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Lonely Defiant Dragon

Des unnahbaren Einzelkämpfers größte Herausforderung
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo und herzlich Willkommen zu meiner ersten Yu-Gi-Oh Fanfiction. Die Idee hatte ich schon vor langer Zeit, aber nun habe ich endlich mal die Zeit gefunden, die Geschichte dazu zu schreiben. Ich hoffe es liest nach all der Zeit noch jemand eine Fanfiction über diesen Kult Anime. Viel Spaß mit dem ersten Kapitel. Die Geschichte liegt vollständig abgeschlossen auf meinem Computer und ich werde ab jetzt jede Woche ein Kapitel hochladen. Leider ist sie nicht gebetat, da ich zwar im Forum eine entsprechende Anfrage gestellt, aber sich leider niemand gemeldet hat. Wenn also jemand einen Rechtschreib- oder Logikfehler findet, gerne in einem Kommentar darauf hinweisen. Über Lob und Kritik freue ich mich an dieser Stelle natürlich auch. Natürlich hier noch der Hinweis, dass die Charakter von Yu-Gi-Oh nicht mir gehören und ich mit dieser Geschichte kein Geld verdiene. Wer sie sich als kostenloses eBook herunterladen möchte, kann mir gerne eine ENS schreiben, dann schicke ich den Link zu der Plattform, auf der ich auch meine eigenen Origin Stories anbiete. Das Coverbild habe ich übrigens mit einer KI von Text zu Bild erstellen lassen und ich verwende in meiner Geschichte die japanischen Namen, weil ich die schöner finde. Also, aber jetzt wirklich, viel Spaß mit meiner Fanfiction "Lonely Defiant Dragon". Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Guten Abend. Hier das zweite Kapitel. Viel Spaß beim Lesen. Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
So, hier also Kapitel 3, welches ein bisschen mehr Komplexität in die Geschichte bringen soll. Viel Spaß beim Lesen. Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
So, wie versprochen heute die erste Kerze auf dem Adventskranz in Form eines weiteren Kaps. Fröhlichen ersten Advent und viel Spaß beim Lesen. Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
So, hier das übliche wöchentliche Kapitel. Viel Spaß beim Lesen. Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Hier wie versprochen die zweite Kerze auf dem Adventskranz. Vielen Dank an dieser Stelle für die bisherigen Kommis und Favos, viel Spaß beim Lesen und einen schönen zweiten Advent. Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
So, heute die dritte Kerze auf dem Adventskranz. Viel Spaß beim Lesen. Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
So, ich wünsche allen fröhliche Weihnachten und schließe heute mit dem 10. Kapitel diese FanFiction ab. Viel Spaß beim Lesen. Komplett anzeigen

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Loneliness doesn't fit into the Budget

Setos Sicht:
 

Wie so oft in den vergangenen Jahren finde ich mich auch heute Morgen erneut an meinem Schreibtisch in meinem Büro, das sich in der obersten Etage des imposanten Kaiba Corporation-Firmengebäudes befindet, wieder. Die Gewohnheit, hier zu erwachen, hat sich im Laufe der Zeit beharrlich eingeschlichen, und so ist es auch keine wirkliche Überraschung mehr, als sich meine blauen Augen langsam öffnen. Kurzzeitig überkommt mich dennoch eine leichte Verblüffung, denn mein Gesicht ruht nicht auf den Buchstabenwürfeln meiner Computertastatur, sondern sanft auf einem weichen, bequemen Kissen.
 

Ein leiser Seufzer entringt sich meinen Lippen, als ich mir den Schlaf aus den Augen reibe. Meine Gedanken sind noch verschwommen von der wohl unzureichenden Schlafmenge, die ich in der vergangenen Nacht abbekommen habe. Die Erkenntnis kommt erst langsam, als meine Sinne sich klären – nur Isono kann der Urheber dieser kleinen, unerwarteten Annehmlichkeit, sprich des Kissens, sein. Er ist seit Jahren wie ein beharrlicher Schatten, stets präsent und sorgt sich unermüdlich um mein Wohl. Für einen winzigen Moment kann ich nicht leugnen, dass er mit ziemlicher Sicherheit sogar der Hauptgrund dafür ist, dass ich noch nicht völlig verwahrlost bin. Doch mein stolzes Ego wischt diesen Gedanken beiseite, noch bevor er tiefer in mein Bewusstsein vordringen kann.
 

Vollkommen allein und unbeobachtet, erlaube ich mir ein herzhaftes Gähnen, während ich mich ausgiebig strecke. Das Knacken, das mein Rücken dabei von sich gibt, hätte mich vielleicht besorgen sollen, da es nicht zu meinen jungen 25 Jahren passt. Aber solche unbedeutenden Kleinigkeiten kann ein teuer bezahlter Physiotherapeut zwischen zwei anstrengenden Vorstandsitzungen sicherlich problemlos beheben. Mein Blick schweift über die angenehm leere Oberfläche meines Schreibtisches, bis er schließlich an einem gerahmten Foto hängen bleibt. Das Foto zeigt mich, Mokuba, Shizuka und all meine ehemaligen Klassenkameraden an unserem Schulabschlusstag. Mokuba hat es mir geschenkt und ich kann nicht umhin, mich kurz ernsthaft zu fragen, warum es hier steht.
 

Ich erinnere mich an die Szene, als wäre sie erst gestern geschehen, in der dieses Foto entstanden ist. Mokuba hat Isono eine hochmoderne Digital Kamera in die Hand gedrückt. Er war damals so aufgeregt gewesen, als er hartnäckig darauf bestanden hat, dass wir ein Erinnerungsfoto machen. Schon damals war er mit der ganzen Bande um Motou eng befreundet gewesen. Für ihn war es ein Moment der ungetrübten Freude und des herzlichen Zusammenseins, aber für mich fühlte es sich eher wie eine unbequeme Pflichtübung an, der ich dann auch nur meinem kleinen Bruder zuliebe nachkam. Mein kühler und abweisender Gesichtsausdruck auf dem alten Bild bildet dementsprechend einen deutlichen Kontrast zu den strahlenden Gesichtern meiner lebhaften Klassenkameraden. Aber ich war eh noch nie jemand gewesen, der Gefühle und Emotionen offen zeigt.
 

Kurz denke ich tatsächlich darüber nach, was aus den anderen geworden sein mag. Mutou ist, soweit ich weiß, inzwischen mit Mazaki verlobt und scheint sein Glück gefunden zu haben. Honda arbeitet für Otogi und wir haben tatsächlich erst vor einiger Zeit geschäftlich miteinander gesprochen. Es beruhigt mich irgendwie zu wissen, dass beide offenbar ihren Weg gefunden haben. Mokuba und Shizuka studieren beide Medizin und ich kann in Gedanken kaum in Worte fassen, wie stolz ich deswegen auf meinen kleinen Bruder bin. Der Einzige, von dem ich tatsächlich keine Ahnung habe, was nach dem Abschluss aus ihm geworden ist, ist Jonouchi Katsuya. Die Erinnerung an diesen Namen lässt mich ungewollt kurz innerlich zusammenzucken und ich versuche sofort, den seltsam unangenehmen Gedanken zu verdrängen. Es ist besser, sich nicht weiter damit zu beschäftigen.
 

Deshalb wende ich mich nun auch fast etwas zu energisch von dem Foto ab und fokussiere mich anstatt dessen lieber auf den bevorstehenden Tag. Sentimentalität in Form von Erinnerungen an die Vergangenheit ist etwas, was weder in meinen geschäftigen Zeitplan noch in mein persönliches Budget passt. Ich betätige die Sprechanlage und bestelle mir einen kräftigen, doppelten Espresso. Es ist an der Zeit, mich voll und ganz auf die bevorstehenden Herausforderungen des Tages zu konzentrieren und daran zu arbeiten, die Kaiba Corporation aus ihrer gegenwärtigen Krise zu führen. Der Kaffee kommt wenige Minuten später, begleitet von einem subtil besorgten Isono, den ich teils bewusst, teils unbewusst ignoriere. Genau wie die Reisbällchen, die er mir zusammen mit dem Kaffee serviert. Essen kann warten; mit leerem Magen kann ich ohnehin besser denken.
 

Einige Termine später sitze ich schließlich wieder in meinem geräumigen Büro und starre auf den Bildschirm meines hochmodernen Computers. Die virtuelle Welt, ein Projekt, das mich genau so unermüdlich wie unerschöpflich Zeit, Energie und Ressourcen gekostet hat, ist nicht nur einmal, sondern bereits zweimal gescheitert. Jahre voller Anstrengung und Enttäuschung haben mich an diesen kritischen Punkt geführt. Die Ausreden, beim ersten Mal die Big Five, beim zweiten Mal mein Adoptivvater sowie mein Adoptivbruder, lasse ich für diese Rückschläge keines Falls gelten. Die Spielebranche verlangt ständige Innovation, Fortschritt und bahnbrechende Erfindungen, die, immer wieder aufs Neue, die Grenzen des Vorstellbaren sprengen. Als CEO der Kaiba Corporation liegt es allein in meiner Verantwortung, diesen hohen Anforderungen gerecht zu werden.
 

Aber bisher habe ich, auch wenn ich dies nur ganz leise und im Stillen vor mir selbst zugebe, diese hohen Erwartungen, zumindest meines Empfindens nach, nicht erfüllen können. Mein Blick verharrt auf dem Bildschirm, auf dem einige der gescheiterten Prototypen der virtuellen Welt zu sehen sind. Fragen quälen mich ohne Erbarmen. Was habe ich übersehen? Warum will einfach mir dieses Unterfangen einfach nicht gelingen? Die Last dieser Fragen drückt unerbittlich auf meine Schultern. Während ich über die Jahre immer tiefer in die Gedankenwelt der virtuellen Realität eintauchte und verbissen nach einer Lösung suchte, versucht mein rechte Hand, Isono, immer energischer, mich zur Entspannung zu bewegen. Seine beinahe väterliche Fürsorge steht dabei in krassem Kontrast zu meiner obsessiven Hingabe zu meiner Arbeit.
 

Ja, er sorgt für mich, achtet darauf, dass ich zumindest ab und an das Essen nicht voll und ganz vergesse und dabei wird seine stumme Bitte, dass ich doch eine Pause machen und mich erholen soll, von Jahr zu Jahr, von Monat zu Monat und von Tag zu Tag immer lauter und dringlicher. Er scheint sich wirklich zunehmend Sorgen um mich und meine Gesundheit zu machen. Doch er versteht mich und meine Situation scheinbar einfach nicht - wie kann ich denn bloß pausieren, an Freizeit oder gar Urlaub auch nur denken, wenn doch die Zukunft der Kaiba Corporation auf dem Spiel steht? Er muss doch auch einsehen, dass ich gefangen bin in diesem Teufelskreis aus Arbeit, Stress und Selbstzweifeln, aus dem es scheinbar kein Entkommen gibt. Tief in mir drin weiß ich, dass Isono Recht hat, dass ich zu erschöpft bin, um klar zu denken und dass das meine ständigen Selbstzweifel nur weiter verstärken. Aber ich kann jetzt nicht einfach aufhören.
 

Die Kaiba Corporation und die virtuelle Welt sind nicht nur Geschäftsprojekte, sie sind Teil meines Lebenswerks, eine Obsession, die in meinem Inneren brennt. Ihre Bedeutung geht weit über den geschäftlichen Aspekt hinaus, ist ein Teil von mir, meiner Identität. Ich kann und will sie nicht aufgeben, nicht nach all den Jahren des Einsatzes und der Hingabe. Mein Blick verharrt wieder auf dem Bildschirm und ich atme gleichmäßig, während ich mich bemühe, die lähmende Dunkelheit in meinem Inneren zu vertreiben, die mich zu erdrücken droht. Wie kann ich die hohen Erwartungen erfüllen, die auf meinen Schultern lasten? Wie kann ich eine Innovation schaffen, die nicht nur die Branche, sondern die ganze Welt verändern wird? Diese Gedanken verfolgen mich, sind längst zu meinem ständigen Begleiter geworden, wie ein Schatten, den ich nicht abschütteln kann.
 

Die Kaiba Corporation und mein persönlicher Stolz stehen auf dem Spiel, und das ist eine Tatsache, die ich nicht ignorieren kann. Nach all den Herausforderungen, mit diesem Unternehmen, dem ich bereits einen Großteil meines kurzen Lebens gewidmet habe, kann und will ich jetzt sein Scheitern nicht zulassen. Völlig in diese Gedanken vertieft, drehe ich mich zu der Fensterfront in meinem Rücken und lasse die Augen über das beeindruckende Panorama von Neu-Domino hinter meinem Schreibtisch schweifen, auf das ich von meinem Büro aus eine perfekte Aussicht habe. Der Anblick erinnert mich daran, wie sehr mein Unternehmen in den letzten Jahren gewachsen ist, wie weit ich gekommen bin. Die Kaiba Corp ist für mich nicht nur eine Firma, sie ist ein Symbol, für welches ich, Seto Kaiba, alles tun werde, um sicherzustellen, dass es seinen Platz an der Spitze behält.
 

Plötzlich und vollkommen unerwartet durchbricht das Piepsen meiner Sprechanlage die Stille des Raums. Der unerwartete Klang reißt mich unsanft aus meinen Gedanken zurück ins Hier und Jetzt. Den Blick hebend, die Stirn in leichte Falten gelegt frage ich mich - wer könnte das sein? Die meisten Menschen wissen, wie schwierig es ist, ohne Termin Zugang zu meinem Büro zu bekommen und das diese noch schwerer zu erhalten sind. Meine Stimme klingt kühl während ich die Sprechtaste drücke und frage, "Was ist los?" Die Antwort meiner Assistentin folgt prompt. "Kaiba-Dono, es tut mir leid, Sie stören zu müssen, aber Ihr Bruder Mokuba-Sama ist hier und möchte Sie gerne sprechen." Mokuba? Mein kleiner Bruder hat mich schon lange nicht mehr besucht! Ich kann nicht leugnen, dass seine unerwartete Anwesenheit mich überrascht. Dennoch bewahre ich äußerlich meine Fassung und antworte ruhig, "In Ordnung, lassen Sie ihn herein."
 

Die Tür zu meinem Büro öffnet sich, und Mokuba tritt ein. Er sieht genauso aus wie auf dem Bild, das auf meinem Schreibtisch steht, nur älter und erwachsener. Sein schwarzes Haar ist nun deutlich kürzer. Ein warmes Lächeln huscht über sein Gesicht, als er mich hinter meinem Schreibtisch entdeckt, und er sagt leise, "Hallo, Oniisan, lange nicht gesehen." Mein Blick bleibt ruhig auf meinem Bruder haften, und ich erwidere nur knapp, "Mokuba." Mein Pokerface ist zwar praktisch wasserdicht, aber ich bin mir sicher, dass ihm meine Überraschung über seinen Besuch trotzdem nicht entgeht. Was mag ihn wohl hierher geführt haben? Die Frage bleibt unausgesprochen, doch dann bemerke ich, dass er nicht alleine ist.

Family Matters and other costly Surprises

Mokubas Sicht:
 

Es ist wirklich eine lange Zeit vergangen, seitdem ich das letzte Mal hier war. Mit jedem meiner Schritte durch die weitläufige Lobby der Kaiba Corporation hallt ein Echo meiner eigenen Geschichte wider. Die moderne und kühle Architektur dieses beeindruckenden Gebäudes steht in markantem Kontrast zu den Erinnerungen an meine bescheidene Herkunft aus einem schlichten Waisenhaus. Seto hat es geschafft, uns in eine Welt zu befördern, die meilenweit entfernt ist von der der Tagen unserer Kindheit. Er hat sein Versprechen gehalten. Doch in stillen Augenblicken überkommt mich die Sehnsucht nach der Einfachheit jener Zeit und der unerschütterlichen Verbindung, die ich einst zu meinem Bruder empfand. Die Spuren, die Gozaburo in unserem Leben hinterlassen hat, gehen weit tiefer, als ich es als kleiner, unbedarfter Junge je hätte erahnen können.
 

Wände aus glänzendem Stahl und Glas erstrecken sich majestätisch in die Höhe und lassen viel des helle Tageslicht von draußen herein. Das Geräusch meiner Schritte fühlt sich heute seltsam fremd in diesem modernen Raum an. Es ist, als wäre die Welt, in der ich aufgewachsen bin, in dieser Umgebung verblasst, ersetzt durch eine aus kühler Effizienz und glänzenden Oberflächen. Während ich auf den Aufzug zulaufe, grüble ich über den wahren Grund meines Besuchs nach. Es ist schon eine ganze Weile her, seit ich meinen älteren Bruder das letzte Mal gesehen habe. Durch Isono weiß ich natürlich besser über die aktuelle Situation Bescheid, als es Seto wahrscheinlich lieb wäre, wenn er es denn wüsste oder gar nur ahnen würde.
 

Die Kluft zwischen uns scheint mit jedem vergehenden Jahr größer zu werden. Heute kann ich nicht mehr einfach in sein Büro platzen, wie es mir als sein ihm nahe stehender kleiner Bruder einst möglich war. Stattdessen hat sich eine Distanz zwischen uns aufgebaut, eine, die nur schwer zu überwinden ist. Die Aufzugfahrt zur obersten Etage kommt mir wie eine Ewigkeit vor. Schließlich öffnen sich die Türen, und, nachdem ich mich bei der Assistentin angemeldet habe, betrete ich das geräumige, minimalistische Büro.
 

Seto sitzt, wie üblich, hinter seinem Schreibtisch, vertieft in seine Arbeit. Die atemberaubende Aussicht auf Neo Domino City bildet einen beeindruckenden Hintergrund, fast als würde sie stolz darauf hinweisen wollen, wie weit der CEO dieses Millionenschweren Unternehmens es gebracht hat. In dem Bemühen, seine Aufmerksamkeit zu erlangen, räuspere ich mich leise. "Hallo, Oniisan, lange nicht gesehen.", murmle ich, während ich meine eigene Nervosität zu verbergen versuche. Seto blickt von seinem Computer auf und für einen flüchtigen Moment, so kurz, dass nur ich es bemerken kann, bricht seine sonst so eisige Fassade auf, in Form eines winzigen Ausdruck der Überraschung, welcher über sein Gesicht huscht, bevor er seine Kontrolle wiedererlangt und seine Stimme so gefasst wie immer klingt, als er meinen Namen ausspricht. "Mokuba."
 

Erst dann scheint er die junge Brünette zu bemerken, die halb hinter mir steht. Ihre grünen Augen wandern unsicher zwischen mir und meinem Bruder hin und her, als sie die Aura der Strenge, die Seto umgibt, spürt. Ich bin mir bewusst, dass sie heute mutig an meiner Seite ist, in einem Raum, der normalerweise von Setos Geschäftspartnern und Angestellten beherrscht wird. Die Müdigkeit in Setos Augen entgeht mir nicht, obwohl er normalerweise Meister darin ist, seine wahren Gefühle zu verbergen. "Und, wie läuft es?" frage ich vorsichtig, während ich meine eigenen Emotionen weiter im Griff zu behalten versuche. Setos Stirn legt sich kurz in Falten, für einen Augenblick scheint er meine Sorge zu spüren und bedeutet uns, auf den Stühlen vor seinem Schreibtisch Platz zu nehmen. "Hat Isono nicht den Auftrag, dir als Vizepräsident dieses Unternehmens regelmäßig Bericht zu erstatten? Muss ich ihn deswegen maßregeln?"
 

Die schroffe Note in seiner Stimme zeigt mir, das ich mich wohl geirrt habe, denn er macht sich scheinbar mehr Sorgen um die Effizienz seines Unternehmens als um sich selbst. Ich schüttle schnell den Kopf, hebe beschwichtigend die Hände. "Nein, Isono schickt mir die Geschäftsberichte sehr gewissenhaft zu, alles in Ordnung. Ich wollte lediglich auch deine persönliche Einschätzung haben." Meine Worte sind sanft, in dem Bemühen, Seto zu zeigen, dass ich mich wirklich um sein Wohl sorge. "Du siehst erschöpft aus, Seto. Bist du in Ordnung?" wage ich nun doch, diese persönliche Frage zu stellen. Die Kluft zwischen uns, die im Laufe der Jahre gewachsen ist, in diesem Moment vollkommen ignorierend, möchte ich ihm zeigen, dass ich immer noch da bin, egal wie sehr er sich von mir entfernt hat. Mich und ihn an die Zeiten erinnern, als er mein Vorbild und Held war.
 

Seine Stirn legt sich erneut in Falten, seine Antwort klingt dadurch wie eine Mischung aus Entschlossenheit und Pflichtgefühl.

"Ich komme zurecht, Mokuba. Es gibt gerade einfach sehr viel zu tun, aber ich werde die Situation selbstverständlich in den Griff bekommen, wie immer." An seinem Hang, sich selbst die tragische Rolle zuzuteilen, hat sich bedauerlicherweise offensichtlich rein gar nicht geändert. Deshalb nicke ich nur, obwohl ich weiß, dass er mir nicht die ganze Wahrheit sagt. Seto war noch nie besonders gefühlsduselig und ich bin heute auch nicht hier, um ihn dazu zu drängen oder gar zu überfordern. Stattdessen versuche ich, die Stimmung aufzulockern. "Hast du die Neuigkeiten gehört? Yugi und Anzu haben sich endlich verlobt. Hat ja auch lange genug gedauert, nicht wahr? Jetzt sind sie wohl endlich glücklich zusammen."
 

Setos nickt, was ich als Zustimmung interpretiere und zudem als Zeichen, dass diese Information wohl überhaupt keine Neuigkeit für ihn ist, bringt mich aber endlich zu dem eigentlichen Grund meines Besuchs. Kurz suche ich Shizukas Blick, die mir ein liebevolles Lächeln schenkt und leicht nickt, bevor ich fortfahre. "Und ich habe dir auch etwas Wichtiges zu erzählen, Oniisan", sage ich vorsichtig. Seto, der sich kurz versucht unauffällig die wohl müden Augen reibt, sieht mich erwartungsvoll an. Schnell hole ich also tief Luft, um meine Gedanken zu ordnen. "Ich bin, nein, wir sind verlobt, Oniisan. Ich habe Shizuka gefragt, ob sie mich heiraten möchte, und sie hat ja gesagt." Im ersten Moment erwidert Seto nichts, sein Gesichtsausdruck nicht zu deuten und sein Blick gleitet zwischen uns beiden hin und her. Dann, als ich schon denke, er wird uns kommentarlos aus dem Büro werfen, erscheint doch tatsächlich ein ehrliches, wenn auch etwas dünnes Lächeln, selten und kostbar, auf seinem Gesicht, das sogar seine Augen erreicht.
 

"Mokuba, das sind wunderbare Nachrichten. Herzlichen Glückwunsch."
 

Ich kann es kaum glauben. Das letzte Mal, dass ich ihn so habe lächeln sehen, war, als wir das Waisenhaus zusammen verlassen haben. Es fühlt sich tatsächlich ganz so kurz an, als wären wir wieder Brüder, nicht nur Geschäftspartner. Aber leider ist dieser Moment nur von sehr kurzer Dauer, schnell kehrt Seto zu seiner gewohnten ernsten Miene zurück. "Dennoch kann diese Nachricht auf ihre Details sicherlich warten, nicht wahr? Ich habe dringende Angelegenheiten zu erledigen", sagt er und richtet seine Aufmerksamkeit wieder auf seinen Computerbildschirm. Ich nicke, denn ich verstehe, dass Arbeit für ihn immer an erster Stelle steht.
 

"Natürlich, Oniisan. Ich dachte nur, du solltest es wissen. Wenn du später Zeit hast, können wir darüber sprechen." Wir erheben uns und wollen schon das Büro wieder verlassen, als Seto, zu unserer beider Überraschung, doch noch einmal das Wort an uns richtet. Seine Frage scheint mehr an Shizuka gerichtet zu sein, auch wenn er weder sie noch mich dabei direkt ansieht. „Gibt es sonst irgendwelche Neuigkeiten, über die ich Bescheid wissen sollte?“ Ich bin kurz über die Frage verwirrt, doch Shizuka scheint auf Anhieb zu verstehen. Sie verbeugt sich tief und antwortet mit leiser, aber dennoch gut verständlicher Stimme: "Leider nein, Seto-Sama, seit fünf Jahren nicht." Mein Bruder nickt nur beinahe unmerklich und entlässt uns dann mit einem Wink seiner Hand, der uns deutlich signalisiert, dass Seto nun seine Ruhe haben möchte. Dann erst beginne auch ich zu verstehen.
 

Es ist, als ob mein stolzer, großer Bruder, der unnahbare Einzelkämpfer, der er nun mal ist, beziehungsweise zu dem ihn das Leben gemacht hat, uns, nur für einen Herzschlag, seine einsame Seele offenbart, nur um diese dann ebenso schnell wieder hinter der kalten Realität eines knallharten Geschäftsmannes verschwinden zu lassen. Der flüchtige Moment, in dem sein Lächeln auftaucht, fühlt sich an wie ein kurzer Blick auf den Seto, den ich mal so bewundert und geliebt habe. Viel zu kurz ist es so, als hätten die Jahre der Distanz die harte Geschäftswelt keine Bedeutung mehr, sind wir uns wieder so vertraut wie einst.
 

Und dann war es auch schon wieder vorbei, die Verbindung unterbrochen, Seto in seine gewohnte Rolle auf der Bühne seiner selbst gestalteten Realität zurückgekehrt, der eiskalte Blick wieder intakt. Im Aufzug nach unten seufze ich leise, spüre wie Shizuka mitfühlend meine Hand drückt und stellte mir erneut die Frage, die mich in den letzten Jahren immer wieder beschäftigt hat: Warum quält sich Seto noch immer auf diese Weise? Warum kann er nicht einfach endlich seine wahre Natur und seine wahren Gefühle zeigen? Es ist, als ob er sich für irgendetwas bestraft, sich selbst gefangen hält und ich kann nicht umhin, mir Sorgen um ihn zu machen, ob er das nun will oder nicht.
 

Einen Monat später...

Setos Sicht:
 

Die Tage in der Kaiba Corporation vergehen wie gewohnt, mit endlosen Meetings, unzähligen Geschäftsentscheidungen und der ständigen Suche nach Möglichkeiten, das Unternehmen weiter voranzubringen. Doch trotz des hektischen Arbeitslebens finde ich, wenn auch nur ganz selten, doch hin und wieder einen winzigen ruhigen Augenblick, einen blitzartigen Moment des Nachdenkens über Mokubas Besuch und die Neuigkeiten, die er mir mitteilte. Die Tatsache, dass er sich mit Shizuka verlobt hat, erfreut mich, ist aber auch überraschend. Mokuba ist wohl wirklich erwachsen geworden. Ich kann nicht umhin, brüderlichen Stolz auf seinen Erfolg und seine Fähigkeit, Beziehungen zu pflegen, zu empfinden. Zeitgleich nagt Shizukas letzte Antwort an mir.
 

Allerdings, immer bevor ich mich ernsthaft mit dieser neuen, alten Information beschäftigen kann, holt mich die Realität jedes Mal aufs Neue ein, was ich gleichzeitig als Fluch und Segen ansehe. Die Geschäftswelt verlangt meine ungeteilte Aufmerksamkeit, und die Verantwortung für die Kaiba Corporation lastet schwer auf meinen Schultern. Jeder Tag bringt neue Herausforderungen, und gleichzeitig ist dieser eigentlich lächerlich winzige Teil meiner Vergangenheit stets präsent, mal vordergründig, mal unterschwellig. Ich weiß immer noch nicht so recht, welche "Neuigkeiten" ich mir von Mokubas Verlobter erhofft habe. Die Antwort, die ich erhalten habe, war erwartet unbefriedigend – seit fünf Jahren keine Neuigkeiten – Shizuka klang aufrichtig, was mich noch mehr beunruhigt.
 

Fünf Jahre sind eine lange Zeit.
 

Während mein Handy klingelt und eine dringende Nachricht von einem Geschäftspartner erscheint, unterbricht es meine Gedanken. Die Anforderungen der Geschäftswelt verlangen erneut meine volle Aufmerksamkeit, und ich vertiefe mich in die Arbeit, um die bevorstehenden Herausforderungen zu bewältigen. Dennoch bleibt Shizukas Aussage in meinen Gedanken präsent. Warum beschäftigt mich dies nach wie vor so sehr? Warum ist es immer noch einer der Gründe für meine Appetitlosigkeit, meinen unruhigen Schlaf und meinen Drang, mich so stark wie möglich in die Arbeit zu stürzen, um ja keine Zeit für solche Gedanken zu haben, zu denen ich dennoch immer und immer wieder zurückkehre?

Werden diese jemals ein Ende finden?
 

Mein Wunsch wird nicht erfüllt, im Gegenteil, es scheint, als ob all diese Gedanken und dieser, wie ich ihn gerade bezeichnet habe, lächerlich winzige Teil meiner Vergangenheit mich überfällt, bevor ich auch nur den Hauch einer Chance habe, mich dagegen zu wappnen oder zu verteidigen. Dies geschieht, während ich gerade von einem Treffen mit einem Geschäftspartner in die Kaiba Corporation zurückkehre. Ein über alle Maßen verstörendes Bild erwartet mich in der Lobby, Warum? Ich muss doch tatsächlich mit ansehen, wie scheinbar alle meine Angestellten mitten am Tag, zu lange nach der Mittagspause und zu früh vor Geschäftsschluss, einfach in Scharen das Unternehmen verlassen.
 

Ich bin so perplex, dass ich es nicht schaffe, einen von ihnen abzufangen und nachzufragen, was hier gerade vor sich geht. Während gefühlt wirklich alle aus den Aufzügen strömen, nehme ich einen nach oben in mein Büro. Ich hoffe, dass meine Assistentin noch anwesend ist und mir erklären kann, was ich offensichtlich übersehen habe. Kurz überlege ich, während die gläserne Kabine immer höher steigt, ob ich mich kneifen sollte, um zu überprüfen, ob ich vielleicht mal wieder an meinem Schreibtisch eingeschlafen bin und total wirres Zeug träume. Doch ich unterlasse es, denn schließlich bin ich ein erwachsener Mann und bilde mir ein, Realität und Traum voneinander unterscheiden zu können. Dennoch schließe ich Halluzinationen aufgrund von Schlafmangel nicht gänzlich aus, denn die Situation um mich herum ist momentan einfach zu surreal.
 

Während ich immer noch in Gedanken die seltsame Szene unten in der Lobby verdaue, erreiche ich endlich das oberste Stockwerk meines Firmengebäudes. Zu meiner Überraschung erwartet mich meine Assistentin bereits. Ihr Gesichtsausdruck ist ungewohnt ernst, und noch bevor ich sie nach den Geschehnissen unten befragen kann, platzen die Worte aufgeregt aus ihr heraus. Normalerweise dulde ich ein derartiges Verhalten nicht, aber in diesem Moment überwiegt meine eigene Neugier, endlich Klarheit darüber zu erlangen, was hier in drei weiße Drachen mit eiskaltem Blicks Namen vor sich geht. "Kaiba-Dono, ich muss Ihnen etwas Wichtiges mitteilen", stammelt sie aufgeregt, hilflos mit den Händen gestikulierend, augenscheinlich überwältigt von der Situation.
 

Ungewohnt hilfsbereit biete ich ihr einen Stuhl und ein Glas Wasser an, natürlich aus purem Eigennutz, weil ich weiß, dass ich nur etwas Vernünftiges aus ihr herausbekomme, wenn ich sie vorher dazu bringen kann, sich zumindest ein bisschen zu beruhigen. "Kaiba-Dono, vorhin kam plötzlich eine Durchsage, in der alle Angestellten dazu aufgefordert wurden, ihre Arbeit für heute zu beenden und erst am Montag nächste Woche wieder vollzählig hier zu erscheinen. Sie hätten alle bis dahin bezahlten Urlaub. Die Durchsage endete mit 'Ihre Geschäftsleitung', und so reagierten natürlich alle und begannen sofort damit, auszustempeln und das Gebäude zu verlassen. Bevor Sie fragen, nein, ich habe diese Durchsage nicht gemacht und ich weiß auch beim besten Willen nicht, von wem sie kam. Ich wusste nur sofort, dass Sie nicht der Urheber sein konnten."
 

Sie verzieht schuldbewusst das Gesicht, wahrscheinlich weil sie mir so eine Einschätzung von mir liefern musste, aber ich ignoriere auch diesen Umstand heute, denn ihre Geschichte beschäftigt mich viel zu sehr, um sie für so etwas Banales zu maßregeln. Ich spüre, wie langsam Wut in mir aufsteigt. "Wer kann das nur angeordnet haben?", frage ich aufgebracht. "Wenn das ein gemeiner Scherz ist, vergesse ich mich!" In diesem Moment öffnet sich die Tür zu meinem Büro, und ein Mann in einem Anzug mit Aktenkoffer tritt aus dem Raum. Sein Gesicht, das von einer silbernen, randlosen Brille geziert wird, ist ausdruckslos. Ungewohnt aufbrausend will ich mir den Typen sofort schnappen, der in meinem Büro, zumindest meines Wissens und vor allem meiner Meinung nach, aber auch rein gar nichts verloren hat. Als dieser sich jedoch tief verbeugt und sich mir mit vollkommen ruhiger Stimme vorstellt, stockt mir der Atem.
 

"Kaiba-Dono, Seto ich fürchte, ich muss Ihnen mitteilen, dass die Räumung des Geschäftsgebäudes bis einschließlich diese Woche Sonntag keine gewöhnliche Entscheidung ist und auch Sie persönlich, sowie Ihre engsten Angestellten, ohne Ausnahme betrifft. Sie kam direkt vom Hauptanteilseigner dieser Firma und ich bitte Sie hiermit, dieser widerstandslos Folge zu leisten, um Unannehmlichkeiten zu vermeiden." Plötzlich mehr verwirrt als verärgert frage ich nach. "Hauptanteilseigner der Kaiba Corporation? Das bin ich, Kaiba, Seto! Wenn Sie mich also nicht veralbern oder verarschen wollen, dann erklären Sie sich gefälligst, denn ich finde das hier alles andere als witzig!" Der Mann schenkt mir einen Blick, der für mich verdächtig mitleidig wirkt, meine Verwirrung verstärkt und in mir Unsicherheit darüber weckt, wie ich die Situation einschätzen soll.

"Kaiba-Dono, es handelt sich hierbei keineswegs um einen Scherz, sondern um eine sehr ernste Angelegenheit", erklärt er mit Nachdruck, seine Stimme so ernst, dass sie keine Zweifel zulässt. "Ich muss Sie wohl leider in diesem Zuge noch darüber aufklären, dass Sie seit heute keineswegs mehr der Hauptanteilseigner der Kaiba Corporation sind."
 

Seine Worte treffen mich wie ein Schwall eiskaltes Wasser. Ein Schock durchfährt mich, und jede mögliche Erwiderung bleibt mir im wahrsten Sinne des Wortes im Halse stecken. Ich habe plötzlich das Gefühl keine Luft mehr zu bekommen und dass die Wände des Empfangsbereiches vor meinem Büro, meinem Lebensmittelpunkt seit nun bald 10 Jahren, immer näherkommen. Das ist unmöglich. Ich habe mein Leben dem Aufbau dieses Unternehmens gewidmet. Wer könnte so eine Entscheidung treffen? Ich habe mich immer für unerschütterlich gehalten, doch nun zieht mir diese Erkenntnis regelrecht den Boden unter den Füßen weg und während mir nun tatsächlich schwarz vor Augen wird, bekomme ich noch mit, wie Isono plötzlich bei mir ist und mich auffängt, bevor mich die Ohnmacht vorübergehend vor der kalten Realität bewahrt: Mein Leben und meine Welt, wie ich sie kannte, sind im Begriff, auseinanderzubrechen.

The unsettling Shift of Power

Isonos Sicht:
 

Als ich Kaiba-Donos Schlafzimmer verlasse, bin ich dankbar, dass das Fieber, das meinen jungen Herrn nach den Ereignissen in seiner Firma befallen hat, endlich gesunken ist und wir hoffen können, dass er bald wieder aufwacht. Während ich mir im angrenzenden Badezimmer die Hände wasche, klingelt plötzlich mein Handy. Nachdem ich mir die Finger an einem Gästehandtuch abgetrocknet habe, greife ich in meine Anzughosentasche und nehme den Anruf entgegen. "Hallo, Mokuba-Sama." Die Stimme, die antwortet, gehört aber definitiv nicht zum jüngeren Kaiba-Bruder, was mich zunächst verwirrt, bevor ich realisiere, wer mich unter der Nummer des Vizepräsidenten der Kaiba Corporation anruft.
 

"Bitte entschuldigen Sie die Verwechslung. Wie kann ich Ihnen behilflich sein?" "Ja, es war ein Kreislaufkollaps." "Nein, ich denke nicht, dass es direkt Ihre Schuld ist. Kaiba-Dono hat in den letzten Wochen und Monaten kaum geschlafen und gegessen. Er hat auch nicht auf mich gehört, als ich versucht habe, ihm Pausen zu empfehlen. Ich glaube, der Schock war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat, angesichts seines ohnehin schon geschwächten Zustands." "Ja, es scheint, dass es ihm langsam besser geht. Zumindest ist das Fieber, das er nach dem Zusammenbruch entwickelt hat, nach drei Tagen endlich gesunken. Ich bin zuversichtlich, dass er es überstehen wird. Sein Körper hat das Fieber wohl genutzt, um ihm eine Pause aufzuzwingen. Sie kennen das sicherlich, man bemerkt nicht, wie erschöpft man ist, und wenn man sich dann einmal hinsetzt, steht man nicht so schnell wieder auf. Ich glaube, das ist hier der Fall."
 

Nachdem das Gespräch mit einigen Anweisungen beendet wurde, verweile ich in der Stille der Kaiba Villa und tippe nachdenklich mit dem Rand des Telefons an mein Kinn. Die Gedanken darüber, ob ich die Anzeichen von Kaiba-Dono's übermäßigem Stress und seiner Erschöpfung falsch eingeschätzt habe, beschäftigen mich. Normalerweise zeigt er sich mental stark, und solche Nachrichten hätten ihn eigentlich nicht so einschüchtern dürfen. Für Reue ist es jetzt eh zu spät, und vielleicht ist es sogar besser so, wie es gekommen ist...
 

Setos Sicht:
 

Als ich wieder zu mir komme, finde ich mich in meinem eigenen Bett wieder. Wie lange war ich bitte bewusstlos? Ein Blick nach unten offenbart mir, dass ich einen Pyjama trage und neben mir auf dem Nachtisch kann ich eine Schüssel mit einem Lappen ausmachen – hatte ich etwa Fieber – kurz versuche ich zu analysieren, wann ich das letzte Mal so krank war, dass ich das Bett hüten musste und stelle fest, dass es schon sehr lange her sein muss, da ich mich nicht erinnern kann. Isono steht neben dem Bett, ein Glas Wasser in der Hand. Immer noch mit dem Versuch beschäftigt, mich zu orientieren und die Situation zu erfassen, will ich aufstehen. Die Nachricht der feindlichen Übernahme hat mich ungewohnt heftig aus der Bahn geworfen, durch die unnötige Reaktion meines schwachen Körpers habe ich noch zusätzlich wertvolle Zeit verloren.
 

Isono legt mir sanft eine Hand auf die Schulter und gebietet meinem Versuch, das Bett zu verlassen, damit Einhalt. Er reicht mir, noch immer wortlos, das Glas Wasser, und plötzlich sehr durstig trinke ich es ungewöhnlich hastig. Fast verschlucke ich mich, während ich schon zum Sprechen ansetze. "Was zum Teufel ist hier los?" Meine Stimme klingt, trotz des Wassers, rauer, als ich es von ihr eigentlich gewohnt bin, aber von solchen Kleinigkeiten darf ich mich jetzt nicht ablenken lassen. Ich stelle das leere Glas auf den Nachtisch, meine blauen Augen fixieren meinen treuen Angestellten und nach einem Räuspern befehle ich ihm mit beruhigender, deutlich fester Stimme: "Erzähle mir alles, was du weißt. Wer hat behauptet, dass ich nicht mehr der Hauptanteilseigner der Kaiba Corp bin?"
 

Der zögert einen Moment, als ob er nach den richtigen Worten suchen würde, dann spricht er zögerlich: "Der Mann, der diese Nachricht überbracht hat, identifizierte sich als Rechtsanwalt und sagte, er vertrete den neuen Hauptanteilseigner der Kaiba Corporation. Er trug Dokumente und Unterlagen bei sich, die tatsächlich auf eine Änderung der Eigentumsverhältnisse hinwiesen." Meine Gedanken rasen, während ich versuche, diese schockierenden Informationen zu verarbeiten. "Kennst du seinen Namen? Wo ist dieser Rechtsanwalt jetzt?" frage ich entschlossen. " Er verschwand, ohne uns persönliche oder Kontaktinformationen zu hinterlassen. Er war wohl nur beauftragt, euch über den Führungswechsel zu informieren. Eine Kopie der Unterlagen fanden wir auf Ihrem Schreibtisch."
 

Ich atme tief durch. "Wie lange war ich denn bewusstlos?" Er sieht betreten zur Seite und antwortet dann leise: "Sie haben einen Kreislaufkollaps erlitten und nachdem ich Sie hier in die Villa gebracht habe – ich hielt diese Vorgehensweise vorerst für sinnvoller als Sie gleich ins Krankenhaus zu bringen – bekamen Sie hohes Fieber. Ich war besorgt über Ihren gesundheitlichen Zustand, aber Ihr Privatarzt, den ich dazu rief, versicherte mir, dass die Symptome nur die Folge vollkommener körperlicher und geistiger Erschöpfung seien, und dass Sie nun einfach viel Ruhe bräuchten. Er empfahl mir, bei Ihnen zu bleiben, Ihnen so oft wie möglich Wasser einzuflößen und darauf zu achten, dass Ihr Fieber nicht weiter steigt. Die letzte Zeit war wohl sehr anstrengend für Sie und Ihr Körper hat die Pause offenbar mehr als dringend gebraucht. Wie fühlen Sie sich jetzt?"
 

Ich lausche seinem Bericht, versichere ihm schnell, dass es mir jetzt besser geht und kann nicht anders, als Isono im Stillen wieder einmal dafür zu danken, dass er sich, wie immer, so um mich gekümmert hat. Er hätte mich tatsächlich auch einfach in ein Krankenhaus bringen können, aber das hätte, wie von ihm richtig eingeschätzt, sicherlich für öffentliche Aufmerksamkeit gesorgt und die Erkrankung des Firmenchefs war noch nie gut gewesen für den Aktienkurs des von diesem geführten Unternehmens. Trotzdem wiederhole ich meine Frage: "Wie lange?" "Heute ist der vierte Tag nach dem Vorfall." Drei Tage! Ich habe drei Tage verloren! Nur mühsam dem Drang widerstehend, mir verzweifelt das kastanienbraune Haare zu raufen, versuche ich, die Hände zu Fäusten geballt, mich statt dessen weiter auf die Analyse der Situation und meiner Möglichkeiten zu konzentrieren. Das hilft mir enorm einen klaren Kopf zu behalten.
 

"Hast du die Unterlagen, die der Mann in meinem Büro zurückgelassen hat, hierher mitgenommen? Gibt es Videoaufzeichnungen von diesem ominösen Rechtsanwalt oder irgendwelche anderen Hinweise auf seine Identität?" Isono bejahte die erste Frage und schüttelte dann, zur Antwort auf die zweite, den Kopf. "Leider nicht, Kaiba-Dono. Die Überwachungskameras haben keine Aufzeichnungen von seinem Besuch gemacht. Es sieht fast so aus, als ob alles von einem Profi von langer Hand geplant gewesen wäre." Ich beiße die Zähne zusammen und stehe nun doch auf. Dieses Mal lässt Isono mich gewähren. Fieberhaft überlege Ich, welche Schritte ich als Nächstes unternehmen sollte.
 

"Okay, Ich muss herausfinden wer dahinter steckt und wie derjenige oder diejenigen das angestellt haben. Suche alle Informationen zusammen, die du finden kannst, und bringe Sie mir zusammen mit den sicher gestellten Dokumenten des Rechtsanwalts in mein Büro, damit ich sie mir nachher ansehen kann. Ich werde auch ein paar Telefonate führen müssen. Wer schuldig ist wird von mir entlarvt werden und sich dann wünschen, niemals versucht zu haben, mir meine Firma zu nehmen." Isono nickt ernst und prägt sich all meine Anweisungen gewissenhaft ein. "Wir werden alles daran setzen, Licht in die Sache zu bringen, und ich werde Sie natürlich unterstützen, wo ich kann, Kaiba-Dono. Sollten wir nicht auch die Polizei einschalten, um diese Angelegenheit zu untersuchen?"
 

"Nein, die Polizei würde Aufmerksamkeit erregen, und das ist schlecht fürs Geschäft. Wir werden zunächst selbst recherchieren. Den Schritt zu den Behörden können wir immer noch gehen, falls unsere eigenen Bemühungen wider erwarten erfolglos bleiben sollten. Wann kehren die Angestellten nochmal ins Unternehmen zurück?" „Montag!“ „Gut, dann habe ich noch etwa zwei Tage, um die Sache aufzuklären.“ Isono verbeugt sich tief und verlässt mich. Während ich im Anschluss eine kalte Dusche nehme, um meine Lebensgeister wiederzubeleben und mich gedanklich wie ein Schachspieler auf die bevorstehenden Maßnahmen vorbereite, kann ich nicht aufhören, mir regelrecht das Hirn darüber zu zermartern, wer wohl hinter diesem Angriff auf mein Lebenswerk stecken könnte. Nach so vielen Jahren der Ruhe hat mich dieser tatsächlich vollkommen kalt erwischt. Wie ich bitter feststelle, bin ich wohl wirklich unvorsichtig geworden.
 

Mir fallen ganz spontan tatsächlich nur wenige ein, die, zum Teil, immer noch, ein ernsthaftes Interesse daran haben könnten, die Kaiba Corporation zu übernehmen. Da wären Zigfried von Schröder von der Schroeder Corp, der einzige, wenn auch wenig ernstzunehmende, Konkurrent der Kaiba Corp, Pegasus J. Crawford, der Erfinder von Duell Monsters und vielleicht noch Ryuji Otogi, der Erfinder von Dungeon Dice Monsters. Zuzutrauen wäre es allen dreien. Meinen Adoptivvater/Stiefbruder und die BigFive habe ich nach dem letzten Mal erfolgreich in ihre Schranken gewiesen, weshalb ich diese nur mit Bleistift auf meiner gedanklichen Liste der Verdächtigen notiere. Zudem muss ich bedenken, dass diese Übernahme, im Vergleich zu den vorherigen Versuchen, deutlich cleverer eingefädelt und deshalb auch erfolgreich war. Aber egal wer, ich werde es herausfinden und ich werde gnadenlos sein. Niemand entkommt Seto Kaiba.
 

Mokubas Sicht:
 

Ich nehme das Telefon wieder entgegen, und in meinen violetten Augen spiegelt sich die tiefe Sorge um meinen geliebten Niisan. „Und, wie geht es ihm?“ Mein Herz macht einen kleinen Sprung der Erleichterung, als die Antwort kommt. Es scheint, dass Seto bereits auf dem Weg der Besserung ist, und der Schreck über die Offenbarung der feindlichen Übernahme hat seinem geschwächten Kreislauf wohl lediglich "den Rest" gegeben. Mit einem erleichterten Seufzen bedanke ich mich herzlich für die Informationen, bevor ich mich wieder meinen Gedanken über die Lage meines Bruders und unserer gemeinsamen Firma widme.
 

Ja, mein Bruder hat sich in letzter Zeit vollkommen selbst vergessen, in einem unerbittlichen Streben, seine Firma im Alleingang zu retten und im Glauben, dass er eine bahnbrechende Innovation liefern müsse, um weiterhin die Nummer eins in seiner Branche zu bleiben. Weder Isono noch ich konnten noch zu ihm durchdringen, da er unsere Sorgen ignorierte. Der Kreislaufkollaps war wohl das unvermeidliche Ergebnis seiner eigenen Selbstvernachlässigung nach all der Zeit. „Was machen wir jetzt?“ frage ich neugierig und bekomme die Auskunft, dass noch Einiges vorzubereiten ist, bevor mein Seto und alle Angestellten am Montag in die Kaiba Corp zurückkehren. Ich habe bereits dafür gesorgt, dass wir bei diesen Vorbereitungen vollkommen ungestört sind.
 

Kurz drückt mich das schlechte Gewissen beinahe wieder, doch dann erinnere ich mich selbst daran, warum und für wen ich das alles mache und was das große Ziel dieser Aktion ist. Diese Gedanken helfen mir sofort, mich wieder auf das Hier und Jetzt und auf den Plan zu konzentrieren. Mein Niisan wird mir verzeihen, davon bin ich fest überzeugt. Am Ende wird er mir vergeben, und vielleicht bekomme ich durch unsere Bemühungen sogar meinen Bruder zurück. Das wäre wirklich schön, ein Neuanfang für uns beide. Mit diesem hoffnungsvollen Gedanken im Herzen mache ich mich mit meinem Team auf den Weg zur Kaiba Corp, fest entschlossen und mit einem klaren Ziel vor Augen.
 

Setos Sicht:
 

Wütend knalle ich den Hörer zurück auf das Telefon in meinem kleinen Büro in der Kaiba Villa und starre die wenigen Unterlagen, die Isono mir besorgen konnte, an, als ob ich versuchen würde, sie nur mit Hilfe meines eiskalten Blicks in Flammen aufgehen zu lassen. Meine Gedanken sind dabei ein wilder Sturm aus Wut und Enttäuschung, der in mir tobt. Nicht Zigfried oder Pegasus haben mich um meine Firma betrogen, nein, es sind wohl offensichtlich einige meiner alten Klassenkameraden involviert. Die Verräter sind meine sogenannten Freunde und diese Erkenntnis trifft mich mehr, als ich es je für möglich gehalten hätte.
 

Was mir allerdings, jetzt wo ich es zulasse, sogar einige Tränen entlockt - verdammte Scheiße, ein Seto Kaiba weint doch nicht! Ich habe nicht geweint, als meine Eltern gestorben sind, nicht als mich meine Verwandten ins Waisenhaus abgeschoben haben, nicht während Gozaburo mich als Kind gedrillt und psychisch misshandelt hat und nicht während ich beinahe meine Firma oder meinen Bruder verlor, was in meinen jungen Jahren mehr als einmal vorkam. Nein, nicht ein einziges Mal habe ich auch nur eine Träne vergossen. Aber ich wurde ja auch noch nie von meinem eigenen kleinen Bruder so hintergangen – ist die maßlose Enttäuschung über Mokubas Verrat. Er hat, zumindest laut den Unterlagen, die mir vorliegen, seine Anteile verkauft, einfach so, ohne mich vorher zu fragen oder auch nur etwas zu sagen. Wie konnte er mir das antun? Es ist, als hätte er mir ein Messer direkt ins Herz gestoßen, und der Schmerz ist kaum zu ertragen.
 

Rein nüchtern und rechnerisch betrachtet, hätte das alleine allerdings im Prinzip noch nicht zu der jetzigen Katastrophe führen dürfen, aber, zu allem Überfluss, musste ich gerade eben noch erfahren, dass sowohl Mutou und Mazaki, Kujaku als auch Otogi und Honda wohl ihre Anteile vor Kurzem ebenfalls verkauft haben müssen. Damals, als die Kaiba Corporation schlecht da stand, haben sie angeboten, mit je 1% einzusteigen, um die Firma finanziell zu unterstützen und ich war ihnen damals wirklich dankbar dafür. Hätte ich es doch damals nicht zugelassen. An wen sie verkauft haben, wollten sie mir alle selbstverständlich nicht verraten und den letzten 1%-Eigner im Bunde konnte ich erst gar nicht erreichen. Alle, die ich ihm bezüglich befragte, haben mir auch nochmal bestätigt, dass sie keinen Kontakt zu ihm haben, seit fünf Jahren nicht.
 

Mit einer energischen Geste wische ich mir die paar Tränen von den Wangen und versuche erneut, Mokuba zu erreichen. Doch wieder höre ich nur seine Mailbox. Habe ich ihn am Ende wirklich zu einem Verräter und Feigling erzogen? Ich kann nicht beschreiben, wie enttäuscht ich momentan bin. Und weil ich ihn nicht erreiche, kann ich ihn noch nicht einmal zur Rede stellen. In einem Anflug von Hilflosigkeit schlage ich mit der Faust auf den Tisch, was das Geschirr in einer Ecke zum Klirren bringt. Alle, die ich irgendwie tatsächlich einst als Freunde betrachtete, haben sich nun offenbar gegen mich gewandt. Isono scheint der Einzige zu sein, der noch hinter mir steht, Er hat mir alle Informationen beschafft, an die er herankam und hat mich dabei auch gleich darüber informiert, dass irgendjemand sowohl ihn als auch mich aus dem Firmennetzwerk ausgesperrt hat.
 

Inzwischen ist meine Vermutung, dass das Mokubas Werk sein muss, was mir einen weiteren schmerzhaften Stich in der Magengegend verpasst. Meine rechte Hand hat mich inzwischen auch dazu gezwungen zumindest eine Kleinigkeit zu mir zu nehmen, deshalb auch das Geschirr auf meinem Schreibtisch. Er hat mir doch glatt ganz direkt damit gedroht, wenn ich jetzt nicht endlich mal was Essen würde, mir von meinem Privatarzt einen Zugang legen zu lassen und mich damit kurzerhand an einen Nährlösungstropf zu hängen. Er klang dabei so ernst und kompromisslos, dass ich, ausnahmsweise, widerstandslos nachgegeben und das bereit gestellte Essen kommentarlos verzerrt habe. Hat, aber das werde ich natürlich niemals laut aussprechen, wirklich gut getan und mir wieder ein bisschen Energie gegeben, die ich für die nächsten Schritte mehr als dringend gebrauchen kann.
 

Während ich einen weiteren Schluck Tee zu mir nehme, versuche ich, meine Gedanken zu ordnen und die Bedeutung der neuen Informationen zu erfassen. Die Anteilseigner Mutou, Mazaki, Kujaku, Otogi und Honda, die jeweils 1% der Kaiba Corp besaßen, haben ihre Anteile an einen Unbekannten verkauft, und Jounachi, der letzte verbliebene 1%ige Eigentümer, bleibt weiterhin unerreichbar. Mein Bruder Mokuba hat ebenfalls seine Anteile verkauft und es sieht inzwischen stark danach aus, als hätte er die feindliche Übernahme technisch ermöglicht. Ich kann ihn nicht erreichen und meine Vermutung, dass er darin verwickelt ist, erscheint dadurch noch wahrscheinlicher. Inmitten dieser Verwirrung und Unsicherheit frage ich mich, welche Schritte ich als Nächstes unternehmen sollte.

From hostile takeover to forced collaboration

Setos Sicht:
 

Zwei Tage, 48 Stunden, in denen ich zum Nichtstun verdammt war. Isono und ich wurden nämlich noch am selben Abend, an dem ich wieder zu Bewusstsein gekommen war, nicht nur aus dem Kaiba Corp Netzwerk, sondern auch aus dem Firmengebäude ausgesperrt. Die Wut brodelte in mir, auch wenn ich sie nach außen hin zu verbergen versuchte. Die Vorstellung, weitere zwei Tage in meiner eigenen Firma nichts ausrichten zu können, zermürbte mich zutiefst. Stattdessen verbrachte ich diese erzwungene Auszeit in der Kaiba Villa. Obwohl meine rechte Hand mir geraten hatte, die erzwungene Freizeit zum Ausruhen zu nutzen, konnte ich keine Minute untätig verstreichen lassen.
 

Mein Wochenende war von einem regelrecht verbissenen Versuch erfüllt, mehr Informationen zu finden und vielleicht sogar eine Lösung zu entdecken. Doch leider war all meine Mühe vergeblich, wie ich nun resigniert aufstöhnend feststellen muss. Ich sitze erneut an meinem Schreibtisch und gehe zum gefühlt X-ten Mal alle Informationen durch, die ich bisher gesammelt habe. Das sind wahrlich nicht viele. Bisher habe ich außerdem tatsächlich erstaunlich wenig unternommen, um meine ehemaligen Klassenkameraden und sogenannten Freunde auszufragen oder zu bestrafen. Irgendwie spüre ich wohl instinktiv, dass von ihnen so oder so nicht wirklich viel Brauchbares zu erwarten ist.
 

Außerdem war ich mir nicht sicher, ob ich Mutou und den anderen wirklich offenbaren wollte, dass der Verkauf von 6% meiner Firma ausreichte, um mich darin vollständig zu entmachten. Wohl eher nicht. Viel nützlicher wäre es gewesen, meinen kleinen Bruder in die Finger zu bekommen, um ihn zu verhören. Doch Mokuba blieb verschwunden und Isonos Recherche ergab, dass er Shizuka zu ihrer Mutter gebracht hatte. Daher vermuteten wir, dass die Brünette entweder nichts wusste oder nicht genug, um für mich relevant zu sein. Gerade als ich mich anschicke, einen weiteren Versuch zu starten, meinen kleinen Bruder doch noch ans Telefon zu bekommen, klingelt dieses plötzlich in meiner Hand. Ich nehme ab und will schon etwas sagen, als ich nur eine Bandansage zu hören bekomme:
 

„An die Führungsebene und alle Angestellten der Kaiba Corp. Bitte finden Sie sich Montag um 10:00 Uhr im Firmengebäude ein. Ihre Geschäftsleitung.“
 

Montag:
 

Isono und ich erscheinen 10 Minuten vor 10:00 Uhr am Firmensitz der Kaiba Corporation, und ich kann im Stillen nicht anders, als erleichtert darüber zu sein, dass der Aufruf offensichtlich echt war. Ich hatte ja meine Zweifel, aber die Lobby ist überfüllt mit Angestellten, von denen ich, wie ich beiläufig feststelle, nur wenige kenne und diese auch nur flüchtig. Ich bin schließlich der Präsident und nicht der Personalleiter, verteidige ich mich überflüssigerweise in Gedanken für dieses Desinteresse an meiner Belegschaft. Bevor ich mir allerdings noch mehr den Kopf über solch unsinnige Gedanken zerbrechen kann und bevor ich einen Zusammenhang mit einer möglichen Nervosität auf das Kommende herstellen kann – ein Seto Kaiba ist nicht nervös oder aufgeregt – kommen mehrere Männer in Anzügen auf uns, mich und Isono, zu und bitten uns wortlos, ihnen zu folgen.
 

Als der Personenschützer, der er von seiner Grundausbildung her eben ist, stellt sich Isono sofort vor mich, scannt die Herren prüfend, nickt dann und bedeutet mir, dass er deren Anweisung für sicher hält. Ein möglichst gleichgültiges Gesicht zur Schau stellend, setzen wir uns in Bewegung, zuerst zu den Aufzügen. An einem Blick auf das Tastenfeld des Aufzugs erkenne ich, dass es sich bei dem Ziel unserer Reise um das zweitoberste Stockwerk meines Firmengebäudes handelt. Ja, ich weigere mich nach wie vor anzuerkennen, dass die Kaiba Corporation nicht mehr mir gehört. Nur über meine Leiche, habe ich schnell entschieden. Kurz überlege ich, was sich in diesem Stockwerk befindet, und stelle verwundert fest: eigentlich nichts. Es war bisher eine vollkommen leere, ungenutzte Etage.
 

Was sollten wir also dort? Innerlich rüste ich mich für eine mögliche körperliche Auseinandersetzung. Wer weiß, ob der Hauptanteilseigner nicht doch plant, mich auszuschalten und dadurch die restlichen Anteile meiner Firma in seinen Besitz zu bringen. Aber wenn er dachte, dass ich mich kampflos ergeben würde, dann irrte er sich. Als sich schließlich die Fahrstuhltür wieder öffnet, erwartete ich alles, aber das, was ich schließlich zu sehen bekomme, hätte ich im Leben nicht in meinem Gebäude vermutet. Aus der leeren Etage ist eine Hightech-Anlage geworden, deren Fläche in Quadrate aufgeteilt worden zu sein scheint und egal wie sehr ich versuche, die Technologie zu analysieren, ihr Sinn erschließt sich mir vorerst nicht. Konzentriert versuche ich schnell mehr Informationen zu erfassen.
 

Auf jeder mit Linien am Boden abgegrenzten quadratischen Fläche befindet sich eine Vorrichtung, die an einen Jetpack oder die Halterung von Achterbahnsitzen erinnert, nur dass es keinen Sitz gibt, weshalb ich sofort vermute, dass man diese Apparatur im Stehen verwenden muss. Diese Vermutung wird durch das Entdecken eines Laufbandes unterhalb der Vorrichtung verstärkt. Während ich mich weiter im Raum umschaue, entdecke ich plötzlich ganz hinten, in einer Art Kontrollraum, Mokuba und möchte sofort zu ihm, werde jedoch von den Männern aufgehalten. Sie sind nicht unbedingt grob zu mir, signalisieren mir jedoch nachdrücklich, dass sie mich nicht zu meinem kleinen Bruder lassen werden. Plötzlich ertönt eine weibliche Computerstimme, die uns dazu auffordert, uns in eine der Vorrichtungen zu begeben.
 

Ich wehre mich zunächst, denn woher soll ich wissen, was diese mit mir macht, wenn ich erst einmal in ihr festgeschnallt bin? Trotz all meiner Bemühungen finde ich mich allerdings, nicht ganz freiwillig. weniger später in eben einer solchen wieder, Isono direkt neben mir. Bevor ich überhaupt noch überlegen kann, wie ich mich befreien könnte, gehen plötzlich die Fahrstuhltüren auf und eine Menge der Angestellten, die ich unten in der Lobby gesehen habe, strömt auf die Etage. Einige entdecken mich und beginnen sofort zu tuscheln. Als die Ansage erneut ertönt, begeben sie sich anstandslos zu den Vorrichtungen. Warum auch nicht, denke ich bitter und muss neidlos nüchtern den klugen Schachzug loben. Die Angestellten sehen mich und denken, es ist ungefährlich. Ja klar, warum sollte ihr Chef sich auch selbst in Gefahr bringen...
 

Kurz überlege ich, ob dieser Plan auf Mokubas Mist gewachsen ist. Schließlich hat mein kleiner Bruder viel von mir gelernt und strategisches Denken ist ihm dadurch inzwischen nicht mehr fremd. Der Raum und die Plätze auf den Quadraten füllen sich zunehmend und ich schwanke zwischen Flucht und Neugier. Mein Gehirn versucht abzuschätzen, wie viel Sinn es macht, mich, Isono und praktisch alle Angestellten der Kaiba Corp hierher zu bringen und in eine neuartige Technologie ein zuschnallen, um sie dann zu beseitigen. So etwas gibt es vielleicht in schlechten Horrorfilmen, aber in der Realität, ich weiß nicht... Was hätte der Urheber dieser Anlage davon? So einen Aufwand zu betreiben, um nicht nur den (Mit)Eigentümer, sondern auch die gesamte Belegschaft loszuwerden? Eher unwahrscheinlich. Während ich noch über all das nachdenke, steht plötzlich eine junge Frau vor mir, die mir eine Brille und Handschuhe reicht.
 

Spätestens jetzt überwiegt tatsächlich die Neugier in mir, während ich sofort das Material der Handschuhe in Augenschein nehme. Es handelt sich um Hightech-Mikrofaser mit Sensoren, und meine Gedanken beginnen zu wandern. Was wird das hier, wenn es fertig wird? Es wird noch interessanter, als ich mir die Brille genauer anschaue. Anders als eine gewöhnliche Sonnenbrille oder 3D-Brille ist sie eher eine VR-Brille, jedoch viel schlanker und, wie ich, wenn auch nur ein wenig neidisch, feststellen muss, auch deutlich eleganter. Nun voll und ganz im Entdeckermodus betrachte ich den Gurt und stelle fest, dass auch diese Art Weste aus einem mit Sensoren durchzogenen Material besteht. Meine Neugier treibt mich weiter, und ich überprüfe das Laufband unter meinen Füßen. Zu meiner Überraschung kann ich nicht nur vorwärts, sondern theoretisch auch seitwärts und rückwärts laufen, je nachdem, wie ich meine Schritte und mein Gewicht lenke. Das ist wirklich sehr interessant.
 

Ich kann mir nur schwer vorstellen, wozu diese Technologie genutzt werden könnte, aber es weckt definitiv meinen Forscherdrang. Eine weitere Durchsage mit anderem Inhalt unterbricht meine Erkundung und Analyse. "Bitte ziehen Sie nun die Handschuhe an und setzen Sie die Brille auf." Zugegebenermaßen bin ich jetzt wieder etwas vorsichtiger, aber immer noch überwiegend neugierig. Ich folge der ersten der beiden Anweisungen, indem ich mir die Handschuhe überstreife, die erstaunlich gut passen und mir dann die VR-Brille unschlüssig vor mein Gesicht halte. Mit einem Seitenblick bemerke ich, dass Isono bereits die Brille aufhat, bisher wohl auch ohne erkennbare negative Auswirkungen. Das genügt mir als Ermutigung, diese nun ebenfalls aufzusetzen.
 

Zuerst ist alles, wie erwartet, schwarz, aber dann erscheint ein Logo vor meinen Augen. VR Katsu... irgendwie kommt mir dieser Name bekannt vor und der Hund, der neben dem Schriftzug abgebildet ist, erinnert mich verdächtig an eine Szene aus meiner Vergangenheit. Bevor ich jedoch noch weiter darüber nachdenken kann, finde ich mich auf einem Plateau wieder und mit einem Blick nach rechts und links stelle ich schnell fest, dass ich nicht alleine bin. An der Stelle, an der ich Isono vermute, steht er tatsächlich auch und... schaut mich mit offenem Mund vollkommen ungläubig an. Ich kann seinen Blick zuerst nicht deuten, doch dann fällt mir die veränderte Perspektive auf, mit der ich auf ihn herabblicke. Als ich die Arme dann nach vorne in mein Blickfeld bewege, erkenne ich statt menschlichen Händen und Fingern Schuppen und Klauen.
 

"Was ist das? Ein Echse? Nein, ein Drache." Das erkenne ich, als sich plötzlich vor mir ein Spiegel materialisiert und ich dadurch meinen Avatar in seiner Gänze von Kopf bis Fuß erfassen kann. Tatsächlich, es ist ein schneeweißer Drache mit blauen Augen. Kurz wird mir die beinahe unpassende Komik dieser Situation bewusst. Es scheint tatsächlich ein recht kreativer Versuch zu sein, mein Lieblingsmonster aus Duel Monsters nachzubilden, offensichtlich angepasst an die Urheberrechtsrichtlinien. Meine erste Reaktion ist, die Darstellung schrecklich finden zu wollen, doch tief in mir drin fühle ich mich trotzdem irgendwie geschmeichelt, dass offenbar so viel Aufwand betrieben wurde, um meinen Avatar zu gestalten, zumindest im direkten Vergleich zu den Avataren anderer Nutzer.
 

Dennoch verstehe ich immer noch nicht genau, warum und wofür das geschehen ist. Soll es mich beeindrucken? Mich besänftigen? Mich beeinflussen? Für wie naiv halten die mich? Glauben die etwa wirklich, dass so eine banale Geste ausreicht, um mich über den Verlust meiner Unabhängigkeit in Bezug auf meine Firma hinwegzutrösten? Also, wer steckt dahinter? Mokuba ist definitiv involviert, aber ist er der Drahtzieher? Es scheint unwahrscheinlich, denn wenn er eine Möglichkeit gefunden hätte, die Kaiba Corp aus der Krise zu führen, hätte er sicher offen mit mir darüber geredet. Während ich noch darüber nachgrüble, wie all die bisherigen Informationen des heutigen Tages zusammenpassen könnten, verschwindet der Spiegel vor mir wieder. Dafür erscheint direkt vor mir ein Podest, und darauf ein Hund, der aussieht wie der von dem Logo zu Anfang.
 

„Herzlich willkommen in Utopia. Diese virtuelle Welt wurde geschaffen, um die bisherigen Grenzen der VR-Technologie zu sprengen. Dank der Fusion von VR Katsu mit der Kaiba Corporation werden wir gemeinsam die Spielebranche revolutionieren.“ Die Stimme kommt mir bekannt vor, und dass die Zusammenarbeit mit der Firma, die uns zuvor feindlich übernommen hat, als geplante und beschlossene Sache dargestellt wird, macht mich sogar wütend. Beeindruckt von der Präsentation, oder nicht, so kampflos werde ich mich sicher nicht ergeben. Natürlich sehe ich, rein nüchtern betrachtet, das Potenzial der Technologie, zumindest von dem, was ich bisher gesehen habe, aber bevormunden lasse ich mich trotzdem nicht gerne. Mein Stolz und meine Unabhängigkeit bedeuten mir zu viel, als dass ich sie einfach so aufgeben würde.
 

Während ich immer noch versuche, die ungewöhnliche Situation zu verarbeiten, richtet der sprechende Hund plötzlich seine Aufmerksamkeit auf mich und ich meine, ein Lächeln um seine Lefzen herum zu erkennen. „Der Avatar steht dir wirklich gut, mein einsamer, trotziger Drache!“ Spätestens jetzt fügt sich das Puzzle um das Rätsel über die Identität des neuen Hauptanteilseigners zusammen und die Erkenntnis fällt mir wie Schuppen vom Körper. „Jonouchi?!“ keuche ich, und das Blitzen in den Augen des Hundes ist Bestätigung genug. Bevor ich jedoch weiter mit dem Vierbeiner interagieren kann, hat dieser scheinbar schon wieder das Interesse an mir verloren und richtet das Wort wieder an alle Anwesenden.
 

„In den nächsten Tagen haben Sie alle die Möglichkeit, in diesen Räumlichkeiten, die Sie zuvor betreten haben, die Umgebung von Utopia zu erkunden und sich mit der Handhabung der Technologie vertraut zu machen. Wenn Sie den Besuch beenden möchten, reicht es, die Brille abzunehmen; ein vorheriges Ausloggen ist nicht notwendig. Es spielt auch keine Rolle, an welchem Terminal Sie später die Welt wieder betreten. Viel Spaß und auf gute Zusammenarbeit.“ Mit diesen Worten verschwindet der Hund. Ich beeile mich, ebenfalls in die Realität zurückzukehren. Ich taste nach der Brille und ziehe sie von meinem Kopf. Wie versprochen finde ich mich in der Realität der Hightech-Anlage in der Vorrichtung wieder, gerade rechtzeitig, um den Menschen zu erblicken, den ich einerseits am meisten vermisst habe und von dem ich andererseits gewünscht hätte, ihn nie wieder sehen zu müssen: Jonouchi Katsuya.
 

Sein blondes Haar schimmert im künstlichen Licht des Raumes wie Altgold und ist inzwischen so lang, dass er es mit einem Band im Nacken gebändigt hat. Die karamellfarbenen Augen mustern mich kalt und abschätzend und sofort stelle ich fest, dass dieser Ausdruck in ihnen mir ganz und gar nicht gefällt. Das energische Funkeln von früher stand ihnen besser. Mein ehemaliger Rivale trägt einen gut sitzenden hellen Leinen Anzug an seinem schlanken, aber dennoch athletisch wirkenden Körper. „Streuner“, spreche ich ihn, dieses Mal mit meinen alten Spitznamen für ihn, erneut an. Ein feines Lächeln umspielt seine schmalen Lippen. „Deine Technologie mag beeindruckend sein, aber das bedeutet nicht, dass ich der Zusammenarbeit zustimme“, begehre ich entschieden auf. Sein Lächeln wird breiter, erreicht jedoch immer noch nicht seine Augen.
 

"Für dich immer noch Jonouchi-Dono, mein einsamer, trotziger Drache. Du irrst dich, wenn du immer noch ernsthaft glaubst, du hättest eine Wahl. Ich schlage vor, dass du kooperierst, denn solange du das tust, werde ich dir gnädig sein. Wenn du dich jedoch querstellst und das Projekt unnötig behinderst, lasse ich dich aus deiner Villa werfen und mache dich zum Streuner. Verstanden?" Mit diesen eindringlichen Worten der offensichtlichen Drohung seine neue Macht gegenüber mir zu nutzen, wenn ich ihn dazu provozieren sollte, wendet er sich von mir ab und als ich ihm hinterher will, werde ich erneut von den Männern im Anzug aufgehalten. Während sie mich zum Aufzug bringen und sicherstellen, dass ich diesen nach unten nehme, fühle ich mich plötzlich wie betäubt. Ich nehme nur noch Isono neben mir wahr, der mir einen offensichtlich besorgten Blick zuwirft.
 

Die Männer bringen uns zu meinem Wagen und machen uns klar, dass wir bis auf Weiteres in der Kaiba Villa auf neue Anweisungen warten müssen. Isonos Blick wird noch eine Spur beunruhigter, als er merkt, wie passiv ich mich verhalte. Das liegt daran, dass ich schwer an der Enthüllung des neuen Hauptanteilseigners zu knabbern habe. Die Identität von Jonouchi als der Drahtzieher hinter dieser mysteriösen Situation ist für mich immer noch schwer fassbar. Was hat er vor? Was hat Mokuba damit zu tun? Warum hat der Blonde sich, nach so vielen Jahren der Abwesenheit, auf diese rätselhafte Art und Weise in mein Leben und in die Geschäfte der Kaiba Corporation eingemischt? Diese Fragen wirbeln in meinem Kopf und lassen mich nicht zur Ruhe kommen.
 

Ich frage mich, wie ich mit dieser Information umgehen soll. Soll ich versuchen, Jonouchi zur Rede zu stellen und die Hintergründe für sein Handeln zu ergründen? Oder sollte ich im Hintergrund agieren, um mehr über seine Pläne herauszufinden, bevor ich mich ihm offen entgegen stelle? Die Unsicherheit über seine Absichten macht mich nervös und treibt mich dazu, nach Antworten zu suchen. Während wir notgedrungen in die Kaiba Villa zurück kehren einer ungewissen Zukunft entgegensehend, spüre ich die Last der Verantwortung für die Kaiba Corporation beinahe übermächtig auf meinen Schultern. Mein Verlangen nach Rache und Kontrolle über meine Firma ist stärker denn je, aber gleichzeitig bin ich mir bewusst, dass Jonouchi nicht einfach zu Durchschauen ist. Die kommenden Tage werden entscheidend sein, und ich muss mich auf das Unbekannte vorbereiten.

Obvious Plans with hidden Intentions

Katsuyas Sicht:
 

Nachdem Seto von meinem Männern weggebracht wurde, tritt Mokuba neben mich. Das schlechte Gewissen steht dem jungen Kaiba wie in dicken roten Leuchtbuchstaben ins Gesicht geschrieben. "Er wird mir niemals vergeben!", schluchzt er, während er sich halt suchend an meine Seite lehnt, seine Augen sind voller Selbstvorwürfe. Ich streiche ihm sanft durch das schwarze, weiche Haar und versuche, ihm ein Lächeln zu entlocken. "Doch wird er, denn nun hat er ja einen Schuldigen, dem er vorwerfen kann, seinen kleinen Bruder korrumpiert zu haben. Mach dir keine Sorgen, es läuft nach wie vor alles nach Plan, das wird schon. Lassen wir ihm jetzt einfach etwas Zeit, sich an die neuen Umstände zu gewöhnen. Du kennst ihn noch besser als ich und weißt, wie stur er ist."
 

Meine Worte scheinen Mokuba zu beruhigen und zaubern sogar ein feines Schmunzeln auf das junge Gesicht. "Du hast recht, Katsuya. Seto wird sich beruhigen und wir werden dem Sturkopf schon noch zeigen, dass unsere Absichten gut sind." Ich nicke zustimmend. Gemeinsam werden wir daran arbeiten, Seto von unserem Vorhaben zu überzeugen und dass unsere Pläne der Kaiba Corporation nicht schaden, sondern sie in eine vielversprechende Zukunft führen werden. Mit wieder deutlich besserer Laune entschuldigt sich der junge Kaiba und verschwindet erneut im Kontrollraum der VR-Anlage.
 

Ich beobachte schweigend, wie immer mehr Angestellten der Kaiba Corp die Vorrichtungen verlassen und sich auf den Weg zur Mittagspause machen. Mein Stolz darüber, dass die Präsentation offensichtlich ein voller Erfolg war, wird nur dadurch getrübt, dass mich Sorgen plagen, ob ich nicht doch zu abweisend zu Seto war. Doch dann entscheide ich, dass es besser ist, wenn er mich momentan nicht leiden kann. Auf diese Weise kann ich seine Wut und Enttäuschung besser lenken. Er wird sich der Zusammenarbeit fügen, er weiß, dass er keine andere Wahl hat. Aber ich weiß auch, dass er sich, im Rahmen seiner Möglichkeiten, stur und querstellen wird. Er ist und bleibt eben mein einsamer, trotziger Drache, der nicht weiß, dass ich nicht mehr der bin, der vor fünf Jahren verschwunden ist.
 

Rückblende:
 

Ich habe so was von die Schnauze voll. Vollkommen geschafft lasse ich mich nach meiner Schicht auf mein ungemachtes Bett fallen, starre grimmig die Zimmerdecke in Grund und Boden. So kann es wirklich nicht weitergehen, entscheide ich energisch, bevor ich aufspringe. Mit plötzlicher Motivation beseitige ich das Chaos um mich herum. Als mein Zimmer wenige Stunden später, das erste Mal, seit dem meine Mutter mir noch beim Aufräumen geholfen hat, wieder mal wirklich sauber ist, fühle ich mich tatsächlich schon ein bisschen besser. Ich meine, ich bin jetzt 18 Jahre alt! Wenn ich allerdings an meine Zukunft denke, dann sehe ich, auf Grund meines wirklich unterirdisch schlechten Schulabschlusses, ein Leben voller Gelegenheitsjobs, die gerade so für die Spielschulden meines Vaters reichen werden. Nein, das will ich nicht, entscheide ich und die neue Ordnung um mich herum bestärkt mich dabei ungemein.
 

Ich nehme mir vor den Menschen, die ich liebe, würdig zu werden und mit diesem Gedanken im Kopf verschwende ich auch nicht länger unnötige Zeit, sondern beginne endlich damit, meinen Plan, den ich schon vor etwa einem halben Jahr an meinem Geburtstag, welchen ich leider alleine feiern musste, weil meine Freunde im Vergleich zu mir tatsächlich ein Leben haben, dass sie zu sehr einnimmt um sich mit einem perspektivlosen Kaoten wie mir auseinander zu setzen, gefasst habe. Zuerst packe ich also meinen Rucksack, mehr als das, was da rein passt, werde ich bestimmt nicht brauchen. Dann greife ich nach meinem Deck, dessen oberste Karte, der Schwarze Rotaugen Drache mich beinahe herausfordernd an funkelt. Ich war vielleicht nie ein herausragender Duellant, aber ich bin ehrgeizig und lernfähig. Es ist endlich Zeit meine Faulheit und meinen Stolz hinter mir zu lassen und diese Talente zu nutzen, um meine Ziele zu erreichen.
 

Mein spärliches Gepäck betrachtend beginne ich anschließend damit, am meinem, nur ordentlichen, Schreibtisch mit der saubersten Schrift, zu der ich im Stande bin, einen Abschiedsbrief an meine Familie und meine Freunde zu schreiben. Ich halte die Angaben darüber, was ich nun vorhabe, sehr vage, da ich einerseits nicht aufgehalten werden will, andererseits zugegebenermaßen noch nicht wirklich einen Plan habe, den ich irgendjemandem erläutern könnte. Nur halb zufrieden lege ich das fertige Schreiben auf mein Kopfkissen, fische mein mühsam Erspartes der letzten Monate aus seinem Versteck und bin dann weg.
 

Gegenwart:
 

Ja, so lief das damals ab und wenn ich jetzt so daran zurück denke, dann muss ich zugeben, dass das die blödeste und gleichzeitig genialste Idee beziehungsweise Entscheidung meines bisherigen, kurzen Lebens war. Warum? Nun, weil sie mich letztendlich an den Punkt gebracht hat, an dem ich nun bin. Eigentümer der amerikanischen Techfirma VRKatsu, Schöpfer der virtuellen Welt Utopia und seit neustem Hauptanteilseigner der weltweit größten Spielfirma, der Kaiba Corporation. Habe ich mir damit Feinde gemacht? Definitiv. Hätte ich es ohne fremde Hilfe geschafft? Auf keinen Fall. Bereue ich es? Definitiv nicht. Ich bin mir der Tatsache, dass ich damit einen der mächtigsten und cleversten Strategen und Geschäftsmänner herausgefordert habe, voll und ganz bewusst, aber wie gesagt, bin ich mir ziemlich sicher, dass Seto mich maßlos unterschätzen wird.
 

Sein trotziger Stolz und sein übergroßes Ego lassen ja auch gar nichts anderes zu. Er hat nie wirklichen Widerstand kennen gelernt, weshalb er auch nie auf andere Menschen gehört oder auch nur reagiert hat. Nun, da er im wahrsten Sinne des Wortes dazu genötigt wird, ist höchste Vorsicht geboten. Wie ein verletztes Tier haben wir ihn in die Ecke gedrängt und wenn wir nicht aufpassen, dann wird er sich, in dem Versuch sich aus dieser aussichtslosen Lage zu befreien am Ende selbst noch mehr verletzen, als er das die letzten fünf Jahre bewusst oder unbewusst schon damit getan hat, dass er sich aus irgendeinem Grund vehement weigerte, sich auch nur ein bisschen mehr als unbedingt nötig um sich selbst zu kümmern. Mokuba hat mich des Öfteren auf dem Laufenden gehalten und ein paar Mal war ich tatsächlich kurz davor alles stehen und liegen zu lassen und einzugreifen, habe mich aber selbst damit gezügelt, dass diese „Rettungsaktion“ mit 100%iger Sicherheit in die Hose gehen würde, wenn ich zu voreilig wäre.
 

Alles in allem bin ich mit dem ersten Treffen eigentlich ganz zufrieden, auch wenn ich vorher nicht ganz deuten konnte, ob Seto sich über meine Anwesenheit nur geärgert oder vielleicht doch auch ein bisschen gefreut hat. Schließlich weiß ich, welches Interesse er die letzten Jahre an meinem Verbleib hatte. Die Schultern straffend wappne ich für die nächste Herausforderung, die heute Abend folgen wird, wenn Mokuba und ich der Kaiba Villa einen Besuch abstatten und Seto mit der Tatsache konfrontiert werden wird, dass er für die nächste Zeit zwei Mitbewohner haben wird. Das wird bestimmt lustig... oder auch nicht.
 

Setos Sicht:
 

Mehr als unruhig verbringe ich bereits mehrere Stunden damit in meinen persönlichen Räumlichkeiten des Kaiba Anwesens ruhelos herum zu wandern. Ich weiß immer noch nicht, was ich von dem heutigen Tag halten soll. Mokuba hat mich hintergangen um mit einem, wie aus dem Nichts, wieder aufgetauchten Jonouchi Katsuya gemeinsame Sache zu machen. Der Blonde hat offenbar die letzten fünf Jahre damit verbracht in Amerika zuerst ein erfolgreiches Tech Unternehmen zu gründen und dann eine virtuelle Welt zu erschaffen, die sowohl einen bisher deutlich sichereren Eindruck macht, als alle meine verzweifelten Versuche der letzten Jahre zusammen und dazu noch ein beeindruckendes Potenzial verspricht. Aber warum sind die beiden nicht einfach zu mir gekommen und haben mir Jonouchis Erfindung nicht einfach präsentiert.
 

Glauben die beiden ernsthaft, dass ich, wenn Sie es anderes angegangen wäre, als sie es jetzt letztendlich sind, ihnen weniger bis keine Aufmerksamkeit geschenkt hätte? Die unerwartet unangenehme Antwort darauf soll mir kurze Zeit später Isonos Recherche liefern, denn er meldet sich wenig später nach meiner Überlegung bei mir an und informiert mich doch tatsächlich darüber, dass VRKatsu angeblich bereits vor eineinhalb Jahren eine und ein halbes Jahr später sogar noch eine zweite offizielle Kooperationsanfrage gestellt haben soll. „Warum erfahre ich davon erst jetzt?“ will ich mich schon aufregen und auch etwas selbst verteidigen, aber Isono bringt mich, wenn auch so sanft wie möglich, auf den Boden der Tatsachen zurück, indem er mir die betreffenden Unterlagen zeigt, in denen ich zu dieser Zeit wohl mit voller Absicht und mit einigem Nachdruck beide Male die Zusammenarbeit deutlich abgelehnt haben soll.
 

Ganz kurz lösen diesen messerscharf servierten Tatsachen bei mir tatsächlich so was wie ein schlechtes Gewissen aus und für einen winzigen Moment muss ich zugeben, dass ich an der Art, wie sich die andere Firma dann letztendlich doch noch Gehör bei mir verschafft hat, durch mein vorheriges Verhalten wohl definitiv nicht ganz unschuldig bin, entscheide dann aber schnell, dass das die Art und Weise der feindlichen Übernahme trotzdem in keinster Weise rechtfertigt. Mir kommt eine Sekunde in den Sinn, dass die Strategie, mit der die beiden mich überrumpelt haben, genau so gut von mir selbst hätte sein können. Nüchtern betrachtet ist sie nämlich genial und ganz nach meinem Geschmack.
 

Während ich mich in diesem selbst erzeugten Konstrukt aus Widersprüchen winde, kommt Isono erneut zu mir um mich darüber zu informieren, dass mein Bruder soeben die Kaiba Villa betreten hat, dass er nicht alleine ist und dass es wohl den Anschein hat, dass die beiden Neuankömmlinge hier her gekommen sind um, zumindest vorerst, wohl auch zu bleiben. Bei dem Gedanken daran, wer die zweite Person sein muss, die mit Mokuba zusammen offensichtlich hier einziehen will, läuft es mir ungewollt eiskalt den Rücken hinunter. Kurz bin ich gewillt tatsächlich zu jammern, denn mir meine Firma weg zu nehmen ist das Eine, sich aber dann auch noch frech selbst in meine privaten vier Wände einzuquartieren, grenzt an Nötigung und der Sinn dieses Schachzuges erschließt sich mir mal wieder nicht. Was zum weißen Drachen mit eiskaltem Blick hat Jonouchi denn davon, mit mir unter einem Dach zu leben, hat der keine eigene Wohnung?
 

Kurz bin ich versucht, neben der Jammerei auch noch das trotzige Kleinkind meinem Repertoire hinzuzufügen und beleidigt in einen Zimmerstreik zu treten, aber dann erinnere ich mich wage wieder daran, dass ich, nach wie vor, einer der mächtigsten Geschäftsmänner auf diesem Planeten bin und mich deshalb mit Sicherheit von meinem kleinen Bruder und einem kreativen, nach wie vor überaus, natürlich vollkommen objektiv betrachtet, attraktiven blonden Streuner, der ganz zufällig vor mir offenbar eine funktionierende Lösung für das Sicherheitsproblem der virtuellen Realität gefunden hat, nicht einschüchtern lassen werde. Nein, ich werde da jetzt einfach runter gehen und die beiden mit meinem gnadenlosen Blick der Marke „Stirb du Wurm“ ganz einfach zu Eisstatuen gefrieren lassen. Ja, genau, dass ich ein guter Plan, denke ich und bin schon im Wohnzimmer, als ich feststelle, dass er das vielleicht doch nicht war.
 

Zu meiner Schande ist es nur ein belustigter Seitenblick aus karamellfarbenen der meinen eisblauen sofort sämtliche Wirkung nimmt, mein Mund trocken und meine Knie weich werden lässt. Was ist plötzlich mit mir los? Der andere hat die letzten Jahre doch auch keine Rolle in meinem Leben gespielt, also warum ist er jetzt auf einmal so präsent und beeinflusst mich so leicht? Das ich mich gerade auf ganzer Linie selbst belüge, verdränge ich komplett. Die Wahrheit sieht nämlich in etwa so aus, dass ich damals, nach dem ich von Jonouchis Abschiedsbrief erfahren habe, definitiv zu energisch nach ihm suchen ließ, nur um, nachdem ich ihn trotzdem nicht finden konnte, mal bewusst, aber meistens eher unbewusst, beinahe jede freie Minute an ihn und seinen Verbleib gedacht habe.

Unwilling Merger and other Tests of Patience

Setos Sicht:

Es scheint nun also zu einer unumstößliche Tatsache geworden zu sein, dass VRKatsu und die Kaiba Corporation gemeinsam an einem Projekt zur Verwirklichung einer realistischen Spielererfahrung in der virtuellen Welt Utopia arbeitet. Zu allem Überfluss hat sich doch wirklich nicht nur mein kleiner Bruder sondern auch meine persönliche Nemesis, Jonouchi Katsuya, (wieder) bei mir in der Kaiba Villa einquartiert. Ich versuche genervt zu sein und die Drama Queen heraus hängen zu lassen, aber so wirklich Anlass bekomme ich dazu leider nicht, denn das Zusammenleben mit Mokuba ist, als ob er nie ausgezogen wäre und auch der Blondschopf ist ein weitaus weniger anstrengender Mitbewohner, als ich zuvor vermutet oder insgeheim vielleicht sogar gehofft hatte, denn dann hätte ich immerhin einen Grund gehabt ihn zu kritisieren, aber so... Jonouchi ist ordentlich, leise und alles in allem, so ungern ich das auch zugebe, angenehme Gesellschaft.
 

Ich ertappe mich immer häufiger dabei, wie ich ihn beobachte und hoffe immer mehr, dass ich es tatsächlich so heimlich hinbekomme, wie ich es mir wünsche, denn eigentlich will ich wirklich nicht, dass mein Interesse an Jonouchi zu offensichtlich ist, vor allem nicht für ihn. Nun ja, selbst wenn es ihm längst aufgefallen sein sollte, so lässt er sich nichts anmerken. Manchmal ertappe ich mich dabei, wie ich mir einen unserer früheren, vollkommen unnötigen Streits zurück wünsche nur um festzustellen, dass ich mich eigentlich gar nicht auf diese Weise mit ihm auseinander setzten will, sondern dass es mir auch schon reichen würde, wenn er sich auf friedliche Weise mit mir beschäftigen würde, aber nichts, er und mein Bruder ignorieren mich geflissentlich und das stört mich unheimlich.
 

Mir brennt die Frage, was ihm die letzten fünf Jahre widerfahren sein könnte, jeden Tag mehr unter den Nägeln, aber ich, Seto Kaiba, traue mich tatsächlich nicht, Jonouchi offen danach zu fragen, weil ich, wenn ich erst mal so offen meine Interesse an dem Blonden bekundet hätte, danach schlecht wieder so tun könnte, als ginge er mir sonst wo vorbei. So versuche ich anstatt dessen alle Informationen beiläufig aus den Gesprächen von Mukuba und Jonouchi herauszufiltern und drangsaliere Isono mit Recherche Aufgaben über VRKatsu.
 

Isonos Sicht:
 

Einerseits empfinde ich Mitleid für Kaiba-Dono, andererseits bringen mich Jonouchi-Donos und Mokuba-Samas Methoden, wenn auch nicht ohne schlechtes Gewissen meinem Herrn gegenüber, zum Schmunzeln. An dem Montag Abend nach der beeindruckenden Präsentation Utopias sind die beiden kurzerhand in der Kaiba Villa eingezogen und tun seither so, als wäre Kaiba-Dono gar nicht da. Bei den Mahlzeiten und abends auf dem Sofa stecken die beiden jungen Männer regelmäßig die Köpfe zusammen und es wirkt immer, als sprächen sie über höchst wichtige Themen. Mit dieser genialen, wenn auch überaus hinterhältigen Taktik bringen sie Kaiba-Dono dazu, bei jeder Mahlzeit ebenfalls anwesend zu sein und die Abende und dadurch auch die Nächte, statt wie bisher immer in seinem Büro, nun ebenfalls in den Räumlichkeiten des Kaiba Anwesens zu verbringen.
 

In seiner Verbissenheit Informationen zur Rückeroberung seiner Firma zu erhaschen, merkt mein Herr offenbar tatsächlich überhaupt nicht, wie die beiden jungen Männer ihn, cleverer als ich es die letzten Jahre hin bekommen habe und neidlos anerkennen muss, Kaiba-Dono, dadurch dazu bekommen regelmäßig zu Essen und öfter sein eigenes Bett zu benutzen. Ich bin schlichtweg beeindruckt und auch wirklich dankbar. Ich muss zugeben, dass so ein Vorgehen an Betrug grenzt, aber da es offensichtlich maßgeblich zur Verbesserung der Gesundheit meines Herrn beiträgt, lasse ich die beiden jungen Herren gewähren. Kaiba-Dono fragt mich beinahe stündlich nach neuen Informationen und wahrheitsgemäß muss ich ihm schon bald eingestehen, dass keine mehr zu finden sind, die mein junger Herr nicht inzwischen schon in und auswendig kennen müsste.
 

Die Techfirma VRKatsu ist sauber, die Abwicklung des Verkaufs der Anteile war, laut Kaiba-Donos überaus teuren Anwälten, vollkommen rechtens und die erneute Befragung der ehemaligen Anteilseigner hat ergeben, dass diese wohl alle, unabhängig voneinander, verteilt über einen längeren Zeitraum ein legales Angebot zum Verkauf ihrer Anteile erhalten haben und dass dieser Verkauf rechtmäßig über die erforderliche Stellen abgewickelt wurde. Mein Verdacht verstärkt sich immer weiter, dass diese Übernahme, die sich allerdings, zumindest bisher eher wie eine erzwungene Fusion/Zusammenarbeit anfühlt, da Jonouchi-Dono seine neue Macht bisher offenbar nicht ausgenutzt hat, von langer Hand geplant worden sein muss, aber von wem und zu welchem Zweck bleibt unklar.
 

Katsuyas Sicht:
 

Seto tut mir fast schon leid, aber für Gefühle wie Mitleid oder Reue ist gerade wirklich kein Platz. Bisher ist es fast zu leicht den älteren Kaiba Bruder dazu zu bringen, öfter sein Büro in der Kaiba Coporation zu verlassen. Mokuba und ich müssen uns manchmal wirklich das Lachen verkneifen, so offensichtlich wie wir bei unseren „streng geheimen“ Gesprächen belauscht werden. Es ist wirklich unerwartet komisch auf der super bequemen Coach zu relaxen, den Kleineren an meine Seite gekuschelt, über vollkommen Belangloses oder die Hochzeitsplanung zu reden und dabei den bohrenden Blick aus Seto blauen Augen am Hinterkopf zu spüren, der sich, wie bald jeden Abend seit bald einem Monat, in einem Sessel irgendwo im hinteren Teil des riesigen Wohnzimmers, eingerichtet hat und inzwischen eigentlich Dumbo Ohren haben müsste, so sehr spitzt er sie, um uns zu belauschen. Irgendwie niedlich, entscheide ich in mich hinein grinsend.
 

„Warum setzt du dich nicht einfach zu uns, dann kannst du unserem Gespräch besser folgen. Gerade diskutieren wir über die Farbe des Blumenschmucks.“ Ich kann hören, wie etwas zu Boden fällt und vermutete, dass es das Alibi Buch aus Setos Hand war, welches dieser vor Schreck, bei seiner Lauschaktion auf frischer Tat ertappt worden zu sein, fallen lassen hat. Vielleicht kam auch noch etwas Überraschung dazu, dass ich ihn, nachdem wir ihn bald vier Wochen praktisch vollständig ignoriert haben, so unvermittelt angesprochen habe. Aber ich habe schließlich noch mehr mit meinem einsamen, trotzigen Drachen vor, als mit ihm ein virtuelles Projekt zu realisieren und mich in seine Villa einzuquartieren, weshalb ich der Meinung bin, dass es nun langsam Zeit wird, einen Schritt auf Ihn zuzugehen. Zur Antwort bekomme ich nur ein kaum hörbares Grummeln.
 

Als ich mich dann umdrehe entdecke ich den Thron verwaist und, nach einem Seitenblick auf den kleineren Kaiba neben mir brechen wir in lautes Gelächter aus. Die Situation ist eigentlich absolut unfair, aber einfach viel zu lustig, um ernst zu bleiben. Mokuba kugelt sich neben mir und hält sich den Bauch, während ich mir ein triumphierendes Grinsen nicht verkneifen kann. „Ich glaube, wenn wir so weitermachen erdolcht er uns noch im Schlaf!“ japst der jüngere Kaiba Erbe mühsam nach Luft schnappend, Lachtränen im Augenwinkel. Ich nicke, weiß aber instinktiv, dass Seto das niemals über sich bringen würde. Er mag eine verdammt harte Schale haben, aber darunter ist ein weicher Kern und den will ich.
 

Setos Sicht:
 

Die beiden sind so was von tot! Wütend schnaubend betrete ich meine Räumlichkeiten und habe plötzlich das Bedürfnis etwas zu zerdeppern, weshalb ich mir nun auch kurzerhand eine Vase von meinem Tisch schnappe und diese an die Wand schmeiße, an der sie klirrend zerschellt. Die haben mich verarscht. Gnadenlos an der Nase herum geführt. Vier Wochen lang war ich der festen Überzeugung irgendwann etwas wirklich Brauchbares aus ihren Gesprächen herausfiltern zu können, aber jetzt realisiere ich, dass die beiden von Anfang an wussten, dass ich zuhöre und statt über wirklich Wichtiges sich nur über so unnötige Dinge wie Blumen, Tischdecken und ihr Lieblingsessen unterhalten haben. Ich werde aus der ganzen Situation einfach nicht schlau und das ärgert mich über alle Maße. Als Jonouchi mich gerade aus heiterem Himmel direkt angesprochen hat, bin ich so erschrocken, dass ich doch glatt mein Buch fallen lassen hab. Wie peinlich war das denn bitte. Ich komme mir vollkommen blöd vor.
 

In meiner Wut und meiner Hilflosigkeit merke ich gar nicht, wie Isono plötzlich das Zimmer betritt um die Scherben meiner untypischen Zerstörungswut zu beseitigen, wahrscheinlich, dass ich mich nicht an ihnen verletze. Krampfhaft dem Drang wieder stehend, meine schlechte Laune an ihm auszulassen, verschwinde ich anstatt dessen lieber in mein Badezimmer unter die Dusche. Die Situation ist so unglaublich surreal und egal von welcher Seite ich diese auch betrachte, ich werde einfach nicht schlau aus ihr. Was haben die beiden nur vor? Erst ignorieren sie mich, dann konfrontiert Jonouchi mich plötzlich unverblümt damit, dass er, wahrscheinlich schon die ganze Zeit über, sehr genau wusste, dass ich sie beziehungsweise ihn beobachte und belausche und dann ist er bei der Arbeit auch noch so abweisend und gleichzeitig doch so unglaublich nützlich.
 

Ja, wir haben, Dank seiner Schöpfung, in den letzten Wochen wahnsinnig große Fortschritte gemacht und wenn es so weitergeht, dann dauert es keine drei Monate, bis wir der Welt unser fertiges Produkt präsentieren können. Ich weiß jetzt schon, dass es ein voller Erfolg werden wird, bin ich ja schließlich immer noch Geschäftsmann und habe den Markt mehr als gut im Blick. Jonouchi ist nicht nur ein unerwartet angenehmer Mitbewohner sondern auch ein gewissenhafter Geschäftspartner. Er hat bisher keine Anstalten gemacht seine Macht zu missbrauchen, keine Angestellten entlassen, keine Budgets erhöht/gekürzt...
 

Kellertief seufzend wasche ich mir die Haare und muss an den Ausdruck in den karamellfarbenen Augen denken. So kalt habe ich ihn definitiv nicht in Erinnerung. Nein, früher brannte ein entschlossenes Feuer in diesen und ohne Zweifel wünsche ich mir dieses zurück. Was muss Jonouchi die letzten fünf Jahre durchgemacht haben, das so eine Veränderung bei ihm ausgelöst haben könnte. Von dem planlosen Kaoten, dem aufbrausenden Streuner, ist nichts mehr übrig. Ganz im Gegenteil, seine Entscheidungen wirken alle strategisch und intelligent durchdacht und zeugen von einem enormen Wissen über die Materie seiner Schöpfung. So was kann man sich doch nicht in so kurzer Zeit aneignen, oder doch? Kann es wirklich sein, dass in dem jungen Mann Jonouchi Katsuya schon immer so ein Potenzial schlummerte, etwas so Großes wie Utopia zu erschaffen.
 

Ich habe mir in den letzten Wochen die Technologie sehr genau angesehen und muss neidlos anerkennen, dass sie sowohl ausgeklügelt als auch benutzerfreundlich ist. Es ist problemlos möglich, eine Version für den Privatgebrauch zu entwickeln und das auch noch zu einem erschwinglichen Preis, der es möglichst vielen Nutzern praktisch aller Altersgruppen erlauben wird, in die virtuelle Welt einzutauchen. Noch habe ich mich vehement geweigert, die Original Designs der Duel Monsters, welche ich vor etwa drei Jahren von Pegasus erworben habe, für Utopia frei zu geben, aber ich weiß, dass es dafür langsam mal Zeit wird, wenn wir mit dem Projekt einen entscheidenden Schritt weiterkommen wollen. Jetzt denke ich schon UNSER Projekt und das WIR weiterkommen wollen. Aber es stimmt, leider. Der einzige, der das Unterfangen momentan behindert, bin ich, in meinem verbohrten Stolz, nicht selbst der Urheber von Utopia zu sein.
 

Während ich aus der Dusche steige und mich abtrockne, nehme ich mir tatsächlich vor, nicht mehr so starrköpfig zu sein. Ich will ja im Grunde auch nur mein Unternehmen voran bringen und das Jonouchi mir dabei nur helfen will, wird immer offensichtlicher. Wenn ich etwas mehr kooperiere bekomme ich ihn vielleicht auch dazu, mir zu verraten, wie er zu seinen Erfolgen gekommen ist, denn das interessiert mich wirklich. Mir einen Pyjama überstreifend entscheide ich spontan noch, mir im Erdgeschoss noch einen Tee zu machen und mir ein Buch zu holen. Natürlich hätte ich auch Isono darum bemühen können, aber irgendwie will ich selbst gehen um zu sehen, ob die beiden immer noch kuschelnd unten auf dem Sofa sitzen. Jonouchi geht im Allgemeinen so liebevoll mit Mokuba um und irgendwie versetzt mir das einen Stich, ich weiß nur (noch) nicht warum.
 

Mokubas Sicht:
 

Schmunzelnd beobachte ich meinen großen Bruder und Katsuya, die beide in je einer der Vorrichtungen, gerade gemeinsam an der virtuellen Welt arbeiten. Parallel dazu kann ich auf einem zweiten Bildschirm genau beobachten was ihre Avatare dort tun. Mein Niisan hat seinen, aus rein praktischen Gründen, wie er verlauten ließ, inzwischen gehen ein virtuelles Abbild von sich selbst ausgetauscht. Auch wenn er es selbst nie offen zugeben würde habe ich am Tag der Präsentation eindeutig an seinem Gesicht ablesen können, dass er sich von Katsuya Einfall für ihn einen Drachen zu designen durchaus geschmeichelt gefühlt hat. Ich beobachte wie die beiden wohl gerade an einigen Integrationen arbeiten und komme nicht drum rum, Katsuya elegante Bewegungen zu bewundern. Im Vergleich zu Seto beherrscht er die Handhabung der Vorrichtung perfekt. Gerade, als ich mich anderen Dingen widmen möchte, passiert tatsächlich etwas auf dem Bildschirm, womit ich nicht gerechnet habe.
 

Vor den Avataren meines Niisans und Katsuya erscheint doch tatsächlich ein originaler weißer Drache mit eiskaltem Blick. Hat mein großer Bruder sich also wirklich schon, viel schneller, als ich vermutet hätte, dazu bereit erklärt, die Designs für Utopia frei zu geben. Als ich auf Setos Gesicht zoome sehe ich deutlich seine Begeisterung unter der kalten Fassade hervor schimmern. Die Projektion scheint auch wirklich gut zu funktionieren, den Katsuya nickt zufrieden. Dann erscheint auch noch ein schwarzer Rotaugen Drache und der Blonde zeigt, im Vergleich zu früher, auch eher verhalten seine Freude über das Erscheinen seines Lieblingsmonsters. Während ich mit einem warmen Lächeln die beiden weiter beobachte, wie sie Einstellungen vornehmen um den projizierten Monstern Leben einzuhauchen, tritt Isono neben mich und einem albernen Drang nachgebend hebe ich die Hand zu einem High Five.
 

Setos persönlicher Assistent scheint zuerst etwas verwirrt, schlägt dann aber tatsächlich ein, als auch er die einträchtige Szene auf dem Bildschirm vor mir erfasst zu haben scheint. Ich bin wirklich glücklich, dass die beiden sich offenbar verstehen und sich nun auch arrangiert zu haben scheinen. Katsuya ist, nicht nur deshalb, weil ich mit seiner kleinen Schwester Shizuka verlobt bin, wie ein Bruder für mich und bot mir in letzter Zeit unschätzbaren Halt. Die Szene vor mir macht mir Hoffnung auf eine Zukunft in der wir alle glücklich sein können.

A Bottle of Wine and Truth without Duty?

Katsuyas Sicht:
 

Ich kann gar nicht in Worte fassen, wie sehr ich mich darüber freue, dass Seto tatsächlich schon so früh dem Hochladen der original Duel Monster Designs zugestimmt hat. Nun kommen wir wesentlich schneller voran und nach einer Verlosung für die ersten 100 Testspieler, die eine überragend positive mediale Präsens für unser Projekt eingebracht hat, sind die glücklichen Gewinner hochmotiviert und offenbar auch ebenso begeistert. Ich klopfe und trete nach einem knappen „herein“ von drinnen in das geräumige Büro meines Geschäftspartners wieder Willen ein. Er sitzt am Schreibtisch und sieht nicht auf. Das gibt mir die Gelegenheit, ihn kurz zu betrachten und mit einer gewissen Zufriedenheit stelle ich fest, dass er inzwischen wieder deutlich besser aussieht als zu Anfang unserer erzwungen Zusammenarbeit.
 

Die erhöhte Nahrungs- und Schlafmenge tut Seto offenbar wirklich gut. Meine Beobachtungen mit einem Nicken beendend, stelle ich mich vor den Schreibtisch und errege damit die Aufmerksamkeit des Sitzenden. Er sieht mich fragend an und ich erläutere ihm den Grund meines Besuches: „Die Testspieler scheinen bisher alle durchweg mit dem virtuellen Erlebnis zufrieden zu sein. Die internationale Spielemesse findet Ende nächsten Monat statt und bis jetzt läuft alles nach Plan. Wenn alles so bleibt steht der offiziellen Einführung von „Duel Monsters Utopia“ auf der Messe eigentlich nichts mehr im Weg.“ Seto hat mir die ganze Zeit aufmerksam zugehört und auch ein zwei Mal verstehend genickt.
 

Er will sich schon von seinem Schreibtisch Stuhl erheben, doch bei dem Versuch verzieht er plötzlich, wenn auch nur minimal, vor Schmerz das Gesicht. Immer noch so stolz, mein einsamer, trotziger Drache, denke ich schmunzelnd und umrunde den Tisch um mich hinter ihn zu stellen. Ohne vorher zu fragen, lege ich meine Hände auf seine Schultern und beginne, das leichte Zucken, das meine unangekündigte Berührung verursacht, einfach ignorierend, diese vorsichtig und gekonnt zu massieren. Warum ich das mache, ganz einfach, weil ich es will. Sein warmer Körper fühlt sich wirklich gut unter meinen Fingerspitzen an.

„Ich habe einen Physiotherapeuten, dem ich dafür viel Geld bezahle.“ Nuschelt er, macht aber, entgegen seiner Worte, keine Anstalten, mich in meinem Tun zu unterbrechen. Geschickt löse ich die Verspannungen und konzentrieren mich dabei voll und ganz auf den jungen Mann vor mir, der mir noch vor zwei Monaten so fremd und doch irgendwie immer schon sehr vertraut war. Ja, damals, als wir Teenager waren, bestanden unsere Begegnungen hauptsächlich aus Auseinandersetzungen, aber die gehören zum Glück offensichtlich der Vergangenheit an. Wir haben uns wohl beide weiterentwickelt. Während ich weiter massiere kann ich beinahe das Rattern in dem kastanienbraune Haarschopf vor mir hören und mir deshalb nicht länger verkneifen ihn zum fragen aufzufordern.
 

„Ich weiß, dass du dich, seit ich wieder aufgetaucht bin, permanent fragst, wo ich die letzten Jahre abgeblieben bin, also warum fragst du mich nicht einfach? Seit wann ist der große Seto Kaiba um Fragen verlegen?“ Ein erneutes, wenn auch nur für mich, da ich ihn ja immer noch berühre, spürbares Zucken verrät mir, dass er sich auch hier ertappt fühlt. Isono hat mir verraten, dass Seto Einiges an Nachforschungen über meinen Verbleib anstellen hat lassen, allerdings offenbar mit sehr unbefriedigendem Ergebnis. Von meiner Schwester weiß ich auch, dass er sie und meine ehemaligen Klassenkameraden des Öfteren über mich ausgefragt hat. Jetzt hat er mich allerdings schon etwa zwei Monate direkt vor der Nase und immer noch keine Anstalten gemacht seinen Wissensdurst zu stillen. „Und, wo warst du?“ Höre ich ihn darauf hin tatsächlich fragen, was mich erneut zum schmunzeln bringt. „Wenn du das wirklich wissen möchtest, dann lass uns ein Spiel spielen. Du eine Frage, ich eine Frage, was hältst du davon?“
 

Ich weiß, dass er immer noch ein Spieler ist, der sich keine Gelegenheit entgehen lässt, seine Überlegenheit zu demonstrieren, auch wenn ich mir nicht sicher bin, wie er das in diesem Fall bewerkstelligen will, aber ich erhalte tatsächlich eine mehr oder weniger zustimmende Antwort in Form eines Schulterzuckens. „Gut dann nachher im Kamin Zimmer. Bring eine Flasche Wein mit, aber eine von den guten Tropfen. Bis heute Abend.“ Sage ich noch, klopfe ihm dabei auf die Schulter und verschwinde ebenso schnell wieder aus dem Büro, wie ich es zuvor betreten habe. Er wird auftauchen, daran habe ich keinerlei Zweifel, er ist viel zu neugierig um sich diese Gelegenheit mich auszufragen entgehen zu lassen. Allerdings spielen wir beide und auch ich werde es sicherlich schaffen ihm die eine oder andere unangenehme Antwort zu entlocken.
 

Setos Sicht:
 

Erneut frage ich mich warum genau ich nochmal dieser bescheuerten Idee zugestimmt habe, nur um mich dann prompt selbst an den Grund zu erinnern. Neugier. Ich platze fast wegen diesem Gefühl und das Angebot diese endlich, nach all der Zeit, stillen zu können, war einfach zu verlockend. Vielleicht liegt es auch ein bisschen daran, dass er mich, im wahrsten Sinne des Wortes, regelrecht weich geklopft hat. Die Massage hat tatsächlich unglaublich gut getan. Wo er so was gelernt hat, wird definitiv eine meiner ersten Fragen sein. Nachdem Jonouchi mein Büro wieder verlassen hat, bin ich ungewohnt hibbelig, als ob ich den Feierabend kaum erwarten könnte. Das ist mir in meinem ganzen bisherigen Arbeitsleben noch nicht passiert. Kurz kommt mir ein völlig anderer Gedanke, der allerdings eigentlich genau so untypisch für mich ist.
 

Wenn das Projekt wirklich so gut läuft, dass wir es tatsächlich Ende nächsten Monat schon in die Präsentation und anschließend in den Verkauf bringen können, was passiert dann danach? Nichts – beruhige ich mich – was soll auch schon passieren, es ist ja nicht so, dass die Fusion von VRKatsu und der Kaiba Corp, die ich doch eigentlich immer noch gar nicht will, wie ich mich schnell erinnere, danach einfach endet. Es gibt auch nach der Markteinführung mehr als genug zu tun, beruhige ich mich selbst und stelle im selben Moment fest, wie absurd dieses mentale Selbstgespräch gerade eigentlich ist. Als ich erfahren habe, dass mir jemand und dieses Mal tatsächlich erfolgreich, meine Firma weg genommen hat, wollte ich alles daran setzen, denjenigen zur Rechenschaft zu ziehen und jetzt? Jetzt hoffe ich, dass derjenige mich nicht plötzlich im Stich lässt.
 

Diese Gedanken sind absolut widersprüchlich und verwirren mich zugegebenermaßen sehr. Habe ich mich vielleicht viel zu schnell daran gewöhnt, die Verantwortung für mein Unternehmen und den damit verbunden Druck nicht mehr alleine tragen zu müssen. Das hat mich doch zuvor auch nie gestört, ganz im Gegenteil, es war mir immer recht gewesen, da ich so von niemandem abhängig war, auf keine weitere Meinung Rücksicht nehmen musste. Also was soll sich an meiner Einstellung plötzlich geändert haben? Ist es die Erkenntnis, dass, wenn es passt, so eine Kooperation auch wirklich angenehm, fruchtbar und entlastend sein kann. All das würde ich Katsuya... ich meine natürlich Jonouchi, selbstverständlich niemals offen sagen und auch heute Abend bei der Fragerunde nicht.
 

Viel später am Tag betrete ich schließlich, ungewohnt nervös, das Kaminzimmer meines Anwesens, welche ich, wie ich beiläufig feststelle, zuvor noch nie wirklich genutzt habe. Im namensgebenden Objekt, dem optischen Zentrum des Raumes, brennt ein Feuer und verströmt eine doch recht behaglich Wärme. Mir ist zuvor gar nicht wirklich aufgefallen, dass das Wetter draußen inzwischen merklich ungemütlicher geworden ist, aber auch kein Wunder, ein Seto Kaiba ist ja schließlich praktisch nie draußen unterwegs. Jonouchi hat es sich in einem der Sessel direkt vor der Wärmequelle gemütlich gemacht, seine Haltung entspannt und die Karamell farbenen Augen mit dem mir inzwischen wirklich unliebsamen kühlen Blick auf mich gerichtet. Ohne Begrüßung nehme ich sogleich in dem zweiten Sessel schräg gegenüber Platz und stelle die geforderte Flasche Wein auf den Beistelltisch zwischen uns, auf dem auch schon zwei Weingläser auf Ihren Inhalt warten.
 

Weiterhin wortlos greife ich nach dem, ebenfalls vorhandenen, Korkenzieher, öffne diese damit fachmännisch und gieße dann einfach mal auf gut Glück, nicht zu viel aber auch nicht nur einen Verkostungsschluck, ein. Zuerst wollte ich mir eigentlich wirklich keine Mühe mit der Auswahl geben, ja sogar einen billigen Fusel servieren, doch dann überkam mich irgendwie der Wunsch den Blonden zu beeindrucken, weshalb ich sorgfältiger gewählt habe. Natürlich kann ich nicht wissen, welchen Wein Jonouchi normalerweise bevorzugt und ob er überhaupt Ahnung davon hat oder nur so tun wollte als er mich anwies einen "guten Tropfen" mitzubringen. An der Art und Weise, wie er sich nach dem Servieren verhält kann ich allerdings bereits Einiges ablesen. Statt nämlich sofort nach dem gefüllten Glas zu greifen wartet er erst noch ein paar Minuten.
 

Das kann natürlich mehrere Ursachen haben und zeugt noch nicht von einem Kenner, doch als er dann schließlich richtig nach dem Gefäß greift, den Inhalt leicht schwenkt und vorerst nur den Geruch testet, bin ich mir ziemlich sicher, dass er, inzwischen zumindest, ein bisschen Ahnung von Wein haben muss. Mir brennen sogleich noch mehr Fragen auf der Zunge, die ich ihm anschließend auch stellen und die er mir, vorausgesetzt er hält sein Versprechen, hoffentlich auch alle wahrheitsgemäß beantworten wird. "Hibiskus und Schokolade, Merlot, Spätlese, Import nehme ich an. Sehr gut." Kommentiert Jonouchi plötzlich und reißt mich damit aus meinen Gedanken. Er hat wohl einen ersten Schluck probiert und mit seiner Einschätzung voll ins Schwarze getroffen.
 

Abgelesen schließlich ich mit einem Blick auf die Flasche sofort, wenn auch gedanklich zähneknirschend, aus, da diese mit dem Etikett zu mir gedreht ist. Ich bin tatsächlich beeindruckt, lasse es mir aber natürlich nicht im Geringsten anmerken. Wie bei meinem weißen Drachen mit eiskalte Blick ist aus dem draufgängerischen, vorlauten Chaoten und Schlägertypen, auf den ich früher herab sehen konnte, bloß ein besonnener, berechnender Geschäftsmann und Experte in so einigen Bereichen, wie ich inzwischen feststellen musste, geworden, dem ich wohl oder übel auf Augenhöhe begegnen muss? Können wir nicht endlich zu dem Frage Antwort Spiel kommen, wegen dem ich eigentlich nur hergekommen bin? Der blonde Mann scheint meine wachsende Ungeduld zu bemerken, prostet mir allerdings erst mal, ein feines Lächeln auf den Lippen, seelenruhig zu.
 

Innerlich leicht genervt greife ich halt nun ebenfalls nach meinem Glas, erwidere die Geste sogar und probiere auch von den ziegelroten, alkoholischen Getränk. Wirklich nicht schlecht wie ich feststellen muss. Zugegebenermaßen habe ich den Wein selbst zuvor nicht probiert, der aktuelle Inhalt des Weinkeller stammt noch von meinem Adoptivvater und ich selbst trinke eh nur selten Wein. Aber vielleicht sollte ich das ja in Zukunft ändern, überlege ich tatsächlich kurz und mutmaße, dass es da unten sicher noch einige Schätze zu entdecken geben müsste. "Also. Bevor wir anfangen. Jedes Spiel braucht Regeln." Erneut holt mich der Blondschopf so aus meinen Gedanken. Regeln? Welche Regeln denn? Ich dachte wir stellen uns einfach abwechselnd gegenseitig Fragen?
 

Warum will er es so kompliziert machen? Will er mir vielleicht schon im Vorfeld bestimmte Themen verbieten? Während ich mir den Kopf zerbreche fährt er schmunzelnd fort. "Nur Fragen, die den Gegenüber betreffen und absolut ehrliche Antworten, verstanden?" Ach so, okay, dass meinte er mit Regeln, ja, damit kann ich leben, weshalb ich einfach nicke. Das er mir ja später auch Fragen stellen darf, die ich dann ja auch wahrheitsgemäß beantworten muss, blende ich einfach aus. "Gut. Als Belohnung für die vorzügliche Weinauswahl darfst du anfangen." "Wo warst du die letzten fünf Jahre?" platze ich sogleich mit meiner ersten Frage regelrecht heraus. "In Amerika." Antwortet Jonouchi auch prompt, wie aus der Pistole geschossen und lässt mich beinahe kindisch schnauben. "Das wusste ich schon, geht es nicht etwas genauer?" "Ungenaue Frage, ungenaue Antwort." Ist die lapidare Erwiderung, während ich kurz meine das lang vermisste Funkeln in seinen Augen aufblitzen zu sehen.
 

Ungewohnt zahm geben ich nach, nicke zum Zeichen, dass ich verstanden habe und ihm mit einen Wink zu verstehen, dass er nun seine erste Frage stellen kann. "Was hat den sonst so unerschütterlichen Seto Kaiba soweit gebracht, auf Grund des Besuches meines Anwalts, so zusammen zu brechen?" Ich will schon protestieren und die Antwort verweigern, aber ein wieder kühler Blick hält mich sogleich ungewöhnlich erfolgreich davon ab. Absolut ehrliche Antworten, die zweite Regel, der ich vollkommen voreilig zugestimmt habe. Nun muss ich mir also wohl oder übel genau überlegen, was ich antworten kann, ohne mein Gesicht vor dem Mann zu verlieren, der sich an besagtem Tag mein Unternehmen unter den Nagel gerissen hat. "Nun, es lag selbstverständlich nicht daran, dass ich inzwischen labil geworden wäre oder so einen schwachen Blödsinn, sondern daran, dass die Zeit davor Essen und Schlafen einfach etwas zu kurz gekommen sind... hatte nun mal Besseres zu tun... meinen Körper wohl etwas überschätzt."
 

Beende ich mein Geständnis leise und fühle mich jetzt schon sprichwörtlich nackt obwohl das gerade mal seine erste Frage war. Jetzt muss ich mir mehr Gedanken machen, bevor ich meine nächste Frage stelle, denn ich will ja schließlich am Ende des Abends nicht ohne Antworten, aber dafür mit einem persönlichen Seelenstriptease, hier raus gehen. Ob er mir glaubt oder nicht verrät sein Gesicht nicht, während er mich auffordern ansieht meine nächste Frage zu stellen. Dabei nimmt er einen weiteren Schluck aus seinem Glas. Ich überlege fieberhaft, was ich Jonouchi als nächstes fragen könnte, will mir aber auch nicht zu lange Zeit lassen, denn meine Unentschlossenheit würde ihn sicherlich amüsieren.
 

"Also, genauer, was hast du gemacht, nachdem du vor fünf Jahren spurlos verschwunden bist." Ein feines Grinsen umspielt seine Lippen, weshalb ich noch vorsichtshalber schnell nachlege: "Wenn du mir jetzt antwortest, dass du nach Amerika gegangen bist, dann ist dieses Spiel beendet." Auf diese Drohung hin vernehmen ich ein leises Lachen und neben der Feststellung, dass ich diese Geräusch heute zum ersten Mal zu hören bekomme, seit der Blonde so plötzlich wieder in meinen Leben aufgetaucht ist, fällt mir auf, wie ausgesprochen gut es sich für mich anhört. Er streicht sich eine vorwitzige Strähne seiner inzwischen einiges über schulterlangen, altgoldenen Mähne, welche heute wohl ausnahmsweise mal nicht durch ein Band im Nacken im Zaum gehalten wird, zurück hinters Ohr und antwortete: "Ich habe verstanden. Nun, wo soll ich anfangen?"
 

Rückblende etwa fünf Jahre zuvor:

Jonouchi Sicht:
 

Da stehe ich also nun, keinen Plan wo ich hin soll und, Dank dem Abschiedsbrief, auch ohne Möglichkeit zurück zu gehen. Mein Vater würde mich windelweich prügeln, oder es zumindest versuchen. Nein, jetzt bin ich schon mal soweit gekommen, jetzt ziehe ich es auch durch. Entschlossen begebe ich mich zu Fuß in die Innenstadt und kehre dort erst mal in einem Rahmen Haus ein, mit vollem Magen kann ich schließlich besser denken. Während ich dann so meine Nudeln schlürfe, höre ich das ein oder andere Gespräch um mich herum ein bisschen mit. Zwei junge Männer am Nachbartisch erregen dabei besonders meine Aufmerksamkeit. Die beiden tragen Anzüge, Krawatte und feine Schuhe, obwohl sie nicht viel älter als ich sein können und unterhalten sich aufgeregt über ein Vorstellungsgespräch.
 

"Ja, der alte Herr ist heute morgen unangekündigt hier angekommen und hat verlauten lassen, dass er heute Abend mit einem neuen Assistenten wieder abreißen will." Nun spitze ich die Ohren. "Keine Ahnung, es gibt wohl kein Anforderungsprofil, wirklich jeder volljährige junge Mann kann sich scheinbar einfach so bewerben." Das ist ja hoch interessant denke ich und beschließe kurzerhand den beiden unauffällig zu folgen, als diese sich wohl auf dem Weg zu diesem" Event" machen. Vor einem Bürogebäude endet meine Verfolgungsjagd, doch als ich mich anschicke, dieses ebenfalls zu betreten, fällt mein Blick auf die Schar gut gekleideter junger Männer, die ich durch die Glasfront des Erdgeschosses vor einem Empfangstresen stehen sehe. Nach einem weiteren, allerdings kritischen an mir runter, fälle ich dann recht spontan eine Entscheidung.
 

Etwa eine halbe Stunde später stehe ich auch schon wieder an der genau selben Stelle wie zuvor. Der Anzug passt zwar gut, fühlt sich aber trotzdem etwas ungewohnt an. Die Schuhe drücken ein bisschen, meine ausgelatschten Turnschuhe sind zwar eindeutig bequemer, wären aber definitiv underdressed. Mein Deck befindet sich in meiner Gesäßtasche und meine wichtigen Habseligkeiten habe ich in einer Art Aktenkoffer verstaut. Ich weiß, dass ich gerade alles auf eine Karte setze, denn, auch wenn ich Angebote genutzt habe, mein neues Outfit hat meine Ersparnisse restlos aufgebraucht.
 

Während ich allerdings doch noch etwas unschlüssig vor der Glastüre stehe, quetscht sich plötzlich ein junger Mann an mir vorbei um ins Gebäude zu gelangen. Der Ausruf des Protests bleibt mir im wahrsten Sinnes des Wortes im Halse stecken, als ich den Rücken des Übeltäters erfasse. Der Kerl trägt doch allen Ernstes ein Duel Monsters Merch Shirt und das Motiv ist auch noch kein Geringeres als mein Lieblingsmonster - der schwarze Rotaugen Drache. Erst ist dieses seltsame Vorstellungsgespräch gerade heute und dann sehe ich auch noch genau dieses Motiv dort, das kann kein Zufall sein. Durch diese Erkenntnis von neuem Mut durchströmt betrete ich endlich die Eingangshalle und will mich schon hinter all den anderen jungen Männern anstellen, als mir plötzlich eine verwegene Idee kommt.
 

Möglichst lässig und als ob es damit alles so seine Richtigkeit hätte, gehe ich also anstatt dessen an der wartenden Meute vorbei, direkt auf den Empfangstresen zu. Eine junge Dame in einem gut sitzenden Kostüm lächelt mich zur Begrüßung freundlich an. "Jonouchi Katsuya, ich werde erwartet." Diese Aussage lässt sie zwar kurz minimal die Stirn runzeln, ist aber wohl so überzeugend vor getragen, dass die Empfangsdame schließlich nickt und mir einen Kollegen ruft, der mich nach oben begleitet soll. Im Aufzug bemerke ich kurz meine enorme Nervosität. Was wenn ich jetzt sonst wo hin gebracht werde? Ich weiß ja so oder so im Grunde genommen rein gar nichts über den ausgeschriebenen Job, nur das der Suchende ein alter Mann sein soll, wahrscheinlich kein Japaner ist und wohl einen Assistenten braucht.
 

Bevor ich mich noch weiter auf eine mögliche unangenehme Situation vorbereiten kann, sind wir, also mein Begleiter und ich, wohl schon an unserem Ziel angekommen, denn wir verlassen den Aufzug wieder und kurze Zeit später stehe ich tatsächlich in einem Büro, vor mir ein Schreibtisch und dahinter ein Mann mit weißen Haaren und gepflegtem Bart der selben Farbe. "So so, Sie werden also erwartet? Von wem und wofür?" Er hat einen interessanten Akzent und seine Stimme wirkt eher neugierig, ja fast belustigt, als verärgert. "Ja Sir. Ich bin Ihr neuer Assistent." Diese Antwort, die ich zugegebenermaßen auch zu meinem eigenen Erstaunen mit absoluter Selbstsicherheit gebe, bringt ihn dazu kurzerhand in schallendes Gelächter auszubrechen. Während er sich amüsiert, versuche ich vorsichtig herauszufinden, ob diese Reaktion nun gut oder schlecht für mich ist.
 

Der weißhaarige Mann beruhigt sich nur langsam wieder, bevor sein Gesicht einen ernsten Ausdruck annimmt. "Sie haben keine Ahnung wer ich bin, stimmts?" "Nein Sir" antworte ich aufrichtig. Er schüttelt wohl über diesen Umstand ehrlich verwundert leicht den Kopf. "Warum sollen gerade Sie mein neuer Assistent sein?" "Weil ich es Leid bin Opfer meines eigenen Lebens zu sein und absolut alles dafür tun werde, diesen Umstand vollkommen zu ändern, Sir." Anerkennung huscht über das gealterte und doch erhabene Gesicht. "Erläutern Sie das genauer" und so erzähle ich bereitwillig von meinem Leben, von meinem Plan, von meiner Entscheidung. Er lässt mich reden. Ich beschönige nichts, schmücke aber auch keine Stelle unnötig aus. Nachdem ich geendet habe, ist es kurz vollkommen still im Raum, während ich es hinter seinen hellblauen Augen Rattern sehen kann. Er überlegt wahrscheinlich, ob er mir glauben soll.
 

Als ich mich schon für seine Aufmerksamkeit bedankt und mich verabschieden will, steht er plötzlich auf und kommt langsam um den Tisch herum auf mich zu. Neben mir stehen bleibend legt er mir beinahe großväterlich, allerdings nur ganz leicht, eine Hand auf die Schulter und schaut dabei mit einem nachdenklichen Gesichtsausdruck auf mich herab. "Was würden Sie antworten, wenn ich Ihnen sagen würde, dass wir beide noch heute Abend nach New York zurück fliegen werden?" "Ich würde mich bei Ihnen erkundigen, wie weit die Vorbereitungen sind und was ich dementsprechend vorher noch alles organisieren darf, Sir." Er lacht erneut und klopft mir etwas fester offensichtlich wohlwollend auf die Schulter.
 

"Ja, Sie gefallen mir schon jetzt. Lassen Sie sich kurz von meinem Mitarbeiter Briefen und erledigen Sie dann mit diesem alles Nötige, um 1800 will ich hier weg sein." "Verstanden Sir" verneige ich mich tief und während er besagten Mitarbeiter ruft um ihm zu sagen, dass das Vorstellungsgespräch zu Ende ist, bin ich innerlich wie betäubt. Habe ich das gerade alles wirklich getan? Fliege ich heute Abend tatsächlich nach New York? Also das New York von dem ich aus der Schule noch weiß, dass es in Amerika liegt. "Junge, wie heißen Sie eigentlich?" "Jonouchi Katsuya" Während mein neuer Boss sich wieder in seinen Sessel sinken lässt und uns scheinbar nicht mehr beachtet, kommt ein Mann, schätzungsweise doppelt so alt wie ich, auf mich zu und reicht mir lächelnd die Hand. "Na gut Katsu, dann komm mal mit, wir dutzend uns hier alle, ich bin Jason und werde dir alles erklären. Ich nehme an, du musst vor dem Flug nichts mehr Persönliches erledigen?" "Nein, Sir."
 

Setos Sicht:
 

Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich momentan total bescheuert aussehe, aber ich hänge förmlich an Jonouchis Lippen während er mir nun endlich ausführlich erzählt, was nach seinem Verschwinden vor über fünf Jahren aus Ihm geworden ist." Nun ja und dann begannen ein sehr hartes Jahr für mich, indem ich allerdings auch unglaublich viel gelernt habe. Also Englisch natürlich, Knigge, das Business ein mal eins, all das. Nach dieser Zeit rief mich der alte Herr zu sich und fragte mich, welches Projekt ich realisieren würde, wenn ich unbegrenzte Ressourcen zur Verfügung hätte. Das war die Geburtsstunde von VRKatsu, also Katsu wegen meinem Spitznamen unter meinen amerikanischen Kollegen, und natürlich von Utopia. Der alte Mann wurde mein Mentor und da er keine eigenen Kinder hatte, vermachte er mir schließlich alles, als er vor etwa eineinhalb Jahren verstorben ist."
 

Ich bin wirklich schwer beeindruckt und mir sicher, dass mir das gerade auch anzusehen ist, aber ich empfände es gerade tatsächlich als Beleidigung, diese Anerkennung vor Katsuya zu verbergen, denn er hat sie meiner Meinung nach wirklich verdient. Das ich ihn in Gedanken gerade bei Vornamen genannt habe, fällt mir zuerst gar nicht auf und dann stört es mich weniger, als je vermutet. Während ich noch das Gehörte verarbeite stellt er seine Gegenfrage: "Hast du den Abschiedsbrief damals gelesen?" Beinahe gedankenlos schüttle ich immer noch etwas abwesend den Kopf und trinke einen etwas größeren Schluck aus meinem Glas um meinen, vom Starren etwas trocken gewordenen, Mund zu befeuchten.
 

"Gut, jetzt weißt du es ja. Deine nächste Frage?" Ja, meine nächste Frage!? Mein Kopf ist plötzlich wie leer gefegt. Die Geschichte des Blonden hat fast alle Unklarheiten beseitigt und so bleiben jetzt eigentlich keine mehr übrig, zumindest keine, die mich zuvor wirklich brennend interessiert haben. Um das Spiel und somit auch das Gespräch trotzdem am Laufen zu halten, frage ich schließlich, während ich uns beiden nachschenke "Wie hast du es angestellt allen anderen ihre Anteile an der Kaiba Corp abzukaufen?" Jonouchi beäugt mich kurz kritisch scheint sich dann aber an seine Regel zu erinnern und setzt zu einer Antwort an.
 

"Das war eigentlich gar nicht so schwer, da ich ja wusste wer ungefähr wie viel Prozent deiner Firma halten müsste, neben dir natürlich. Ich habe innerhalb von eineinhalb Jahren an alle Angebote verschicken lassen, deren angemessene Höhe mein Anwalt hier vor Ort für mich bestimmt hat. Er hat dann auch die Gespräche geführt und die Übertragung abgewickelt. Und ja, das war im Großen und Ganzen der Ablauf. "Und was hat Mokuba damit zu tun gehabt?" Kann ich mich nicht zügeln noch nachzufragen, bekomme aber prompt einen tadelnden Blick aus den Karamell farbenen Augen. Mit erhobenem Zeigefinger ermahnt er mich wie ein Vater sein Kind auf dem Spielplatz. "Erstens haben wir doch gesagt, nur Fragen, die den Gegenüber betreffen und zweitens wären das nicht eine sondern zwei Fragen." Er klingt streng und ich habe das Bedürfnis zu schmollen, aber um Gottes Willen, ich bin immer noch ein erwachsener Mann und Chef eines Millionen schweren Unternehmens.
 

Bevor ich trotzdem so was wie auf begehren kann, schiebt er allerdings, nun wieder wohlwollend klingend nach "Ich weiß, du bist nur neugierig. Deshalb ist deine Strafe auch nur, dass ich ebenfalls zwei Fragen stellen darf." und bevor ich zustimmen oder ablehnen kann stellt er die erste auch schon. "Warum hast du das Kooperationsangebot mit der VRKatsu zweimal abgelehnt?" Will er mich provozieren? Weiß er von Isono, dass ich es mir nicht mal wirklich angesehen habe? Will er mir unter die Nase reiben, dass ich mit der Annahme die feindliche Übernahme verhindern hätte können? Meine Verärgerung lässt meine Antwort dementsprechend kühl und kurz ausfallen. "Ich bin ein viel beschäftigter Mann und bekomme ständig solche Anfragen." Damit gebe ich natürlich nicht zu, warum ich wirklich abgelehnt habe, aber wenn Katsuya meint mich reizen zu müssen, dann bekommt er das zu hören, was ich ihm sagen will.
 

Wider kann ich nicht einschätzen ob er mir glaubt und die nächsten Frage, die mir der ersten überhaupt rein gar nichts zu tun zu haben scheint, gibt mir auch keinen Aufschluss über seine Gedanken Welt, denn diese lautet nämlich schlicht: "Hat dir dein Avatar Design bei der Utopia Präsentation gefallen?" Nun bin ich wirklich wütend und meine Stimme gibt das auch schneidend wieder. "Nein, natürlich nicht. Dieser plumpe Versuch mich zu beeindrucken war einfach nur lächerlich." Mit meiner schnippischen Bemerkung gehen ich allerdings offenbar zu weit, denn bevor ich noch reagieren kann ist der blonde Mann mit einer fließenden Bewegung aufgestanden und steht nun direkt vor mir.
 

"Was wird das jetzt, wenn es fertig ist?" bekomme ich noch heraus, um meinen kalten Blick und eine genervte Stimme bemüht, da stellt er sich auch schon so, dass ich die zuvor leicht in meiner Sitzposition geöffneten Schenkel nicht mehr schließen kann, legt seine Hände auf meine Handgelenke und fixiert mich somit im Sessel unter mir. Sein Blick ist bohrend und das Feuer darin, das ich ansonsten seit unserem ersten Wiedersehen so vermisst habe, beschert mir nun eine leichte Gänsehaut. "Mein einsamer, trotziger Drache" schüttelt er leicht den Kopf und ich erinnere mich, dass er mich bei der Utopia Präsentation auch so bezeichnet hat, kann mir aber immer noch keinen Reim daraus machen.
 

Katsuyas Sicht:
 

Mit der letzten dreisten Lüge reicht es mir endgültig. Bevor ich noch überlegen kann, geht ein kleines Bisschen meines alten Temperaments mit mir durch und ich baue mich vor dem Brünetten in seinem Sessel auf, fixiere ihn dort, schüchterne ihn, auch wenn ich das nur an seinen blauen Augen sehen kann, damit offensichtlich tatsächlich auch etwas ein und komme nicht darum herum ihn so zu nennen, wie ich es in Gedanken hunderte Male und laut bisher nur ein einziges Mal getan habe. Er scheint zu perplex um sich zu wehren und das nutze ich, indem ich mit ruhiger Stimme, die, wie ich weiß, durchaus bedrohlich klingen kann, beschließe den großen Seto Kaiba nun ein bisschen in seine Schranken zu weisen. "Es gab nur zwei Regeln, an die ich mich gehalten habe. Du hingegen hast es nicht bei einer einzigen meiner Fragen für nötig empfunden ehrlich zu antworten."
 

Ich sehe ihm an, dass er protestieren will, aber soweit lasse ich ihn nicht kommen, denn schon spreche ich weiter, komme ihm dabei etwas näher und registriere seine Reaktion ganz genau." Die richtige Antwort auf meine erste Frage wäre gewesen: Ich, der trotzige Seto Kaiba, war so damit beschäftigt, vollkommen im Alleingang eine virtuelle Innovation finden zu wollen, dass ich bei dem Versuch wahrscheinlich längst verhungert oder am Schlafmangel zu Grunde gegangen wäre, wenn Isono sich nicht die ganze Zeit um mich gekümmert hätte." Sein empörte Schnauben ignorierend mache ich munter weiter.
 

"Die Antwort auf meine zweite Frage hätte lauten sollen: Ich, Seto, der die ganze Welt kontrollieren will, habe den Brief wahrscheinlich öfter gelesen als jeder andere und kenne immer noch jedes Wort auswendig. Zudem hättest du anfügen können, dass du die letzten fünf Jahre nicht nur wegen deinem Kaiba Land deutlich öfter als eigentlich notwendig in Amerika gewesen bist. Du hast mich gesucht und wärst du vorhin diesbezüglich ehrlich zu mir gewesen, hätte ich dir auch den Grund verraten, warum deine Suche nach mir erfolglos war. " Nun blitzt Neugier durch das Eis des Blaus und in meiner Gnade beantworte ich die Frage dahinter sogleich. "Meine Kollegen nannten mich Katsu, in die vereinigten Staaten bin ich allerdings auf eigenen Wunsch unter einem völlig anderen Namen eingereist, nämlich Josef oder Joey Wheeler." Das Fragezeichen in Setos Gesicht wird zum Ausrufezeichen, was ich als Erkenntnis deute.
 

Unverdrossen konfrontiere ich den Mann vor mir weiter mit Fakten." Antwort Nummer drei hätte eigentlich lauten müssen: Ich, Seto Einzelkämpfer, war viel zu stolz und dass jemand anderes außer mir eine Lösung für die virtuelle Welt findet, konnte ich nicht akzeptieren, weshalb ich das Angebot der Kooperation gleich zwei Mal abgelehnt habe. Mir Sturkopf ist allerdings inzwischen klar geworden, dass ich mir damit Vieles ersparen hätte können. " Ob Seto es selbst bemerkt oder nicht, er sinkt während meiner Ausführungen merklich in sich zusammen. Noch bin ich allerdings nicht ganz fertig mit ihm. Mein Gesicht ganz nah an seines bringend setzte ich zum letzten Schlag an.
 

"Und die richtige Antwort auf meine letzte Frage sieht so aus: Die Kamera Aufnahmen von dir zeigen ganz deutlich, dass du dich geschmeichelt gefühlt hast, aber sie verdeutlichen darüber hinaus noch etwas." Der Blick des Brünetten vor mir, schon beinahe resigniert, klärt sich noch einmal, als wüsste er, dass ich ihm nun die alles entscheidende Tatsache servieren werde. Um das Ganze nonverbal zu unterstreichen und weil es einfach zu verlockend ist, Seto so nahe zu sein, sein ganz eigener Geruch, der mir angenehm in der Nase kitzelt, die Wärme zu spüren, dort wo ich ihn berühre und den unregelmäßigen Herzschlag zu fühlen, der im Vergleich zu seinem Gesichtsausdruck seine Nervosität verrät, beuge ich mich vollends zu ihm herunter und flüstere ihm ins Ohr: "Als du realisiert hast, dass ich derjenige bin, der dir deine Firma weggenommen hat, habe ich ganz deutlich erkannt, dass du dich in diesem Moment nicht zwischen der Wut der Erkenntnis und der Freude darüber, mich nach all den Jahre endlich wieder zu sehen, entscheiden konntest."
 

Ich spüre das leichte Erschaudern des Körpers unter mir, als ich noch hauchend hinzufüge:" Seto lüg mich noch einmal an und du wirst mich kennen lernen. Bisher war ich wahrscheinlich zu gutmütig, aber sei es drum. Ich hoffe die Botschaft ist angekommen." Als ich darauf hin wieder etwas Abstand zwischen uns bringen will um ihm noch einmal mit Nachdruck in die Augen sehen zu können, realisiere ich plötzlich, dass der Angesprochene diese tatsächlich geschlossen hat und das minimale Zittern nicht ignorieren könnend, welches ich durch die noch immer bestehende Nähe zu ihm trotzdem spüren kann und welches den Firmenmogul, vielleicht, so hoffe ich insgeheim doch etwas, meiner Nähe wegen erfasst hat, entferne ich mich darauf hin schnellstmöglich wieder von ihm und verschwinde kurzerhand aus dem Kamin Zimmer.

Of Rapprochements and Successes to an abrupt Turn

Setos Sicht:
 

Ich weiß, dass Katsuya längst weg ist und trotzdem bleibe ich noch einige Minuten mit geschlossenen Augen sitzen, vor allem um mein wild schlagendes Herz zu beruhigen. Das Fazit des Abends lautet wohl ganz klar - totales Desaster. Immer noch leicht zittrig atme ich ein paar Mal kontrolliert ein und wieder aus und fahre mir, unbeobachtet, wie ich gerade bin, mit den Händen durchs Haar. Was zum Teufel ist gerade passiert? Wie konnte ich es soweit kommen lassen, dass ich offenbar der Unwissende von uns beiden war und zwar auf ganzer Linie. Der Blonde hat mich ohne mein Wissen ins Schach gesetzt und ich bin wie ein Anfänger praktisch blind übers Brett gestolpert, immer brav seinen Zügen hinterher.
 

Die erste Frage, die ich mir stellen muss, um wieder zu mir zu finden ist, warum er dieses Frage Antwort Spiel heute Abend überhaupt erst vorgeschlagen hat, wenn er doch eh schon alles über mich weiß? Ja, ich habe auch das eine oder andere erfahren und bei allen neuen Informationen, bis auf eine vielleicht nur teilweise, bin ich mir auch ziemlich sicher, dass sie der Wahrheit entsprechen. Aber warum dann die Fragen an mich? Hat er gewusst oder zumindest geahnt, dass ich ihn belügen würde? Andererseits, was hatte Katsuya denn bitte sonst erwartet, dass ich vollkommen ehrlich zu ihm bin als wären wir einfach alte Freunde und Klassenkameraden, die bei einem Glas Wein über vergangene Zeiten plaudern?
 

Er hat mir meine Firma weg genommen und mein kleiner Bruder Mokuba hat ihm dabei geholfen. In diesem Punkt bin ich mir inzwischen 100%ig sicher. Den erneuten Stich des Verrats so gut wie möglich ignorierend überlege ich fieberhaft was die beiden davon haben. Mokuba muss die letzte fünf Jahre mit dem Blonden in Kontakt gestanden und diesen über mich auf dem Laufenden gehalten haben. Isono und Shizuka als Informanten habe ich längst ausgeschlossen. Die Beweggründe werden durch die neue Erkenntnis allerdings leider nicht weniger undurchsichtig. Warum hat mein kleiner Bruder mir Informationen vorenthalten, wo er doch wusste, dass ich nach dem Blonden suchen ließ?
 

Ich werde einfach nicht schlau daraus, egal von welcher Seite aus ich die Figuren betrachte, ich komme nicht hinter die einzelnen Züge und damit bleibt mir die Strategie dahinter auch weiterhin verborgen. Nun habe ich natürlich mehrere Möglichkeiten, überlege ich analytisch, meinen Körper und meinen Geist wieder vollkommen unter Kontrolle, zum Glück. Ich kann so weitermachen wie bisher, aber dann wird es, mit ziemlicher Sicherheit, auch schwer bleiben, den Blonden und meinen kleinen Bruder zu durchschauen. Das wäre als versuche ich von dem Matt davonzulaufen. Ich kann nicht wissen, wie viele Fallen mein Gegner noch auf dem Brett platziert hat um mich Zug um Zug im Schach zu halten. Aber wenn ich Katsuya in Sicherheit wiegen kann, gelingt es mir eventuell noch, den Spieß umzudrehen. Solange ich ihm dafür nicht mehr so nahe kommen muss oder zulasse er mir, zumindest...
 

Ja, seine Nähe war vorhin schlichtweg zu viel für mich, seine Präsenz beinahe überwältigend, wie ich zu meiner Schande vor mir selbst zähneknirschend zugeben muss. So passiv kenne ich mich selbst wirklich nicht. Unter anderen Umständen hätte ich diesen ehemaligen Streuner und Möchtegernfirmenboss sicherlich auf seinen Platz verwiesen, aber ich war in dem Moment tatsächlich vollkommen überfordert, was mir noch nie passiert ist. Das Gewicht seiner Hände auf meinen Handgelenken, die Wärme der Berührungen, sein Atem auf meiner Haut, sein durchdringender Blick... Er scheint mich tatsächlich sehr gut zu kennen, ich bin wohl ein offenes Buch für ihn, aber er ist ein Fremder, denn den Jonouchi Katsuya, den ich kannte, den gibt es offenbar tatsächlich nicht mehr... Hat der Blonde sich wirklich vollkommen verändert oder wollte ich damals nicht mehr als das sehen, was der junge Mann der Welt von sich gezeigt hat?
 

Erneut frage ich mich: Schlummerte schon immer so viel mehr Potenzial in ihm, habe ich es in meiner Arroganz und Überheblichkeit einfach nur übersehen, so wie alle anderen, außer dieser ältere Mann, offensichtlich auch? Kurz überkommt mich ein alberner Hauch von Bedauern. Wie überflüssig wäre sein Weggehen gewesen, wenn er hier die selben Möglichkeiten gehabt hätte. Nein. Sein Umfeld und somit auch ich haben ihn zu diesem Schritt gebracht, er hat es durchgezogen und rächt sich nun, fünf Jahre später, an mir, dafür, dass ich ihn damals nicht ernst genommen habe. Oder gibt es doch einen anderen Grund für diesen ganzen Aufwand? Seine eigene Firma mit der Bekanntheit der Kaiba Corp vermarkten? Ich habe mir die Zahlen angesehen, dass hatte VRKatsu offenbar nie nötig.
 

Also, was ist es dann? Was will er von mir? Ich weiß jedenfalls, dass ich vorsichtiger sein muss, denn der Gedanke, den ich vorhin hatte, als Katsuya sich zu mir runter gebeugt hat um mir etwas ins Ohr zu flüstern, war alles andere als gesund, zumindest nicht, wenn man einen klaren Kopf behalten will. Den brauche ich aber, wenn ich mein Gesicht nicht endgültig verlieren und aus dieser Sache, was immer dahinter stecken mag, als Sieger hervorgehen will. Mit Mokuba kann ich mich noch beschäftigen, wenn wir die Messe hinter uns haben, aber mit Katsuya werde ich, zumindest zum Schein Frieden schließen müssen, wenn ich endlich auch zu den Informierten gehören möchte.
 

Mir vernehmend gleich morgen meinen Plan in die Tat umsetzen zu wollen, erhebe ich mich endlich, straffe die Schultern und vergewissere mich, dass im Spiegel über dem Kamin nur Entschlossenheit und Erhabenheit in meinen Augen zu erkennen ist. Einsamer, trotziger Drache... Mit dem Gedanken über diesen "Kosenamen"? begebe ich mich in meine Räumlichkeiten, unter die Dusche und anschließend ins Bett. Ruhe soll ich allerdings heute, wie zuvor oft, dort nicht finden. Viel zu präsent sind die ausdrucksstarken karamellfarbenen Augen, die mir mit ihrem durchdringenden Blick direkt in die Seele zu blicken scheinen und mich bis in meine wirren Träume verfolgen.
 

Katsuyas Sicht:
 

Am Morgen nach dem Gespräch erwarte ich so ziemlich alles, aber nicht einen Seto Kaiba, der direkt auf mich zukommt, mir die Hand zum Einschlagen hin hält und, wenn auch kühl, fragt: "Frieden, Ehrlichkeit und... Vertrauen?" Ich schlage natürlich ein und schenke ihm dabei ein Lächeln, mit dem ich ganz kurz meine einen Hauch Rosa auf seinen Wangen zu verursachen, aber der Eindruck ist so kurz und abwegig, dass ich ihn sofort verwerfe. Als ich allerdings antwortete:" Ja, das sind die perfekten Grundlagen für die erfolgreiche Messe Präsentation in vier Wochen" glaube ich, ganz flüchtig, nur für den Bruchteil einer Sekunde, so etwas wie Sehnsucht in seinen blauen Augen aufblitzen sehen zu können, doch auch diese ist, als der Brünetten, nach einer vielleicht minimal zu langen Zeit meine Hand wieder loslässt, auch schnell wieder hinter der kaibaschen Eiswand verschwunden.
 

Mein einsamer, trotziger Drache, denke ich, wie so oft, schmunzelnd, während ich dabei zusehe, wie dieser sich eben so zielstrebig auch schon wieder von mir entfernt. Kann es tatsächlich sein, dass immer noch alles nach Plan läuft? Einerseits wäre das natürlich schön, weil es die Arbeit der letzten Jahre belohnen würde, allerdings kann ich mich darauf nur halb freuen, schließlich ist es fast unmöglich einzuschätzen, was danach sein wird. Auch wenn ich gestern nicht gelogen habe und auch wenn ich vielleicht zu den wenigen gehöre, die den Firmenchef der Kaiba Corp durchschauen können, gelingt mir dies leider nur halb so gut, wie ich es gerne hätte. Seto ist eben, wie ich immer wieder beinahe anerkennend feststellen muss, eine wirklich harte Nuss, aber wenn ich seine Reaktion gestern nur ansatzweise richtig gedeutet habe, verbirgt sich, wie immer vermutet, etwas sehr Wertvolles darin.
 

Die benannten vier Wochen vergehen darauf hin praktisch wie im Flug, es läuft alles wie am Schnürchen und die Zusammenarbeit ist so entspannt und fruchtbar, dass es fast beängstigend ist. Manchmal denke ich, dass Seto damit einen Plan verfolgt, aber dieses Mal bin ich dann wohl derjenige, der diesen nicht zu durchschauen vermag, denn ich habe wirklich keine Ahnung, was er damit bezweckt, dass er sich zu Beispiel an den Gesprächen zwischen Mokuba und mir beteiligt, außer vielleicht Informationen zu bekommen, nach denen er mich aber auch einfach fragen könnte.
 

Ich schiebe es auf Setos Hang zu Dramatik und denke nicht weiter darüber nach. Es ist auch viel zu angenehm, so viel Zeit mit dem Brünetten zu verbringen, die nicht mit Arbeit verbunden ist. Für seine Verhältnisse wirkt dieser dabei beinahe... anhänglich. Ich meine, Seto Kaiba ist immer noch Seto Kaiba, selbstverständlich, aber irgendwie verhält er sich auch ganz anders als vorher. Vielleicht kommt mir das aber auch nur so vor, oder es ist Wunschdenken, wer weiß. Ich bin jedenfalls inzwischen genug berechnender Geschäftsmann um mich davon nicht ablenken zu lassen. Wie arbeiten alle drei, Mokuba, Seto und ich praktisch rund um die Uhr an der Messe Präsentation von Duell Monsters Utopia und die Ergebnisse können sich wirklich sehen lassen. In der Vergangenheit war es immer so, dass, wenn die Kaiba Erben und ich im selben Team waren, es immer irgendwie gut funktioniert hat, aber nun ist es trotzdem anders, aber keineswegs unangenehm.
 

Und dann ist es auch schon soweit. Am Morgen der Messe treffen Seto und ich in dessen Büro aufeinander, um die letzten Details zu besprechen und nach einer Weile, ist irgendwie eine unangesprochene Gewohnheit zwischen uns geworden, wie so viele andere Kleinigkeiten auch, stehe ich von meinem Platz neben ihm am Schreibtisch auf, um mich hinter ihn zu stellen. Sanft beginne ich routiniert die Verspannungen, die zu meiner heimlichen Freude, natürlich nur Dank seinem teuren Physiotherapeuten, inzwischen deutlich weniger geworden sind, zu lockern und folge dabei dem simulierten Präsentationsablauf auf dem Bildschirm vor uns, als ich plötzlich eine warme Hand auf einer der Meinen und den Blick aus den vertrauten blauen Augen auf mir spüren kann. Verwundert halte ich mit der Massage inne und erwidere diesen.
 

In dem Moment kann ich mehr in dem Blau lesen, als in all den Jahren der Feind/Freundschaft zwischen Seto und mir zusammen und was ich sehe verwundert mich zutiefst. Neben Zufriedenheit über den Verlauf des Projektes, Stolz über seinen Anteil, der Sehnsucht, die ich schon einmal dort vermutet habe und deren Ursprung ich noch nicht kenne, kann ich in den Augen des Firmenchefs nämlich noch etwas entdecken... Unsicherheit! Warum diese dort ist, soll ich, wie üblich, auch diese Mal nicht erfahren, denn wie immer ist sie fast so schnell, zusammen mit der Hand auf meiner, wieder verschwunden, wie alle Emotionen in Setos Gesichtsausdruck, die auf etwas anderes als den knallharten, berechnenden, eiskalten Geschäftsmann hindeuten, als der er sich der Welt tagtäglich präsentiert.
 

Ich weiß, dass Seto sich des Öfteren gefragt haben muss, ob ich in Wirklichkeit schon immer so war, wie ich es jetzt bin und es früher lediglich unter meinem Raudi Image versteckt habe, aber ich bin mir inzwischen mehr als sicher, dass nicht nur ich viele Jahre lang mehr oder weniger nur eine Rolle gespielt habe. Kurz überkommt mich das unbändige Verlangen den Menschen Seto Kaiba vollständig kennen zu wollen, aber genau so schnell reise ich mich auch wieder zusammen, denn dafür ist schließlich auch später noch genügend Zeit, hoffe ich zumindest. Um die nun zugegeben echt eisige Stimmung, der Mann vor mir hat seine Aufmerksamkeit längst wieder dem Bildschirm vor sich zugewandt, etwas aufzulockern und weil ich inzwischen ganz genau weiß, wie ich das "Eis brechen" kann, beuge ich mich zu Seto hinunter und lege meinen Kopf auf seine Schulter.
 

Das kurze Erschaudern triumphierend registrierend, stelle ich mit zufriedener Stimme fest "Das sieht alles super aus, heute Abend wird großartig" Ein leichtes Nicken ist die ganze Antwort. Ich kann es mir darauf hin auch nicht verkneifen, kurz nochmal den Blick des Brünetten zu suchen. Als ich ihn finde scheinen die blauen Augen mich plötzlich beinah magisch anzuziehen. Unsere Gesichter sind ja praktischerweise schon direkt nebeneinander und kurz bin ich geneigt der stummen Bitte, die ich aus dem Blick zu lesen glaube, nachzugeben. So nähere ich mich noch mehr, registriere am Rande wie der Sitzende den Kopf etwas mehr zu mir dreht, die Augen halb geschlossen. Ich bin wie gefangen und ich weiß, dass diese Situation unglaublich gefährlich ist. Sie könnte den Plan auf der Zielgeraden noch gefährden, doch als meine Lippen fast schon die des Brünetten schmecken können, beschließe ich, dass es mir egal ist. Das hier ist einfach viel zu verlockend.
 

Die Millimeter werden beinahe wie im Countdown weniger und gleich darf ich den unnahbaren Firmenmogul auf diese intime Weise berühren... Ich spüre seinen aufgeregten Herzschlag unter meinen Händen, die immer noch in seinem Nacken liegen, sein frischer, etwas abgehackter Atem kitzelt meine Nasenspitze. Das Ganze über alle Maße genießend, lasse ich mir alle Zeit der Welt und dann haben meine Lippen die seinen erreicht, streifen sich zuerst nur flüchtig und... "Oniisan?" Ohne Eile entferne ich mich wieder von Seto, der auch keine Anstalten macht, peinlich berührt aufzuschrecken, bleibe aber hinter seinem Stuhl stehen, bevor ich dem Störenfried einen tadelnden Blick zu werfe.
 

Mokuba erfasst die Szene und als der hübsche, schwarze Wuschelkopf diese analysiert zu haben scheint, weiten sich die violetten Augen und die Wangen des kleineren Kaibas füllen sich mit Schamesröte. Er scheint zu realisieren, dass er uns offenbar gestört hat. Um ihm noch mehr Peinlichkeiten zu ersparen, bewege ich mich auf Mokuba zu, lege ihm kumpelhaft einen Arm um die Schulter und frage betont gelassen:" Was gibt's Moki-chan" Die Anrede lässt die Röte gleich noch dunkler werden. "Ich wollte euch nur Bescheid sagen, dass die LKWs mit der Ausrüstung voll beladen und abfahrbereit sind." Ich nicke und schalte in den Business Modus. Als ich mich zu Seto umdrehe, stelle ich fest, dass dieser es mir gleich getan hat und bin insgeheim sehr erleichtert darüber. Die Präsentation ist zu wichtig, als das wir, ich, er, wie auch immer, uns von Gefühlsduseleien ablenken lassen können. Wenn er das, was wir gerade im Begriff zu tun waren, wirklich will, dann kann das auch bis heute Abend nach der Messe warten.
 

Mokubas Sicht:
 

Oh man, war das vielleicht peinlich! Das ich mal in die Verlegenheit kommen würde meinen großen Bruder in solch einer Situation zu überraschen, auch wenn vollkommen harmlos, hätte ich nicht gedacht. Natürlich freue ich mich für meinen Niisan und meinen Schwager in Spe. Ich habe schon gemerkt, dass sich zwischen den beiden grundlegend etwas verändert hat, nachdem sie den einen Abend, als ich Shizuka besuchen war, miteinander gesprochen haben. Die letzten vier Wochen hatte ich sogar beinahe das Gefühl, ich hätte eine richtige Familie, so schön war es mit Seto und Katsuya zusammen zu arbeiten. Isono und ich haben uns manchmal wirklich das Schmunzeln verkneifen müssen, wenn wir die beiden beobachtet haben, wie vertraut sie miteinander umgegangen sind.
 

Auch wenn die beiden nicht immer einer Meinung waren, war das Einzige was gefehlt hat, die von herablassend Bemerkungen und plumpen Beleidigungen geprägten Auseinandersetzungen der Vergangenheit, die von uns wahrscheinlich wirklich keiner vermisst. Ich spüre ganz deutlich, dass es meinem Niisan gut tut jemanden zu haben, der die Last seines Unternehmens mit ihm teilt und sich dabei, im Vergleich zu mir, wie ich ehrlicherweise vor mir selbst mein Versagen zugeben muss, nicht von Seto kalter Schulter abweisen lässt. Ja, Katsuya hat genau die richtige Menge Durchsetzungsvermögen gefunden, meinen Bruder davon abzuhalten, seine Unterstützung abzuwimmeln. Natürlich ist mir auch aufgefallen, dass die Chemie zwischen den beiden nicht nur arbeitstechnisch stimmt, aber das wundert nicht.
 

In jungen Jahren haben sich mein Niisan und mein Schwager in Spe immer heftige verbale Auseinandersetzungen geliefert und bei keinem anderen, außer bei mir und vielleicht Yugi bzw. Atem, den mein großer Bruder als seine einzigen wirklichen Rivalen bei Duell Monsters anerkannt hat, war Seto so emotional wie bei Katsuya. Dann ist dieser verschwunden und mein Niisan hat, auch wenn er nie offen darüber gesprochen hat, durch Isono und einige andere seiner Angestellten, jeden Stein umdrehen lassen um den Blonden zu finden. Warum mein großer Bruder das damals getan hat und warum er so entschlossen war, Katsuyas Verbleib zu erforschen, habe ich immer noch nicht ganz verstanden, aber es schien Seto ein dringendes Bedürfnis zu sein, Informationen über den Blonden zu erhalten. Umso größer mein schlechtes Gewissen.
 

Zu meiner Verteidigung muss ich sagen, dass ich nicht durchgängig Kontakt zu Katsuya hatte sondern erst nachdem dieser die zweite Absage für seine Kooperationsanfrage bei der Kaiba Corp von Isono bekommen hatte. Der Firmenchef von VRKatsu hat mich darauf hin privat kontaktiert und ich war vollkommen überrascht, als er sich mir als Jonouchi Katsuya vorgestellt hat und ich die Stimme dazu erkannte. Wir haben uns bei diesem Gespräch sehr lange unterhalten und ich musste ihm hoch und heilig versprechen, weder seiner Schwester noch meinem Bruder von dem Telefonat zu erzählen. Shizuka hat Seto also nicht belogen, als sie ihm sagte, dass sie nichts über den Verbleib ihres Bruders wisse. Im Nachhinein war mir das gerade recht, weil ich so nicht auch noch meine Verlobte zum Lügen anstiften musste.
 

Ich tat es selbst ja auch nur sehr ungern, war die Kluft zwischen meinem Niisan und mir auch ohne Lügen schon breit genug, aber Katsuya versprach mir, dass er alles dafür tun werde, mich dabei zu unterstützen meinen Bruder näher zu kommen, was mich beruhigt hat. Dann kam der Tag der feindlichen Übernahme und ich hatte wirklich Angst, dass die Situation vollkommen eskalieren würde, aber so wie es jetzt aussieht, wird alles gut ausgehen. Wenig später beginnt die Präsentation von Duell Monsters Utopia und die Menschen auf der Messe sind begeistert. Mein Bruder und mein Schwager in Spe spielen sich gekonnt gegenseitig den imaginären Ball bei der Vorstellung zu wobei Seto natürlich den Part der Kaiba Corp und Katsuya natürlich den seiner Firma übernimmt.
 

Beide stehen in einer Vorrichtung, von denen zwei Stück, eine links und eine rechts auf der Bühne aufgebaut sind und erklären das Spielprinzip während die Zuschauer das Geschehen in der virtuellen Welt Utopia auf einem riesigen Bildschirm im Hintergrund mitverfolgen können. Als dann einige unserer Angestellten mit mobilen Konsolen ebenfalls die Bühne betreten um ein cooles neues Feature, an dem ich nicht ganz unbeteiligt bin, da die Grundidee von mir stammt, zu präsentieren, flippt die Menge endgültig aus. Es ist dank der offenen Welt von Utopia nämlich nun möglich, Avatar Designs in Gestalt des Lieblingsmonsters käuflich zu erwerben und in dessen Gestalt an laufenden Duellen teil zu nehmen. Gerade joined ein Angestellter im Avatar eines schwarzen Rotaugen Drachens das Probe Duell zwischen Seto und Katsuya.
 

Wenn Katsuya nun das Duell gewinnt profitiert der Spieler davon, da er einen Anteil am Gewinn bekommt, der in Utitoken direkt im Spiel an den Sieger des Duells ausgezahlt wird. Der Nervenkitzel wird noch dadurch erhöht, dass der Spieler im Gegenzug auch alles verlieren kann, wenn das Monster zerstört wird. Diese neue Funktion kommt super an. Nach der Präsentation warten Isono und ich im VIP Bereich des Messe Geländes auf die beiden erfolgreichen Geschäftsmänner und als Katsuya um die Ecke kommt, kann ich nicht anders als ihm freudig um den Hals fallen. "Die Präsentation war ein voller Erfolg" Der Blonde erwidert meine Umarmung, ächzt dann aber gespielt und antwortet "Ja, das war sie und wenn du mich atmen lässt, kann ich diesen auch mit euch genießen"
 

Entschuldigend errötend entlasse ich den Größeren aus meinem Klammergriff und wende mich stattdessen der anderen Person zu, die mit Katsuya angekommen ist. Schon will ich die Hand ausstrecken um so zu gratulieren, werde dann aber, zu meiner Überraschung, tatsächlich nun meinerseits in eine, wenn auch deutlich leichtere, Umarmung gezogen. Jetzt ist der Abend wirklich perfekt, denke ich glücklich und lächle meinen großen Bruder stolz an, der den Arm um mich gelegt hat und mir zum krönenden Abschluss sogar ein kleines Lächeln zurück gibt. Isono, der diskret im Hintergrund gewartet hat, einen zufrieden Ausdruck auf dem sonst normalerweise ersten Gesicht, beendet den Austausch der Zärtlichkeiten, indem er uns ein Tablett mit Sektgläsern hinhält.
 

Mein Niisan will erst ablehnen, greift dann aber doch zu um mit uns anzustoßen. Mein Blick wandert dabei zwischen den beiden größeren Männern hin und her und ohne groß darüber nachzudenken, knuffe ich Setos Assistenten vorsichtig in die Seite, nur um seine Aufmerksamkeit zu erlangen bevor ich ihm mit einem Kopfnicken in die Richtung der beiden verschwörerisch zu zwinkere. Dieser verdreht doch allen Ernstes kurz die Augen, bestätigt mir dann aber mit einem Daumen nach oben, ein leichtes Schmunzeln auf dem Gesicht, meine Vermutung.

From a real Dilemma to an utopian Wedding

Glühende Lippen auf meinen...

...eine heiße Zunge, die sich mit meiner duelliert...

…ein warmer, schlanker und doch athletischer Körper, der sich zwischen der Wand und mir an mich presst...

...weiche Haut unter meinen Fingerspitzen, die das Hemd nicht länger vor diesen verbirgt...

...ein Keuchen gegen den Nacken des anderen, dessen Halsschlagader den aufgeregten, erhöhten Puls trommelt...

...ein Flüstern, in der Stille des Flurs lauter als ein Schrei...

..."Ich liebe dich!"...
 

Ende
 


 


 


 


 


 


 


 


 


 

Nein Spaß
 

Setos Sicht:
 

Das Klingeln meines Telefons reißt mich unsanft aus meinen Träumen. Desorientiert richte ich mich auf und schaue mich erst mal um. Ich befinde mich in meinem Schlafzimmer, alleine, und trage meinem Pyjama. Gerade will ich weiter untersuchen wie ich hier hergekommen bin, als das anhaltende Geräusch, das mich geweckt hat, meine Aufmerksamkeit erneut auf sich zieht. Mein Schädel brummt etwas, wofür ich allerdings recht schnell und einfach die Ursache ermitteln kann - drei Gläser Champagner - Alkohol mit Kohlensäure, etwas was ich noch nie gut vertragen habe. Dementsprechend wenig elegant begebe ich mich aus meinem Bett, indem ich wohl geschlafen habe hin zu dem immer noch klingenden Störenfried.
 

"Kaiba" Ich lausche den Worten am anderen Ende der Leitung nur mit einem halben Ohr während ich versuche, mich daran zu erinnern, was gestern Abend nach der Präsentation noch alles passiert ist. Mein Gott, denke ich säuerlich, hab ich jetzt etwa wegen dem bisschen Blubberwasser einen Filmriss oder was? Anscheinend schon, denn plötzlich erregt mein Gesprächspartner doch meine volle Aufmerksamkeit mit dem Satz: "Kaiba-Dono, ich muss Ihnen übrigens mitteilen, dass uns soeben Unterlagen erreicht haben, die belegen, dass Sie erneut der Hauptanteilseigner der Kaiba Corporation sind." Unkaibahaft lasse ich kurzerhand vor Schreck das Handy fallen. Schnell hebe ich es wieder auf und frage völlig verdattert in den Hörer:" Was haben Sie gerade gesagt? "
 

Es ist kurz still bevor die Gegenfrage kommt, ob alles in Ordnung sei. Genervt bejahe ich und frage erneut, was er mit dem letzten Satz gemeint hat. "Kaiba-Dono, wir haben soeben Unterlagen erhalten, dass Sie wieder der Hauptanteilseigner sind." "Hören Sie auf sich zu wiederholen! Erklären Sie mir lieber wie das sein kann!" Gespannt höre ich zu und stelle zwischendurch knurrend ein paar Fragen, dann lege ich auf. Was zur Hölle ist gestern Abend noch passiert?! Mit einem erneuten Blick aufs Display des Telefons, welches ich immer noch in der Hand habe, stelle ich fest, dass es gerade mal sieben Uhr morgens ist. Schnell ziehe ich mir meinen Morgenmantel über und begebe mich nach unten, wo ich hoffe die anderen Bewohner des Anwesens beim Frühstück oder anderweitig anzutreffen. Mokuba sitzt tatsächlich in der Küche am Tisch und rührt in seinem Kaffee. Ohne Gruß bleibe ich vor ihm stehen und stelle ihn zur Rede. "Was ist gestern Abend noch passiert, wo ist Katsuya?"
 

Mein kleiner Bruder schaut erschrocken von seinem Heißgetränk auf. "Oniisan, was soll denn passiert sein? Wir haben alle noch ein bisschen im VIP Bereich der Messe gefeiert, dann sind wir hier her und ins Bett. Und Katsuya..." Jetzt läuft der Schwarzhaarige doch glatt rot an und fixiert die Tasse vor sich "... ist er nicht bei dir? Nach gestern dachte ich ihr währt... " Nun, mit so einer Antwort habe ich nicht explizit gerechnet, aber nach der Situation in meinem Büro, in die der Kleine versehentlich rein geplatzt ist, ist diese nicht unbedingt verwunderlich und eigentlich auch nicht schlimm, schließlich habe ich in diesem Punkt, zumindest vor meinem jüngeren Bruder, der einzigen Familie, die ich noch habe, zumindest meiner Meinung nach nichts zu verbergen.
 

Trotzdem muss ich verneinen, schließlich wüsste ich, wenn ich neben einem Blondschopf mit Karamell farbenen Augen aufgewacht wäre und würde ihn jetzt sicherlich nicht suchen müssen. Mokuba scheint genau so ratlos wie ich, was ich ihm, trotz all dem, was ich inzwischen über seine Beteiligung an der feindlichen Übernahme weiß, sogar glauben will. Deshalb rufe ich Isono herbei und berichte, während dieser auf meine Anweisung hin Katsuyas Räumlichkeiten aufsucht, meinem kleinen Bruder von den Ereignissen des heutigen Morgens. "Irgendwie bin ich wieder Hauptanteilseigner der Kaiba Corp, nur nun mit 51%, die restlichen 49% sind nun wieder auf deinen Namen geschrieben. Weißt du etwas darüber? Hast du was mit der Umverteilung zu tun?" Nur mühevoll den Drang widerstehend, Mokuba zu schnappen und zu schütteln werfe ich ihm die Fakten an den Kopf. Die violetten Augen werden dabei immer größer.
 

"Oniisan, ich schwöre, damit habe ich nichts zu tun. Aber... " Er legt den Kopf schief und schaut mich fragend an. "War das nicht eigentlich das, was du die ganze Zeit nach der Übernahme wolltest? Deine Firma zurück zu bekommen?" Mokuba Blick ist jetzt forschend und ich will schon rum drucksen, aber dann rettet mich Isono, der von der Exkursion "Finde den blonden Ex-Streuner" zurück kehrt davor, meinem Bruder eine Antwort geben zu müssen. Vor drei Monaten hätte ich meinem kleinen Bruder noch vollkommen überzeugt zugestimmt, aber jetzt... "Jonouchi-Dono scheint nicht da zu sein. Ich habe nach mehrmaligem Klopfen die Räumlichkeiten betreten und diese verlassen vorgefunden. Es sieht sogar fast so aus, als seien alle seine persönlichen Habseligkeiten verschwunden." Katsuya spurlos verschwunden, schon wieder.
 

Drei Monate später:

Mokubas Sicht:
 

Heute ist der große Tag. Ich bin so aufgeregt, wie damals an meinem ersten Schultag. Heute heirate ich Shizuka. Man bin ich vielleicht nervös. Dank Katsuyas Idee die Hochzeit virtuell in Utopia zu feiern mussten wir "nur" alles in dieser vorbereiten, was zwar viel Programmierarbeit aber dafür keine Muskelkraft erforderte. Ja, nach Katsuyas Verschwinden stellte sich heraus, dass die Kaiba Corp ein unbegrenztes Nutzungs- und Administrationsrecht von VRKatsu vertraglich erhalten hat, weshalb die Markteinführung von Duell Monsters Utopia auch ein voller Erfolg war und die beiden Firmen an die Spitze der VR und Spiele Branche katapultiert hat.
 

Meinem Oniisan hilft dies alles allerdings nur wenig, denn, auch wenn er es nicht zugeben will, mein großer Bruder leidet seit dem Katsuya einen Tag nach der Präsentation des Kooperationsprojekts zwischen den beiden Firmen, erneut spurlos verschwunden ist, an akutem Liebeskummer. Wir haben überall gesucht. Also wirklich. Diese Mal hat der Blonde nicht mal einen Abschiedsbrief hinterlassen. Nachdem ich Isonos Bericht über die letzten Vorbereitungen für die virtuelle Zeremonie entgegen genommen habe, klopfen ich an Setos Büro Türe im Kaiba Anwesen und betrete dieses nach einem leisen "Herein" von drinnen. Im Vergleich zu letzten Mal, als ich ein Büro meines großen Bruders betreten habe, finde ich ihn dieses Mal nicht an seinem Schreibtisch sondern in der Sitzecke im anderen Teil des großen hellen Raumes.
 

Er sitzt dort im Schneidersitz, ein Kissen auf den Knien und sieht irgendwie verloren aus. "Seto, Oniisan, was ist los?" Vorsichtig setze ich mich neben ihn und erwarte schon, dass er mich weg schickt, aber er sieht mich einfach nur an und sein Blick verrät mir alles. "Du wolltest nicht, dass Katsu wieder verschwindet?" Seto schüttelt nur den Kopf. "Anfangs schon, oder nun ja, eigentlich auch nicht, ich war zwar über alle Maße enttäuscht und wütend, auch von dir..." Schuldbewusst lasse ich kurz den Kopf hängen, war mir schon klar, dass mein großer Bruder eins und eins zusammen zählen und meine Mittäterschaft an der feindlichen Übernahme schnell aufdecken würde."... aber andererseits war ich auch... so froh... nach so langer erfolgloser Suche... Katsuya wohlbehalten wieder zu sehen." Meine Augen werden groß.
 

"Weist du Mokuba, ich habe immer geglaubt, dass ich für die Kaiba Corporation alleine verantwortlich wäre. Ich habe uns damals hier her gebracht. Ich habe sie Gozaburo damals abgenommen, mit deiner Hilfe, aber trotzdem. Ich habe aus der Rüstungsfirma eine Spiele Firma gemacht und als du dein Studium begonnen hast, mit Shizuka zusammen gekommen bist, da dachte ich, du solltest dich auf dich selbst konzentrieren können, damit wenigstens einer von uns beiden ein Leben außerhalb der Firma führen kann, eine Familie gründen kann." Ich bin mir voll und ganz bewusst wie ehrlich Seto gerade zu mir spricht und das er mir Gedanken von sich offenbart, die er zuvor nie mit mir geteilt hat. Gespannt lausche ich, ohne ihn zu unterbrechen. "Als Katsuya damals spurlos verschwunden ist, wollte ich das nicht hinnehmen, warum erfuhr ich allerdings erst deutlich später, als ich mir mal die Zeit nahm zu analysieren, warum es mich tatsächlich so störte nicht zu wissen wo er ist."
 

"Aber du hast ihn doch immer verachtet. " Rutscht mir raus. Peinlich berührt schlage ich die Augen nieder, jetzt habe ich ihn doch unterbrochen. "Ich habe Katsuya nie verachtet. Ganz im Gegenteil. Ich habe ihn zuerst beneidet, da er eine Familie und ein Zuhause hatte, eine kaputte und eines ohne Liebe zwar, wie ich später erfuhr, aber dennoch. Dann, während dem Battle City Turnier sicherte er sich meine Bewunderung, weil er nicht aufgab, egal wie schwer es auch war. Sein Ziel war seiner Schwester zu helfen und dafür kämpfte er bis zu Schluss. " Ich weiß, dass mein Oniisan daran, dass Shizuka heute geheilt ist, mehr beteiligt war, als er jemals zugeben wird und reibe ihm dieses Wissen nun auch nicht unter die Nase, auch wenn ich ihm für diesen selbstlosen Akt immer noch dankbar bin so wie meine Verlobte natürlich auch. Aber das er Katsuya erst beneidet und später sogar bewundert hat, war mir neu.
 

Gespannt höre ich weiter zu. "Als Katsuya dann bereits zwei Jahre verschwunden war und blieb habe ich mir die Frage gestellt, warum mich mein ehemaliger Rivale und Streitpartner so interessiert und festgestellt, dass ich nicht nur unsere Streits vermisse." Mir entfährt ein überraschtes" Oh". Mit dieser Information habe ich, nachdem ich die beiden nach Katsuyas wieder Auftauchen beobachtet habe, schon irgendwie gerechnet, aber sie jetzt aus Setos Mund direkt zu hören, ist nochmal etwas anderes. "Du hast dich in ihn verliebt, stimmts?" Mein großer Bruder schaut plötzlich weg und ich kann nur vermuten, dass er das deshalb tut, weil es ihm tatsächlich peinlich ist.
 

"Das muss dir doch nicht peinlich sein. Ihr habt euch schon immer gegenseitig angezogen wie das Licht die Motte, weiß Katsuya über deine Gefühle Bescheid?" Ein Nicken. "Was ist dann das Problem?" "Ich habe es ihm gesagt. An dem Abend nach der Präsentation. Wir haben uns... geküsst und ich habe... Es war anscheinend unpassend... Jedenfalls war er am nächsten Morgen wieder weg. Erneut aus meinem Leben verschwunden." Einem inneren Impuls folgend lehne ich mich an Seto und lege einen Arm um ihn. Er lässt es zu. Mir fällt auf, dass wir noch nie so ein persönliches, intimes Gespräch geführt haben. Im Waisenhaus ging es ums Überleben, als Adoptivsöhne der Kaiba Corporation auch.
 

Wir hatten eigentlich jahrelang nur einander und trotzdem waren wir uns irgendwie immer fremd. Das ist wirklich das erste Mal, dass ich meinen geliebten großen Bruder so sehe, wie er wirklich ist. Ein einsamer, junger Mann, der alleine kämpfen will um niemanden um Hilfe bitten zu müssen, von niemandem abhängig zu sein. "Ich vergebe dir übrigens." "Wofür?" frage ich überflüssigerweise, denn eigentlich ist es mir klar. "Ich weiß inzwischen, dass Katsuya dich kontaktiert hat und du ihn nur deshalb unterstützt hast, weil du dir, so wie Isono auch, nur Sorgen um mich gemacht hast, als ich in meiner Sturheit selbstzerstörerisch gehandelt habe. Du wolltest mir damit helfen und das hast du im Endeffekt auch. Das ich am Ende trotzdem verloren habe, ist nicht deine Schuld."
 

Setos Sicht:
 

Mokubas hat mein Büro inzwischen wieder verlassen. Er hat mich so gut es geht zu trösten versucht, was ich auch irgendwie zu schätzen weiß, aber weitergeholfen hat es mir nicht. Wie auch. Eigentlich sollte heute ein freudiger Tag sein, aber der Gedanke, Katsuyas Schöpfung wieder zu betreten, nun ohne ihn an meiner Seite, bereitet mir Bauchschmerzen. Nachdem er verschwunden ist, hab ich mich geweigert, da alles an dem Raum in der zweit obersten Etage des Kaiba Corporation Firmengebäudes an unsere, zuerst erzwungenen, gemeinsame Arbeit am Projekt Duell Monsters Utopia erinnert. Ja, zu Beginn hätte ich alles dafür gegeben, den Blonden wieder los zu werden.
 

Dann habe ich festgestellt, wie angenehm es ist mit ihm zu arbeiten und dann sind die alten Gefühle, über die ich dachte nach all der Zeit endlich hinweg zu sein wieder aus der Versenkung meines Unterbewusstsein, in das ich sie aus Selbstschutz verbannt hatte, hervor gekommen. Nach der Konfrontation an dem einen Abend im Kamin Zimmer hatte ich mir fest vorgenommen, vollkommen rational mit der Situation umzugehen, aber schon am nächsten Morgen, die Berührung beim Händedruck, Katsuyas ehrliches Lächeln, all das hat meine Rationalität sofort wieder zunichte gemacht. Ich konnte und wollte nicht mehr den unnahbaren Eisklotz markieren, warum auch, schließlich wusste Katsuya offenbar sowieso, dass dieser reine Fassade war. Je mehr ich mich auf den Blonden einließ, desto mehr brauchte ich ihn in meinem Team, in meiner Firma, in meinem Leben und zum um ersten Mal fühlte sich der Umgang mit Katsuya richtig an.
 

Natürlich mutierte ich nicht zum verliebten Teenager, aber die Gefühle in mir leugnen, dass wollte ich trotzdem nicht länger. Wenn er nur ansatzweise so fühlen würde wie ich, dann würde ich mich auf ihn einlassen. Mit diesem Gedanken kam allerdings auch wieder diese absurde Angst. Was würde nach der Markteinführung von Duell Monsters Utopia passieren? Würde Katsuya das Interesse an mir verlieren, sobald das Projekt erfolgreich wäre? So hilflos wie bei diesem Gedanken hatte ich mich das letzte Mal gefühlt, als unsere Verwandten mich und den zwei jährigen Mokuba einfach ins städtische Waisenhaus abgeschoben hatte, bevor ich mir und meinem kleinen Bruder schwor ihn immer zu beschützen. Das hatte ich vielleicht tatsächlich sogar geschafft, aber dafür hatte ich eigentlich nie ein eigenes Leben gehabt.
 

Öfter war in mir die Hoffnung aufgekeimt, dass es auch für mich so etwas wie ein Happy End geben könnte, zum Beispiel dann, wenn ich Katsuyas Hände auf meinem Nacken gespürt hatte, wie er mir fürsorglich diesen massierte, obwohl ich ihm jedes Mal, fast wie bei einem Running Gag erklärte, dass ich für solche Dinge einem Physiotherapeuten viel Geld geben würde, nur um seine Massagen dann doch in vollen Zügen zu genießen, weniger oder nicht nur deshalb, weil sie gut taten, sondern auch weil mir die bereitwillig Zuwendung des Blonden gefiel. Das alles war so viel besser als Streiten.
 

Dazu kam, dass Katsuya mich wohl auch körperlich anzog. Ich hatte schon immer zugeben müssen, dass der Jüngere attraktiv war, aber da ich Zeitlebens mit Beziehungen nie viel am Hut hatte, da meine Firma für mich immer an oberster Stelle stand, hatte ich mich nie weiter mit diesem Gedanken befasst. Jetzt wo Katsuya mir Arbeit abnahm, einen Teil der Last des Unternehmens gewissenhaft und zuverlässig für mich trug, konnte ich mir Gedanken darüber machen und diese endeten, wenn ich alleine war, immer öfter nicht ganz jugendfrei. Dann kam der Tag der Präsentation, ich sah Katsuyas Absicht und hieß diese überraschenderweise sehr willkommen. Dementsprechend frustriert war ich zugegebenermaßen, von Mokuba unterbrochen worden zu sein, auch wenn der Kleine das natürlich nicht absichtlich getan hatte.
 

Bei der Präsentation später am Abend fühlte ich mich tatsächlich pudelwohl neben dem Blonden auf der Bühne und wie die letzten drei Monate machte die Arbeit wirklich Spaß. Als wir ins Kaiba Anwesen zurück kehrten, ich hatte mich zu insgesamt drei Gläser Champagner überreden lassen - eines mit Mokuba und Katsuya, eins mit den Angestellten und eines mit dem ersten Großkunden für die mobilen Konsolen, der noch an dem Abend einen für die Kaiba Corp und die VRKatsu überaus lukrativen Vertrag unterschrieben hat - war ich deshalb leicht beschwipst. Den ganzen Abend über hatte Katsuya mir immer wieder ziemlich eindeutige Blicke zugeworfen und als wir dann auf dem Weg zu unseren Räumlichkeiten, welche im selben Teil der Kaiba Villa lagen, unterwegs waren, da passierte es.
 

Ich ging vor ihm den Gang entlang. Einem plötzlichen Impuls folgend blieb ich abrupt stehen und drehte mich um. Katsuya, wohl in Gedanken auf meinen Hintern?! starrend wäre fast in mich hinein gelaufen, aber das verhinderte ich, indem ich ihn kurzerhand im Laufen abfing und gegen die Flurwand pinnte. Bevor er hätte protestieren können, wenn er das denn gewollt hätte, lagen meine Lippen auch schon auf seinen. Das Gefühl kannte ich bereits flüchtig, aber das hier war viel besser. Der Blonde jedenfalls schien sich an meiner Initiative nicht zu stören. Ganz im Gegenteil. Er griff mit der einen Hand beherzt im meinen Nacken und verkrallte diese etwas in meinem Haar, während er die andere besitzergreifend auf meinen Hintern legte und mich so näher an sich zog. Die Karamell farbenen Augen genießerisch geschlossen lud er mich nun zu diesem sinnlichen Spiel ein, welches ich begonnen hatte. Diese Einladung hätte es allerdings nicht mehr extra gebraucht.
 

Schon war eine meiner Hände ebenfalls in der altgoldenen Mähne, die sich überraschend weich anfühlte, vergraben und die andere schob sich vorwitzig am Hosenbund aufwärts unter Katsuyas Hemd, wo sie von warmer, weicher Haut begrüßt wurde. Der Blonde vor mir nahm mich vollkommen für sich ein. Sein Geruch nach Sandelholz und Sonne umhüllt mich wie ein schweres Parfüm und während ich Katsuya mit meinen vorwitzigen, nun nicht mehr kühlen Fingern an einer Brustwarze ein Keuchen entlockte, ließ ich meine Zunge entdeckerisch in seinen Mund gleiten. Seine glühenden Lippen auf meinen fühlten sich an, als hätten wir beide nie etwas anderes getan als uns auf diese Art zu berühren und seine heiße Zunge duellierte sich mit meiner, ein Duell, dass ich verlor und trotzdem gewann. Katsuyas warmer, schlanker und doch athletischer Körper, der sich zwischen der Wand und mir an mich presste, fühlte sich gleichzeitig neu und doch so vertraut an und ich wusste, verließe er mich jetzt würde ich erbärmlich erfrieren.
 

Die weiche Haut unter meinen Fingerspitzen, die das Hemd nicht länger vor diesen verbarg, machte mich prompt süchtig nach dem Jüngeren. Nach einer gefühlten Ewigkeit lösten wir den Kuss um zu Atem zu kommen, doch ich blieb nicht untätig, denn meine Lippen wanderten nach unten in Richtung des schlanken Halses, um in die Stelle zwischen diesem und dem Nacken zärtlich die Zähne zu vergraben. Katsuya regierte mit einem leisen Stöhnen und zog mich noch näher zu sich wodurch ich unserer beider Erregung deutlich spüren konnte. Das entlockte auch mir ein Keuchen gegen den Nacken des anderen, dessen Halsschlagader den aufgeregten, erhöhten Puls trommelt. Ich verlor mich vollkommen und mir war es in diesem Moment scheiß egal, was wir hier am späten Abend mitten im Flur trieben, denn ich konnte, jetzt wo ich einmal gekostet hatte, nicht genug bekommen. Beinahe wollüstig rieben wir uns aneinander und so verdorben es sich anfühlte, als so richtig empfand ich es in diesem Augenblick. Mein Blick suchte zwischen zwei Küssen Katsuyas und was ich sah war das so geliebte Feuer in diesen, vor Lust leicht verschleiert Augen, die mich von einer Sekunde auf die andere meinen Verstand vollends über Board werfen ließen. Deshalb brachte ich meinen Mund an sein Ohr und, nachdem ich ihm, indem ich mit der Zunge die Ohr Muschel nach fuhr ein weiteres lauteres Stöhnen entlockt hatte, tat ich etwas, dass ich eigentlich nicht geplant hatte, aber einfach nicht verhindern konnte, in dieser Situation, dem anderen so nahe.
 

Ein Flüstern, in der Stille des Flurs lauter als ein Schrei, hauchte ich ihm entgegen, ganz eingenommen von seiner Präsenz. "Ich liebe dich!"
 

"......"
 

Was danach geschah, daran kann ich mich bis heute nicht wirklich erinnern, egal wie sehr ich es auch versuche. Ich weiß, dass wir nicht miteinander geschlafen haben und ich erinnere mich nur noch daran, dass er mich nach meiner Liebeserklärung ein Stück von sich geschoben hat und sein Blick plötzlich etwas Prüfendes hatte. "Gut" ist das letzte Wort von ihm, an das ich mich bis heute erinnere und von dem ich immer noch nicht weiß, wie es gemeint gewesen sein könnte. Am nächsten Morgen bin ich jedenfalls alleine in meinem Bett etwas desorientiert aufgewacht und Katsuya war weg. Einfach so wieder spurlos aus meinem Leben verschwunden, nachdem ich ihm meine Liebe gestanden habe.
 

Noch ganz gefangen in den vergangenen Szenen sitze ich eine Weile auf dem Sofa herum bis ich mit einem Blick auf die Uhr bemerke, dass es auch für mich langsam Zeit wird. Heute werde ich mich meinem kleinen Bruder zu Liebe zusammen reisen, danach sehe ich dann weiter. In einer fließenden Bewegung erhebe ich mich und kann ganz kurz den Wunsch nach einer Massage ala Katsuya nicht unterdrücken, als ich mir den Nacken reibe. Betont lustlos schlendere Ich zum Schreibtisch um meine Hochzeitsrede herauszusuchen. Dabei fällt mein Blick plötzlich auf ein Schriftstück, von dem ich gar nicht mehr wusste, dass es die ganze Zeit hier gelegen haben musste - Katsuyas Abschiedsbrief.
 

Kurz erinnere ich mich an den Vorwurf des Blonden, den ich ihm damals zwar nicht verbal bestätigt habe, den ich aber auch nicht leugnen kann, immer noch nicht, denn ja, ich kenne immer noch jedes der wenigen Worte auswendig und kann nicht an zwei Händen abzählen, wie oft ich ihn nach Katsuyas Verschwinden damals wieder und wieder gelesen habe, in der Hoffnung doch einen Hinweis auf den Verbleib des Jüngeren in oder zwischen den sauber verfassten Zeilen zu finden. Routiniert überfliege ich ihn trotzdem und dabei bleibt mein Blick auf einmal an einem Satz ganz unten hängen, der mich, nach all der Zeit nun regelrecht anzuleuchten scheint. "Ich werde erst dann wieder auftauchen, wenn ich den Menschen, die ich liebe, würdig geworden bin." Ein Klatschen erfüllt den Raum, als ich mir doch tatsächlich die Hand gegen die Stirn schlage.
 

Aber natürlich. Kann es denn wirklich so deutlich und klar sein, schwarz auf weiß? Ich muss damals wirklich blind gewesen sein. Wenn meine Vermutung stimmt, dann hätten wir uns viel Leid und Kummer ersparen können, ganz einfach in dem wir von Anfang an ehrlich zueinander gewesen wären. Aber ist es nicht meistens so? In den ganzen weniger schlechten Liebesgeschichten, nicht das ich welche gesehen oder gelesen hätte, zumindest nicht freiwillig, geht es so oft darum, dass sich zwei nur deshalb gegenseitig verlieren und das Drama nur deshalb stattfindet, weil die beiden nicht offen miteinander sprechen. Resigniert seufzend lege ich den Brief zurück auf den Schreibtisch. Selbst wenn es so ist, nun ist es jedenfalls zu spät. Katsuya ist weg und mir fehlt die Kraft ihn erneut zu suchen. Mit ihm an meiner Seite habe ich mich stark gefühlt doch jetzt bin ich wie innerlich leer.
 

Die Schultern straffend rücke ich die knallharter, eiskalter Geschäftsmann Maske zurecht und muss bei einem Kontrollblick mal wieder an Katsuyas Bezeichnung für mich denken - einsamer, trotziger Drache - ja, das bin ich und das werde ich wohl auch immer bleiben, jetzt wo mein Gefährte mich erneut und wohl endgültig verlassen hat. Die Sentimentalität abstreifend wie meinen alten, ausgetragenen Mantel, verlasse ich mein Büro und mache mich auf den Weg in die Kaiba Corp, meinem einzigen beständigen Lebensinhalt. Isono sieht besorgt aus, doch auch wenn mich die letzten drei Monate der Liebeskummer quälte, ich habe es trotzdem geschafft ihm nicht wieder Anlass zu geben, mich zum Essen oder Schlafen, in meinem eigenen Bett, nötigen zu müssen. Zu tief saß das schlechte Gewissen nach Katsuyas Standpauke.
 

Wenn ich eines durch diesen blonden Mann gelernt habe, dann, dass ich zwei wundervolle, mich sehr liebende Menschen in meinem Leben habe, denen ich in meinem selbstzerstörerischen Wahn sehr weh getan habe. Mokuba liebt mich und ich bin für ihn ein Vorbild und auch Isono liebt mich wie eine Sohn, auch wenn er dabei natürlich seine Stellung als mein persönlicher Assistent niemals vergisst, die dazu nicht widersprüchlich ist. Katsuyas hatte auch in diesem Punkt recht. Ich habe die beiden von mir geschoben, weil ich beweisen wollte, dass ich alles alleine schaffen kann, keinerlei Hilfe von anderen brauche und dabei habe ich nicht nur mir selbst sondern auch den anderen geschadet. Wie wertvoll die Treue der beiden ist und war, habe ich erst durch den Blonden zu schätzen gelernt.
 

OK, jetzt muss ich wirklich aufhören darüber nachzudenken, sonst fange ich hier vollkommen unkaibahaft auch noch zu heulen an, wäre ja nochmal schöner. In der Kaiba Corp angekommen, mit einem Knoten im Magen, den Fahrstuhl nach oben nehmend, mache ich gute Miene zum böse Spiel, bzw. in meinem Fall neutrale Miene zum guten Spiel. Mein Unwohlsein steigert sich noch, als ich schließlich in einer der Vorrichtungen stehe und die Brille aufsetze.
 

Mokubas Sicht:
 

"Du siehst toll aus. Er wird sich freuen, vertrau mir."
 

Setos Sicht:
 

Die Plattform vor meinem Augen ist eine grüne Wiese, von unzähligen bunten Blumen gesäumt. Gespornt bin ich hinter einer Reihe von Stühlen, auf denen bereits Gäste Platz genommen haben. Heute haben der zeremoniellen Förmlichkeit wegen alle auf extravagante Avtardesigns verzichtet, lediglich die Kleidung ist bei allen festlich und so farbenfroh wie die Blume Pracht, die die Szenerie passend ergänzt. Ich habe mich für einen dunkelblauen Anzug mit weißem Hemd entschieden, dazu eine Krawatte mit dem KC Emblem. Einige der Anwesenden erkenne ich, viele andere, hauptsächlich Angestellte sind mir nach wie vor fremd, aber den Umstand das ändern zu wollen habe ich aufgegeben, schließlich bin ich immer noch ihr Chef und nicht ihr Saufkumpane.
 

Langsam bewege ich mich den Gang zwischen den Stuhlreihen nach vorne entlang an dessen Ende ein Torbogen aus Blumen aufgestellt wurde. Dort entdecke ich auch Mokuba, der, wie ich mit brüderlichem Stolz feststellen darf, wirklich schick aussieht. Er ist definitiv nun erwachsen und wird gleich heiraten. Ich hoffe inständig, dass ich ihn danach als kleinen Bruder nicht wieder verliere, nachdem ich es endlich geschafft habe, mit etwas Hilfe von außen, etwas mehr als eine zarte familiäre Verbindung zu ihm aufzubauen. Es hat die letzten sechs Monate auch Spaß gemacht mit ihm zusammen zu arbeiten, da auch er einige wirklich gute Ideen beigetragen hat und die technischen Details der VRKatsu Anlage am Schnellsten raus hatte. Natürlich will ich das er sein Studium beendet und wenn er eine eigene Praxis eröffnen möchte, werde ich ihn dabei unterstützen, aber insgeheim hoffe ich trotzdem, dass er sich auch weiterhin kreativ in die Kaiba Corp einbringen wird.
 

Solche Gedanken und Wünsche waren mir bis vor einem halben Jahr vollkommen fremd, aber nun weiß ich, was der richtige Mensch in deinem Leben alles bewirken kann. Hätte ich ihn nur nicht verloren... Der Ort, Utopia, macht mich wohl wirklich sentimental, ich muss mich zusammen reißen, ermahne ich mich erneut, heute geht es schließlich nicht um mich. Als alle Platz genommen haben führe ich Shizuka zum Altar. Die beiden haben mich gefragt, ob ich das übernehmen kann, da Mokuba und ich ja keinen Vater haben und Shizuka sowie Katsuyas Vater nach dem Verschwinden seines Sohnes vollends in seiner Spielsucht versunken ist.
 

Eigentlich sollte er mir Leid tun, da er immerhin Katsuyas und meiner Schwägerin ihr Vater ist, aber für solche Menschen kann ich kein Mitleid empfinden und ich glaube, dass die beiden mir deswegen auch nicht böse sind. Gerne habe ich natürlich zugesagt und so führe ich die junge Braut den Gang entlang um sie offiziell an den Bräutigam zu übergeben. Die junge Frau hat ihr Haar hochgesteckt und statt einem klassischen Blumenstrauß einen Kranz auf dem frisierten Haar. Das Kleid ist nach westliche Vorbild weiß und besteht aus unzähligen Blüten, die sich an den schlanken Körper schmiegen. Katsuya hat es für seine kleine Schwester programmiert und dementsprechend begeistert ist Mokuba, der es heute auch zum ersten Mal zu Gesicht bekommt.
 

Bei meinem kleinen Bruder angekommen lege ich die Hand der Grünäugigen in dessen und verziehe mich dann auch schon diskret auf meinen Platz in der vordersten Reihe. Entspannt verfolge ich von dort aus die Zeremonie und muss eingestehen, dass sie wirklich gelungen ist. Nicht zu kitschig aber doch sehr romantisch. Später muss ich mal mit Mokuba sprechen, ob es nicht eine Geschäftsidee wäre, Hochzeiten und so was in Utopia auszurichten. Während ich mich mit diesem Gedanken davon ablenke heute doch noch mit dem Weinen anfangen zu müssen, weil es mich zugegebenermaßen mehr rührt als ich mir eingestehen möchte, allerdings nicht nur wegen der Hochzeit selbst, werden die Ringe gebracht. Wie vom Blitz getroffen sitze ich kerzengerade auf meinem Stuhl, als ich den Ringträger erkenne.
 

Es ist ein Hund. Aber nicht irgend einer. Der Hund des VRKatsu Logos schlendert schwanzwedelnd den Gang zum Altar hinunter, das Ringkissen dabei vorsichtig im Maul balancierend. Der einzige Unterschied zu dem Design, dass ich schon einmal gesehen habe ist, dass dieser Hund eine weinrote Fliege um den Hals trägt. Gewissenhaft übergibt der Vierbeiner die Ringe an das Brautpaar und macht sich dann auch schon daran, wieder zu verschwinden. Auf dem Rückweg durch die Stuhlreihen dreht er den Kopf und ich meine kurz ganz deutlich ein Augenzwinkern erkennen zu können. Ohne Nachzudenken erhebe ich mich von meinem Platz und nach einem Blick meines Bruders, den ich als "Geh schon, ist in Ordnung" interpretiere, nehme ich die Verfolgung des Vierbeiners auf.

Ruthless Balance Sheet with a positive Conclusion?

Katsuyas Sicht:
 

Wie geplant folgt Seto mir, weg von der Hochzeitsgesellschaft. Auf einem Hügel endet diese Verfolgungsjagd allerdings auch schon wieder, als ich mich unvermittelt umdrehe und den Brünetten damit zum Stehen bleiben nötige. Er ist tatsächlich etwas außer Atem, sein Blick grimmig und ich weiß, dass er Antworten will. "Wo warst du?" kommt auch schon prompt die erste Frage, die ich, was man sogar in meiner Hundegestalt erkennen müsste, breit grinsend nur mit einem Schwanzwedeln beantworte. "Lass die Spielchen und antworte gefälligst, ich weiß das dein Avatar sprechen kann" Nachsichtig der offensichtlichen Aggressivität wegen, lege ich leicht den Kopf schräg: "Du willst wissen, wo ich gewesen bin. Dann komm, ich zeige es dir" und bevor er weiter auf diese Aussage reagieren kann, nehme ich die Brille ab, woraufhin sich mein Avatar vor seinen Augen in Luft auflöst.
 

Lange muss ich jedoch nicht warten, denn auch er verlässt die virtuelle Welt auf dem selben Weg und als er mich in der Realität direkt vor sich stehen sieht, macht er große Augen. "Du warst die ganze Zeit hier?" Ich nicke und deute auf eine geöffnete Tür hinter der sich ein weiterer Kontrollraum sowie eine Vorrichtung und zudem ein kleines Wohnzimmer befinden, in das ich Seto nun führe. Die Tür schließe ich vorsorglich. "Wie lange hast du das alles geplant?" Wird er nun tatsächlich ungewöhnlich laut und kommt auf mich zu. Er will nach mir greifen, aber ich bin schneller. "Warum setzen wir uns nicht und unterhalten uns?" Ein verächtlich Schnauben ist die Antwort.
 

"Worüber soll ich mich bitte mit dir unterhalten? Du verschwindest für fünf Jahre aus meinem Leben. Dann tauchst du aus dem Nichts wieder auf, nimmst mir meine Firma weg, realisierst mit mir einen Meilenstein der VR und Spieleindustrie und dann verschwindest du wieder spurlos nachdem... " Seto wirkt plötzlich unglaublich erschöpft, sein Gesichtsausdruck spiegelt ungefiltert seine Hilflosigkeit wieder." nachdem ich dir gesagt habe, dass ich dich liebe. "
 

Womit wir auch schon beim Thema wären. Ohne es dem Brünetten nochmals anzubieten, setze ich mich auf eines der Sofas und sehe ihn an. "Kennst du den Begriff 'Hiobsbotschaft'?" Seto setzt sich nun doch ebenfalls hin und schüttelt den Kopf. "Ich kannte den auch nicht, aber Amerika ist ein christliches Land und dort habe ich das Wort und dessen Bedeutung kennen gelernt." Mein Gesprächspartner scheint interessiert, weshalb ich das Ganze weiter ausführe. "Es geht um eine Geschichte aus der Bibel. Hiob hat alles, was er sich nur wünschen kann und Dank dem Herrn jeden Tag dafür. Gott beobachtet ihn, als der Teufel sich zu ihm gesellt und ihn provoziert." Der Brünette hört mir wohl aufmerksam zu, seine Augen verraten seine Neugier.
 

" Der Teufel sagt also zu Gott 'Hiob glaubt nur an dich und betet zu dir, weil es alles hat. Wenn du ihm alles weg nehmen würdest, dann würde er dich nicht mehr anbeten.' Gott geht auf die Provokation ein und schlägt eine Wette vor. Er nimmt Hiob alles, was diesem lieb und teuer ist, um dem Teufel zu beweisen, dass dieser Unrecht hat. Und tatsächlich, der arme Mann fleht den Herrn um Gnade an und betet weiterhin, allerdings anders als zuvor, als es ihm gut ging. Darauf hin hat Gott die Wette gewonnen und gibt Hiob alles zurück, was er ihm zuvor genommen hat. Der nun wieder wohlhabende Mann betet danach wieder um dem Herrn zu Danken." Mein Gegenüber sieht nachdenklich aus." Ich glaube, dass ich verstehe worauf du hinaus willst, aber ich denke, dass deine Annahme, dass ich meine Aussage an dich zurück nehmen würde, sobald ich meine Firma wieder hätte, auf einer falschen Einschätzung beruht, Mr. Ich kenne Seto Kaiba." Jetzt bin ich doch tatsächlich verwirrt und das sieht Seto mir wohl auch an, den er erhebt sich nur um sich darauf hin direkt neben mich wieder hin zu setzten.
 

Seine Nähe tut gut, aber ich bleibe trotzdem wachsam, immerhin ist er wütend auf mich. " Als unsere Eltern damals verstarben musste ich mit meinen acht Jahren sehr schnell erwachsen werden, da unsere noch lebenden Verwandten es vorzogen, mich und Mokuba in ein städtisches Waisenhaus abzuschieben und das bisschen Geld, was wir geerbt hätten, selbst einzustecken. Von da an war ich für meinen zweijährigen kleinen Bruder verantwortlich und ich wollte um jeden Preis verhindern, dass man uns voneinander trennt, was gar nicht so leicht war, denn während es für das Kleinkind mit den ungewöhnlichen violetten Augen genügend potenzielle Adoptiveltern gegeben hätten, war ich für viele schon zu alt und Geschwister den meisten zu viel."

Ich realisiere, dass Seto mir tatsächlich etwas sehr Persönliches von sich erzählen möchte und bin gerührt.
 

Schweigend höre ich aufmerksam zu." Als fünf Jahre später der Firmenchef der Kaiba Corporation, einer der größten Rüstungsfirmen der Welt, für eine PR Aktion das Waisenhaus besuchte, sah ich meine Chance gekommen. Ich forderte ihn zum Schach Spiel heraus. Wenn ich gewinnen würde, müsste Gozabro Kaiba uns beide adoptieren. Ich wusste, dass ich gewinnen konnte, da ich mich im Vorfeld intensiv mit dem Schachspiel des Firmenmoguls beschäftigt hatte. Zuerst wollte er mich abwimmeln, aber ich schaffte es an seine Ehre zu appellieren, indem ich ihn damit konfrontierte, dass er feige sei, wenn er die Herausforderung eines Waisenkinds nicht annehmen würde. Das wirkte, ich gewann und er hielt sich an die Abmachung. Worauf ich mich allerdings eingelassen hatte, das sollte ich noch früh genug erfahren." Das Gesicht des Brünetten ist zu einer Grimasse verzogen und seine Hände zu Fäusten geballt.
 

Ich kenne Teile der Biographie meines Gegenübers, aber sie von ihm selbst zu hören, ist nochmal etwas anderes. Seto ist nach wie vor keine Emotionsschleuder, doch er ist deutlich freigiebiger als sonst während er fort fährt. "Du weißt von Noah, Gurzabros leiblichem Sohn, dessen Bewusstsein nach seinem Tod in die virtuelle Welt hochgeladen worden war, an der die Big Five und ich zuerst gearbeitet haben. Zuerst war der Plan meinen Körper als Wirt für den Sohn zu nutzen, weshalb ich gedrillt wurde, schlimmer als in jeder gewöhnlichen Schule in Japan. Indem ich die Aufmerksamkeit des Kaibas auf mich lenkte, hatte Mokuba eine vergleichsweise unbeschwerte Kindheit." Ich greife nach Setos Hand und drücke sie leicht wie um zu sagen 'das weiß dein kleiner Bruder, er ist dir sehr dankbar für dein Opfer und er will und wollte lediglich etwas zurück geben, als er sich die letzten Jahre um dich zu kümmern versucht hat'
 

Der Brünette scheint zu verstehen, denn er nickt mir leicht zu, erzählt jedoch ungerührt weiter, so als fände er erst Ruhe, wenn ich die ganze Geschichte gehört hätte. "Bis ich sechzehn war, hatte ich meinem Adoptivvater allerdings offenbar mehr als eindrucksvoll bewiesen, dass ich als ich selbst viel besser zum Erbe der Kaiba Corporation geeignet war. Denn er hörte damit auf mich offen zu erniedrigen. Ganz im Gegenteil, er ließ mich Arbeiten in der Firma übernehmen. Dann verriet er mich allerdings ein weiteres Mal, als er eine meiner Erfindungen, die eigentlich für ein Spiel gedacht gewesen war, als Waffe an die Rüstungsindustrie verkaufte. Ich fühlte mich als klebe Blut an meinen Händen und war dementsprechend wütend."
 

Inzwischen habe ich seine Hand nicht losgelassen, wodurch ich das Zittern, dass meinen Sitznachbarn bei diesen Worten erfasst sehr deutlich spüren kann. Ich weiß, dass er kein Mitleid will, aber ich kann nicht verhindern mit ihm zu fühlen." Wenig später schaffte ich es, auch aus Rache, mit Hilfe von Mokuba, eine erfolgreiche feindliche Übernahme durchzuführen und damit meinen Adoptivvater in seiner eigene Firma zu entmachten." Welche Ironie, denke ich sarkastisch und Setos Augen verraten mir, dass er um diesen Gedanken weiß." Zwei Jahre später, als ich die Kaiba Corporation erfolgreich in eine Spiele Firma umgewandelt hatte, traf ich dann das erste Mal auf dich und deine Freunde. Du warst mir sofort zuwider. Ein vorlauter Raudi, der das, was er im Vergleich zu mir augenscheinlich hatte, nicht zu schätzen wusste. " Ich kann mir ein Lachen nicht verkneifen. "Und was soll das bitte gewesen sein? Manieren?"
 

Statt nun wie in den guten alten Zeiten einen Streit mit mir anzufangen schüttelt Seto allerdings lediglich den Kopf bevor er mit neutraler Stimme sagt: "Eine vollständige Familie." Jetzt bin ich vollkommen baff, doch bevor ich noch etwas erwidern kann fährt er scheinbar ungerührt fort: "Später habe ich natürlich so Einiges über dich erfahren, über die Trennung deiner Eltern als du 10 warst, über die Spielsucht deines Vaters, bei dem du gelebt hast, während deine Schwester bei der Mutter aufwuchs, weshalb du die beiden selten sahst und Zuhause Vernachlässigung erfahren hast, aber im ersten Moment war ich neidisch auf dich und der Meinung du würdest dein Glück einfach nur nicht wert schätzen. " Ich dachte nicht, dass sich meine Verblüffung noch steigern könnte, aber da wusste ich ja auch noch nicht, dass der große Seto Kaiba früher tatsächlich neidisch auf mich gewesen sein soll.
 

" Dann, als du später alles daran gesetzt hast an meinem Battle City Turnier teilnehmen zu können und ich erfuhr, dass du gewinnen wolltest, um mit dem Preisgeld die OP deiner kleinen Schwester bezahlen zu können, war ich längst nicht mehr neidisch dafür aber nun viel mehr wirklich beeindruckt von deinem Ehrgeiz. Du wolltest einfach nicht aufgeben, selbst dann bliebst du standhaft als dich in deinem einen Duell die Attacke deines Gegners direkt traf." Bei diesen Worten spüre ich, wie ich allen Ernstes rot werde. Ist aber auch kein Wunder, man bekommt ja schließlich nicht jeden Tag die Bewunderung eines Mannes zugesprochen, der in so jungen Jahren bereits ein Millionen schweres Unternehmen alleine geführt hat. Seto quittiert die Röte mit einem Schmunzeln. "Spätesten von da an suchte ich irgendwie immer wieder deine Nähe, habe dich provoziert um deine Aufmerksamkeit zu bekommen. Als du dann vor fünf Jahren einfach so spurlos verschwunden bist, da konnte ich nicht akzeptieren, kein Ahnung zu haben, wo du abgeblieben bist. Anfangs konnte ich mir diese Besessenheit davon, unbedingt herausfinden zu wollen, wo du bist und wie es dir ergangen ist nicht erklären, aber als ich mir dann, du warst schon zwei Jahre weg, mal wirklich intensiv Gedanken über das Warum gemacht habe, da bin ich sprichwörtlich aus allen Wolken gefallen. Ich wollte einfach nicht wahr haben, wofür sich mein Herz entschieden hatte, bzw. für wen. Nach dieser Erkenntnis wollte ich dich nur umso dringender finden, weil ich dachte, wenn ich dir wieder gegenüber stehe und wir uns streiten dann könnte ich das Gefühl leicht und schnell wieder vergessen. "
 

" Deshalb warst du so oft in Amerika. Wie bist du eigentlich darauf gekommen, dass ich dort sein müsste? " Seto bewegt die Hand, die ich immer noch halte und schon denke ich, dass er sie mir entziehen will, aber anstatt dessen dreht er sie nur, so dass meine nun richtig in dieser liegt. Während ich sein Tun beobachtet antwortet er: "Ich habe es vermutet. Möchtest du einen Witz hören?" Mein Kopf schnellt nach oben und ich beäuge den Mann neben mir misstrauisch. Ist das einen ernst gemeinte Frage? Seto schmunzelt erneut, eine Regung in dem mir so vertrauten Gesicht, die ich gerne viel öfter sehen möchte.
 

" Es ist eigentlich kein Witz, aber im Nachhinein ist es schon irgendwie lustig. Weißt du, Isono hat mich nämlich mehrmals auf einen Josef Wheeler aufmerksam gemacht, den er bei seinen Recherchen entdeckt hat. Er wollte mir sogar das Profil zeigen, aber ich war damals so verbohrt, dass ich ihn jedes Mal, wenn er davon angefangen hat abgewiesen habe." Ich muss nun tatsächlich lachen. Einsamer, trotziger Drache, sag ich doch. Seto zuckt nur mit den Schultern, das Schmunzeln bleibt. "Naja, wie dem auch sei. Jedenfalls hast du ansonsten mit Allem Recht gehabt, was du mir an dem einen Abend im Kamin Zimmer vorgeworfen hast, ich war nur, wie immer zu stolz, es einfach mal, zumindest vor mir und dir zuzugeben."
 

Wenn er das jetzt gerade anspricht will ich noch etwas wissen: "Sag mal Seto. Als ich dir so nahe gekommen bin, was war der Grund dafür, dass du dich nicht gewehrt hast? Was hast du in diesem Moment gedacht? " Nun schleicht sich doch tatsächlich das leichte rosa auf die Wangen meines Nebensitzers, welches ich mir am Morgen nach dem besagten Abend somit also wohl doch nicht nur eingebildet habe, welches ich allerdings nur kurz bewundern kann, da dieser den Kopf wegdreht. "Ich... vielleicht hatte ich einfach keine Lust oder Kraft mehr noch länger dagegen anzukämpfen. Gesagt zu bekommen, dass das Pokerface auf ganzer Linie versagt hat und du praktisch jeden meiner Züge im Voraus kanntest, hat mich desillusioniert und dem Spiel den Reiz genommen."
 

Nun kann ich mir ein Grinsen nicht verkneifen und auch nicht noch ein bisschen nachzuhaken." Hast du dir einen Kuss erhofft? " Sofort sind die blauen Augen auf mich gerichtet." Und wenn es so gewesen wäre? " Mit dem Gegenangriff habe ich zwar jetzt nicht gerechnet, macht aber nichts. Ich nähere mich dem Brünetten und antworte mit einem Augenzwinkern "Ich gestehe dir hiermit, dass ich kurz davor war, aber dafür wäre es, so wie in deinem Büro vier Wochen später, eigentlich noch zu früh gewesen." "Zu früh?" Ich nicke. "Ich hatte einen Plan." "Gut, dann schieß mal los, nach meinem Seelenstriptease verdiene ich meiner Meinung nach nun auch, diesen zu hören und so vielleicht endlich zu verstehen, was du mit deiner ganzen Aktion eigentlich bezwecken wolltest." Ergeben nicke ich, das ist nur fair.
 

" Statt gegeben, also, wo fange ich an. Du erinnerst dich, dass ich dir vor eineinhalb Jahren die erste Kooperationsanfrage schicken ließ. Ich weiß übrigens, dass du dir diese, sowie die zweite, ein halbes Jahr später, nicht mal wirklich angesehen hast." Seto will etwas erwidern, aber ich lege ihm den Zeigefinger meiner freien Hand auf die Lippen und lächle " Soll ich nun erzählen oder willst du doch lieber mit mir diskutieren? " Er grummelt etwas, worauf ich meinen Finger, langsamer als vielleicht notwendig wieder von seinem Mund entferne." Also, danach habe ich Mokuba kontaktiert." "Um damit Klarheit in die Sache zu bringen. Dein kleiner Bruder hatte nicht die ganzen fünf Jahre mit mir Kontakt und als ich mit ihm sprach ließ ich mir von ihm das Versprechen abnehmen, weder dir noch meiner kleinen Schwester zu verraten, dass er von mir gehört hat. Es fiel dem Kleinen wirklich schwer dich zu belügen, was ihn vielleicht in deine Augen etwas entlastet. "
 

Seto winkt ab und sagt so was wie 'wir haben das schon geklärt und ich habe ihm vergeben' was mich doch sehr erleichtert und für Mokuba wirklich freut. Der kleinere Kaiba hatte ein riesengroßes schlechtes Gewissen." Die anderen Anteilseigner waren wirklich nicht eingeweiht, ich habe bis heute nicht mit Yugi und den anderen gesprochen." Nun ist es an Seto verwirrt drein zu schauen. "Aber ich dachte sie waren deine Freunde." "Waren sie ja auch, aber als ein halbes Jahr vor meinem Abgang bereits an meinem Geburtstag keiner von ihnen für mich Zeit hatte, da habe ich realisiert, dass sie alle ihr eigenes Leben haben und ich darin keinen Platz. Heute, nun ich weiß nicht, ob sie mich, so wie ich jetzt bin, in meinem Innern wahrscheinlich schon immer wahr, überhaupt noch mögen würde. Bei Gelegenheit werde ich mich mal mit allen unterhalten, aber das hat für mich ehrlich gesagt genau so viel Priorität, wie ich für sie damals an meinem Geburtstag, wenn du verstehst was ich meine."
 

"Das tut mir Leid." Ich schüttle auf Setos Mitleid Bekundung hin leicht wohlwollend den Kopf. "Das muss es nicht, wir sind alle erwachsen geworden, Freundschaften, die in der Jugend geschlossen werden, müssen kein Leben lang halten. Ich werde mich wie gesagt mal mit allen treffen und dann werde ich schon sehen. Du kannst dann ja mitkommen, mich vor den Mistgabeln beschützen, mit denen mir Anzu und Honda sicher drohen werden, weil ich einfach abgehauen und mich so lange nicht gemeldet habe." Das ist zwar als Scherz gemeint, aber der Brünette gibt tatsächlich sofort seine Zustimmung.
 

Kurz lasse ich es zu, mir die Gesichter meiner ehemaligen Freunde vorzustellen, wenn ich sie dann händchenhaltend mit meinen ehemaligen Erzrivalen alle aufsuchen um mich mit ihnen auszusprechen. Wenn es dazu kommt muss ich diesen Augenblick definitiv auf einem Foto festhalten. Seto schmunzelt wieder als hätte er meine Gedanken gelesen und fände die Vorstellung auch gut. "Nun ja, dann kam die Präsentation und ich hab mir innerlich ein Loch in den Bauch gefreut, dass meine Avatar Überraschung offenbar gelungen ist. Jetzt nochmal ehrlich, fandest du das Design wirklich so schlimm wie du es später gesagt hast? Dein Gesichtsausdruck hat etwa anderes ausgesagt, aber ich möchte es trotzdem von dir hören."
 

Der Brünette gibt ein Grummeln von sich und antwortet dann: „Du willst meine ehrliche Reaktion wissen? Ich wollte es schrecklich finden, dass wollte ich wirklich, aber tief in mir drin habe ich mich auch unheimlich geschmeichelt gefühlt, dass für meinen Avatar im Vergleich zu den anderen so ein Aufwand betrieben wurde und ja... das Design war urheberrechtlich in Ordnung und dafür wirklich gut gelungen. Bist du jetzt zufrieden? " Ich umarme meinen Sitznachbar kurz und nicke glücklich. Danach greift Seto wieder wie selbstverständlich nach meiner Hand. Händchenhaltend zu meinen alten Freunden hat wirklich Potenzial...
 

Mich schnell wieder auf das Wesentliche konzentrierend kehre ich zum Thema zurück:" Na ja und den Rest der Gedichte kennst du, warst ja selbst dabei. Ich habe dich mit Mokubas Hilfe so zu sagen dazu gezwungen mit mir zusammen zu arbeiten, Das war die einzige Motivation der feindlichen Übernahme. Als du mir dann am Abend der Präsentation gesagt hast, dass du mich liebst, da wollte ich dir glauben, aber ich musste auf Nummer sicher gehen, weshalb ich dich in dein Zimmer brachte, Isono hat mir geholfen, der Champagner hatte dir wohl ziemlich zu schaffen gemacht, dir am nächsten Morgen deine geliebte Firma zurück gab und dann hier darauf wartete, dass du dein Gesagtes dadurch nicht zurück nehmen würdest. Das mit dem Ringe tragenden Hund war Mokubas Idee, da hatte er wahrscheinlich schon mit dir gesprochen und wusste mehr als ich."
 

Seto wirkt plötzlich nachdenklich und setzt dann zu einer Erwiderung an. "Nun gut, jetzt ergibt endlich alles Sinn, aber ich muss dir leider sagen, dass, wenn du mich schon so bezeichnen willst, nicht nur ich in dieser Geschichte ein einsamer, trotziger Drache war." Bevor ich nachfragen kann, wie er das jetzt wieder meint, fährt der Brünette auch schon fort: "Du hattest Recht als du sagtest, ich müsse deinen Abschiedsbrief von damals in und auswendig kennen, aber verstanden habe ich ihn erst heute morgen endlich wirklich." Meine Augen werden groß, nicht zuletzt auch deshalb, weil er sich zu mir beugt um mir eine kühle Hand auf die Wange zu legen." Dieser eine Satz - das mit dem den Menschen die du liebst würdig sein - ich war zugegebenermaßen ebenfalls vollkommen blind, ansonsten hätten wir uns nämlich wahrscheinlich beide Einiges an Leid ersparen können."
 

Beinahe wie in alten Zeiten, bis auf den Umstand, dass ich mein Gesicht etwas mehr gegen die Hand drücke, gebe ich schnippischen zurück:" Warum, weil du mir sagen willst, dass ich das so wie so nie geschafft hätte bzw. erreichen kann?"

Er schüttelt nur den Kopf und kommt mir noch ein Stück näher, den Blick fest mit dem meinen verschränkt. "Nein, weil du mir schon immer oder zumindest lange bevor du verschwunden bist, längst würdig warst und weil meine, wie du es bezeichnet hast, geliebte Firma zwar mein Erbe ist, aber gleichzeitig auch immer eine Last für mich war, die sich mit dir an meiner Seite das erste Mal, seit ich sie mir damals aufgebürdet habe, erträglich anfühlte, sogar Spaß gemacht hat." Jetzt bin ich wirklich verwirrt. Ich meine am Liebsten würde ich ja applaudieren, da Seto wohl wirklich geschnallt zu haben scheint, dass neben Shizuka natürlich, auch er damals gemeint war, aber sein Argument und sein offenes Geständnis darüber, dass unsere Zusammenarbeit ihm letztendlich wirklich geholfen, sogar gefallen hat, irritiert mich zu sehr um zu reagieren.
 

Anstatt dessen starre ich ihn an. Seto beugt sich nun vor, lehnt seine Stirn an meine. Die Nähe ist mehr als angenehm. „Worauf hast du eigentlich genau gewartet? Darauf, dass ich bei einer öffentlichen Pressekonferenz vor meiner Firma verkünde, dass diese mir nicht so wichtig ist wie du, oder was?“ Schnell schüttle ich den Kopf, wodurch die Haut meiner Stirn leicht an der des Brünetten reibt, was sich erstaunlich angenehm anfühlt, atme erleichtert aus und nehme dabei den ganz eigenen Duft des Brünetten wahr. "Nein, auch wenn Mokuba mich nicht zu dieser Ringträger Sache überredet hätte, wäre ich heute so oder so auf dich zugekommen, jetzt wo du endlich mal wieder hier hergekommen bist, wenn auch unfreiwillig. Und...“
 

Kurz halte ich innen, lege mir meine nächsten Worte sehr bedacht zurecht, weil es mir wichtig ist, dass mein Gegenüber mich in diesem Punkt keinesfalls missversteht: „Es mag vielleicht sein, dass wir uns mit etwas mehr Ehrlichkeit eine Menge Leid ersparen können hätten, aber dann wären wir wahrscheinlich heute nicht die, die wir jetzt sind. Also ich persönlich bereue nicht, wie es gelaufen ist. Für mich ist der Plan voll aufgegangen." Flüstere ich vollkommen überzeugt. Setos runzelt kurz minimal die Stirn, was sich etwas komisch anfühlt, weil er diese ja immer noch gegen meine gedrückt hat und erwidert dann "Ich muss dir in diesem Punkt tatsächlich Recht geben. Ohne das alles hätten wir beide nicht so viel aus der Sache gelernt. Aber ich sage dir eines... "
 

Seto zieht seine Kopf etwas zurück und funkelt mich mit seinen blauen Augen ernst an. "Katsuya, verschwinde noch einmal auf diese Art und du wirst mich kennen lernen. Bisher war ich wahrscheinlich zu gutmütig, aber sei es drum. Ich hoffe die Botschaft ist angekommen." Realisierend, dass er gerade meine Worte recycelt hat, kann ich nicht anders als zu grinsen, bevor ich ihn anschließend einfach am Kragen seines Jacketts zu mir ziehe und meine Lippen verlangend auf seine drücke. Seto hat anscheinend rein gar nichts gegen diese Art der Versöhnung, den er greift unter meinen Hintern um mich kurzerhand auf seinen Schoß zu ziehen. Während wir uns küssen stelle ich zufrieden fest, dass mir kein einziger Ort einfällt, an dem ich momentan lieber wäre.
 

Es hat nur sieben Jahre gedauert bis die zwei einsamen, trotzigen Drachen endlich kapiert haben, dass sie zusammen gehören.
 

„Verdammte drei Monate“ murmelt der Brünette an meinen Lippen und ich muss ihm stumm zustimmen, dass das eindeutig zu lange war, aber ich hätte ehrlich gesagt auch notfalls noch länger gewartet, weil jetzt kann ich mir sicher sein, dass der CEO der Kaiba Corp es wirklich ernst mit mir meint. Mich Luft schnappend mit etwas Mühe von dem Brünetten unter mir lösend, dessen freche Hände sich längst an den Knöpfen meines Hemdes zu schaffen gemacht haben und sich auf der schon von ihnen freigelegten Haut darunter einfach himmlisch anfühlen, will ich mich allerdings noch revanchieren, weshalb ich mich vorbeuge und, nachdem ich etwas an Setos Ohrläppchen geknabbert habe, laut genug, so dass er es auf keinesfalls überhören kann, flüstere
 

"Ich liebe dich auch mein anhänglicher, verliebter Drache!“


Nachwort zu diesem Kapitel:
So, das war das erste Kapitel, ich hoffe es hat bis hierher gefallen. Vielen Dank fürs Lesen, nächste Woche gibt es das nächste Kap. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Ich werde übrigens den Weihnachtsengel spielen und statt jede Woche nur ein, sogar zwei Kapitel hochladen, eines wie gewohnt immer dienstags, das andere an den Adventssonntagen. Das mache ich allerdings auch deshalb, weil es insgesamt 10 Kapitel sind und ich es so schaffe, die gesamte Geschichte bis Ende des Jahres hier zu veröffentlichen. Also freut euch ab nächste Woche auf doppelt so viel Lesestoff. Schönen Abend noch. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
So, jetzt kennen wir den Schuft, der Seto seine Firma weg genommen hat, aber was er damit genau bezweckt hat, bleibt für den älteren Kaiba Erben und uns noch eine Weile verborgen.

Zu diesem Kapitel muss ich Einiges hinzufügen.

Erstens: Die Grundidee für die Geschichte war eine Macht Verschiebung zwischen den beiden, meiner Meinung nach im Manga/Anime, ich nenne es mal "underrated" Charakteren, weil ich sowohl Seto Kaiba als auch Katsuya Jonouchi als sehr komplexe Charakter empfinde, die allerdings, da es ja hauptsächlich um Yugi geht, oft zu kurz kommen. Seto ist lediglich der Anti Held, während Katsuya wie ein Cheerleader und Sidekick wirkt, was den beiden aber meines Empfindens nach nicht im Entferntesten gerecht wird. Katsuya ist hier sehr selbstbewusst, was ich bewusst so gestaltet habe, da er während der Serie bereits eine enorme Charakter Entwicklung durchgemacht hat und nun Seto, seinem ehemaligen Rivalen auf Augenhöhe entgegentritt. Der Mensch, dem Seto es am Wenigsten zugetraut hat, hat ihm seine Firma weg genommen, eine Ironie, die meiner Meinung nach durchaus zum allgemeinen dramatischen Stil des Manga/Anime Erzählstils passt.

Zweitens: Die Technologie für Utopia habe ich mir von dem Film Klassiker "Ready Player One" abgeschaut, dessen Schöpfer kein Geringerer als Steven Spielberg nach der gleichnamigen Buchvorlage von Ernest Cline ist. Ich habe den Film nicht explizit im Thema erwähnt, da es kein Crossover ist und ich auch nicht zu viel verraten wollte. Deshalb hier der Disclaimer: die Beschreibung der Technologie von Utopia entspricht so ziemlich der von Oasis in dem genannten Film und gehört deshalb den beiden genannten Herren.

Drittens: Wer genau aufpasst hat, wird in diesem Kapitel sowohl den Titel der FanFiction als auch das Coverbild entdeckt haben. Diese Details liebe ich an Geschichten und habe sie deshalb bei dieser eingebaut. Wer andere Werke von mir kennt, wie zum Beispiel meine Origin Story "Miss Undercover - Doppelleben für die Liebe", der weiß wie ich meine Handlungsstränge aufbaue und das ich gerne Dinge, die ich zuvor schon mal erwähnt habe, im späteren Verlauf der Geschichte erneut einfließen lasse.

Viertens: Seto nennt Katsuya hier nicht "Köter" sondern "Streuner". Mir gefällt der erste Begriff überhaupt nicht und ich glaube auch zu wissen, dass in der englischen Synchronisation auch Stray zu deutsch Streuner verwendet wird. Außerdem passt es viel besser in den Dialog als "Köter", weshalb ich "Streuner" als "Beleidigung" gewählt habe.

Vielen Dank für die bisherigen Kommis, ich freue mich natürlich auf weitere. Ich hoffe, dass die Geschichte bis hier her schlüssig ist und einige zuvor offenen Fragen bereits beantwortet hat. Wie gesagt, das ist mein Schreibstil und mein Mann meint, dass dieser meine Geschichten so spannend macht, weshalb ihr es mir bitte verzeihen mögt.

Fröhlichen ersten Advent nochmal und bis Dienstag. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
So, das war es mit meiner ersten Yu-Gi-Oh! FanFiction "Lonley Defiant Dragon", ich hoffe es hat euch so viel Spaß gemacht sie zu lesen wie mir sie zu schreiben. Vielen Dank fürs Lesen, fröhliche Weihnachten nochmal =-) Komplett anzeigen

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Kommentare zu dieser Fanfic (4)

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Von:  Gwenya
2023-12-07T16:34:53+00:00 07.12.2023 17:34
Ich finde die Geschichte bisher einfach klasse. Freue mich auf die nächsten Kapitel.
Von:  Yui_du_Ma
2023-11-30T06:51:53+00:00 30.11.2023 07:51
Wow, sehr interessant.
Was Mokuba genau plant. Bin gespannt.
Die Emotionen die auf Kaiba einströmen, sind für ihn sicherlich unerträglich.
Da könnte er einen Leid tun.
Hoffentlich geht Mokuba´s Plan auf und nicht nach Hinten los.
Ich drück die Daumen und bin gespannt, wie es weiter geht.
Von:  Yui_du_Ma
2023-11-29T21:44:11+00:00 29.11.2023 22:44
Oh man, das klingt sehr hart für Kaiba.
Wie Mokuba alles beschreibt, wenn er Vize ist, kommt er nicht oft und hilft seinen Bruder?
Ansonsten bis jetzt eine interessante Story.
Mal sehen wie es da weiter geht. ^.^
Von:  Yui_du_Ma
2023-11-15T15:15:09+00:00 15.11.2023 16:15
Ein guter Anfang.
Bin gespannt wie es weiter geht.


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