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Der Künstler im Moor

Halloweenevent
von

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Ankunft in Frankreich

Kaugummis schmeckten super. Besonders dann, wenn man beim Kauen dabei den Leuten auf die Nerven ging.

Die Beamtin sah Linda mehrmals mahnend an. „Frau Weber, Sie können gehen“, sagte sie in schlechten Deutsch. Linda nahm die ID. Sie blickte der Beamtin lange in die Augen. Die Menschen hinter ihr warfen den Beiden ungeduldigen Blicken zu. In perfektem Französisch verabschiedete und bedankte Linda sich. Ungläubig starrte die Beamtin ihr nach, die Leute schüttelten ärgerlich die Köpfe. Ein kleines Kind fragte laut auf Deutsch: „Die Frau ist doof. Warum schimpft keiner?“

Sie spuckte den Kaugummi in den nächsten Mülleimer. Die Blicke machten ihr nichts aus. Im Gegenteil. Sie motivierten Linda, noch einen daraufzusetzen.

Laut spielte sie Musik ab. Nahm sich das Recht, einen Tisch im Wartebereich für sich selbst zu beanspruchen. Ihre Füsse auf dem Tisch, der wie die anderen Tische und Sitzgelegenheiten farblich einen harmonischen Kontrast zu den Böden und Wände gab, ass sie irgendwas von einer Fast-Food-Kette.
 

Linda!
 

Sicher bist du überraschst, weshalb ich dir auf diesen altmodischen Weg eine Nachricht zusende. Das Tagebuch liegt bei dir. Wollte wohl noch länger bei dir bleiben. :)

Zuerst wollte ich dich bitten, mir das Tagebuch zu schicken. Aber ich möchte dich gerne einladen! Etwas Zeit miteinander verbringen. Klingt gut, oder? ;)

Schick mir eine WA. Da können wir den Rest bequatschen.
 

Gruss aus dem wunderschönen Frankreich.
 

Deine dich liebende Schwester

Rosalina
 

Der Timer des Smartphones piepte. Der Brief wurde sorgfältig zurück in die Handtasche gelegt. Linda gähnte laut, dehnte sich ausgiebig. Die Verpackungen des schnellen Festmahls mit einem lauten „Ab ins Körbchen!“ in den Mülleimer geworfen. Linda stopfte sich einen weiteren Kaugummi in den Mund, stolzierte aus dem Flughafen. Winkte das nächste Taxi zu sich. Der Mann, ein stämmiger Franzose mit einem feschen Barett, stieg aus. Linda gefiel sein Gesichtsausdruck. Griesgrämig.

Nicht la Vie est belle. Eher la Vie est dure.

Er öffnete den Kofferraum, warf fluchend ihre zwei Koffer hinein und stampfte zur Fahrertüre. Die Frau, die schon Platz auf dem Beifahrersitz genommen hatte, grinste. Sie bot ihm einen Kaugummi. Er brummte und schüttelte den Kopf. Sie fuhren aus dem Flughafenbereich.

Während der Fahrt fragte, er auf sehr schlechtem Englisch, wohin sie möchte. Als sie auf Französisch antwortete, erhellte sich seine Miene schlagartig. Sie sprachen über die Liebe, die Unterschiede zwischen Frankreich und der Schweiz und ärgerten sich gemeinsam über unfähige Politiker und Politikerinnen.

„Darf ich rauchen?“, fragte Linda. Natürlich wusste sie, dass es gesetzlich verboten war. Lässig griff er Fahrer in seine Hosentasche und zog ein Feuerzeug heraus. „Ein Freundschaftsgeschenk“, sprach er, bevor er heftig auf das Gas drückte.
 

                                                                   [***]
 

„Mücken und Fliegen. Cool. Natur ist so booooooring.“

Linda sah sich um. Hier würde sie eingehen. Zum Glück gab es Internet. Einen Blick auf die Uhr sagte ihr, dass es Mittag war. Warum roch es nicht nach Essen? Ihre ach so perfekte Schwester machte doch keinen Fehler. Sie hatte mindestens ein 6-Gänge-Menü zubereitet, ihr Bett frisch bezogen und ein warmes Bad eingelassen. Den Kaugummi spuckte sie in den nächsten Blumenkübel.

An der Türe hing eine Nachricht. Linda hob die Augenbrauen. „Ist meine Sis zu fein, das schwarze Schaf zu begrüssen?“, brüllte die Frau. Wütend stampfte sie um das Ferienhaus. Schaute in jedes Fenster hinein. Das Licht war in den Räumen gelöst. Ein Fenster war gekippt.

Wo steckte sie?
 

                                                                    [***]
 

Weshalb tat sie dies? Verstand sie nicht, wie sie sich ins Unglück stürzte?

Die Frau sah aus dem Turm. Die Krähen beobachten sie neugierig. Ihr Liebling, Joséphine, sass auf ihrer Schulter. Natürlich hörte ihre Schwester nicht auf ihre Worte. Zorn quoll in der Frau hoch. Warum suchte sie die Gunst dieses Mannes? Einen Mann, der nicht ihr Herz mochte, sondern ihren Adelsstand.

Die Krähen flatterten auf und ab. Der Abend brach herein. Die letzten Vögel kamen nach Hause. Laut wurden diese begrüsst. Es wurde nach ihr gerufen.

Welche Worte soll sie noch versuchen, um ihre Schwester vor sich selbstretten? Weshalb möchte sie diesem Mann gefallen? Er ist ihrer nicht würdig! Lieber würde sie es sehen, wie ein Tagelöhner ihr Schwager werden würde.

Wiederholt wurde nach ihr gerufen. Joséphine plusterte sich auf. „Dieser Schuft darf niemals siegen“, rief die junge Frau leidenschaftlich. Die Krähen erhoben sich in die Lüfte. Federn segelten auf die Frau hinunter.

„Rosalinde!“

Die Stimme der Mutter drang die Treppen des Turmes hoch.
 

Sanft strich der Vater über die Wangen seiner Tochter. Sie waren eiskalt. „Pass auf dich auf“, flüsterte er. Er konnte sie nicht mehr davon abhalten, diesen Weg zu gehen. Die Tochter lächelte glücklich. In ihrem blauen Abendkleid sah sie aus wie ein Engel, ihre Haare leicht gelockt und hochgesteckt.

Er sah ihr nach, als sie sein Arbeitszimmer verliess. Erhob sich, ging zum Fenster. Er zog die schwere Gardine. Sein Blick blieb bei der Kutsche haften. Seine Tochter schritt einem jungen Mann entgegen.

Ob sie mit ihm ein gutes und glückliches Leben führen könnte? Einige Zweifel plagten den Mann.

Er seufzte, bevor er sich wieder an seinen Schreibtisch aus Rosenholz setzte. Faltete seine Hände zum Gebet.

Die Schritte holten ihn aus seinem Gebet.

„Hast du gehorcht?“

Rosalinde nickte. In ihren Augen sah man den Zorn, welchen sie für den Verehrer ihrer Sœur empfand. Der Vater erhob sich. Sah seine zweite Tochter lange an. Joséphine krähte laut.

Der Vater entfernte eine Feder von der bebenden Schulter, schenkte Rosalinde ein schwaches Lächeln. „Du musst ihr verzeihen“, sprach der Mann leise.
 

„Ich bitte dich zum letzten Mal. Geh nicht mehr zu diesem Maler.“

Rosalinde fixierte ihre Sœur. Diese sah traurig zu ihr. Vor einigen Minuten war sie vergnügt und augenblicklich war ihre Miene versteinert.

„Er liebt die Gemälde. Seit ich ihm das Erste schenkte, schenkt er mir sein Lächeln. Und sicherlich einst seine Gunst.“

Verärgert schüttelte Rosalinde ihren Kopf.

„Dieser Schuft spielt mit deinem Herzen! Erkenne das.“

„Schweig! Du, dessen Schönheit und Anmut jeden Mann verführt!“

„Lauf in dein Leid. Erwarte keine Hilfe mehr von mir. Ich wollte dich beschützen,

Lina.
 

                                                             [***]
 

Das Smartphone vibrierte. Linda öffnete ihre Augen. Verwirrt sah sie auf das Gerät.

War das ein Traum? Es füllte sich so echt an.

Automatisch erledigte sie ihre Dinge am Smartphone. Likte, verteilte Emojis, drehte ein TikTok-Video und machte ein Foto für Insta. Telefonierte mit ihrer Freundin. Sie fühlte sich überhaupt nicht gut.

Linda hatte auf einmal Angst. Angst um ihre Schwester.
 

                                                          [***]
 

Das Moor lag am Ende der Ländergrenze. Die Kutsche hielt an. Widerwillig stieg der Kutscher vom Bock. Er öffnete die Türe und half dem Fräulein aus gutem Hause ins Freie.

Verweint blickte sie zum kleinen Haus. Das Gemälde. Es musste fertiggestellt werden.
 

Der Maler stand schon vor der Türe. Väterlich blickte er die Besucherin an.

„Mademoiselle? Fühlen Sie sich unwohl?“

Die Frau schüttelte den Kopf. Sie sah in seine grauen Augen, die voller Mitgefühl waren.

Eine Krähe flog Kreise um das Haus. Sie setzte sich auf das schiefe Dach des Hauses. „Joséphine?“, sprach Lina überrascht. Der Künstler nahm die Hand der Frau.

„Eure werte Schwester sorgt sich um Eurer Wohlergehen, Mademoiselle. Kehrt nach Hause zurück.“

Einen Augenblick sah es aus, als würde die Frau den Rat befolgen. Doch dann berührte ihre Finger ein Armband. Die blauen Edelsteine glitzerten in der Abendsonne. Sie lächelte selig.

„Bitte malt das dritte Gemälde zu Ende. Ich würde mein Leben dafür geben. 
 

                                                         [***]
 

„Bist du nicht willig, so brauche ich verdammte Gewalt!“

Mit einem letzten Tritt gab die Eingangstüre auf. Linda rannte in das Ferienhaus. Das Beil, das sie im Gartenbereich gefunden hatte, warf sie in die nächste Ecke. Beinahe hätte sie die Blumenvase umgeworfen, aber das war ihr sowas von egal.

In der Küche war das alte Geschirr. Fruchtfliegen flogen um die langsam gammelten Früchte. Einige Fenster waren halb geöffnet. Das Bett nicht gemacht. Die Badewanne nicht geputzt. Der Hahn tropfte.

Auf dem Schreibtisch lagen die gesammelten Informationen. Auf einigen Notizen stand in Schnörkelschrift Noé. Linda sah zum Boden. Fotos lagen zerstreut auf dem Teppich. Es gab noch mehr Hinweise, dass ihre Schwester voreilig das Ferienhaus verlassen hatte.

Linda setzte sich auf den Boden.

Sie würde auf ihre Schwester warten.



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