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Little Red Riding Hood

von

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The kind of eyes that drive wolves mad

Peter erwachte an diesem Morgen mit mieser Laune und rasenden Kopfschmerzen. Der Grund dafür war, dass er sich im Schlaf offensichtlich sehr verspannt haben musste. Außerdem hatte er übel geträumt und er wusste, dass es im Grunde weniger ein Traum, als vielmehr Erinnerungen waren, die ihn da heimgesucht hatten.
 

Und natürlich war dem Anwalt vollkommen klar, was diese Erinnerungen aufgewühlt hatte. Er hätte den Fall dieses Jungen nicht annehmen dürfen. Er verfluchte sich selbst für den schwachen Moment, in welchem Stiles in gestern erwischt hatte.

Doch es half alles nichts, denn er hatte es versprochen. Und Peter mochte zwar zu Recht der Ruf vorauseilen, ein misanthropischer, zynischer, egozentrischer Mistkerl zu sein, doch er war immerhin ein Mann, der zu seinem Wort stand.
 

Es bedurfte einer Dreiviertelstunde Trainings auf seinem Laufband, einer ausgedehnten Dusche hinterher, zweier Aspirin, eines eiweißreiche Frühstücks bestehend aus Eiern und Bacon und mehrerer Tassen schwarzen Kaffees, ehe Peter sich für die Aufgaben des heutigen Tages ausreichend gewappnet fühlte.
 

Als allererstes musste er mit diesem Isaac sprechen, also fuhr er rüber ins Untersuchungsgefängnis. Peter hasste diesen Ort. Die Gerüche dort waren eine Zumutung. Menschliche Ausdünstungen, der Mief nach schlechtem, billigen Essen, dazu noch Reinigungsmittelschwaden, all dies wieder und wieder in einem ewigen Kreislauf umgewälzt, von der Klimaanlage des Gebäudes und niemals kam hier auch nur ein winziger Hauch Frischluft herein. Es war einfach nur widerlich!
 

Nun saß der Anwalt in einem panzerverglasten Besprechungsraum auf einem unbequemen, am Boden verschraubten Metallstuhl, an einem ebensolchen Tisch und wartete auf den Gefangenen. Das erste was Peter auffiel als dieser eintrat war, dass der Bursche wirklich groß war, beinahe einen Meter neunzig und damit fast zehn Zentimeter größer, als der Anwalt selbst. Damit hatte Peter nicht gerechnet. Nach Stiles Erzählungen war das Bild eines schmächtigen, dürren, kleinen Jungen in seinem Kopf entstanden, doch Isaac war zwar schlank und eher durchschnittlich athletisch, doch in irgendeiner Weise zierlich war ermit Sicherheit nicht.

Der Gefangene hatte einen dunkelblonden Schopf gelockten Haares, welches offensichtlich wieder einmal eines neuen Schnittes bedurfte und das grelle Orange der Gefängniskluft, sowie das allgegenwärtige, kalte Neonlicht in diesem Laden ließen den Burschen noch blasser wirken, als er es ohnehin bereits war.
 

Das Gesicht seines zukünftigen Mandanten konnte Peter erst genauer inspizieren, als dieser vom Wärter, welcher ihn hereingeführt hatte auf den gegenüberliegenden Stuhl gesetzt und von seinen Handschellen befreit wurde, denn bis zu diesem Zeitpunkt hatte der Gefangene missmutig den Kopf tief hängen lassen.

Es war ein hübsches, angenehmes Gesicht, in welches man gern schaute. Stiles hatte nicht gelogen, dieser Bursche war ziemlich süß. Die markante Kieferlinie und die ausgeprägten Wangenknochen bildeten einen reizvollen Gegensatz zu den weichen, rosigen, geschwungenen Lippen, welche dem Antlitz etwas sehr Junges und Unschuldiges verliehen.

Das war ausgezeichnet, denn solch ein Äußeres machte auf Geschworene häufig einen positiven Eindruck und verführte den einen oder anderen womöglich sogar dazu, im Urteil milder zu sein, als bei Jemandem mit einem unangenehmen, unsympathischen Erscheinungsbild.
 

Doch das wirklich hervorstechende in diesem Gesicht waren wohl die Augen. Sie waren groß, von blau-grauer Farbe, ihr Ausdruck eine Mischung aus Ängstlichkeit, Misstrauen, Sorge, aber auch eine beinahe kindlich anmutende Unschuld. Als sei darin der kleine Mensch über die Grenzen der Zeit konserviert, welcher damals die, von Stiles beschriebenen Misshandlungen und Ungerechtigkeiten über sich hatte erdulden müssen.

Etwas regte sich in Peter Hales Brust, ein unwillkommenes, kleines Gefühl, welches der Anwalt jedoch sogleich professionell abschüttelte, noch ehe sein Bewusstsein überhaupt vollkommen registriert hatte, worum es sich überhaupt handelte:
 

„Sie sind nicht mein Anwalt?“ stellte der Junge überrascht fest:
 

„Ich bin es NOCH nicht.“ berichtigte Peter ihn: „Wenn du dieses Schriftstück unterschreibst, wirst du den stümperhaften Rechtsverdreher los, welchen dir das Gericht gestellt und erhältst stattdessen meine exzellente Vertretung.“

Er reichte dem jungen Mann einen Kugelschreiber aus Sterlingsilber.
 

Dieser blickte erst auf das wertvolle Schreibgerät an und dann in das attraktive, markante Gesicht seines Gegenübers, ehe er klarstellte:

„Ich habe aber kein Geld. Ich kann sie nicht bezahlen. Und außerdem... wer sind sie denn überhaupt und warum wollen sie mir helfen?“
 

„Ja, das haben mein Neffe Derek und dein Kumpel Stiles bereits deutlich gemacht, dass du eine arme Kirchenmaus bist. Und Stiles muss wirklich etwas an dir liegen, denn er ist mir unglaublich damit auf den Wecker gegangen, dass ich dir aus deiner misslichen Lage heraus helfe. Ich bin Peter Hale.“

Der Anwalt schob dem Gefangenen eine seiner Visitenkarte über den Tisch: `Peter Hale und Deucalion Barnes – Attorneys at Law´ stand dort in geprägten goldenen Lettern zu lesen.
 

Einen Moment lang schien der Jüngere sprachlos zu sein, dann sagte er:

„Stiles hat zwar gesagt, er würde sich etwas einfallen lassen, doch... wow... damit habe ich echt nicht gerechnet.“
 

In den Augen des jungen Mannes erkannte Peter ein verdächtiges Glitzern. Er konnte mit Tränen jedoch schlecht umgehen. Sofern sie nicht im Zeugenstand vergossen wurden und seinem jeweils aktuellen Fall dienlich waren, empfand er sie als ausgesprochen unbehaglich, weshalb er rasch weitersprach, um den Jungen abzulenken:

„Das kriegen wir schon hin. Mach´ dir nicht allzu große Sorgen. Wie geht’s dir denn hier drinnen? Wie ist das Essen? Deine Zelle? Behandelt man dich gut? Bist du schon lange hier?“
 

„Ich bin seit eineinhalb Wochen hier. Essen tue nicht viel, denn ich bekomme einfach nichts runter. Die Behandlung ist... okay, denke ich. Aber... ich schlafe kaum. Die Zelle ist... klein, kein Fenster... ich...“

Der schöne Mund des jungen Mannes verengte sich zu einem weißen Strich und die Augen wurden starr, ihr Blick ungerichtet.

Er atmete tief durch, richtete sich gerade auf in seinem Stuhl und bemühte sich, ins Hier und Jetzt zurückzukehren:

„Tut mir leid, Sir. Nicht ihr Problem. Ich halte das schon aus.“
 

„Ist in Ordnung. Stiles hat mir ein bisschen von dir erzählt, ich verstehe. Aber nenn´ mich bitte nicht „Sir“, dann fühle ich mich alt! Sag einfach Peter zu mir, das reicht vollkommen.“ forderte der Rechtsanwalt: „Wenn du mir das Mandat überträgst, kümmere ich mich um alles weitere. Ich werde gleich Akteneinsicht und eine Freilassung auf Kaution für dich beantragen und wenn´s gut läuft, dann musst du keine weitere Nacht mehr in diesem netten Luxusetablissement verbringen.“
 

„Wirklich? Das geht?“ fragte Isaac fassungslos.

Er hatte inzwischen den Kugelschreiber ergriffen und überflog das Schriftstück, ehe er seinen Namen darunter setzte: „Danke, Sir... ähm... ich meinte, danke Peter! Tausend Dank! Ich... ich weiß gar nicht, was ich sagen soll?“
 

„Du musst überhaupt nichts sagen, Kleiner. Halt´ einfach noch ein bisschen durch, genieß´ dein letztes Mittagessen auf Staatskosten und wir sehen uns nachher.“ versicherte Peter, ehe er sich zum gehen wandte, um das nötige zu tun, um seine Versprechen gegenüber seinem Klienten in die Tat umzusetzen.



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