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Tribal

I`ll be your home
von

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The man who fell from the sky

Die Sonne stand schon eine ganze Weile hoch am Himmel und wärmte die Insel unter sich.

Vögel zwitscherten wild im dichten Dschungel der Insel umher, etwas was völlig normal war zu dieser Jahreszeit. Es war Frühling und die Tiere fingen an sich wieder aus ihrem Winterschlaf zu erheben und nach Partnern zu suchen. Es war also das reinste Affentheater und nicht nur wegen der lauten Affen die im Dschungel lebten. So gab es Liebesgeflüster an jeder Ecke, auch wenn eine spezielle Gattung das nicht als Worte verstand sonder dies nur aus Gewohnheit kannte und somit begriff. Und für einen war es besonders nervig. Es lenkte ihn von seinem Training ab.

Blitzschnell zischte er durch die Büsche. Flink wie ein Leopard und nicht zu bremsen wie ein aufgewühltes Wildschwein, rannte der Junge durch den Dschungel. Nur das Rascheln von Blättern und die Schritte seiner Füße hallten umher während er das Tier verfolgte was seine Beute war. Er war auf der Jagd. Nicht weit vor ihm konnte er es sehen. Wie es panisch davon rannte und krisch. Versuchte sein Leben zu retten, weil es genau wusste dass man ihm nach diesem trachtete. Das gräuliche und gut 120 Zentimeter hohe Tapir rannte auf seinen vier Hufen durch das Dickicht als wäre der Teufel hinter ihm her. Was nicht mal so falsch war in Anbetracht der Umstände, denn dieser Junge war wirklich ein Teufelsbraten.

Es floh über Stock und Stein. Hüpfte über eine umgefallene Palme und konnte seinen Angreifer dennoch nicht abhängen, der fast hinter ihm einen leichten Satz über den Baum machte als wäre es nichts gewesen. So kam er immer näher und das Tier geriet mehr und mehr in Panik. Es schrie, machte Harken beim rennen, duckte sich unter tief hängenden Ästen hinweg, aber es bekam ihn einfach nicht mehr los. Dieser Angreifer war anhänglich. Ein Raubtier das man nicht unterschätzen durfte. Und diese Hetzjagd war nun schon seit 10 Minuten am laufen. Doch im Gegensatz zu dem Tier, dass keinerlei Ahnung hatte was passieren würde, hatte der menschliche Junge schon einen Plan den er gezielt verfolgte. Nicht umsonst hetzte er es über den Boden des Dschungels. Er wartete nur auf seine Gelegenheit und auf den Ort an dem die Falle zuschnappte, denn das würde bald sein. Und nach wenigen Sekunden sah er vor sich auch schon was er sehen wollte.

Das Tier rannte panisch vorne weg und genau auf einen nach links runter fallenden matschigen Hang zu. Etwas Wasser plätscherte diesen ebenfalls hinab und genau das war seine Falle. Das Tapir war so außer Puste und panisch, durch diese Hetzjagd, dass es ohne zu denken darauf zu rennen würde. Der Junge sah es schon vor seinem inneren Auge: Mit den Hufen rutschte es dann ab und polterte den Hang runter in eine kleine Wassergrube und danach würde er leichtes Spiel haben und es da unten erlegen! Alles klappte nach Plan!

So zückte er den schön verzierten Speer, mit Federn und bunten Bändern um den Stiel, und den er die ganze Zeit in der rechten Hand neben sich hatte, etwas weiter nach vorne und machte sich bereit. Wenn es runter rutschte konnte er auf es springen und es schon mal damit verletzen! Er würde den Speer in die Seite schlagen und dann mit dem Tier hinab rutschen. Unten bekam es dann den Todesstoß! Die Wassergrube, am Ende der Rutsche, eignete sich perfekt dafür, denn das Tapir musste verletzt schwimmen, würde dafür keine Kraft mehr haben und war somit erledigt. Danach konnte er es locker an Land schieben, denn das Wasser würde es leichter machen. So fixierte er es genau vor sich an. Nur noch wenige Meter. Gleich hatte er es! Er war kurz davor!

Doch dann passierte etwas völlig unerwartetes. Etwas womit er nicht gerechnet hatte…das Tier schlug hart nach links aus. Kurz bevor es die Hufe auf den matschigen Hang setzte, machte es eine volle Bremsung und einen Harken nach links. Lief dann auch links den Hang, auf dem harten Boden hinunter und der Junge rannte weiter nach Plan nur gerade aus. Ein böser Fehler. Er war so erschrocken von diesem Geschehen dass er selber nicht mehr bremsen konnte und auf den rutschigen Hang kam. Nach wenigen Sekunden verlor er den Halt auf den Füßen und rutschte aus! Anstatt dass das Tapir den Hang runter polterte war es nun ER der alles abbekam. So schrie er kurz auf vor Schreck und ließ die Waffe aus Reflex fallen. Das war etwas was er früh gelernt hatte. Weg mit der Waffe bei Stürzen, denn sonst könnte sie am Ende noch in dir selbst landen und dich verletzten oder gar töten! Also ließ er sie rechts von sich los und kullerte seitlich den Hang hinunter. Es war weich und matschig, aber jeder noch so kleine, einzelne Stein auf der Route knallte in seine Haut und riss in den freien Oberkörper kleine Schnitte, oder löste halt später blaue Flecken aus. Es tat weh und es kam ihm ewig vor bis er endlich die Erde verließ und in die kleine Wassergrube viel, in welcher er dann untertauchte durch die Wucht des Aufpralls. Schnell riss er sich unter Wasser zusammen und schüttelte den Kopf, tauchte sofort auf und hustete an der frischen Luft. Als er seine Augen auf machte und nach links sah erblickte er wie dieses Mistvieh da einfach weiter panisch runter gerannt kam und vor ihm von links nach rechts an der Grube vorbei rannte. Peinlich, denn er war schneller unten gewesen als dass Tapir. Und nun würde es ihm entkommen. Aber etwas anderes geschah plötzlich.

Das Tier krisch schlagartig auf und donnerte im Rennen auf den Boden, rutschte sogar noch etwas über diesen. Dann lag es da und bewegte sich noch leicht, bis es aufhörte und sich nicht mehr rührte. Der Junge konnte bereits den großen Pfeil sehen der in der Halsschlagader des Tieres stecke und damit jenes Leben beendet hatte. Aber genau das machte ihn sauer.

Sofort verzog er muffig das Gesicht und sah nach links neben das tote Tier, denn er sah wer da kam. Typisch. Er hasste es so sehr. Von dem Baum daneben kam ein Mann heruntergesprungen. Er machte sich, im Fall, bereits den Bogen auf den Rücken und legte beide Hände an seine Hüfte. Blickte den Jungen an als hätte eine schlechte Leistung abgegeben. Aber dennoch war da noch ein frecher Unterton zu sehen. Der Junge im Wasser respektierte ihn…aber verdammt noch mal hasste er diesen frechen und allwissenden Ausdruck in seiner Fresse! Dann lief der Mann neben das tote Tapir und sprach mit verschränkten Armen zu dem Jungen im Wasser:

„Na das war ja ein Spektakel! Sag nicht dass du dafür auch noch Eintritt verlangst! Ich bin momentan nicht in der Lage zu zahlen, hehe!“

Er lachte weiter, was den Jungen sehr aggressiv machte und er aus dem Wasser zurück fauchte:

„Halt den Rand Vater!! Ich hatte es alles perfekt geplant!“

Der Vater sah seinen patschnassen Sohn frech an und blickte dann wieder auf das Tapir neben sich als er sprach:

„Ach ja? Aber anscheinend hast du dich mit dem Tapir nicht richtig abgesprochen, oder Hana? Das kannte deinen Plan wohl nicht!“

Dann sah er wieder zu seinem Sohn, der ihm einen verdammt muffigen Blick entgegenwarf der ihn hätte töten sollen. Nur um kurz danach seinen vorher verlorenen Speer auf den Kopf gedonnert zu bekommen der nun endlich auch am Ende der Rutschpartie angekommen war. Es knallte kurz durch den Aufprall auf seinem Holzkopf und Hana nahm diesen dann sauer in seine rechte Hand und schwamm ans Ufer zu seinem Vater. Dieser hatte sich bereits locker in einen Schneidersitz gesetzt und lächelte seinem Sohn freundlich zu.

Oh mann wie sehr Hana dieses Lächeln hasste. Es war kein: das war super, Lächeln. Mehr so ein: Ha Ha du Versager, Lächeln! Er kannte die verschiedenen Arten wie sein Vater lächelte inzwischen sehr gut, hatte ja 16 Jahre dafür Zeit gehabt. So kroch er aus dem Wasser raus. Legte seinen Speer rechts neben sich auf den Boden und fing an, auf den Knien, sein nasses Haar auszuwringen. Sein Vater sah ihm dabei zu.

Hana hatte noch viel zu lernen, denn das war eben mal wieder eine Pleite gewesen, aber man konnte nicht daran zweifeln dass er ein hübscher Junge war. Mann konnte schon sagen: Da hatte Papa ganze Arbeit geleistet! Okay nicht nur er, die Mutter war auch daran schuld das sie so ein hübsches Kind hatten. Manchmal dachte er schon darüber nach ob es nicht besser wäre Hana einfach mit einem starken Mann aus dem Dorf zu verloben und Hana in die Küche zu sperren. Aber er war sein Sohn und nur ER sollte den Stamm mal führen. Mal abgesehen davon konnte Hana nicht wie seine Mutter ein Kind bekommen. Dieses Gen ging an ihm damals vorbei. Auch wenn er etwas feiner und weiblicher wirkte als andere Jungs in seinem Alter. Aber das war nur äußerlich. So begutachtete er ihn während er wartete dass er fertig wird.

Hana war wunderschön. Er war schlank und nicht klein. Obwohl er etwas dünn wirkte war er gut in Form und besaß zarte Muskeln von oben bis unten am Körper. Er saß da, nur mit einer lockeren und langen, grünen Hose bekleidet. Sein Oberkörper war frei und er hatte leichte blaue Bemalungen mit Farbe auf diesem. Sie waren gemacht worden um zu zeigen dass er heute eine Jagdprüfung hatte. Seine Haare waren so lang das sie ihm bis zum Schlüsselbein hingen und in einem leicht dreckigen Goldblond schimmerten. Diese Haarfarbe hatte er von seiner Großmutter, der Mutter seines Vaters, vererbt bekommen. Zwei Federn steckten rechts oben im Haar fest zur Zierde. Und seine Augen waren scharf und leuchteten in demselben dunklen Bernsteingelb wie die seiner Mutter. An seinen Füßen waren nur weiße Schläppchen. Die er nun aber wütend auszog und an den Baum links von seinem Vater donnerte.

Wie immer. Er war wieder mal wütend und es ging ihm nicht schnell genug. Dieses Kind hatte einfach keine Geduld. Von wem hatte er das nur? Von ihm sicherlich nicht! So lächelte sein Vater, dessen Name Hao war, wieder etwas und sprach:

„Barfuß wäre es auch nicht besser gelaufen.“

Das konnte Hana gerade abhaben! Diese dummen Sprüche! Er setzte sich mürrisch in den Schneidersitz und verschränkte die Arme wütend vor sich, als er seinen Vater anschrie:

„Spar dir die Sprüche Vater! Es lief alles so wie ich es wollte! Und dann kommt diese dumme Sau einfach auf die Idee vorher abzubiegen! Woher sollte ich das denn wissen?!“

Oh mann seine Aussprache war ja wieder mal sehr elegant an dem Tag. Typisch Hana, er sah mal wieder das Gesamtbild nicht und nur den Moment. Wurde Zeit ihn mal wieder etwas aufzuklären und auf den Boden der Tatsachen zu holen. Verdammt dieses Kind hatte einfach zu viel Feuer. Hao schnaufte und sprach ruhig:

„Merkst du denn eigentlich nicht dass du einen katastrophalen Fehler nach dem Anderen machst? Seit du diese Jagd begonnen hast ging alles schief. Ich habe dich weiter machen lassen, weil du nur so aus deinen Fehlern lernen kannst. Aber es tat echt weh dir zuzusehen. Das Fährtenlesen hast du drauf, aber kaum als du das Tapir im Visier hattest ging einfach alles schief! Du bist ungeduldig, brichst aus deiner Deckung aus und treibst es durch den Wald wie ein tollwütiger Wolf! Du rennst deiner Beute blind hinterher, anstatt du dir lieber Gedanken machst wie du es lautlos töten kannst! Ein Tapir ist ein Fluchttier! Du kannst nicht mithalten, es ist geboren worden um zu flüchten! Bei einem solchen Tier solltest du versuchen es schnell und lautlos zu töten. Wie mit einem Bogen zum Beispiel.“

Er zeigte dabei hinter sich und auf die Waffe auf seinem Rücken. Hana sah kurz zum Bogen hin und sein Vater fuhr fort:

„Aber du willst alles lieber mit deinem Speer, wie ein wütender Affe, kaputt schlagen!“

Hana erhob Einspruch:

„Ich mag nun mal keine Bögen! Das sind Waffen für Feiglinge! Ich bin ein Kämpfer! Ich kämpfe ehrenhaft von Angesicht zu Angesicht!“

Nicht das schon wieder. Hao seufzte.

„Du bist mehr ein Maulwurf der blind um sich schlägt.“

„Was?! Nimm das zurück!“

„HANA!“

Und nach langer Zeit erhob er mal wieder seine Stimme gegenüber seinem Sohn, so das Hana automatisch zusammen zuckte und ihn muffig, aber still ansah. Er hatte vor nichts Angst. Aber wenn sein Vater mal lauter wurde, was an sich schwer zu erreichen war, dann klang das sehr bedrohlich und er hatte sofort vollsten Respekt vor ihm. Er war nicht irgendwer. Er war der Häuptling der Patcheen und der stärkste Krieger im Stamm. Sein Vater war größer als er und stark gebaut. Meist trug er immer seinen Poncho über seinem Oberkörper, der mit schönen Schmuck und Bemalungen verziert war. Auch hatte er immer sein langes, dunkelbraunes Haar offen, genau wie Hana. Das von seinem Sohn war aber nicht annähernd so lang wie das von Hao. Auch trug er in seinem Haar rechts zwei Federn am Hinterkopf. Lange Federn eines Adlers. Und je länger er ihn streng und sauer ansah, umso eingeschüchterter fühlte sich Hana. Er hasste es so sehr. Diesen Blick. Nie würde er freiwillig seinem Vater wiedersprechen. Sicher er war der Häuptling der Patcheen, aber er war noch so viel mehr als das. Gerüchten zufolge war er ein ungeschlagener Krieger. Keiner hatte ihn bisher besiegen können, egal ob fairer Kampf oder nicht. Und es hielt sich auch hartnäckig das Gerede dass sein Vater einst einem Gott gegenüberstand und diesen bezwungen hat um das Dorf zu retten. Hana wusste nicht ob es stimmte, er war immerhin nicht dabei gewesen. Alles war vor seiner Geburt passiert, als sein Vater so alt gewesen war wie er. Sich in dem Alter mit einem Gott des Dschungels anzulegen…wie mutig und stark musste man sein? Und deswegen würde er ihn ewig respektieren, auch wenn es vielleicht nicht immer so rüber kam.

So schnaufte er und wand seinen Blick muffig aber besiegt auf den Boden. Hao dagegen konnte auch nur noch weiter schnaufen. Was sollte er nur mit dem Jungen machen?

Hana war noch nie ein leichtes Kind gewesen und verdammt dickköpfig, aber er hatte immer gehofft dass er im Alter etwas einsichtiger und ruhiger werden würde. Da hatte er sich stark geirrt. Eigentlich wurde der Junge nur noch aufbrausender und ungeduldiger. Er gab einem immer das Gefühl als würde er auf heißen Kohlen sitzen und was verpassen wenn er nicht gleich aus der Reihe tanzte. Und genau das war das Problem: Hana tanzte aus der Reihe. Egal auf wie viele Jagden er ihn auch mitnahm, ob in der Gruppe oder nicht, er tanzte nach einigen Minuten aus der Reihe und versuchte sein eigenes Ding durchzuziehen. Anstatt das er sich auf die bewährten Jagdmethoden verließ, erfand er völlig neue und wahnwitzige Versionen davon. Ein Beispiel: Als sie mal auf einer der Steppen der Insel nach Geiern jagten, hatte er doch tatsächlich eine wegrennende Herde von Sambarhirschen genutzt um sich schneller zu bewegen! Die Geier waren am wegfliegen, also rannte Hana plötzlich auf die Hirsche zu und versetzte sie in Panik. Dann krallte er sich wie eine Raubkatze an einem Tier fest und ritt einfach mit, während er versuchte mit einem Bogen die Tiere vom Himmel zu holen! Das war auch das erste Mal das er einen Bogen benutz hatte. Hao sah seinen Sohn schon runter fallen und totgetrampelt am Boden, weil die Herde nicht gerade klein war in der er freiwillig drin hing! Eine falsche Bewegung und er fiel runter und wurde zertrampelt! Den Göttern sei dank war das nicht passiert. Doch am Ende hatte er nichts erlegt, war nicht verletzt worden und keiner hatte auch nur einen Geier erschießen können. Die Jagd war umsonst gewesen so das sie mit leeren Händen nachhause kamen. Und solche Dinge brachte er öfters. Sein Vater wünschte sich nur einmal dass Hana aufhören würde so kreativ zu sein. Vor allem wenn er damit am Ende ohne etwas heim kam! Dieses Kind hatte nur Flausen im Kopf! Von ihm hatte er das auch nicht! Von Yoh aber auch nicht…Naja dann kam es bestimmt von seiner eigenen Mutter Asanoha. Hao seine Mutter war verrückt und freilebend gewesen. Hatte ihr damals auch viele Probleme gebracht. Hana war genauso. Vielleicht ergab das ja wirklich Sinn. Aber es war auch egal. Der Junge musste lernen sich anzupassen. Und vor allem im Team zu arbeiten. Selbst der stärkste Krieger ist verwundbar und wird nach einer Weile bezwungen. Egal wie gut er kämpfen konnte.

So kam er auf die Beine und sein Sohn sah ihm verdutzt nach und hoch zu ihm. Hao streckte sich kurz und sprach dann ruhig aber dennoch etwas müde:

„Versuche beim nächsten Mal nicht schon wieder so verrückte Aktionen abzuziehen. Wenn du dir weiterhin selbst und auch allen anderen bei fast jeder Jagd die Tour versaust, kann ich dich irgendwann nicht mehr mitnehmen. Dann solltest du besser im Dorf bleiben und deiner Mutter beim Pflegen und Bearbeiten von Tier und Habundgut helfen.“

Erschrocken sah ihn sein Sohn an. Nein. Was auch immer, aber nicht Stubenarrest im Dorf! Sofort sprang Hana auf die Beine, hatte seinen Speer in der rechten Hand und antwortete laut und etwas sauer flehend:

„Bloß nicht! Du weist das ich kein Sammler sein will! Ich will kämpfen und hier draußen sein!“

Hao sah zu ihm.

„Aber ein Jäger willst du wohl offenbar auch nicht sein, sonst würdest du meinen Anweisungen folgen.“

Hana schüttelte kurz den Kopf.

„Das stimmt nicht! Natürlich will ich ein Jäger sein! Ein Krieger!“

Er konnte es nicht sagen, aber er eiferte seinem Vater unheimlich nach. Von klein auf wollte er so cool sein wie sein Vater. Er war der Anführer, der stärkste Kämpfer und er wusste immer was zu tun war und wie man helfen konnte. Er zerlegte jeden locker im Einzelkampf und sogar zu dritt hatten andere kaum eine Chance gegen ihn! Sein Vater war in seinen Augen unverwundbar. Und das wollte er auch sein! Er wollte allen zeigen dass auch in ihm das stolze und starke Blut seines Vaters floss und er diesen eines Tages übertrumpfen würde! Wollte zeigen dass er es drauf hatte! Er wollte genauso Respekt wie sein Vater und endlich aus dessen Schatten treten.

Als er den letzten Satz zu ihm sagte sah Hao ihn sehr neutral und stumm an. Sofort wusste er was er zu sagen hatte, auch wenn es Hana nicht passen würde. Doch er war ehrlich zu seinem Sohn, also sprach er ruhig:

„Ich glaube dir dass du das sein möchtest. Das sagt dein Kopf zumindest. Aber du scheinst mit deinem Herzen nicht bei diesem Wunsch zu sein.“

Hana sah ihn einfach nur an…Das verstand er nicht. Was meinte sein Vater damit? Natürlich war das sein Traum! Was sollte er denn noch tun verdammt?! Doch er sprach nicht weiter sondern sah nur wie sein Vater sich umdrehte. Der Poncho wehte kurz auf als er loslief und danach seinem Sohn nur den Rücken zeigte. Auch lief er über das Tapir hinweg, ohne auf es zu treten und sprach dabei nach hinten:

„Trag es zurück zum Dorf. Immerhin ist es ja deine Beute gewesen, auch wenn du sie nicht erlegt hast.“

Hana sah das Biest erschrocken vor sich an das da am Boden lag. Er sollte was bitte?! Das Vieh wog doch bestimmt bis zu 90 Kilo! Wie sollte er dass denn tragen?! Er sah wieder zu seinem Vater rüber, der weiter weg war und brüllte:

„WAS?! Wie soll ich dieses Biest denn zurück bekommen?!...VATER!“

Hao schmunzelte sich einen weg ohne das Hana es auch nur bemerkte. Alles was der Kleine sah war wie der Erwachsene den rechten Arm locker ob und etwas nach hinten winkte, dabei rief:

„Jetzt kannst du deiner Kreativität mal freien Lauf lassen! Wir sehen uns nachher Hana! Komm bloß nicht zu spät, sonst dreht dir deine Mutter den Hals um! Das Tapir wird nämlich unser Abendessen!“

Und dann verschwand er auch schon im Dickicht und ließ seinen Sohn erschrocken und schockiert zurück. Hana sah wieder zu dem toten Tier, zu seinem nun verschwundenen Vater und wieder zurück, bis er seine Wut nicht mehr halten konnte und laut fauchte:

„DAS IST DOCH NICHT DEIN ERNST!!“
 

Hao kam natürlich als Erster zurück im Dorf an und hatte ein breites Lächeln aufgelegt.

Es lag nicht nur an der frechen Sache die er gerade bei seinem Sohn abgezogen hatte sondern auch daran dass er immer glücklich war wenn er nachhause kam. Das war etwas was er schon aus seiner Jugend kannte. Als er gerade mal zehn war war er oft mit den anderen Kriegern und Jägern unterwegs gewesen um zu Jagen und Nahrung zu besorgen. Meist waren sie Tage weg und die Freude war immer riesig wenn sie mit voller Ladung wieder heim kamen und die Zurückgebliebenen sich freuten dass sie wieder da waren. Frauen umarmten ihre Männer, Mütter ihre Söhne und er…naja er hatte sich gewünscht das Yoh ihn so empfangen würde, aber das dauerte noch einige Jahre bis es sich erfüllen würde. Aber nun war das nicht mehr der Fall. Vieles hatte sich geändert. Und das zum Positiven.

Kaum als er aus den Schatten der Bäume trat und sich dem Platz des Dorfes näherte, wurde er schon herzlichst empfangen. In der Mitte loderte das große Lagerfeuer, das niemals gelöscht wurde und die Leute seines Stammes winkten ihm zu. Alte Frauen, junge Männer und Kinder, einfach jeder der ihn sah. Er war von allen geliebt und sie konnten sich keinen besseren Häuptling vorstellen. Sogar die alte Hexe Goldva saß neben ihrem Zelt und winkte ihm zu. Er winkte zurück. Sie hatte ihm in der Jugend oft den Kopf gewaschen damit er ihr würdiger Nachfolger wird. Und ihr Sohn Silva hatte bei Hao seiner Ausbildung mitgeholfen. Er war sowas wie sein Trainer und Beobachter gewesen. Aber wenn Hao ehrlich war…ungern dachte er an diese Folter zurück. Zumindest an die von Goldva. Aber Goldva hatte Yoh damals das Leben gerettet und dafür konnte er ihr nie dankbar genug sein.

Als Yoh vor 16 Jahren in den Wehen lag gab es Komplikationen bei Hana seiner Geburt. Hana war bereits im Bauch seiner Mutter ein Problemmacher gewesen. Er trat oft zu und löste bei Yoh sehr früh die Wehen aus. Aber dann verlief die Geburt sehr langsam. Und…hätte die alte Frau damals nicht schnell reagiert und Yoh so wie Hao nicht genau gesagt was zu tun war, dann wäre Hana vielleicht im Geburtskanal erstickt und Yoh gleich mit gestorben durch den Blutverlust und die Erschöpfung. Hana war stecken geblieben und regte sich nicht mehr. Den Göttern sei dank aber weiter unten Im Geburtskanal. Er konnte sich noch genau erinnern: Er hatte Yoh bei der Geburt des Kindes vor sich kniend und drückte ihn dabei fest an sich, unterstützte ihn mit Worten und Massagen des Bauches so gut er konnte. Er konnte nichts gegen die Schmerzen tun die sein Liebster durchmachte. Noch nie hatte er sich so hilflos gefühlt in seinem Leben. Und noch nie hatte er solch eine Angst verspürt wie an diesem Tag…Die Angst Yoh und ihr Kind verlieren zu können. Nie mehr wollte er diese Angst wieder erleben…Aber Goldva hatte ihre Familie gerettet und alles war wie weggefegt gewesen. Als Yoh den kleinen Hana im Arm hatte, der wie am Spieß krisch, war alles wieder okay. Und als Hao ihn das erste Mal in den Arm nahm war es einfach unbeschreiblich gewesen dieses kleine Würmchen in den Armen zu halten. So zart und zerbrechlich wie Hana gewesen war…sowas hatte er noch nie erlebt. Es war ihr Kind. Und da wurde Hao bewusst…er war ein stolzer Vater geworden. Es war das größte Glück was man ihnen machen konnte. Ihr Sohn war gesund und für sie das schönste Baby der Welt. Und an dem Tag schwor Hao sich eines: Er würde seine Familie vor allem beschützen. Besonders Hana. Dieses Kind das nur durch eine Laune der Natur existierte.

Er sah sich weiter um und ließ seinen wachenden Blick umherschweifen. Das Dorf war so gebaut das es in der Mitte einen großen Platz hatte und in Kreisformation, um diesen herum, befanden sich ihre Wigwams. Kugelförmige Zelte, aus Tierleder oder Holz und Stroh. Früher hatte nur der Häuptling ein Zelt aus warmem Fell, das isolierte und die Kälte draußen hielt. Aber seit Hao der Häuptling war bestand er darauf dass niemand seines Stammes mehr frieren sollte, also haben sie nachgebaut. Ihr Dorf lag versteckt im Dschungel und meist drang nur schwer das Tageslicht durch die dicken und Lianen verhangenen Baumwipfel über ihnen, in denen meist Vögel saßen und sangen.

Hao besaß natürlich den größten Wigwam im Dorf und direkt dahinter floss ein kleiner Fluss vorbei. Das war ihre Nahrungsquelle für Wasser und weiter den Fluss abwärts konnte man an einem See Fische angeln oder seine Kleidung waschen und baden. Der See war nicht abgeschlossen, sondern mündete dann wieder in einen Fluss der zum Strand lief. Dieser war aber noch weit entfernt von ihnen und man brauchte etwas um dort hin zu kommen. Und als er sich schließlich seinem Zuhause näherte kam auch schon die Liebe seines Lebens ihm entgegen.

Ein sanftes Lächeln wurde ihm zugeworfen und er lächelte zurück. Yoh kam gerade aus dem Wigwam und drückte das Fell vor der Tür zur Seite um raus ins Freie zu kommen. In seinen Armen hatte er eine getöpferte Schüssel umarmt, in der man schon Beeren und Früchte sehen konnte die er vorher gesammelt hatte. Nachtisch für nach dem Abendessen. So lecker sie auch waren und lockten, sie konnten die Schönheit seines Lebenspartners nicht übertrumpfen. Yoh war wunderschön. Er war immer wunderschön, auch wenn er morgens verzottelt aufwachte und sich erst zu Recht machen musste. Er war schlank und etwas kleiner als Hao. Nur einen halben Kopf um genau zu sagen. Sein wunderschönes, langes Haar, das ebenfalls dunkelbraun war hatte er, wie meistens, am Hinterkopf zu einem Zopf gebunden und ließ den Schweif einfach hängen. Früher hatte Yoh die Haare kurz gehabt, aber nach Hana seiner Geburt und ihrer Trauung wollte er sie wachsen lassen. Warum hatte er nie gesagt. Und er war wieder Mal gekleidet in den schönsten Gewändern. Lang und weiß, voller Bemalungen und Zeichen ihres Stammes und um seinen Hals trug er die Kette die Hao ihm damals aus tiefster Liebe geschenkt hatte. Die drei Bärenkrallen von dem Gott Apollo. Aber im Gegensatz zu den anderen trug Yoh keine Federn im Haar sondern nur ein oranges Tuch was über seinem Kopf lag und seinen Pony nach vorne ins Gesicht fallen ließ. Er sah traumhaft aus. Und wenn diese Schamanenkönigin Hao so einen verliebten und warmen Blick zuwarf, wollte der gerade noch mal ein Kind mit ihm machen. Doch leider war das nicht mehr möglich, denn Yoh konnte nur einmal schwanger werden. Es lag in seiner Natur. Er hatte nur eine Eizelle gehabt und die konnte nur im richtigen Moment reifen damit er schwanger wurde. Das war damals in ihrer ersten Nacht passiert. Hana war also ein Volltreffer gewesen. Schade eigentlich…So ne kleine Schwester für Hana wäre vielleicht nicht mal so schlecht für den Rotzlöffel…

Kaum als er bei ihm angekommen war drückte er seiner Frau auch gleich einen Kuss auf die Lippen. Kurz aber wunderschön. Dann sahen sie sich an und Yoh fragte mit einem strahlenden Lächeln:

„Na? Auch wieder da?“

„Wäre ich später gekommen hättest du mir den Kopf abgerissen, jetzt tu mal nicht so Yoh!“

Er sagte das sehr frech und verspielt zu ihm, so dass er nur ein weiteres Lächeln zurück bekam und Yoh antwortete:

„Also bitte! Ich bin doch kein Unmensch Hao.“

„Nein, aber wenn du deine Stimme erhebst bekomme ich echt Angst vor dir!“

Sagte Hao wieder lächelnd und lachte sogar noch dabei. Das war normal. In der Sekunde war es nur Spaß. Sie sprachen immer so miteinander. Aber Hao hatte Yoh schon einmal verdammt sauer erlebt…und das wollte er nie wieder. Er hätte nie gedacht dass sein Liebster so bösartig und nachtragend sein kann. Vor allem unter der netten Fassade. Von da an hatte er Respekt vor ihm und manchmal konnte man echt denken das Yoh die Hosen anhatte von den Beiden.

Wie auch immer. Hao schnappte sich schnell eine kleine Frucht aus dem Korb und fing an zu naschen. Yoh dagegen sah sich verwirrt um und suchte offensichtlich etwas. Man konnte sich schon denken was es war und dann fragte er verdutzt:

„Wo ist denn Hana? War er nicht mit dir jagen?“

Sein Gatte schluckte runter und antwortete, bevor er wieder in die Frucht biss:

„Ja waren wir. Dein Sohn lernt gerade das Gewicht seiner Arbeit kennen, hehe.“

Yoh sah hoch zu ihm und verzog das Gesicht etwas traurig. Er wusste genau was im Busch war wenn schon so ein Satz kam. So fragte er:

„Oh nein. Was hat er jetzt wieder angestellt?“

Wann stellte er mal nichts an? So sollte die Frage eigentlich lauten. Hao schluckte den Rest runter und rieb sich mit der rechen Hand über den Mund. Danach verschränkte er die Arme vor sich, aber so dass man sie unter dem Poncho nicht sah. Sein Ton wurde ernster:

„Was glaubst du denn? Er sollte ein Tapir erlegen und hätte sich dabei noch fast den Hals gebrochen der Dussel.“

Yoh blinzelte ihm verwirrt zu.

„Wie konnte denn das beinahe passieren?“

„Indem er nicht nachdenkt! So wie immer! Ich sage dir: der Junge hat nicht nur zwei linke Hände sondern auch zwei linke Füße nach der Aktion die er da gebracht hat!“

Er klang wirklich aufgebracht, obwohl er dabei noch so ruhig blieb. Yoh sah wie Hao sich dann rechts neben dem Wigwam auf einen Baumstamm setzte und sich erst mal durch die Haare wuscheln musste vor leichtem Frust. Seine Gemahlin seufzte als sie das sah. Lächelte aber dann sofort wieder sanft und setzte sich daneben. Er sah Hao kurz an und stellte dann die Schüssel vor seine Beine, lehnte sich zurück und sprach zu seinem Gatten:

„Hauptsache es ist nichts passiert. Und er hat es ja erlegt, also alles gut.“

He he. Nein. Hao antwortete:

„Nein, ICH durfte das erledigen weil er in einem Wasserloch außer Gefecht war. Ansonsten hätten wir heute kein Abendessen.“

„…Oh.“

Kam es von Yoh knapp. Na das lief ja mal wieder glänzend. Nun verstand er sogar Hao seinen Frust etwas und fasste ihm mit der linken Hand sanft auf das rechte Bein.

„Mach dich nicht verrückt Hao.“

Hao sah zu ihm.

„Was soll ich nur mit ihm machen Yoh? So langsam bin auch ich mit meinem Latein am Ende und das will schon was heißen! Ich meine ich habe immer Lösungen für alles parat! Ich lass mich doch nicht von meinem Sohn in die Knie zwingen! Soweit kommt es noch!“

Yoh sah ihn etwas fassungslos und verzweifelt an. Er sollte seinem Sohn helfen und nicht einen Krieg gegen diesen führen um sein eigenes Ego oben zu halten. Oh mann typisch Hao. Kein Wunder das Hana etwas kompliziert war. Sein Vater war ja nicht besser. So schnaubte der etwas Kleinere und sprach sanft:

„Soll ich Opacho auf Hana hetzten? Sie wird ihm bestimmt etwas den Schädel sauber schrubben.“

Hao sah zu ihm.

„Nein lass mal. Deine Schülerin hat genug mit ihrer Ausbildung zur Heilerin und Schamanin zu tun, da kann ich nicht noch unseren verrückten Sohn auf sie hetzten.“

Das stimmte. Opacho war inzwischen 21 Jahre alt und neben Yoh die beste Heilerin im Dorf. Doch im Gegensatz zu ihrem Meister, war sie öfter im Dschungel unterwegs und blieb viele Tage weg auf der Suche nach neuer Medizin und Erkenntnissen. Sie war fünf als Hana geboren wurde. War sogar bei seiner Geburt dabei gewesen und ist für ihn sowas wie eine große Schwester geworden. Aber auch Opacho kam nicht immer gegen Hana seinen Dickkopf an. Eigentlich keiner. Aber Yoh sah Hao wieder etwas traurig an und sprach dann:

„Nenn ihn nicht so.“

„Wie?“

„Verrückt. Nenn Hana nicht so. Er ist nicht verrückt, er ist einfach nur ein Träumer und hat noch nicht wirklich herausgefunden was er gut kann.“

Hao wurde wieder etwas ernster und sprach ruhig:

„Yoh er ist sechszehn! Er ist erwachsen! In dem Alter war ich bereits bereit der nächste Häuptling zu werden! Wie lange soll er sich denn noch Zeit lassen?“

Bei ihnen im Stamm war man ab dem sechszehnten Lebensjahr offiziell erwachsen. Diese Jagd mit dem Tapir war nicht nur da gewesen um Abendessen zu besorgen, sondern auch um als eine Reifeprüfung zu funktionieren. Hana sollte beweisen dass er ein Jäger war. Und wenn er das geschafft hätte dann könnte man anfangen ihn als Krieger auszubilden. Aber…er hatte ja mitbekommen wie es gelaufen ist. Hana war seiner Meinung nach noch nicht so weit.

Yoh antwortete Hao:

„Hana ist aber nicht wie du. Und auch nicht wie ich. Er ist sein eigener Charakter und er braucht halt noch etwas mehr Zeit.“

Sofort stand Hao wieder auf und tigerte etwas muffig vor Yoh von links nach rechts und hin und her, so dass dieser ihm nur nach sah. Dabei gab er von sich:

„Yoh du hättest ihn sehen sollen! Das war kein jagen vorhin, das war einfach nur eine Hetzjagd ohne Plan! Als hätte er dieses Tier nur zum Spaß durch den Wald getrieben! Er schafft es nicht mal ein Tapir zu erlegen und dann soll ich ihn wirklich noch weiter trainieren?! Er gibt sich keine Mühe und ich glaube so langsam er will sich auch keine Mühe geben! Wahrscheinlich will er einfach nur mit seinem Hintern machen was er will und die gebratenen Vögel ins Maul gesetzt bekommen!“

Er redete sich leicht in Rage und Yoh sah ihm traurig zu. Er verstand. Hao war nicht sauer weil er sich unfähig fühlte. Sondern mehr weil er Angst hatte er würde bei seinem Sohn versagen. Er liebte dieses Kind über alles. Hana war sein Leben geworden, sogar noch mehr als Yoh selbst und das nur weil er sein Sohn war. Seit seiner Geburt war Hana dreh und Angelpunkt von Hao geworden. Er legte sich unglaublich in Zeug und wurde gerade zu zum Übervater. Er kümmerte sich liebevoll um ihn, fütterte ihn wenn Yoh es mal nicht konnte, wickelte ihn, sang ihm Schlaflieder vor und war immer da wenn der Kleine anfing zu weinen. So nahm er Yoh immer gern das Kind ab und lief einfach mit ihm durch das Dorf damit Hana nicht mehr weinte und schrie. Yoh dagegen kam sich wie eine Rabenmutter vor wenn er Hao so engagiert sah. Auch wenn das nicht der Fall war. Das Kind war dennoch mehr bei ihm gewesen, allein weil Hao einen Stamm zu führen hatte und damit auch andere Pflichten erfüllen musste. Doch er versuchte so oft es ging für Hana da zu sein. Nutzte jede freie Minute dafür. Er liebte seinen Sohn über alles und er wollte nur das Beste für ihn. Bei Yoh war das nicht anders. Doch im Gegensatz zu seinem Gatten ging er lockerer an die Sache ran. Hao setzte sich und seinen Sohn zu sehr unter Druck, nur damit es dem Kleinen gut ging und er gegen alles gefeit war was die auch Zukunft brachte. Aber Hana war nicht so wie sein Vater. Er war ein lieber und empfindlicher Junge, der dass alles unter einer harten Schale versteckte die er sich von seinem Vater abgeschaut hatte. Und nach einer Weile wurde diese Schale zu einem Wall aus Frust. Und das zeigte ihr Sohn nun jeden Tag. Den Frust dass er, in seinen Augen, seinen Vater nur enttäuschte. Aber das stimmte nicht. Zumindest empfand Yoh nicht so. So schüttelte er den Kopf und sprach:

„Er ist nicht so. Vertrau ihm doch einfach. Er ist dein Sohn und er ist genauso ehrgeizig und selbstbewusst wie du. Er findet schon seinen Weg. Da bin ich mir sicher.“

Weise Worte einer weisen Schamanenkönigin. Yoh hatte viel gelernt seit Hana seiner Geburt und viele suchten auch bei ihm Rat so wie damals bei Goldva. Zumindest was spirituelle Sachen anging und Krankheiten. Und dann lächelte er und Hao blieb stehen. Er hatte beide Hände an den Hüften und sah zu Yoh runter. Dieses Lächeln…er konnte dann nicht anders als zurück zu lächeln. Dann schnaufte er aus:

„Dein Wort in eines Gottes Ohr Yoh.“

Kurz darauf hörten beide ein Zerren und Schleifen und sahen rüber und in die Richtung aus der Hao aus dem Wald gekommen war. Etwas verdutzt sahen beide hin, als Hana aus dem inzwischen etwa dunkleren Wald kam und dahinter das tote Tapir mit sich zerrte. Yoh war erstaunt was er da sah. Hana hatte offenbar Lianen als Seile benutzt, sie um das Tier gebunden und zog es so über den Boden. Allerdings lag es auf mehreren großen Palmenblättern die zusammengebunden wurden, damit es keinen Schaden am Fell bekam wenn es über den Boden gezogen wurde. Er kämpfte sich immer mehr in die Mitte des Dorfes und machte kurz Pause. Keuchte und schnaufte wie verrückt und zerrte dann mit verbissenen Zähnen weiter an den Seilen, die über seine rechte Schulter hingen. Alle aus dem Dorf sahen ihm verwirrt nach und wanden sich dann schnell, oder sogar etwas kichernd, ab. Hana hatte auch bei ihnen schon den Ruf weg sowas wie ein kleiner Versager zu sein, oder auch gerne mal ein Tollpatsch. Der mit den verrückten Ideen. Und ihn mit dieser verrückten Konstruktion zu sehen machte es nicht besser. Und das traf jemanden erneut…nämlich Hao. Der legte kurz die rechte Hand an die Stirn und seufzte. Genau das war es was er meinte: der Junge war manchmal einfach komisch. Jeder hätte das Tier getragen, nur Hana mal wieder nicht! Yoh dagegen lächelte unglaublich froh. Im Gegensatz zu Hao fand er das sehr schlau und kreativ. Nur leider verstanden das viele nicht.

So kam er vor seinem Vater an und bremste ab. Er hechelte und keuchte, weil er so aus der Puste vom Zerren war und noch bevor er hoch sehen konnte Hao etwas ernster sagte:

„Was ist das?“

Endlich sah Hana auf und zu seinem Vater. Sah wie er auf die Konstruktion zeigte und antwortete darauf:

„Das ist zum Ziehen da! Wenn ich das Vieh getragen hätte dann hätte ich mir sicherlich das Kreuz gebrochen! Deswegen habe ich einige Bananenblätter mit dünnen Wurzeln, die an den Stämmen von Palmen hingen, aneinander gebunden, dann mit Lianen das Vieh umwickelt und es gezogen! So konnten auch das Fell und das Fleisch keinen Schaden nehmen! Und das Fell ist sogar noch sauber!“

Er klang wie immer sehr sauer dabei, aber in Yoh seinen Ohren auch sehr stolz auf sich. Sicherlich weil er sich das alles selber ausgedacht hatte. Das konnte er auch sein, das war sehr gerissen von ihm gewesen. Yoh war ebenfalls stolz auf ihn. Aber Hao sah das anders. Es dauerte nur zwei Sekunden und sein Vater sagte lauter zu ihm:

„Genau DAS ist das Problem!“

Und dabei zeigte er auf Hana sein Gebautes, der erst nicht verstand was los war. So sah er seinen Vater erschrocken an, als dieser richtig anfing hochzufahren und nun sichtlich sauer wurde. Sicher hatte er Hana gesagt er soll kreativ sein, aber dass er SO kreativ war wollte er auch nicht! Er meinte das aus Spaß! Hana sollte wie jeder andere Jäger auch seine Beute nachhause tragen! So wie Männer das machten! Aber er tanzte erneut aus der Reihe! Er sprach weiter:

„Was soll das immer?! Warum kannst du nicht EINMAL nur EINMAL das tun was man von dir verlangt?! Du solltest wie jeder andere Mann deine Beute zurück tragen! Das hat was mit Stärke und Stolz zu tun! Stattdessen baust du dieses DING und machst es dir viel zu leicht damit!“

Yoh stand inzwischen auf und sah besorgt zwischen seinem Mann und Sohn hin und her. Sie sollten sich nicht streiten. Bitte nicht. Das war doch völlig unnötig. Was dachte sich Hao nur? Hana dagegen verstand nun offiziell NICHTS mehr. Alles was reflexartig in ihm hochfuhr war ebenfalls Wut. So ließ er die Lianen von seinen Schultern fallen und stellte sich stramm hin. Wütend schlug er den Speer rechts neben sich, den er vorher aus dem Tapir zog, mit der Spitze in den Boden und fauchte dann zu seinem Vater rauf:

„Ist das dein ernst?! Warum sollte ich mir freiwillig den Rücken kaputt machen nur um damit meine Männlichkeit zu beweisen?! Was hat das damit zu tun?! Das ist doch total bescheuert! DAS hier war viel schlauer und wesentlich einfacher! Ich weis nicht warum du wieder so hoch fährst Vater! Das ist doch total bescheuert und veraltet!“

Als er das sagte zeigte Hao mit der rechten Hand auf ihn und sprach noch lauter:

„Vorsicht Hana, du bewegst dich gerade auf verdammt dünnen Eis mein Sohn!“

Kaum als Hao seine Stimme erhoben hatte sah Yoh bereits wie die anderen im Dorf Abstand nahmen und sich sogar in ihre Wigwam verkochen. Keiner mochte es wenn er sauer wurde. Nicht weil sie angst vor ihm hatten, sondern weil er damit den Frieden etwas entgleisen ließ. Und Frieden war ihnen wichtiger als alles andere. Hana dagegen schüttelte nur den Kopf und verzog das Gesicht grimmig und sauer. Er konnte einfach nicht mehr. Er verstand das nicht! Warum wurde er immer angeblafft?! So sprach er schon fast erstickend zu seinem Vater hoch:

„Es ist egal was ich mache…Ich bin dir noch nie gut genug gewesen.“

Und damit wand er sich dann stur und sauer ab und lief links an Hao vorbei. Mit schweren und wütenden Schritten lief er auf ihr Zuhause zu und sogar an seiner Mutter vorbei ohne ein Wort zu sagen, die ihm nur erschrocken nachsah. Diese Worte hatten Yoh sehr weh getan. Zu hören was Hana dachte…Aber am schlimmsten hatte es Hao erwischt, der nun auch nur noch wütend war, sich umdrehte und ihm hinterher bellte:

„HANA! Ich habe nicht gesagt du darfst…!“

Doch Yoh sprang dazwischen und fasste seinen Gatten sanft am rechten Arm, so dass dieser zu ihm sah. Mit einem traurigen Hundeblick sah er Hao an und dieser wurde selber erschrocken von sich selbst. Es klickte und er verstand…Er hatte Hana angeschrien. Das hatte er noch nie zuvor getan. Das wollte er nie und dennoch hatte er es getan.

Dann schüttelte Yoh den Kopf und sprach sanft:

„Bitte lass ihn erst mal in Ruhe Hao.“

So sah Hao wieder vor und sah seinen Sohn in dem Wigwam verschwinden. Das Fell der Tür wehte hinter Hana zu. Sein Vater verzog das Gesicht etwas wütend und traurig zugleich und dann befreite er sich aus Yoh seinem Griff, der verdutzt zu ihm hoch sah und Hao schließlich gefasster sprach:

„Du solltest ihn nicht immer so in Schutz nehmen. Er ist kein kleines Kind mehr.“

Und dann wand er sich ab und lief zu Goldva ihrem Wigwam. Er brauchte eine Auszeit und die nahm er sich gerade. Sicher fragte er um Rat bei der alten Hexe. Yoh sah ihm noch etwas nach und musste dann seufzen. War er das? War er kein Kind mehr? Aber würde er nicht immer ihr Baby bleiben? Dann wand er sich zu ihrem Zuhause um und lief auf es zu. Es war Zeit das er auch mal mit seinem Sohn sprach.

So kam Yoh in den Wigwam rein und sah sich an der Tür um. Hinter ihm fiel das Fell zur Seite und schloss die Tür. Das Innere strahlte eine angenehme Wärme aus. Das lag aber auch daran das Yoh an verschiedenen Stellen Lampenschirme aus Tier-Haut aufgestellt hatte und dahinter Feuer loderte. Das Licht des Feuers ähnelte einem Kerzenlicht und ließ Schatten an den Wänden spielen. So konnte man auch sehen dass sie viele Sachen angesammelt hatten in den Jahren seit ihrer Trauung. Hao besaß links eine Ecke mit Waffen und verschiedenen Masken und Federschmuck, die er je nach Ritual und Zeremonie anzog. Yoh hatte rechts im Wigwam einen flachen Holztisch stehen, vor den er sich knien konnte um dann seine Medizin zuzubereiten. Um den Tisch herum hingen und standen vielerlei Kräuter, oder tote Tiere die in Salzwasser eingelegt wurden. Anbei noch Werkzeuge zum verarbeiten und zum herstellen der Medizin. Er war Schamanenkönigin. Was bedeutete er war der höchste Heiler in dem Dorf der Patcheen und das Medium zu den Toten. Er konnte mit den Geistern der Toten oder der Natur kommunizieren. Eine seltene Gabe die er seit seiner Geburt hatte, so wie die Fähigkeit ein Kind zu gebären. Jemanden wie ihn gab es nur extrem selten im Stamm und seine Fähigkeiten waren meist nur auserwählten vorbestimmt. Es hieß: Sollte ein Junge mit dieser Gabe geboren werden gebärt er ein Kind das Glück und Frieden bringen wird. Eine Art von Messias der Patcheen. So sagten es die Überlieferungen. Jene die so viel Druck für hana erzeugten. So blieb er weiter stehen und sah endlich zu dem Kind rüber das allen Glück bringen sollte. Er lächelte sanft zu Hana.

Am Ende des Wigwams konnte er ihn sehen. Hana saß vor seinem Bett und hatte etwas in der Hand. Seine Bemalungen am Körper hatte er sich abgewaschen. Die Jagd war vorbei, also brauchte er es nicht mehr. Ihre Betten waren nebeneinander als hängende Liegen aufgebaut. Hana schlief in der Mitte und seine Eltern links und rechts von ihm. Yoh konnte sich noch erinnern wie Hana als Baby immer bei ihm schlief. Fest an seine Brust gedrückt und geschützt schlafend. Er war so ein unglaublich zartes und hübsches Baby gewesen. Und nun war er ein hübscher Junge. Es tat ihm weh seinen Sohn so wütend und dennoch mit Traurigkeit in den Augen dort sitzen zu sehen.

Vorsichtig kam Yoh näher. Stellte vorher noch die Schüssel voller Früchte rechts auf den kleinen Tisch und lief dann weiter auf Hana zu. Bis er neben ihm ankam und sich sanft, so wie auch wortlos, links neben ihn auf den Boden setzte. Yoh sah ihm zu. Hana hatte ein Stück Holz, das handgroß war, in den Händen und schnitzte mit einer losen Speerspitze etwas in dieses hinein. Sein Blick war muffig und seine Mutter wartete noch einige Sekunden und sah ihm nur bei seiner Arbeit zu. Er schnitzte schon länger an dem Teil rum. Und so langsam nahm es auch Gestalt an. Es wurde ein Vogel. Ein Adler um genau zu sein. Hana hatte noch nie einen echten Adler gesehen, denn auf einer tropischen Insel war das nicht normal. Aber er kannte ihn aus Überlieferungen und Zeichnungen der Patcheen. Er mochte dieses Tier, auch wenn er es niemals sehen würde. Sie kamen extrem selten bei ihnen vor.

Vorsichtig schnitzte er Verzierungen hinein und Yoh seufzte lieb. Er war so talentiert. Das machte ihn stolz. Dann rückte er etwas näher und war fast an Hana dran, der das zu ließ und einfach stur weiter machte. Ihm keine Reaktion schenkte. Seine Mutter aber sah den Vogel in den Händen an…

„Kennst du eigentlich die Geschichte von Dyami?“

Fragte er sanft und Hana sah seine Muttern nicht an, als er sprach:

„Was weis ich.“

Er schnitzte weiter und Yoh lächelte.

„Dyami ist der göttliche Adler und ein Hüter des Häuptlings…Der Adler an sich ist bei uns der Meister des Himmels, weil er von allen Vögeln am höchsten fliegen kann. Er ist daher den Göttern näher als irgendein anderes Wesen und somit ein guter Bote für alle Gebete. Man sagt er wache über Moral und Frieden. Auch Adlerfedern werden von uns als heilig angesehen. Die heilige Feder gilt als Symbol der Wahrheitsliebe und Treue.“

Dabei strich er seinen Sohn durch die dreckigen Haare und dann an beiden Federn hinauf, die in Hana seinem Haar steckten. Als der Junge das bemerkte ließ er vom Schnitzen ab und sah zu seiner Mutter rauf, die ihn wieder anlächelte. Yoh sprach weiter:

„Jeder Häuptling trägt die Federn des Adlers in seinem Haar, als Zeichen seines Schutzes.“

Hana verstand. Er hatte sich nie gefragt warum sein Vater immer darauf bestand dass er die Federn in seinem Haar trug. Vielleicht damit man erkannte dass er der Sohn seines Vaters war, denn Hao trug auch zwei dieser Federn. Aber nun war es offensichtlich: Es war ein Zeichen des Häuptlings diese zu tragen. Er kam sich etwas dumm vor dass er nie darüber nachgedacht hatte und seine Mutter ihm dies nun so vor den Latz knallte. Das passte ihm nicht. Aber er würde seine Mutter nie bösartig anschreien. Egal wie sehr sie ihn auch mit ihrer Bemutterung nervte, er liebte sie über alles. Allerdings muffte er und sprach motzig und den Blick wieder abwenden nach unten:

„Nicht mal das erfahre ich von Vater. Er muss mich wirklich sehr hassen.“

Yoh sah ihn an und schüttelte dann langsam und lieb lächelnd den Kopf.

„Nein. Dein Vater liebt dich mehr als alles andere auf dieser Welt. Er…er ist deswegen auch so streng zu dir.“

Hana sah auf und fauchte etwas aufgebracht zu seiner Mutter:

„Das kapiere ich nicht! Wenn er mich so lieb hat, sollte er dann nicht viel netter und lockerer zu mir sein?! Ich weis was los ist! Ich bin in seinen Augen doch der totale Versager! Aber das ist mir egal! Ich werde ihm eines Tages zeigen das ich kein Versager bin!“

Er verstand das anscheinend wirklich nicht. Er wusste nicht was in seinem Vater vor ging, aber das lag auch daran das Hao nicht wirklich mit offenen Karten spielte was seine Gefühle anging. Doch Yoh kannte diese sehr genau. Und als Hana wieder ruhig war sprach er sanft zu ihm:

„Hana, du bist ein so kreativer Junge und du hast das Herz am rechten Fleck. Dein Vater und ich wir lieben dich über alles. Aber manchmal machst du Dinge die sehr gefährlich sind und worüber du vorher nicht nachgedacht hast…Dein Vater kam vor einigen Jahren mal zu mir. Du warst erst neun. Das war als du zum ersten Mal mit ihm auf die Jagd gegangen bist. Erinnerst du dich?“

Hana runzelte die Stirn und dachte nach. Ja stimmt. Er erinnerte sich wieder. Damals waren sie im Dschungel kleine Vögel jagen gewesen. Nur er und sein Vater…Yoh sah das er sich erinnerte und welcher Schrecken sich langsam leicht auf dem Gesicht seines Sohnes ausbreitete. Ah, er erinnerte sich wirklich. Seine Mutter sprach weiter:

„Du bist damals von einem Leoparden angegriffen worden. Er kam aus dem Nichts und dein Vater hatte dich nur einige Sekunden aus den Augen gelassen. Er hatte dich gerettet und das Tier in die Flucht geschlagen. Das weist du alles. Aber eines weist du nicht Hana…nämlich wie aufgelöst dein Vater nach dem Zwischenfall zu mir kam.“

Hana sah Yoh an. Vater…war aufgelöst gewesen? Wie meinte er das? Davon hörte er zum ersten Mal. Seine Mutter strich ihm über die Stirn und dabei durch den zarten, aber unordentlichen Pony.

„Er saß damals draußen bei mir, als du im Wigwam geschlafen hast und hat sich fast bei mir ausgeweint. So sagte er immer wieder was für eine Angst er gehabt hatte. Dachte, als er dich schreien hörte, dass er dich für immer verloren hätte. Er gab sich immer und immer selbst die Schuld daran, weil er dich nur für einige Sekunden aus den Augen gelassen hatte. Hao…hatte so viel Angst in jener Sekunde gehabt. Genau so extrem wie damals bei deiner Geburt, wo er dachte er würde uns beide verlieren.“

Hana erinnerte sich. Diese Geschichte ist ihm von Goldva erzählt worden.

„Jedenfalls…seit dem Tag ist deinem Vater bewusst geworden dass er nicht immer bei dir sein kann um dich zu beschützen und das du lernen musst selber auf dich auf zu passen. Deswegen ist er so streng zu dir Hana, weil er dich damals hätte verlieren können. Und bei den Aktionen die du immer auf der Jagd bringst naja…du bist sehr mutig mein Sohn, aber du bringst dich selber viel zu sehr in Gefahr dabei. Jedes Mal denkt er dir könnte etwas passieren.“

Yoh meinte es gut…aber er traf seinen Sohn dabei auf einem völlig falschen Nerv. Hana sah ihn muffig an und verschränkte die Arme vor sich, in deren rechten Hand er noch den Adler umklammert hielt und in der Linken die Speerspitze. Dann muffte er:

„Das ist aber sein Problem! Er vertraut mir nicht und dafür kann ich nichts! Ich bin kein Trottel Mutter! Er soll endlich aufhören mich so zu behandeln!“

Dann legte er sauer den geschnitzten Vogel auf den Boden und die Speerspitze direkt daneben. Sofort sprang er auf und machte einige saure Schritte von seiner Mutter weg und in die Mitte des Wigwam, wo er auf einem großen Fellteppich stehen blieb und Yoh den Rücken zu wand. Er verharrte dort und Yoh sah ihn nur an. Bis er sanft zu dem Holzvogel sah und diesen in die Hand nahm. Hana…verstand das ganz falsch. Mal wieder. So seufzte er und starrte den Vogel in seinen Händen an…Er lächelte. Und dann sprach er:

„Weist du warum der Adler der Hüter des Häuptlings ist?“

Hana sah weiter weg und schüttelte den Kopf. Das war ihm egal. Aber Yoh sprach weiter:

„Eine Legende unseres Stammes besagt, dass vor unzähligen Monden ein großer Adler vom Himmel stürzte. Er war ein Gott namens Dyami und der legte sich mit seinem unerschütterlichen Mut mit dem Gott des Windes an. So meinte er: „Ich kann jeden Sturm mit meinen Schwingen besiegen! Nichts kann mich vom Himmel verjagen der mein Reich ist!“. Doch der Gott des Windes, der dem Himmel näher war als Dyami, ertrug diese Worte und Arroganz nicht. Er forderte ihn heraus und so erzeugte er den schlimmsten und stärksten Sturm den er erschaffen konnte. Dyami, überzeugt von seiner Größe, flog ohne Angst in jenen Sturm. Doch er konnte diesem nicht standhalten. Die Winde und Blitze des Zorns zerstörten seine Flügel und zwangen ihn aus dem himmlischen Reich. So das er auf eine Insel im Reich der Menschen hinabstürzte. Niedergezwungen von der gemeinsamen Macht des Gotts des Himmels und des Windes beraubten sie ihm seiner verletzten Schwingen und sperrten ihn zur Strafe in einen menschlichen Körper. So lange bis er sich bewiesen hat und seiner Flügel erneut würdig war. Verloren, verschmäht und in den Körper eines Mannes gesperrt fand ihn ein junges Mädchen. Sie war die Tochter des Häuptlings eines alten Stammes und pflegte seine Wunden. Dyami, der noch nie zuvor Menschen begegnet war, war fasziniert und berührt von der Güte des Mädchens und ihrer verspielten aber sanften Art, die wie einer Feder im Wind glich und sanft daher wehte. So beschütze er sie und empfand etwas völlig neues…Es war Liebe. Diese Liebe veranlasste ihn sie vor allem zu beschützen. Seine Arroganz wich und er erlangte dadurch seine Flügel zurück. Doch er wollte das Reich der Götter nicht mehr betreten und sich erneuter Einsamkeit aussetzten, sondern bei seiner Geliebten bleiben. So schenkte er ihr zwei Federn von seinen Schwingen, bevor er diese für immer aufgab. Und so blieb er. Als ihr Beschützer, ihr Liebster und schließlich ihr Mann.“

Hana drehte sich um, als Yoh eine kurze Pause machte uns sah seine Mutter dabei an. Sie sah…fröhlich aus diese Geschichte zu erzählen und sah dabei verträumt auf den Boden vor sich. Ihr Sohn verstand nicht ganz was sie ihm sagen wollte, aber er schwieg und wartete. Wartete bis seine Mutter wieder zu ihm sah und sann sanft beendete:

„Diese Federn sind ebenfalls von einem Adler und werden von Generation zu Generation nur an den Häuptling weiter gegeben. Dyami ist immer bei dir und ich bin mir sicher er wird dir den richtigen Weg weisen und dich beschützen Hana. Manchmal…ist der Weg nicht immer klar den man beschreiten soll. Doch es wird jemand kommen und dich in die richtige Richtung schubsen. Ich denke…dein Vater hofft das er das ist.“

Hana verschränkte die Arme vor sich. Er dachte über die eben erzählte Gesichte nach. Was für ein Schnulzentheater! Das war ja so vorhersehbar und schnulzig das ihm fast übel dabei wurde. Aber es war okay wenn seine Mutter auf diesen Müll von Legenden stand. Er glaubte nicht an sowas. Es gab nur einer der ihm den richtigen Weg zeigte und das war er selbst! So schnaubte er und sprach dann noch immer etwas laut, aber ehrlich:

„Ich glaube nicht an diese Zaubergeschichten. Ich denke das nur ich der einzige bin der weis was richtig für mich ist! Und du wirst schon sehen Mutter! Ich werde Vater eines Tages übertreffen und ein besserer Häuptling sein als er! Ich werde es euch allen beweisen! Und dann kannst auch du stolz auf mich sein Mutter! Ganz bestimmt!“

Er wirkte plötzlich so voller Tatendrang und Energie. Es war schön ihn so zu sehen, aber Yoh hatte erneut das Gefühl das Hana ALLES etwas anders verstand als er ihm mitgeben wollte. Die Botschaft sollte eine andere sein. Er war…immer stolz auf ihn. Seit seiner Geburt. So sah er verdutzt zu seinem Sohn rüber der dann seinen Speer neben der Tür schnappte und das Fell zur Seite zog. Yoh kam erschrocken auf die Beine und fragte:

„Wo willst du hin Hana? Es gibt bald Abendessen und es wird langsam spät.“

Hana grinste frech zu seiner Mutter hinter und sprach laut:

„Ich fange was Kleines als Beilage! Du wirst schon sehen! Bis zum Abendessen bin ich wieder da! Mach dir keine Sorgen Mutter! Und sag Vater nichts!“

Und damit verschwand er aus dem Zimmer und rannte los. Yoh konnte nicht mal so schnell antworten wie sein Sohn verschwunden war. Er stand nur verdutzt da und kratzte sich an der rechten Wange. Hao nichts sagen war eine Sache…Aber wer zerrte nun das Tapir in den Wigwam? Yoh hoffte einfach nur…das Dyami über Hana wache würde. So wie er über Hao wachte.
 

Hana war schon lange nicht mehr mit so viel Elan aus dem Dorf gerannt um zu jagen!

Keine Ahnung was seine Mutter mit ihm gemacht hatte, aber es funktionierte. Er war zuversichtlicher denn je und wollte etwas fangen! Nein sogar erlegen! Er würde beweisen dass er es drauf hatte und wenn er nun mal nicht alleine in dem Dschungel jagen durfte dann ging er eben an den Strand! Weg von den Augen seines überwachenden Vaters. Also folgte er dem Fluss hinter ihrem Zuhause bis zu dem großen See. Dort hielt er sich aber weiter rechts und folgte dem Fluss runter bis zum Strand.

Als er an dem Strand ankam wurde es bereits etwas dämmrig. Die Sonne fing an unter zu gehen und tauchte alles in leicht oranges Licht. Bis zum kompletten Sonnenuntergang hatte er also noch etwas Zeit und diese würde er nutzen um etwas zu erjagen. So stand er am Rande des Dschungels und sah den Strand vor sich, atmete die frische, salzige Luft ein und dann atmete er erholt aus. Er fühlte sich gut, auch wenn er eben viel gerannt war. Und dann renkte er sich die Arme noch mal ein und zog die Schläppchen aus. Es wurde Zeit seinem Vater zu zeigen das er was mitbringen kann! Und so lief er den kleinen Hang vor sich runter und betrat mit den nackten Füßen den warmen und weichen Sand des Strandes. Es war ein tolles Gefühl und er schlotterte etwas auf, einfach weil es ihm gefiel. So sehr das sich eine leichte Röte auf seine Wangen legte und er lächelte. Doch für mehr war keine Zeit. Also lief er nach links den Strand entlang und hielt die Augen offen.

Hana wusste das es nicht viele Tiere gab die man am Strand fangen konnte. Das größte Beuteschema waren Vögel, Muscheln und Krabben. Ab und zu auch mal einige Echsen. Wenn er eine fangen könnte wäre das super. Sie schmeckten und seine Mutter machte Medizin aus den Augen und dem Speichel des Tieres. Also doppelter Erfolg. Aber die Chancen, einer zu begegnen, waren gering.

So lief er langsam und aufmerksam weiter. Nach wenigen Minuten sah er auch schon eine Horde Möwen am Strand sitzen. Er grinste. Perfekt! So zückte er seinen Speer bereit und schlich sich langsam an. Als er nah genug dran war hielt er ein…und rannte los! Er krisch dabei und holte mit dem Speer aus. Mit aller Wucht warf er ihn und die Möwen sahen alle gleichzeitig erschrocken zu ihm rüber. Durch ihre schnellen Reflexe wichen sie aber dem Speer aus und flatterten los. Die Waffe steckte im Sand und Hana rannte in die Meute hinein. Er versuchte nach den Vögeln zu schnappen, aber sie waren zu schnell und jeder entkam ihm. Am Ende stand er alleine am Strand und sah ihnen nach. Sah wie sie gegen die Sonne flogen und aufs Meer hinaus. Er sah mürrisch drein. Verflixt, das war nicht so gut gelaufen. Und jetzt flogen die einfach davon und machten sich sicherlich noch über ihn lustig mit ihrem Gegacker! So brüllte Hana einmal laut hinterher und schnappte sich dann wieder seinen Speer. Na gut, nächster Anlauf. Doch es wurde nicht besser.

Beim nächsten Anlauf versuchte er sich beim Fangen von Krabben. So stand er mit den Füßen im Wasser, benetzt bis an die Knöchel und suchte mit den Augen nach ihnen. Es waren vereinzelt strahlend rote Krustentiere, die seitlich und langsam über den Sandboden im Wasser liefen, zu sehen. Hana grinste und machte seinen Speer bereit, reckte ihn nach oben zum Zustechen. Aber dann hielt er inne. Schalte deinen Kopf ein. Sie waren viel zu klein. Wenn er zustach machte er das ganze Fleisch kaputt. Und an denen war nicht viel dran. Also senkte er wieder seine Waffe und klopfte sich selbst auf die Schulter.

„Ha! Gut aufgepasst, wenn ich das mal so sagen darf!“

Er beweihräucherte sich selbst und steckte den Speer neben sich in den Boden. Dann rieb er seine beiden Handflächen frech gegeneinander und machte sich bereit. Er würde sie fassen und an den Strand werfen. Da konnte er sie dann mit einem Stein bewusstlos schlagen und heim schleppen! Krabben mussten lebendig gekocht werden, um eine gute Suppe zu ergeben, also machte er das so. So fixierte er eine Krabbe an. Sie lief langsam nach rechts und Hana atmete ein…Und dann schnappte er zu!

Sofort hatte er eine Krabbe in Beiden Händen und zerrte sie aus dem Wasser. Er hielt sie über sich und fauchte vor Freude:

„Ha! Erwischt! Das ist ja kinderleicht!“

Doch zu früh gefreut, denn kurz darauf vernahm er einen stechenden Schmerz. Er brüllte auf und ließ los. Sah aber hoch zu seinen Händen dabei. Die Krabbe hatte ihm in den rechten Zeigefinger gezwackt und hing noch immer an diesem fest! Hana schrie und fuchtelte mit der Hand. Er fluchte unglaublich dabei und versuchte das Krustentier loszuwerden. Immer und immer wieder, so das er langsam an fing im Wasser herum zu springen und dann wieder aufschrie! Denn eine zweite Krabbe hatte ihn erwischt. Dieses mal aber in den linken, großen Fußzeh! So hüpfte er nur noch weiter und fauchte, fluchte und krisch. So lange bis die Krabben von ihm abgelassen hatten und er fluchtartig das Wasser verließ und zum Anfang vom Nass floh. Dort drehte er sich keuchend um und starrte einfach nur auf das Wasser. Ihn packte die Wut. Er fauchte mit rotem Kopf:

„Ihr roten Kakerlaken! Ihr könnt froh sein das ich keinen Hunger auf euch habe! Sonst könntet ihr was erleben!“

Dann warf er noch mal einen kleinen Stein ins Wasser und setzte sich einfach hin. Er saß im Schneidersitz da. Langsam kam er sich doof vor und seine Motivation sank immer mehr in den Keller. Denn all der Elan, den er vorher noch besaß, der verließ ihn allmählich.

Er schnaufte und sah links neben sich den Strand entlang. Okay. Krabben konnte er von der Liste streichen. Das war ihm zu doof. Doch fiel ihm etwas anderes ins Auge. Etwas wodurch er wieder lächelte und hätte anfangen können mit dem Schwanz zu wedeln, wäre er ein Wolf gewesen. Sofort sprang er auf die Beine und rannte zurück ins Wasser. Er zog seinen Speer aus dem Sand und kam wieder raus. Dann rannte er nach rechts. Doch blieb er nach 2 Metern stehen und lächelte noch breiter wegen dem was er vor sich sah. Das war ein Volltreffer! Was hatte er doch für Glück! Vor ihm war eine Meute von Meeresschildkröten! Babyschildkröten die sich vom Sand aus zum Wasser aufmachten. Sie waren eben geschlüpft und wanderten Richtung Wasser. Es waren nicht mehr viele. Einige schnappten sich die Vögel und Hana schlug seinen Speer in den Sand. Er rannte hin und krisch, scheuchte die Möwen auf und verjagte sie. Er ließ sich doch von denen nicht das Essen wegnehmen! Danach sah er rechts neben sich. Sofort sprang er hin und fasste sich eine kleine Schildkröte aus dem Sand. Frech grinsend und stolz hielt er das Tier vor sich und sprach:

„Dann gibt es heute Schuldkröten-Snacks als Beilage! Vater wird sich freuen!“

Doch als er zu den Anderen sah waren diese bereits im Wasser entkommen, so dass er nur diese eine in den Händen hatte. Sein Blick wand sich wieder zu dem Baby was er vor sich hielt, die langsam und verwirrt mit den Flossen in der Luft paddelte. Er hielt sie an den Seiten des Panzers und sah sie an. Sein Blick wurde schlagartig traurig und er schnaufte aus. Was machte er da? Und so lief er an das Wasser und hockte sich hin. Sanft ließ er die kleine Schildkröte ins Wasser und sah ihr zu wie sie davon schwamm und sich seinen Geschwistern anschloss. Sie war frei und bei seiner Familie…Hana stand danach auf und lief langsam zurück zu seiner Waffe. Direkt daneben ließ er sich in den Sand plumpsen und starrte, auf dem Rücken liegend, nach oben zum Himmel. Das…waren alles Pleiten gewesen. Er hatte wirklich noch nichts gefangen. Entweder war er zu blöd oder zu nett. Wie konnte Jagen nur so schwer sein? Und warum hatte er die Schildkröte gehen lassen?...Er wusste genau warum. Sie erinnerte ihn an sich selbst. Er war auch nur ein kleines Licht im großen Schwarm und versuchte zu überleben. Flatterte mit seinen Flügeln ohne fliegen zu können. Er träumte vom Fliegen ohne Laufen gelernt zu haben. Er war wirklich noch wie ein kleines Kind. Genauso wie sein Vater ihn auch behandelte…

So sah er über sich die Möwen vorbei fliegen und fasste mit dem rechten Arm hoch zum Himmel. Sah diesen im Licht der Sonne an und griff nach den Vögeln die so weit weg waren.

„Warum…will ich so sehr davon fliegen? Wo…gehöre ich hin?“

Wo gehöre ich hin…Kaum zu glauben das er diesen Satz gesagt hatte. Er war doch zuhause. Diese Insel war sein Zuhause. Seine Heimat und der Stamm war seine Familie. Hier gehörte er hin…Doch warum empfand er nicht so? Er setzte sich auf und sah hinaus auf Meer, wo die Sonne immer weiter unter ging und bald den Horizont erreicht hatte. Er sah ihn wehleidig an. Warum…wollte er wissen was hinter dem Horizont lag?

Eine Möwe flog vor ihm nach rechts über das Wasser und Hana sah ihr nach. Sie flog sehr schnell und reite sich dann in eine Horde von weiteren Möwen ein, die nicht weit weg links von ihm, einen Kreis über den Strand flogen. Verwirrt sah der Junge hin. Sie kreisten? Das machten Geier doch auch wenn sie über einem toten Tier flogen. Und es waren nicht mal wenige Möwen dort drüben. Er kam auf die Beine. Vielleicht…vielleicht war dort ein großes Tier verendet und Hana konnte noch Fleisch abstauben! Vielleicht war der Tag doch noch nicht im Eimer! Er lächelte und schnappte sich seine Waffe. Sofort rannte er los. Vielleicht waren ihm diese angeblichen Götter doch mal hold! Und während er weiter rannte, sah er vor sich eine große Sanddüne die er hochkrabbeln musste. Sie versperrte den Blick auf den Ort wo die Möwen kreisten. Er war gleich da! Hoffentlich war der Kadaver noch frisch! So kletterte er diesen hoch und war aufgeregt. Wenn er einen großen Fleischbrocken heim brachte wären Mutter und Vater sicherlich stolz auf ihn! Und dann kam er oben an und stand dort auf der Düne. Er sah runter und der salzige Wind wehte durch sein Haar, als er erstaunt ansah was da unten halb im Wasser lag…

Hana verstand nicht was er dort erblickte. Also kam er nur langsam die Düne herunter gelaufen und bereit zu fliehen falls er müsste. Doch ehrlich gesagt war seine Neugier zu groß um einfach zu gehen.

Es…es war gewaltig. Still lag es da halb im Wasser und machte keine Bewegungen. Die Nase lag zum Strand, aber die hinteren Flugfedern waren im Wasser. Also…zumindest dachte er das es das sein musste. Es war ein großer, grüner Vogel. So einen Vogel hatte er aber noch nie gesehen. Sah auch ganz anders aus als Vögel die er kannte. Es besaß keine Augen und Beine. Zumindest sah er sie nicht. Der Schnabel war silbern mit drei Federn dran und die großen Flügel am Bauch standen in der Mitte links und rechts steif ab, als würde er sie noch immer oben halten. Auch sah er keine Federn, alles schien so glatt zu sein. Obwohl er nicht wusste was es war, sah dieses Tier böse zugerichtet aus. Es hatte große, dunkle Löcher im Körper und der Flügel, der zu ihm gerichtet war, schien gebrochen zu sein, da die Spitze zu Boden geneigt war. Hana kam langsam näher und hatte seine Waffe schützend vor sich gezückt. Was war das für ein Tier?

Er lief langsam nach links und vor zu dem Schnabel des Monsters. Er sah es an und schnüffelte. Es roch komisch, diesen Geruch kannte er nicht. So zäh und bitter. Einige Möwen saßen auf dem toten Tier und sahen Hana zu. Komisch…sie fraßen überhaupt nicht. Das machte den Jungen stutzig. Wenn die Möwen nichts fraßen…konnte er es dann überhaupt essen? Neugierig machte er einen Schritt näher und lehnte den Speer leicht vor. Schnell und gezielt stach er nach vorne an den Schnabel des Vogels. Nichts. Keine Reaktion. Es schien wirklich tot zu sein. Aber was war es nur? So pickte er noch mal dagegen und es gab ein dumpfes Geräusch, als wäre es hohl wie ein toter Baum. Wenn es hohl war dann besaß es kein Fleisch und ohne Fleisch war es nicht essbar, also…Er wurde wütend und kam näher ran. Seine Emotionen überrannten ihn. Ohne nachzudenken trat er sauer gegen die Seite vom Schnabel und fluchte:

„Scheiße! Die Götter hassen mich!“

„HEY!! Was machst du da?!“

Hana zuckte schlagartig zusammen als er diese laute und tiefere Stimme hörte. Reflexartig sprang er einen Satz zurück und zeigte wieder mit seinem Speer auf das Monster. Es konnte reden! Also war es doch nicht tot! Warum sprach es seine Sprache?! Doch es regte sich nicht und er hörte wie jemand neben ihm auf einen alten Ast trat. Sofort sah er nach rechts und von dem toten Vogel weg. Drehte sich dort rüber und…erstarrte. Hana erstarrte komplett. Was er da vor ihm sah…das konnte nicht sein.

Nicht weit von ihm entfernt stand ein Mensch. Ein Mann genau genommen. Er war wesentlich größer als Hana, denn dieser ging ihm sicherlich gerade mal bis zum Hals. Vielleicht sogar etwas niedriger. Der kleine Junge wusste nicht wie ihm geschah, doch er nahm so viele Details in sich auf wie es für nur einige Sekunden nicht möglich sein sollte. Als würde die Zeit still stehen und nur der Wind hauchte ihm noch Leben zu.

Dieser Mann vor ihm hatte kurzes, aber struppiges, schwarzes Haar. Er trug etwas am Oberkörper, das wie Stoff aussah, aber diesen Schnitt hatte er noch nie zuvor gesehen. Die Arme waren frei und er sah starke Muskulatur an diesen. Und die Hose, die er trug, war lang und lag sehr dich an. Sie war in einem Grün, dass dem von dem toten Vogel sehr ähnelte. Und seine Füße waren eingepackt in Stiefel. Aber diese sahen anders aus als die in seinem Dorf. Fester und härter. Er sah Hana mit einem stechenden Blick an, der ihm aus Haselnussfarbenden Augen entgegengeworfen wurde. Seine Augen faszinierten Hana. Sie waren so stark und stechend…Ihm wurde da ganz anders. Er hatte keine Angst. Es war etwas anderes. Sehr schwer zu fassen und was er nicht kannte. Und die Gesichtszüge waren stark und gutaussehend. Ähnlich seinem Vater, aber doch so anders. Noch dazu hatte er einen Stofffetzen um den Hals, der wohl ein langer Schal sein sollte. Er war weiß und wehte im Wind. Und was ihm zu letzt auffiel war das komische, graue Ding was der Fremde in der Hand hielt und auf ihn richtete. Hana hatte keine Ahnung was das genau war. Sowas hatte er noch nie gesehen. Er starrte ihn weiter an. War das…ein Mensch? Er war so anders.

So blieb er einfach stehen und antwortete nicht. Sie sahen sich nur an. Und er wusste nicht warum, aber in jener Sekunde musste er an das denken was seine Mutter ihm vorhin erzählt hatte. Es legte sich über seine Gedanken und überspielte alles andere. Er konnte es nicht glauben. Das waren nur Geschichten. Aber dieser Mann vor ihm, der aus sah als käme er aus einer anderen Welt…War das...War das Dyami? Der Gott der vom Himmel fiel? Hana hatte keine Ahnung…das diese Begegnung sein ganzes Leben verändern würde.



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