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For all the Ghosts that are never gone

von

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Kapitel 9: Hannah

Kapitel 9: Hannah

 

Irgendwie fand ich mich dann doch an der Theke in der Aurora wieder.

Und irgendwie war mein Vorsatz, an diesem Abend keinen Alkohol zu trinken, auch über Bord geworfen worden.

Keine 5 Minuten nachdem ich die Bar betreten hatte…

Phil die Schuld geben, war wohl am einfachste, aber nicht die fairste Lösung gewesen.

Aber mir ging es nicht darum, mich besonders fair zu verhalten. Vor allem nicht in meinen eigenen Gedanken.

Wessen Gefühle sollte ich denn damit verletzen?

 

Außerdem legte er es doch ein bisschen darauf an, wenn er mir immer wieder einen neuen Cocktail brachte. Mittlerweile war es der fünfte Sex on the Beach. Sein Ziel war klar. Auch wenn es hier in Duskwood keinen Strand gab.

 

Eins musste man ihm lassen, als Barkeeper verstand er sein Handwerk. Ich hatte selten so einen gut gemixten Cocktail getrunken. Außerdem fand mein alkoholbenebeltes Gehirn seine Performance hinter der Theke mit jedem Schluck attraktiver.

 

Ich wusste nicht einmal, ob ich wirklich noch eine Wahl hatte. Phil hatte seine Entscheidung schon getroffen. Das sagten mir die Art und Weise, wie er mich berührte. Eine liebevolle Hand auf meiner Schulter.

Jedes Mal, wenn er an mir vorbei ging...

 

Ich war aber auch selbst daran schuld.

Wenn ich doofe Kuh doch einfach seinen Kuss nicht erwidert hätte…

Ich hatte mich selbst in diese Lage katapultiert.

Nun muss ich diese Suppe auch bis zum Ende auslöffeln.

 

Meine Lippen berührten erneut den Strohhalm und ich nahm einen weiteren Schluck des süßen Getränkes zu mir. Das waren die einzigen Momente, in denen mein Körper spürte, dass ich mich wirklich gerade in einer Bar befand. Alles andere fühlte sich so unwirklich an.

Die Gespräche, das Lachen meiner Freunde war für mich mehr Hintergrundkulisse als alles andere.

So war es also, in einer Menschenmasche ganz allein zu sein….

 

Ob Jake sich so jeden Tag fühlte?

Angenehm war es definitiv nicht.

Wenn er sich nur ansatzweise so gefühlt hatte…

Dann war ich wohl auch nur ein Lückenfüller für diese Gefühl…

 

Deswegen war er verschwunden…

 

Automatisch bewegte sich mein Körper von dem Barhocker.

„Alles in Ordnung?“, hörte ich Jessy besorgte Stimme neben mir.

„Ja. Ich muss nur zur Toilette“, gab ich genauso emotionslos von mir, wie ich mich fühlte.

„Schon wieder?“, ich musste sie nicht ansehen, um zu wissen, dass sie skeptisch eine Augenbraue hob.

Da war ein Teil in mir, der sie anschreien wollte. Ihr sagen, was sie von mir erwartete. Ich hatte keine Kraft mehr.

Wer wusste schon, ob ich jemals wieder die Kraft haben würde, um glücklich zu sein.

Doch ich konnte mich zusammenreißen und setzte ein gefaktes Lächeln auf.

„Na ja, wenn die Büchse der Pandora einmal geöffnet ist…“, scherzte ich, bevor ich meinen Weg fortsetzte.

 

***

 

„Geht es [MC] nicht gut?“, fragte Phil besorgt. Beim Polieren der Gläser konnte er das Spektakel aus erster Reihe beobachten.

Jessy wiederum zuckte nur mit den Schultern.

„Sie redet nicht mit uns.“

Traurig blickte sie auf ihr halbgefülltes Glas.

„Unsere Überraschungsparty war der reinste Flop. Sie ist sofort in mein Schlafzimmer verschwunden.“

 

Phil lächelte seine jüngste Schwester an.

„Ach, mach dir keinen Kopf. Sie hatte mir schon gesagt, dass sie müde war. Schließlich-“

Doch Jessy unterbrach ihn in einem wütenden Ton.

„Cleo hat sie auf den Boden gefunden!“

Verwirrt blinzelte Phil.

 

„Wir wollten schonmal zur Hütte fahren. Cleo wollte ihr wenigstens Bescheid sagen.“, traurig senkte Jessy ihren Blick.

„Mh.“, kam es nachdenklich von Phil. Doch auch dieses Mal war Cleo diejenige, die ihn davon abhielt, weiterzusprechen.

„Phil kann ich noch eine Cola haben?“, fragte Cleo freundlich.

„Meinetwegen.“, entgegnete Phil wenig bemüht, freundlich zu sein.

„Du brauchst dich nicht wundern, dass keine Kundschaft kommt, wenn du so unfreundlich bist.“, kam es schnippisch Cleo, als sie ihr Getränk entgegennahm.

„Vielleicht kommt ja keine Kundschaft, weil du mich hier als Entführer dargestellt hast.“, ihre bissige Bemerkung hatte Phils Angriffslust geweckt.

 

Genervt verdrehte Cleo ihre Augen.

„Du brauchst jetzt nicht die Augen verdrehen.“, keifte Phil sie an. „Wenn du nicht hier rumgeschnüffelt hättest, hätte ich mir meinen Knastaufenthalt wohl sparen können.“

„Ich kann doch nichts dazu, dass sie eine Streichholzschachtel neben Amys Leiche gefunden wurde.“, Cleo konnte ihre Wut kaum noch unterdrücken.

 

Dies wurde mit einem genervten Seufzen seitens Phil kommentiert. Als Gegenreaktion konnte Cleo ein genervtes Augenrollen nicht vermeiden.

„Du brauchst nicht so zugucken. Ich kann mir eh denken, wer mich verpfiffen hat.“, kam es patzig vom Barkeeper.

„Wie oft noch, ich war es nicht!“, keifte sie zurück.

 

Phil hob eine Augenbraue. „Einer von euch war es.“, man spürte regelrecht die unverdaute Wut in seinen Worten. „Ihr könnt froh sein, dass ihr mit [MC] befreundet seid.“

„Du kannst froh sein, dass du überhaupt Kunden hast.“, mit einem Grinsen, dass man schon als gehässig bezeichnen konnte, sah Cleo ihn an.

 

„Könnt ihr bitte aufhören zu streiten.“, jammerte Jessy verzweifelt auf.

„Du kannst nicht von mir erwarten, dass ich deinen Freunden positiv über gestimmt bin, solange keiner davon die Eier in der Hose hat, um sich aufrichtig bei mir zu entschuldigen.“

„Phil bitte.“, flehte Jessy.

„Es hat doch keiner von euch die Vorstellung was ,es bedeutet, in Untersuchungshaft zu sein. Vor allem nicht, was es in so einem Kaff wie hier bedeutet.“

 

Phil kramte an der Theke nach seiner Schachtel mit Zigaretten. Schnell steckte er sich eine Zigarette auf sein rechtes Ohr und suchte nach seinem Feuerzeug. Nachdem er dieses in seiner Hosentasche gefunden hatte, wandte er sich zu Jessy.

„Ich geh eine rauchen.“

 

„Warte, ich komm mit.“, antworte Jessy und sah verächtlich zu ihrer Freundin.

Phil grummelte. „Meinetwegen.“

Dann wandte er sich zu Cleo. „Ihr braucht gar nicht auf den Gedanken kommen euch gratis Drinks einzuschenken. Ich hab’ hier Kameras.“

„Phil.“, flehte Jessy.

 

***

 

Ich hatte mich in einer der Kabinen eingeschlossen.

Mal wieder…

Die genaue Anzahl meiner kleinen Auszeiten konnte ich nicht festmachen.

Es war mir auch irgendwie egal.

Ich musste mein Handy checken und das ohne die neugierigen Blicke der anderen.

 

Immer noch waren meine Nachrichten an Jake ungelesen.

Wieder tippten meine Finger drei Wort, wieder löschte ich diese.

Ich konnte nicht einmal genau sagen, was ich schrieb.

Die Worte „Ich“ und „Dich“ waren dabei. Doch ob es sich um das Verb in der Mitte um „liebe“ oder „vermisse“ handelte, hatte ich nicht mitbekommen.

Es war auch egal…

 

Mir fehlte eh die Courage, diese oder die andere Nachricht zu versenden.

Zu groß war der Schmerz, dass mein Hilfeschrei seinerseits so unberührt blieb.

 

Meine Augen brannten.

Wahrscheinlich hatte ich meinen Tränenvorrat langsam wirklich verbraucht.

Doch das linderte meinen inneren Schmerz keineswegs.

Ich war hilflos.

Meine Gedanken sprangen im Dreieck, ohne dass ich sie auch nur im Ansatz sortieren konnte.

 

Jake...

Phil...

Der Mann ohne Gesicht...

Richy...

Die Anderen...

Hannah....

 

Ich gehörte einfach nicht hier her. Oder zu mindestens fühlte zurzeit ganz danach an.

Irgendwo tief in mir drin wusste ich, dass ich das Problem war.

Wie sonst auch immer…

Ich wusste, dass ich mich zusammenreißen musste.

Dass ich der Fehler war…

 

Das zeigte doch allein mein Verhalten an dem heutigen Tag. Nur für die Zeugenaussage bei Alan hatte ich mich zusammenreißen können. Alles andere, was ich heute verzapfte, war der reinste Mist.

Mein ganzes Auf und Ab mit Phil. Bei dem ich immer noch nicht wusste, was ich wollte.

Na ja, eigentlich wusste ich, was ich wollte.

Jake…

Ich war wie ein kleines bockiges Kind. Nur weil ich das eine Spielzeug nicht haben konnte, hatte ich mir ein anderes genommen.

Irgendwie in der Hoffnung, dass das eine Spielzeug so eifersüchtig wird und zu mir zurückkommt.

Und das zeigte, wie schrecklich ich war.

Ich stellte Jake und Phil mit Gegenstände gleich.

Was machte ich hier überhaupt?

 

Phil aus dem Weg gehen?

Jessy aus dem Weg gehen?

Hannah aus dem Weg gehen?

 

Wahrscheinlich allen dreien. Auch wenn ich es mir bei Letzterem nicht eingestehen wollte.

Sie hatte mir schließlich nichts getan.

Obwohl irgendwie doch…

Auf der anderen Seite meinte Alan, dass Hannah es nicht war mit meiner Nummer.

Also irgendwie doch nicht…

 

Es schien zu mindestens nicht, dass Hannah mir die Antworten auf meine offenen Fragen geben konnte.

Auch da lag der Fehler ganz Simple bei mir.

Ich war doch diejenige dich nicht wusste, wie sie mit Hannah umgehen sollte.

Und zudem stellte ich mich so furchtbar an und ertrank in meinem Selbstmitleid.

Dabei hatte Hannah doch so ein schweres Schicksal…

Sie war das Opfer einer Entführung gewesen

Hannah hätte das Recht, sich so zu verhalten, wie ich es tat.

 

Ich war einfach falsch…

Ein Fehler…

 

Warum wollten Jessy und die anderen mich überhaupt hier haben?

 

***

 

„Warum können deine Freunde nicht alle so sein, wie [MC] sein?“, Phil zog aggressiv seiner Zigarette. Glücklicherweise hatte der junge Barkeeper seine Zigarettenschachtel im letzten Moment doch noch in die Hosentasche gesteckt. So war er in den Genuss gekommen, sich nach wenigen Sekunden eine weitere anzustecken.

 

Jessy wiederum zuckte nur mit den Schultern. Nicht nur, weil sie keine Antwort auf die rhetorische Frage ihres Bruders hatte. Sondern auch aus der Hinsicht, da er sie so plötzlich ansprach, nachdem er sie bei seiner ersten Zigarette mit Schweigen strafte.

 

„Na ja. Du warst auch nicht gerade fair zu Cleo. Wir wollten-“, sprach Jessy vorsichtig und wurde zugleich harsch von Phil unterbrochen.

„Wegen eurer kleinen Spielchen kann ich meinen Laden bald wohl dichtmachen!“

„Das ist unfair Phil.“

„Nein, Jessy.“, seine Stimme war sanfter, jedoch noch aggressiv. „Du weißt genau, wie schnell man hier seinen Ruf weghat.“

 

Zustimmend und beschämt sah Jessy auf den Boden. Bevor Phil weitersprach, zog er noch mal an seiner Zigarette.

„Ich habe hier sowieso schon meinen Ruf weg. Und -“

„Na ja, daran bist du auch selbst schuld.“, dieses Mal war es Jessy die ihren großen Bruder unterbrach.

„Bin ich?“, zu ihrer Verwunderung war seine Stimme gelassen. „Ich kann mich nicht daran, so viele One-Night-Stand gehabt zu haben, wie man mir nachsagt.“

Seine Aussage wurde mit einem verdutzten Blick ihrerseits beantwortet.

 

„Danke.“, lachte Phil auf. „Selbst meine Schwester hält mich für einen Playboy.“

„Na ja, man kann jetzt nicht sagen, dass du wirklich langfristige Beziehungen hattest.“, grummelte Jessy.

Sie war überrascht, als er auf ihre Worte mit einem traurigen Blick antwortete. Phil wiederum merkte ihren stutzigen Blick, weswegen er hinterher schob: „Es gab da mal jemanden.“

„Echt?“

 

***

 

„Phil ist unmöglich.“, beschwerte sich Cleo, als sie sich zu Dan, Lilly, Thomas und Hannah an den Tisch setzte.

„Nichts Neues.“, lachte Dan auf. „Schade, dass wir hier keine große andere Wahl als die Aurora haben.“

„Na ja, [MC] scheint es ja weniger zu stören.“, spielte Thomas auf ihren Umgang mit Phil an. Es war zwar nicht sie, die direkt mit dem Barkeeper flirtete. Jedoch konnte man selbst als ausstehender nicht leugnen, dass ihr seine Anmachversuche gefiel.

 

Thomas Aussage wurde seitens Lilly mit einem Grummeln kommentiert.

Irritiert sah Hannah zu ihrer jüngeren Schwester.

„Scheint ja so, als hätte sie Jake schon wieder vergessen.“

„Komm jetzt nicht schon wieder mit Hackerboy, Lilly.“, kam es genervt von Dan.

Lilly plusterte ihre Wangen auf und wollte ihm etwas entgegenbringen.

Doch Dan war schneller: „Der, hat doch kalte Füße bekommen und ist längst über alle Berge!“

„Ist er nicht!“, keifte Lilly zurück.

„Na ja, würde ihm ähnlichsehen.“, bestätigte wiederum Hannah.

„Wenigstens ist hier eine auf meiner Seite.“, grinste Dan.

„Hey!“, warf Cleo ein, um damit auszudrücken, dass auch sie nicht gerade auf Jakes Seite war. Jedoch musste man ihr wenigstens fairerweise zugutehalten, dass sie nur wenig Berührungspunkte mit dem Halbbruder der Donfort Schwestern hatte.

 

„Nein, er würde nicht einfach wieder verschwinden.“, kam es trotzig Lilly.

„Seit wann bist du denn die Vorsitzende des Hackerboy-Fanclubs?“, fragte Dan in seinem üblichen Sarkasmus.

„Seitdem er geholfen hat, Hannah zu finden!“, erinnerte Lilly die anderen daran, welche Mühe sich der junge Mann gemacht hatte, bei den Ermittlungen zu helfen.

Dann fügte sie kleinlaut hinzu: „Außerdem würde er das [MC] niemals antun. Er liebt sie.“

 

„Wie kannst du dir da so sicher sein?“, es war Thomas, der diese Frage in den Raum stellte.

Lilly zuckte nur mit den Schultern. Wie sollte sie ihren Freunden verklickern, dass es ihr Bauchgefühl verriet. Sie hatte nun mal keine Anhaltspunkte über seinen Verbleib. Auch sie hatte Angst, dass ihm etwas passiert war.

Er war als ihr Bruder gerade erst in ihr Leben getreten und durfte nicht so einfach wieder verschwinden.

 

Eigentlich hatte Lilly sich erhofft, dass sie mit [MC] reden könnte.

Wenigstens mit ihr...

Jakes Verschwinden macht sein Geheimnis zu hüten nur unerträglich schwer.

Die Gruppe hatte ihn nie wirklich als Teil akzeptiert. Und vor allem an Dans Misstrauen gegenüber des Hackers hatte sich trotz der Wahrheit hinter Maske nicht geändert.

 

Am schlimmsten jedoch war, dass auch [MC] ihren Freund zu vergessen schien.

Oder es zu mindestens vorhatte...

Anders konnte Lilly sich sonst das Verhalten ihrer Freundin nicht erklären.

Kaum war sie in Duskwood hatte sie Jake aus der Gruppe entfernt und wahrscheinlich auch blockiert. Auch schien sie nicht gerade desinteressiert an Phil...

 

Doch dann war da [MC] seltsames Verhalten vom Mittag, die Art und Weise, wie sie Jessys Wohnung betreten hatte. Wenn man sagen würde, man hätte gemerkt, dass sie Angst hatte, war dies noch untertrieben gewesen. Die Panik war ihr ins Gesicht geschrieben.

Doch warum?

 

***

 

„Warum habe ich sie nie kennengelernt?”, hakte Jessy neugierig ein zweites Mal nach. Doch Phils Reaktion blieb gleich. Er zog erneut an seine Zigarette und wich bewusst dem flehenden Blick seiner Schwester aus.

 

„Phil!”, bestand Jessy auf eine Antwort.

„Will nicht drüber reden!”, äußerte er sich abwehrend.

In Jessy verwunderten Stirnrunzeln war auch eine Spur von Enttäuschung.

„Wer weiß, vielleicht wird auf mir und [MC] ja was“, lenkte Phil bewusst das Thema.

 

Jessy Blick verriet ihm, dass sein Vorhaben Erfolg hatte.

„Aber nutz sie nicht aus.“, sie legte einen leicht zornigen Blick auf

Phil hustete. Die Aussage seiner Schwester hatte ihn so erschrocken, dass ich sich an seinem Zigarettenrauch verschluckt hatte. Schweren Herzens musste er feststellen, dass auch seine Schwester ihm mehr flüchtige Affären als ernsthaftes Interesse nachsagte.

 

„Ich habe schon ernsthaftes Interesse.“, sagte er unbeabsichtigt mit schnippischer Stimme.

„Wirklich?“, quickte Jessy freudig auf.

Phil nickte.

 

Nervös durch die Stille zog er erneut an seiner Zigarette, bevor er sich entschied, doch zu sprechen.

„Wir haben uns heute schon geküsst.“ Seine Stimme war ruhig und gelassen, doch die Reaktion seiner jüngsten Schwester spiegelte seine innere Gefühlswelt wider.

„Waaaaaasss?“, freudig hüpfte sie auf und ab, dabei klatschte dabei in die Hände.

 

Phil nickte bestätigend. Darauf folgte ein erneuter Zug an seiner Zigarette, um sich nicht mit Jessys Euphorie anzustecken.

„Sie hat das gar nicht erzählt.“, stellte sie nun empört fest.

 

***

 

„Warum verteidigst du Hackerboy so?“, hakte Dan nach, als Lilly noch mal betont hatte, wie wichtig die Rolle des Hackers bei der Auflösung des Falles war.

„Tu ich doch gar nicht!“, piepste die Angesprochene in einer ungewöhnlich hohen Fistelstimme.

Dan zog eine Augenbraue hoch. “Was ist mit diesem Kerl? Erst [MC], jetzt du?”

„Ich weiß nicht, was du meinst.”, Lillys Stimme war mittlerweile so hoch, dass wohl Menschen mit einer Hochtonschwerhörigkeit sie nicht mehr hören konnten.

 

Nicht nur Dan, sondern auch ihre große Schwester erschlugen Lilly fast mit ihren skeptischen Blicken. Verzweifelt überlegte sie, wie sie das Thema in eine komplett andere Richtung lenken konnte. Zu groß war die Gefahr, dass die Wahrheit doch noch aus ihr heraussprudelte. Lilly hatte schon so oft ihre Fingerkuppen in die Handinnenflächen gepresst und sich damit selbst den Impuls zum Schweigen zu geben. In der aktuellen Situation durfte nicht einmal Hannah wissen, dass es noch ein drittes Donfort-Geschwisterkind gab.

 

„Wo bleibt eigentlich Phil?”, stöhnte Cleo genervt auf und starrte in ihr leeres Glas. Lilly ließ ein kaum hörbares erleichtertste Seufzen aus ihrer Kehle entweichen. Kurz überlegte sie ihrer Freundin eine Geste der Dankbarkeit entgegenzubringen sollte. Doch der Fakt das Cleo sie wohl nur aus reinem Zufall aus ihrer Misslingen Lage befreit hatte, hielt sie davon ab.

 

„Ja, mein Glas ist auch schon fast leer.”, somit nahm Lilly schließlich doch, die unbeabsichtigt Hilfe an.

“Na ja, meinetwegen können wir auch langsam fahren.”, sagte Thomas dessen frustrierte Augen auf sein zu dreiviertel gefülltem Wasserglas starrten.

Automatisch, mit einem verwirrten Blick, wandte Lilly sich zu ihrem Schwager in spe. Langsam dämmerte es der jungen blonden Frau, dass Cleo Beschwerde nicht ganz ohne hinter Gedanken getätigt wurde.

 

Sie und Thomas hatte stark demonstriert, als Jessys das abendliche Ausflugsziel bekannt geben hatte. Doch konnten sie dem Totschlagargument, dass [MC]’s Wunsch war, keine plausible Ablehnung entgegenbringen. Zugegebenermaßen hatte Lilly sich zuerst gewundert, doch der Umgang zwischen Phil und ihrer Freundin erklärte so einiges. Und Lilly gefiel es ganz und gar nicht.

 

“Ich geh mal zur Toilette.”, riss die Stimme ihrer großen Schwester sie aus den Gedanken.

“Thomas, das schaffe ich schon alleine.”, Lilly war erst jetzt aufgefallen, dass Hannah den ganzen Abend in einen genervten Ton mit ihren Freund kommunizierte.

Verständlich, wenn man die Gegebenheiten aus Hannahs Sicht betrachtete. Thomas hatte ein besonders beschützendes Augenmerk auf seine Freundin geworfen. Weswegen er gleich mit aufgestanden war, als Hannah ihr Vorhaben verkündigte.

 

Doch wenn man die ganze Situation aus Hannahs Augen betrachtete, war es eher freiheitsberaubend. Auf Schritt und Tritt folgte er ihr. Vielleicht hätte sie damit leben können, wenn Thomas sich mit dem Grund ihrer Entführung auseinandergesetzt hätte.

 

Doch das tat er nicht.

 

Schlimmer als alles andere, er verleugnete ihren Mord an Jennifer.

So wie alle anderen auch…

Eigentlich wunderte es Hannah, dass ihre Freunde dieses fremde Mädchen in den Freundeskreis aufgenommen hatte. Ein freiwilliger Beweis, dass ihre Entführung tatsächlich stattgefunden hatte.

 

Hannahs Erklärung war, dass dies nur eine Methode ihrer Freunde war, um Richys Abstinenz zu kaschieren. Deswegen erwarteten alle auch, dass sie diese Fremde behandelte, wie ihre engste Freundin aus Kindheitstagen.

 

Die Gesamtsituation ließ Hannahs Gemüt innerlich kochen.

„Ich schaffe, dass schon noch allein.“, für diesen schnippischen Satz hatte sie die Kontrolle über ihre Emotionen verloren. Zugleich erntete Hannah die verdutzten Blicke ihrer Freunde.

„Ich wollte doch nur…“, murmelte Thomas reumütig wie ein geschlagener Hund.

„Mir passiert schon nichts.“, da war sie wieder: Hannahs Maske der Freundlich- und Heiterkeit. Eine Maskerade, die wieder alle besänftigte und sie die vergangenen Ereignisse leugnen ließ.

Es war zum Kotzen!

 

***

 

Meine trockenen Augen brannten von den Blicken auf mein Handydisplay. Immer noch waren die Nachrichten ungelesen. Es war nicht mehr nur mein gebrochenes Herz, dass in dieser Realität schmerzte. Ein Leid, dass nun seinen Höhepunkt erreicht hatte. Es ließ mich langsam wieder meine Realität wahrnehmen.

 

Ich schalte das Handy aus.

 

Der erste Schritt gegen meine selbst auferlegte Tortur. Wieder auf meinen Füßen schloss ich die Kabinentür auf. Das Knarren meiner Kabinentür übertünchte, dass der Eingangstür zu den sanitären Räumlichkeiten.

 

Erschrocken starrte ich in Hannahs grüngraue Augen, nachdem ich gedankenverloren aus meiner Toilettenkabine trat. Ihrem ebenso erschrockenen Gesichtsausdruck verriet, dass auch sie nicht mit meiner Anwesenheit gerechnet hatte.

 

Für einige Sekunden starrten wir uns nur regungslos an. Hannah war die Erste, die sich bewegte. Zögerlich schritt sie zum Waschbecken. Aus meinem Augenwinkel beobachtete ich, wie sie den Wasserhahn öffnete. Aufgrund unseres Schweigen hallte das Rauschen des Wasserhahns durch den Raum.

So unerträglich laut…

Meine Gedanken wanderten zum Grimrock-Wasserfalles, während ich einfach nur angewurzelt dastand. Unschlüssig, was mein nächster Schritt sein sollte.

Wollte ich nicht eigentlich Jake am Grimrock suchen?

Oder zumindest ein Zeichen von ihm?

Warum hatte ich den Plan verworfen?

Warum war ich überhaupt nach Duskwood gekommen?

Und wusch sich Hannah nicht irrational lange die Hände?

 

Sicherlich wartete sie nur auf den richtigen Moment, um ihren emotionalen Ballast bei mir abzuladen.

So wie alle anderen es doch auch taten…

 

[MC] – unfreiwillige Therapeutin und Detektivin.

 

Überfordert mit der Situation und getrieben von meinen Fluchtgedanken nuschelte ich: „Bye.“ Zu meiner Verwunderung hörte ich ihr erleichtertes Aufatmen.

 



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