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DestROYed

Side Stories: Roy
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
◓ Bedeutung von der Angabe 'Jahr -5': Raelene ist erst ab Jahr 0 der Champ von Galar. In anderen One-Shots gibt es große Zeitsprünge und sie werden nicht immer chronologisch sein, also ist das einfach nur für eine bessere Übersicht gedacht.

◓ Alter der Charaktere: Roy und Delion sind beide 13 Jahre alt.

◓ Inhalt: Ein Rückblick in die Kindheit/Jugend. Roy ist aufgefallen, dass Delion in letzter Zeit erschöpft wirkt, weshalb er ihn mit einem Spiel ablenken will. Außerdem gibt er dem jungen Champ von Galar auch noch einen Rat mit auf dem Weg, aufgrund von persönlichen Erfahrungen ... Komplett anzeigen

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[Jahr -5] Ich bin ein hungriges Pescragon!

Roy lauschte gespannt. Er versteckte sich gerade in irgendeinem Besprechungsraum im Rose Tower, wo sich, außer ihm, jedoch niemand aufhielt. Da die Tür nicht abgeschlossen gewesen war, hatte er das als Einladung betrachtet und wartete an diesem Ort nun auf eine ganz bestimmte Person. Schon nach wenigen Minuten wurde Roy aber ungeduldig und überlegte bereits, ob er wieder gehen sollte. Allerdings beschloss er noch ein kleines bisschen zu warten.

Die Tür war nur angelehnt, damit er es hören könnte, sollte draußen jemand vorbeilaufen. Im besten Fall die eine Person, die er überraschen wollte. Seufzend zupfte Roy an seiner dicken Jacke und überlegte kurz, ob er sie besser ausziehen sollte, entschied sich jedoch dagegen. Obwohl er die Drachen-Uniform nach wie vor mit Stolz trug, fühlte er sich mit seinem persönlichen Schutzschild einfach sicherer. An heißen Sommertagen wie heute war es trotzdem oft eine Quälerei.

Wenn Delion die ganze Zeit seinen protzigen Umhang tragen muss, schaff ich das auch!

Als plötzlich leise Schritte zu hören waren, vergaß Roy dieses Problem direkt und presste sich grinsend an die Wand neben der Tür. Eine Stimme ertönte, die ihm versicherte, dass es sich um Delion handelte, der sich seinem Standort näherte. Jackpot!

„Hey, Roy?“, sagte Delion leise, ein wenig nervös. „Hör auf damit. Ich hab doch gesagt, dass ich nicht Verstecken spielen will. Rose wartet auf uns ...“

Rose“, wiederholte Roy flüsternd. Genervt rollte er mit den Augen. „Der kann ruhig mal warten.“

Immer, wenn sie vom Liga-Präsidenten gerufen wurden, saßen sie meistens nur ewig in einer langweiligen Besprechung fest, von der Roy mindestens die Hälfte sowieso nicht richtig mitbekam. An solchen Terminen gab es nur einen einzigen Pluspunkt: Diese Tage waren eine seltene Gelegenheit Delion wiederzusehen und außerhalb eines Pokémon-Kampfes mit ihm abzuhängen.

Zumindest für kurze Zeit, denn in der Regel wurden sie schnell von irgendwem dazu angehalten sich auf die Arbeit zu konzentrieren. Aber nicht mit Roy! Amüsiert zog er sich die Kapuze über, wodurch es nun so aussah, als wäre er ein richtiger Drache – diese Jacke war inzwischen eine Art Markenzeichen von ihm. Anschließend wartete er noch einige Sekunden, bis Delion nah genug bei der Tür war und dann …

„Roy, ich meine es ernst!“, zischte Delion, frustriert. „Ich will keinen Ärger bekommen!“

Wie auf Stichwort riss Roy die Tür auf und sprang Delion entgegen, mit einem lauten, möglichst bedrohlichen Brüllen. Erschrocken zuckte sein Opfer zusammen und sah ihn mit großen Augen an.

„Roy?!“

„Ich bin nicht Roy!“, knurrte er bedrohlich. „Ich bin ein hungriges Pescragon und werde dich fressen!“

Verwirrt blinzelte Delion ihn an. „Aber … ohne Wasser können Pescragons angeblich nicht atmen.“

„Ich muss nicht atmen!“ Voll und ganz in seiner Rolle versunken, baute Roy sich vor ihm auf. „Ich brauche nur kleine unachtsame Champs, die ich fressen kann!“

Beschwichtigend hob Delion die Hände und wich einen Schritt zurück, stolperte sogar fast über den viel zu langen Umhang. Leichte Beute für einen Drachen.

„Wir sind dreizehn“, erinnerte Delion ihn. „Sollten wir mit so etwas nicht langsam mal … aufhören?“

Genau das war der Grund, weswegen Roy dieses Schauspiel abzog. Ihm war schon lange aufgefallen, dass Delion irgendwie anders war als früher. Nicht mehr so gelassen und fröhlich. Manchmal wirkte er sogar erschöpft. Deshalb war dringend eine große Portion Spaß nötig, um ihn wieder in die richtige Spur zu bringen.

„Nee, ich will dich lieber fressen~“, betonte Roy, mit einem breiten Grinsen. „Ich zähle bis drei. Wenn du dann nicht wegrennst, stürze ich mich auf dich.“

Fassungslos hielt Delion den Atem an. „Was?!“

„Eins.“

„Roy, lass das endlich!“

„Zwei.“

„Muss das ausgerechnet hier sein?! Wir werden irgendwen stören!“

„Drei!“

Sofort schnellte Roy nach vorne und versuchte ihn mit beiden Händen zu packen, doch Delion wich geschickt aus. Plötzlich huschte ein leichtes Lächeln über seine Lippen, bevor er doch lieber die Beine in die Hand nahm und vor dem bösen Pescragon davonlief, das sofort die Verfolgung aufnahm. Immer wieder stieß Roy ein bestialisches Brüllen aus, während er Delion jagte.

Zu ihrem Vorteil war auf den meisten Gängen nichts los, wahrscheinlich waren die Erwachsenen alle irgendwo beschäftigt oder saßen einfach nur apathisch an ihren Schreibtischen. Also hatten sie freie Bahn.

„Mist!“, keuchte Delion, der mehrmals beim Rennen auf seinen Umhang trat.

„Hast du Probleme, Leckerbissen?! Mit diesem Ding wirst du nicht weit kom-“

Roy erschrak, als ihm auf einmal Delions Umhang entgegen flog und ihn stark ausbremste. Überrascht starrte er auf den roten Stoff, den er nun im Arm hielt, und sah zu Delion, der in der Zwischenzeit lachend einen Vorsprung gewann. So gefiel er Roy schon viel besser, aber verlieren würde er dieses Spiel deswegen garantiert nicht! Rasch warf er den Umhang weg und rannte Delion weiter hinterher.

Auf dieser Etage des Rose Towers, relativ weit oben, gab es überwiegend viele lange Gänge, mit wenigen Abzweigungen, weshalb Roy Delion nicht aus den Augen verlieren konnte. Nach und nach warfen einige Leute einen kurzen Blick aus ihren Büros, wegen des Lärms, und schüttelten verständnislos über die beiden den Kopf. Davon ließen sie sich jedoch nicht ablenken, denn dafür hatten sie zu viel Spaß an dieser Jagd.

Bald war es Roy gelungen, die Distanz zwischen ihnen so weit zu verringern, dass er ein riskantes Manöver wagte: Mit Schwung machte er einen ordentlichen Satz nach vorne, geradewegs auf Delion zu – den er tatsächlich erwischte!

Zusammen fielen sie zu Boden, wo Roy seine Beute fest mit Armen und Beinen umklammerte. Die Kappe von Delion flog dabei von seinem Kopf, auch Roys Kapuze rutschte wieder runter und somit sah er nur noch halb so bedrohlich aus. Seiner effektiven Fesseltechnik schadete das trotzdem nicht.

„Hab dich~“, rief er, so energiegeladen als hätte die Jagd ihn gestärkt statt ausgelaugt. „Du hast verloren!“

Lachend versuchte Delion sich aus seinem Griff zu befreien. „Okay, du bist der Sieger! Jetzt lass mich los.“

„Von wegen, es ist Essenszeit!“

So weit wie möglich öffnete Roy den Mund und näherte sich Delions Schulter, was diesen leicht in Panik versetzte. „Lass das! Du benimmst dich echt wie ein wildes Pokémon!“

„Hm?“ Roy hielt inne und grinste ihn an. „Sagt der, der sich die Haare wachsen lässt wie ein Höhlenmensch.“

„Idiot“, beschimpfte Delion ihn halbherzig.

„Falsch, ich bin ein Pescragon~!“

Wieder musste Delion herzlich lachen, wovon Roy sich anstecken ließ. Wie es aussah, war ihm diese Mission geglückt. Ein sagenhafter Erfolg! Darüber freute er sich vermutlich mehr als Delion, der nach Luft schnappte und versuchte sich zu beruhigen.

„Friss mich trotzdem nicht“, bat Delion lächelnd. „Sonst können wir keine Pokémon-Kämpfe mehr austragen.“

„Guter Einwand. Dann mache ich mal eine Ausnahme, weil du es bist~.“

Mit diesen Worten lockerte Roy seinen Klammergriff und entließ Delion in die Freiheit, der sich auf die Seite rollte. Sein Gesicht hatte durch das Fangspiel richtig an Farbe gewonnen. Äußerst zufrieden richtete Roy sich auf und atmete tief durch. Bald darauf gelang es auch Delion sich anständig hinzusetzen und sah ihn eindringlich an, worauf Roy unschuldig mit den Schultern zuckte.

„Also echt, für so etwas ist es eigentlich viel zu heiß“, merkte Delion an.

Obwohl Roy in der Tat schweißgebadet war, gab er sich ratlos. „Heiß? Ich merke nichts.“

„Du merkst so einiges nicht~.“

„Das ist meine Stärke, weißt du?“

Leider wurde die gelöste Stimmung schlagartig von einer kühlen Frauenstimme unterbrochen, die aus dem Nichts zu kommen schien: „Wahre Stärke erlangt man sicher nicht, indem man anderen Probleme bereitet.“

Nicht nur Delions Lächeln starb augenblicklich, auch Roy war alles andere als begeistert, denn sie kannten diese Stimme nur zu gut. Synchron lenkten sie den Blick zur Seite. Tatsächlich, da stand Olivia, nur wenige Meter entfernt. Die gefürchtete, strenge Assistentin von Rose. Ihre hellen Augen musterten sie ausdruckslos, dafür sprach ihre Körperhaltung Bände. Fehlte nur noch, dass ihr langes, blondes Haar verheißungsvoll im Wind wehte.

In einer Hand hielt sie Delions Umhang und in der anderen seine Kappe, beides musste sie unterwegs aufgelesen haben.

„Ist euch bewusst, dass der Präsident schon auf euch wartet?“, fragte sie, in einer unheimlich tiefen Tonlage. „Im Gegensatz zu euch ist sein Tag lückenlos verplant, mit weiteren Terminen, zu denen er sich nun, dank euch, durchgehend verspäten wird. Und das sehen Geschäftspartner gar nicht gerne.“

Schuldbewusst senkte Delion den Kopf. „Entschuldige, Olivia. Wir kommen sofort.“

„Gut, sonst können wir uns die Mühe in Zukunft auch sparen, die wir uns mit euch geben.“

Zu gerne hätte Roy sich gegen diese verbale Spitze gewehrt, doch er wollte Delion nicht noch mehr Ärger zumuten. Außerdem sollte er Olivia besser keinen weiteren Grund dazu geben, sich bei Rose über ihn zu beschweren, sonst kostete ihn das am Ende nur seinen Posten als Arena-Leiter. Besonders vor dieser Frau wollte Roy nicht schwach erscheinen, weshalb er ihren stechenden Blick standhaft erwiderte.

Dummerweise traf er scheinbar dennoch irgendeinen Nerv bei Olivia, da sie ein wenig die Nase rümpfte. „Ich denke, für heute genügt es, wenn nur Delion seinen Termin noch wahrnimmt. Deine Anwesenheit ist nicht zwingend nötig. Sämtliche Belange bezüglich deiner Person können warten.“

Übersetzt sollte das wohl bedeuten, dass Roy nicht wichtig war. Schmerzhaft. Seine Fans würden ihr bestimmt widersprechen, eventuell sogar Rose selbst, leider waren sie jedoch gerade nicht vor Ort. Sonst könnte Olivia einpacken. Davon war Roy überzeugt – jedenfalls versuchte er, sich das einzureden.

Besorgt sah Delion ihn an, doch Roy zuckte nur gleichgültig mit den Schultern. „Pff, na schön. Ich genieße eh lieber das Wetter, statt wie ihr bei dieser Hitze in einer Besprechung festzusitzen.“

„Grandios, demnach bekommen wir alle, was wir wollen“, fasste Olivia schnippisch zusammen. „Gehen wir, Delion.“

Nickend sprang er auf und nahm dankend seine Sachen von ihr entgegen, während Roy etwas weniger enthusiastisch war. Einen Teil des Weges legte er zusammen mit Olivia und Delion zurück, bis er an einer Stelle abbiegen musste, um zum Aufzug zu gelangen. Ein Glück, das frostige Schweigen zwischen ihnen war schlimmer als jeder Eisstrahl oder Blizzard.

„Bis dann, Roy!“, verabschiedete Delion sich.

Träge warf er einen Blick über die Schulter und bemerkte, dass Delion ihm heimlich durch einige Gesten noch etwas zu sagen versuchte. Roy verstand keine einzige davon, weil keine ansatzweise Sinn zu machen schien. Wenn Delion auf so eine Art der Kommunikation zurückgriff, sollte er sie wirklich besser beherrschen. Der hoffnungsvolle Gesichtsausdruck, mit dem er Roy ansah, machte es nur noch schlimmer.

Bevor Olivia misstrauisch werden konnte, nickte er Delion zu. „Ja, bis dann!“

Anschließend gingen sie getrennte Wege. Kurz darauf fuhr Roy bereits mit dem Aufzug nach unten, Richtung Freiheit, und versuchte krampfhaft zu überlegen, was Delion von ihm gewollt hatte. Irgendwann stieß er einen leisen Fluch aus.

„Mann, du weißt genau, dass ich nicht gerne nachdenke!“

 
 

***

 

Etwas mehr als eine Stunde verging. Gelangweilt hatte Roy die ganze Zeit unten in der Lobby gewartet und sich schrecklich gelangweilt. So sehr, dass er sich zusammenreißen musste, nicht einfach irgendwelche Leute anzusprechen, die zufällig in der Nähe standen. Schlimmstenfalls gammelte er vollkommen vergeblich an diesem Ort ab, weil er nicht wusste, ob Delion überhaupt auftauchen würde – immerhin wäre es möglich, dass er von der Spitze des Rose Towers von einem Krarmor-Taxi abgeholt wurde.

Eine Weile hatte Roy sich zwar mit seinem Handy ablenken können, doch das war schnell am Ende seiner Kräfte gewesen. Wann erfand endlich jemand ein Gerät, dem niemals der Saft ausging und mit dem man problemlos jederzeit überall ins Internet oder Fotos machen konnte? Wäre das zu viel verlangt? Außer ihm gab es sicher noch mehr, die sich darüber freuen würden.

Jedes Mal, wenn sich die Aufzugstür öffnete, hielt Roy erwartungsvoll den Atem an. Bislang waren es aber nur Nieten gewesen. Niemand, über den er sich freuen konnte. Nach einer gefühlten Ewigkeit sollte seine Geduld endlich belohnt werden, denn irgendwann war es tatsächlich Delion, der die Lobby betrat. Und sein Gesicht strahlte sofort, kaum dass er Roy erblickte.

„Da bist du ja!“ Eilig lief er zu ihm. „Gut, du hast mich also verstanden~.“

„Tja ...“, erwiderte Roy trocken. „Ehrlich gesagt, hatte ich keine Ahnung, was du von mir wolltest. Du bist echt mies in Zeichensprache.“

Sichtlich verwundert neigte Delion den Kopf. „Und trotzdem hast du hier auf mich gewartet?“

„Sieht so aus, oder?“

„Warum?“

Schnaubend tippte Roy ihm gegen die Brust. „Frag doch nicht so blöd. Du weißt genau warum.“

„Ach so!“ Delions Gesicht fing an zu strahlen. „Klar~.“

Irgendwie zweifelte Roy daran, dass er tatsächlich verstand, was gemeint war. Vorerst ließ er es dennoch so stehen und nahm Delion lieber genauer in Augenschein. „War es eigentlich sehr schlimm?“

„Was meinst du?“

„Die Besprechung mit der Schmalzlocke und der Schreckschraube.“

„Hey, sei nicht so gemein“, wies Delion ihn zurecht, dessen Lächeln etwas schwächer wurde. „Sie meinen es nur gut. Sei froh, dass die beiden für uns die ganzen komplizierten Sachen übernehmen und alles regeln lassen.“

„Du bist viel zu nett“, urteilte Roy, ein wenig genervt.

„Ist das schlecht?“

„Hm ...“

Einige der Anwesenden in der Lobby starrten die beiden neugierig an und tuschelten leise über sie. In der Regel störte Roy sich sonst nicht an dieser Art von Aufmerksamkeit, gerade erschien es ihm jedoch lästig. Darum winkte er Delion mit sich und ging Richtung Ausgang. Er wollte nicht noch länger als nötig in diesem Gebäude bleiben. Ihm gefiel es hier ohnehin nicht. Etwas am Rose Tower fühlte sich falsch an. Vielleicht reagierte Roy aber nur schlicht allergisch auf das stressige Arbeitsklima. Pokémon-Kämpfe machten eindeutig mehr Spaß.

Draußen war es schon wesentlich angenehmer, sogar Delion holte tief Luft. „Ah, schön~.“

Wolkenloser Himmel. Sonnenschein. Meikros und Dusselgurrs zogen friedlich ihre Bahnen über ihnen. Die lebhafte Geräuschkulisse einer Großstadt um sie herum. Ja, es war definitiv schön. Etwas trübte trotzdem immer noch Roys Stimmung.

Misstrauisch warf er nochmal einen Blick zum Rose Tower, bevor er sich ernst an Delion wandte. „Hör mal, pass bitte etwas besser auf dich auf.“

Ehe Delion fragen konnte, was genau er meinte, stolperte er erneut über den Umhang und flog plötzlich nach vorne. So schnell, dass Roy nicht rechtzeitig reagieren konnte, sonst hätte er versucht ihn festzuhalten. Im nächsten Augenblick lag Delion aber schon auf dem Boden und nuschelte etwas vor sich hin, wovon Roy kein einziges Wort verstehen konnte.

Hastig kniete er sich neben Delion. „Ey, so passt man nicht auf sich auf!“

Darauf folgte nur abermals unverständliches Nuscheln.

„Hast du dir wehgetan?“

„... Nein“, antwortete Delion, der sich daraufhin wieder aufrappelte und seufzte. „Ich kann nur nicht laufen.“

„Mit dem Ding könnte niemand richtig laufen.“

Kaum standen sie wieder, griff Roy kurzentschlossen nach dem Umhang und nahm ihn Delion ab, der nicht mal dagegen protestierte. Statt ihn zurückzugeben, warf Roy ihn sich nur über die rechte Schulter, um ihn für Delion zu tragen, solange sie zusammen unterwegs waren. Schließlich war er ein gutes Stück größer. Auf den Kommentar hin, dass Delion zu wenig Drachengene in sich habe und deswegen einfach nicht richtig wuchs, lachte er nur amüsiert.

„Eines Tages überhole ich dich“, sagte Delion entschlossen. „Wirst schon sehen!“

„Nee, wirst du nicht. Garantiert nicht.“

„Was macht dich da so sicher?“

Stolz reckte Roy das Kinn nach vorne. „Na, weil ich die Drachengene habe, die dir fehlen~.“

„Vielleicht stimmt das sogar“, meinte Delion schmunzelnd. „Als Pescragon warst du sehr überzeugend. Diese Drachen-Masche hast du voll drauf.“

„Das ist keine Masche“, korrigierte Roy ihn.

„Wenn du meinst~.“ Lächelnd faltete Delion die Hände hinter dem Kopf und blickte in den Himmel. „Okay, was wolltest du mir eben sagen? Bevor ich hingefallen bin.“

Ohne Umschweife fuhr Roy direkt da fort, wo er unterbrochen worden war: „Rose und Olivia. Sei bei den beiden vorsichtig. Offenbare dich ihnen gegenüber nicht zu sehr, sonst nutzen sie das eines Tages nur aus. Zu deinem Nachteil.“

„Wow ...“, hauchte Delion, und zog die Augenbrauen zusammen. „Du kannst sie echt nicht ausstehen, was?“

Grummelnd überholte Roy ihn, mit einigen großen Schritten, bis er sich Delion in den Weg stellen konnte, so dass dieser den Blick vom Himmel löste und ihn unsicher ansah.

„Wahrscheinlich nutzen sie dich schon aus, ohne dass du es merkt, weil du so … naiv bist.“ Wütend huschte Roys Blick ein weiteres Mal kurz zum Rose Tower. „Ich will nicht, dass dir was passiert. Glaub mir, ich weiß, dass man nicht blind jedem trauen kann.“

„Was soll mir denn passieren?“ Vollkommen überfordert gestikulierte Delion mit den Händen. „Und woher willst du das so genau wissen?“

„Ich weiß es eben!“, schrie Roy aufgebracht.

Schockiert starrte Delion ihn an. So laut war er noch nie geworden, was auch Roy selbst überraschte. Normalerweise hielt er sich stets zurück. Die Unsicherheit musste ihm anzusehen sein, denn Delions Mimik entspannte sich schnell wieder. Nervös wandte Roy sich ab und zog sich die Kapuze über den Kopf. Innerlich sprach er mehrere Flüche aus.

Warum war er ausgerechnet vor Delion so emotional geworden? Sicher, Roy mochte ihn. Mit ihm abzuhängen war lustig und er verstand viel von Pokémon. Deswegen war es schade, dass sie sich meistens nur zu besonderen Anlässen sahen. Seiner Meinung nach waren das trotz allem nicht genug Gründe, die Fassade bröckeln zu lassen. Vielleicht lag es daran, dass …

Delion ist mein erster, richtiger Freund, seit das mit Sho damals passiert ist.

Auf einmal verlor Roy das Upgrade seines Schutzschildes, obwohl er es gerade eben erst aktiviert hatte, denn Delion zog die Kapuze vorsichtig von seinem Kopf und lächelte ihn beruhigend an. Unruhig wich Roy zurück und überlegte, ob er am besten wegrennen sollte, doch das wäre zu auffällig. Wenn er sich möglichst gelassen gab, könnte Delion seinen Ausbruch vorhin nur als einzigartige Ausnahme werten.

„Ich werde besser auf mich aufpassen“, versprach Delion, mit diesem unverschämt unschuldigen Grinsen. „Danke, dass du dir solche Gedanken um mich machst~.“

„Ach, das ist nur … weil ...“ Verzweifelt rang er nach Worten. „Weil du der einzige ernstzunehmende Gegner bist! Ich mag die Pokémon-Kämpfe mit dir. Das ist alles.“

„Gut, die mag ich nämlich auch~.“

Diese gesamte Situation war schon peinlich genug, diese Gutmütigkeit setzte dem Ganzen nur noch die Krone auf. Hoffentlich hätten sie nie wieder so ein Gespräch. In Zukunft musste Roy dringend besser aufpassen und nachdenken, statt drauflos zu reden – etwas, worin er grottenschlecht war.

Genervt setzte Roy sich wieder in Bewegung, Delion folgte ihm gut gelaunt.

„Also, was machen wir jetzt? Du warst schließlich derjenige, der wollte, dass ich warte“, hakte Roy nach, während er ziellos weiterlief – Hauptsache weit weg vom Rose Tower. „Wolltest du mich nur unbedingt nochmal sehen, bevor wir uns wieder ewig nicht zu Gesicht bekommen? Gib es ruhig zu, dann schenk ich dir zu deinem nächsten Geburtstag ein Foto von mir~.“

Freundschaftlich boxte Delion ihm gegen die Schulter. „Ich hab schon genug Fotos von dir. Lass uns lieber etwas unternehmen! Alleine verlaufe ich mich in Score City immer, also dachte ich, wir könnten zusammen eine Rundtour machen.“

Erstaunt starrte Roy ihn an. „Willst du mir etwa weismachen, du hast die Stadt noch nie richtig erlebt? Du warst doch schon so oft hier.“

„Ich lande aber immer nur in irgendwelchen dunklen Ecken oder in der nächsten Stadt“, erklärte Delion, wobei er weiter unschuldig lächelte.

Natürlich wusste Roy, wie schlecht es um Delions Orientierungssinn bestellt war, doch er ahnte nicht, dass es so grausig sein sollte. In dem Fall gäbe es in der Tat einige spannende Dinge, die er ihm zeigen könnte. Das weckte spontan die Motivation in ihm.

„Also gut, dann spiele ich heute gerne den Stadtführer für dich~“, verkündete Roy.

Begeistert bedankte Delion sich bei ihm. Eigentlich lud er Roy sonst nicht von sich aus dazu ein, etwas zusammen zu unternehmen. Ein Grund mehr, diesen Tag so richtig zu genießen. Also griff Roy nach Delions Hand und rannt mit ihm los, wobei er schon im Vorfeld begeistert darüber sprach, was man in Score City gesehen haben muss und vor allem wo man die besten Schnappschüsse machen konnte.



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