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Die Kinder von Captain Waylon

Die Geschichte von Sabrina und Berthold
von

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Der Untergang der Golden Whale

„Alle über Bord! Dies ist ein Befehl!“
 

Der Ozean glich einem Flammenmehr. Das Feuer loderte und fraß sich satt am Holz des Schiffes, welches es wild züngelnd erobert hatte. Die salzige Meeresluft vermischte sich mit dem Geruch von Asche.

Der Captain des Schiffes wusste, dass es für sein geliebtes Schiff Golden Whale keine Hoffnung mehr gab. Seine Zeit war gekommen. Der mittlere Mast gab ein erschreckendes Geräusch von sich, er knackte und knirschte. Bald würde er nicht mehr stand halten können. Kanonen wurden immer noch abgefeuert, die Schüsse pfiffen scharf durch die Nacht und trafen direkt in die Mitte. Der dicke Mast brach. Krachend fiel er auf die Reling und hinterließ einen gewaltigen Schaden. Der Captain konnte gerade noch seine beiden Kinder, einen Jungen mit einem kleinen Mädchen, aus der Schusslinie werfen, indem er sich auf den Boden schmiss und die beiden Piratensprösslinge mit voller Kraft von sich wegschubste. Dabei verfehlte ihn der gewaltige Balken nur knapp.

„Vater, Vater! Vater, geht es dir gut?“

Der alte Mann mit den grauen Haaren und dem schwarzen Mantel, welcher nun von Sägespänen bedeckt und von oben bis unten klitschnass war, kroch unter dem Balken hervor und schrie seinen Sohn an.

„Berthold! Geh aus der Schusslinie, verdammt!“

Der Junge, Berthold war sein Name, dachte aber nicht daran. Er eilte zurück und zog seinen Vater mit aller Kraft unter dem Balken hervor. Doch er war zu klein, seine Kraft reichte nicht aus, seinen Vater auf die Beine zu bekommen. Der Captain raffte sich selbst mit all seiner letzten Kragt auf, ehe er sich wieder ducken musste und seinen Sohn an sich drückte, um ihn vor einer weiteren Kugel zu schützen.

"Diese verdammte Royal Navy“, knurrte er. "Sie machen Ihrem Ruf wirklich alle Ehre."

Die Männer der restlichen Crew waren bereits alle von Bord gekommen, nur der Captain und seine Kinder waren noch hier. Als Captain würde er an Bord bleiben, so verlangte es der Kodex. Das galt aber nicht für seine beiden Kinder. Das Weinen des kleinen Mädchens lies des Vaters Herz schwer werden, denn auch ein Pirat hatte Angst um seine eigenen Kinder und würde alles tuen, um sie zu beschützen. Er sah sich um und entdeckte, was er suchte. Eine riesige schwere Truhe. Schnell hastete er darauf zu, öffnete sie und leerte den gesamten Inhalt in wenigen Sekunden aus. Goldmünzen, silberne Kelche, Ketten, Ringe, edle Seide, alles was sie erbeutet hatten flog von dannen. Der Schatz war jetzt unwichtig, er sollte auf dem Meeresboden landen. Doch seine Kinder, die würde der Ozean nicht bekommen. Nicht, solange er noch lebte.

„Vater, was machst du denn da?“, protestierte Berthold, der in seinen jungen Jahren nichts davon verstand. Sein Vater stand auf und nahm seinen Sohn fest bei den Schultern.

„Mein Junge, du musst jetzt tuen, was ich dir sage. Hast du mich verstanden?“

„Aber Vater, ich-„

"Hast du mich verstanden, Berthold?!“

Er wurde ungehalten. Berthold nickte schnell, denn er erkannte, wie ernst die  Lage war. Sein Vater machte keinen Spaß.

„Du musst deine Schwester nehmen und von hier verschwinden, so schnell es geht. Schau nicht zurück, komm auch nicht zurück. Nur ihr zählt jetzt, pass auf sie auf, dass ihr nichts passiert. Und pass auf dich auf. Du bist jetzt für euch verantwortlich. Versprichst du mir das?“

Berthold ballte seinen kleinen Fäuste und nickte fest entschlossen.

"Aye, Vater."

Die Flammen loderten immer wilder und gieriger und das Schiff machte einen gefährlichen Ton. In wenigen Minuten würde das leichte Wiegen in den Wellen dafür sorgen, dass sie in Schieflage gerieten. Sie hatten nicht mehr viel Zeit. Blieben sie weiter an Bord, würde entweder das Feuer sie erfassen oder sie würden sinken und das Monstrum würde sie mit auf den Meeresgrund ziehen. Berthold und sein Vater nahmen das kleine weinende Mädchen an die Hand und steckten sie in die Kiste. Der Vater nahm noch ein letztes Mal die kleine zierliche Hand in seine große. Mühevoll hielt er seine Tränen zurück.

„Mein kleiner Meeresteufel“, begann er zärtlich und strich dem Mädchen das rote Haar aus dem Gesicht, damit sie sich ein wenig beruhigte. „Du musst mir versprechen, dass du ab jetzt auf alles hörst, was dein Bruder dir sagt.“

Das kleine Mädchen nickte und zog die Lippen zusammen.Er nahm ein letztes Mal ihren Kopf zwischen seine großen Hände und küsste ihren Scheitel.

„Ich liebe euch beide. Und jetzt rasch.“

"Bleib unten, ich schließe jetzt den Deckel“, sagte Berthold zu seiner Schwester.

Er schloss den Deckel der Kiste. Leise hörte er es noch wimmern und es brach ihm das Herz. Zusammen mit seinem Vater schmiss er die Kiste ins Wasser. Sie landete mit einem gewalteschen PLATSCH und schwamm dann ruhig auf der Oderfläche.

„Jetzt bist du an der Reihe, Berthold. Spring hinterher“, befahl sein Vater. „Haltet euch versteckt, kommt der Navy nicht zu nahe. Und geht nicht in Port Royal an Land.“

„Aye, Vater“, sagte Bertold. „Aber du kommst hinterher?“

Der Captain schwieg, unmöglich konnte er seinem Sohn sagen, dass er vorhatte, mit seinem Schiff gemeinsam unterzugehen. Stattdessen lächelte er. Es war kein ermutigendes Lächeln. Es war eines, was deutlich sagte: Ich wünschte ich könnte es.

„Geh jetzt, mein Junge.“

„Aber Vater…“

Der Captain schubste seinen Sohn von der Reling. Berthold fiel ins Wasser. Er schloss die Augen, als er merkte, dass er untertauchen würde, um seine Augen vor dem Salz zu schützen. Instinktiv breitete der Junge seine Arme aus, als es platschte und er am Druck an den Ohren spürte, wie er unter Wasser sank. Er kämpfte sich an die Oberfläche, schnappte Luft und sah sich zu allen Seiten um. Viele Überreste des Schiffs, Holzplanken, seidene Stoffe, ein Dreispitz. Berthold nahm sich den Dreispitz, setzte ihn sich auf den Kopf und schwamm dann zur Kiste, wo seine Schwester drin war.

„Alles ist gut“, flüsterte er. „Jetzt bin ich da. Ich bin bei dir. Ich lass dich nicht alleine.“

Er kletterte auf die Kiste und ließ sich mit ihr treiben. Hilflos sah er mit an, wie die Golden Whale in der Mitte auseinanderbrach und langsam im Ozean versank. Brennend, mit zerrissenen Segeln, ein einst so majestätisches Schiff, nun war es nur noch ein weiteres Wrack. Im dichten Nebel erkannte er die Silhouette der Interceptor. Wie ein dunkles Gespenst verschwand es dort im Nebel. Erschöpft klammerte er sich an der Kiste fest. Die Wellen trieben sie hinaus auf den weiten Ozean.
 

Berthold musste auf dem Weg eingeschlafen sein, denn als er erwachte, befand er sich nicht mehr im Ozean. Er lag an einem weißen Strand. Die Sonne weckte ihn sanft und überall an seinem nassen Körper klebten unzählige kleine Sandkörner und Algen. Langsam kam er wieder zu sich, schreckte aber auf. Er tastete nach der Kiste. Die Kiste! Seine Schwester! Er musste sie verloren haben.

„NEIIIIN!!!!!“, schrie er.

Er hechtete noch etwas benommen durch den Sand. Palmen wuchsen hier, rechts waren riesige Gebäude, sowie ein Steg. Er war an eine Stadt angespült worden, so wie es aussah. Doch das war Berthold gerade egal. Wo war die Kiste? Eine Menschentraube befand sich nicht weit von ihm. Da waren Männer in lauter roten und blauen Uniformen, alle hatten sie weißblonde Perücken und trugen Dreispitze, so wie Berthold. Er brauchte nicht lange, um 1 und 1 zusammenzuzählen. Er war in Port Royal. Genau dort, wo sie nicht hinsollten. Flink versteckte er sich hinter einer Kiste und beobachtete das Geschehen. Die Soldaten trugen ihre Waffen bei sich, große Gewehre und an ihren Gürteln steckten selbstverständlich Schwerter. Sie waren bestens ausgerüstet.

„Was soll denn dieser Aufruhr?“

Lieutenant James Norrington kam mit seinen Gefolgsleuten und seiner Schwester Sarah nur schwer durch die Menschenansammlung hindurch. Die Soldaten mussten eingreifen und ihrem Befehlsgeber einen Weg bahnen, was gar nicht so einfach war. Die Bürger von Port Royal waren schaulustig, wenn etwas seltsames passierte. Und ein kleines Kind in einer Kiste war mehr als seltsam. Berthold zitterte. Nein, sie würden seine Schwester töten. Er musste etwas unternehmen. Er konnte nicht hier sitzen und nur zuschauen.

„In dieser Kiste ist ein Mädchen.“

„Sie ist bewusstlos.“

„Sie ist ganz alleine.“

Norrington hockte sich zu der bewusstlosen Kleinen. Sarah stand dicht hinter ihm, dicht hinter ihr zwei andere Frauen in edlen Kleidern.

„Sie lebt?“, fragte Sarah voller Sorge.

„Scheint so“, entgegnete Norrington und legte seinen Finger an ihr kleines Ärmchen, um den Puls zu erfühlen. Es schlug, Gott sei Dank! Doch da war noch etwas anderes, was Norringtons Aufmerksamkeit erregte. Er krempelte den nassen Ärmel hoch und entdeckte ein Tattoo auf der Innenseite des Arms.

„Die Mondsichel“, knurrte er ungehalten. „Dachte ich es mir doch, Pirat.“

Ein Raunen ging durch die Menge. Alle begannen, leise zu tuscheln.

Was würde Norrington jetzt tuen?

Jeder, der ein Pirat war oder in Verbindung zu einem Stand, auf den wartete in Port Royal der Galgen. Aber galt das auch für ein kleines unschuldiges Mädchen, welches vielleicht gerade mal drei Jahre zählte? Berthold juckte es in den Fingerspitzen. Er suchte nach einem geeigneten Gegenstand, den er als Waffe benutzen konnte. Er war gerade mal junge neun, große Chancen hatte er nicht, er wie sollte er auch mit ausgewachsenen Soldaten alleine fertig werden? Gerade, als er sich entschied, loszustürmen, da erhob die edle Frau mit den schwarzen Haaren das Wort.

„Bruderherz, sie ist noch ein Kind.“

"Du kennst das Gesetz, Sarah. Egal, wie alt oder welches Geschlecht, jeder der mit der Piraterie in Verbindung steht, muss seine gerechte Strafe erhalten.“

„Das werde ich nicht zulassen, James."

Die Frau stellte sich gegen ihren Bruder, oder eher gesagt, gegen das Gesetz.

„Wenn du sie in diesem Alter in den Kerker steckst, bedeutet das für sie lebenslänglich. Sieh sie dir doch an, sie ist unschuldig. Was hat sie in ihrem Alter schon so schreckliches getan? Sie verdient eine Chance.“

„Auch der winzigste Hai hat ein scharfes Gebiss“, kam es nur von James. „Geh beiseite, ich wiederhole mich nicht noch einmal.“

"Nein“, kam es von Sarah. Sie wich nicht von der Stelle, sie blieb standhaft. Sie starrte ihren Bruder an, der starrte ebenso zurück. So standen sie da, Berthold verglich sie mit zwei Hunden, die sich nicht einigen konnten, wer der Boss ist. Schließlich, zu aller Überraschung, gab James auf.

„Nun gut, tu was du nicht lassen kannst. Aber sollte sie auch nur den winzigsten Ärger machen, dann bringst du sie zum Galgen. Eigenhändig.“

Damit war die Sache geritzt. Die Soldaten verschwanden und Sarah blieb mit zwei weiteren Frauen am Strand sitzen. Sarah stützte das kleine Mädchen und richtete sie auf. Eine der Bediensteten fasste Sarah behutsam am Arm, während ein Soldat herbeigerufen wurde, der erste Hilfe leisten sollte. Er gab sachte eine Massage am Brustkorb. Gerade, als er die allbekannte Mund-zu-Mund-Beatmung anwenden wollte, gab es ein erleichtertes Raunen bei den Frauen. Das Mädchen begann zu husten und spuckte Wasser. Sarah reagierte sofort und legte ihr eine ihrer warmen Hände an die verkühlten Wangen. Liebevoll lächelte sie das Mädchen an.

„Keine Angst, du bist in Sicherheit. Niemand wird dir etwas tuen, du stehst ab sofort unter meinem Schutz.“

„Mrs. Groves, was werden Sie jetzt tuen? Werden sie sich dem Mädchen annehmen?“

Sarahs liebevoller Blick wurde nun besorgter. Nachdenklich betrachtete sie das kleine Mädchen, welches immer noch sehr benommen aussah. Sie schien ihre Umgebung noch gar nicht richtig zu erfassen, beinahe träumerisch blickte sie am Strand umher. Konnte so etwas unschuldiges wirklich eine waschechte Piratin sein?

"Ich kenne ein Ehepaar hier in Port Royal, welches sich schon ewig ein Kind wünscht“, sagte sie voller Liebe und strich dem Mädchen über das Haar. „Dort soll sie wohlgehütet aufwachsen und eine gute Erziehung genießen. Ich werde sie Sabrina nennen.“

Sie gingen mit dem Mädchen davon. Berthold saß noch eine Weile so da, unsicher, ob er ihnen folgen sollte oder nicht. Er hatte ihrem Vater versprochen, dass er seine Schwester in Sicherheit bringen würde. Nur war es für sie nicht so viel sicherer, in der Obhut der Navy? War das nicht ein Leben, was ihr vielleicht eine Zukunft bringen würde?

Würde er jetzt hinterher eilen, könnte er für sie beide das Leben riskieren. Und er würde ihr die große Chance nehmen, ein vielleicht unbesorgteres ruhigeres Leben zu haben. Besser, er hielt sich im Hintergrund. Wenn sie alt genug war, dann konnte sie selbst entscheiden, ob sie ein Pirat werden wollte oder nicht. Seine Aufgabe war es gewesen, seine Schwester in Sicherheit zu bringen. Berthold hatte seine Pflicht erfüllt.

„Mach es gut, kleine Schwester. Wir sehen uns wieder. Ich verspreche es.“

Eines Tages würde er wiederkommen. Doch jetzt würde er erst einmal ein Schiff stehlen. Es gab noch viel zu erledigen und das Meer rief nach seinem Namen.



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