ne, aber ich denke, dass er sich nach all den Jahrhunderten doch 'positiv' entwickelt hat.
Diese kleine Annäherung - wenn man das so nennen kann - zwischen Bulma und Vegeta.. ja, für den Schluss des Kapitels war das eigentlich ganz gut. Irgendwie hat er sie sich in seinem Unterbewusstsein schon als Partnerin ausgesucht, auch wenn er sich das noch nicht eingesteht, aber wieso sollte es ihn sonst so unbewusst zu Bulma führen?
Nun ja.. mal sehen, wie es sich weiter entwickelt ^^
Und dann mal so ne Frage nebenbei ^^
Ist deine FF 'Strangers' auf unbestimmte Zeit auf Eis gelegt oder hast du sie ganz abgebrochen?
lg
Lodemai
Oo .. ich glaub, ich habs mit dem Kommi ein bisschen übertrieben xD
Von:  Thaleia
2008-10-24T19:52:08+00:00 24.10.2008 21:52
Hey,
das Flashback war Wahnsinn, einfach super.
Ich bin Geschichtefanatiker und muss zugeben, klasse!
Es hat mich ohnehin interessiert, wie Vegeta zum Vampir geworden war.
Aber das war nicht das Einzige, was an dem Kapitel super war, weshalb sich das Warten auf jeden Fall gelohnt hat, die ganze Stimmung war einfach nur mitreißend und wow! ..
Dass du am Schluss dann noch ein bisschen die 'Beziehung' V/B riengebracht hast, da fand ich kam Bulmas Menschlichkeit und Vegetas Vampirismus so gut rüber wie nie.
Du steigerst dich von Kapitel zu Kapitel!
Mach weiter so..
Bei solchen Kapitel lohnt sich das Warten alle mal.
Lg
Von:  szymzickeonee-sama
2008-10-24T15:32:00+00:00 24.10.2008 17:32
Hey!^^
Also ich fand, der Flashback war echt gut. er passt auch wunderbar in diesen Teil der Geschichte.
Geschichtlich kann ich dir leider auch nicht viel sagen, aber es hat sich auf jeden Fall sehr authistisch angehört XD.
Freu mich schon aufs nächste Kapi, LG, Szyo~
Von: abgemeldet
2008-10-24T14:58:33+00:00 24.10.2008 16:58
Wie schön ein neues Kapitel...das freut mich. Hab lange daruaf gewartet. Ich liebe deine ff...das ist mal was vollkommen anderes. Ich hoffe da kommt bald ein neuer Teil.


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