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Stille Herzen

von

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Die Frage

-Santi-
 

Der Lehrer sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an: »Ich muss sagen, du hast mich mit diesen Aufgaben wirklich überrascht. Ich bin froh, dass du den Stoff endlich verstanden hast, Santi. Das wird in der nächsten Prüfung abgefragt.«

Na super, die konnte ich also schon mal vergessen. Ich hatte nicht das Gefühl, dass ich es in diesem Leben noch verstehen würde.

»Das Kollegium hat sich untereinander abgesprochen, denn deine Noten sind leider nicht gut. Aber wir sehen, dass du dir Mühe gibst und da wir ohnehin noch jemanden suchen, der nach der Schule die Mathenachhilfe unterstützen kann, dachten wir, du könntest das machen.«

Wenn ich nicht vor dem Lehrer stehen würde, hätte ich mir in diesem Moment gerne die Hand vors Gesicht geschlagen. Ich und Mathenachhilfe? Nicht nur, dass es mir ohnehin schwerfiel vor Leuten zu reden, wenn ich das erklären sollte, wären sie bestimmt dümmer als vorher. Unruhig friemelte ich an meinem Hemd herum. Wie sollte ich da wieder rauskommen? Zugeben, dass Khiai die Aufgaben gemacht hat, konnte ich auch nicht. Dann würde er vermutlich auch Ärger bekommen.

»Aber…ich kann nicht gut vor Leuten reden«, versuchte ich mein Glück. Offensichtlich, wenn ich das nicht einmal vor dem Lehrer schaffte. Doch seine Miene blieb steinern: »Später auf der Arbeit kann es sein, dass du eine Präsentation halten musst, da interessiert das auch keinen. Sieh‘ es doch als Chance, es zu lernen.«

Wenn ich das könnte, hätte ich Khiai vermutlich schon ausgefragt. Widerwillig stimmte ich zu, musste das dann irgendwie anders lösen. Der Lehrer hatte mir gesagt, dass ich auch jemanden fragen könnte, der mithilft, aber das ging nicht. Denn es gab nur einen, der mir einfiel und ich wollte ihn nicht ausnutzen. Mit hängendem Kopf verließ ich das Lehrerzimmer und meine Laune besserte sich ein bisschen, als ich in Richtung Schuldach ging.
 

-Khiai-
 

Ich sah kurz auf, als Santi durch die Tür schritt. Es war schon die dritte Pause, die wir gemeinsam verbringen würden. Doch wie schon vor ein paar Tagen, sah er überhaupt nicht glücklich aus. Fragen wollte ich ihn nicht, es könnte schließlich sein, dass er einfach keine Lust hatte, mit mir abzuhängen. Seufzend ließ er sich auf die Bank fallen. Der Abstand zwischen uns verkürzte sich mit jeder Pause. Verstohlen betrachtete ich ihn, wie er dasaß, mit verschränkten Armen. Es war doch nur höflich, wenn man fragte, oder nicht? Du wirst nicht sterben, wenn du ihn doch fragst, versuchte ich mir selbst einzureden. Das war schließlich Santi und nicht irgendein Monster. Komm‘ schon! Ich starrte mein Essen an, mein Puls erhöhte sich. Ich gab mir einen letzten Ruck und fragte: »Ist alles okay?«

Es war so leise, dass ich nicht einmal wusste, ob er es überhaupt gehört hatte.

»Äh..ja. Also ich meine, nein«, gab er zurück. »Der Lehrer, bei dem ich die Aufgaben abgegeben habe, möchte, dass ich Mathenachhilfe gebe.«

Santis sanfte Stimme hallte in meinem Kopf wider. Ich spürte, dass mein Gesicht anfing zu brennen. Aber ich freute mich, dass ich gefragt hatte, denn das klang nach einem großen Problem. Er verstand die Aufgaben nicht, dann konnte er sie wohl schlecht anderen erklären.

»Musst du denn?«, ich versuchte meine Sätze so kurz wie möglich zu halten, um nicht zu stottern.

»Ja. Weil meine Noten schlecht sind.«

Er stand auf, lehnte sich an den Zaun und ließ den Blick in die Ferne schweifen. Ich stellte mein Essen neben mir ab. Derjenige, der ihn in diese Lage gebracht hatte, war ich, also musste ich etwas tun.

»Soll ich dir helfen?«, bei dem Gedanken auch nach der Schule Zeit mit ihm zu verbringen, kribbelte es in meinem Körper. Sein Kopfschütteln versetzte mir einen Stich.

»D-das ist nett von dir. Aber ich kann dich nicht ständig fragen, meine Probleme zu lösen.«

Ich sprang auf: »Doch kannst du!«

Was war das denn? Ich erschrak selbst darüber, wie laut meine Stimme war. Auch Santi sah mich mit großen Augen an. Sofort ließ ich mich wieder auf die Bank sinken. »Ich mein ja nur«, relativierte ich meine Aussage. Man, ich wollte doch unauffällig sein. Er findet mich jetzt bestimmt komisch. Stattdessen lachte er: »Dann…frage ich. Kannst du mir helfen?«

»Ja.«

»Danke. Aber du musst mir unbedingt sagen, wenn es etwas gibt, was ich für dich tun kann«, hörte ich ihn sagen. Er lächelte immer noch und ich verlor mich darin. Es gibt so viel, was du für mich tun könntest, aber danach würde ich niemals fragen.



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