Zum Inhalt der Seite

Osterlämmchen, Kind und Pate

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Kinderlachen, in Kombination mit dem eines alten Mannes, drang aus der Küche an Lukes Ohr. Ein kleiner dunkelhaariger Junge stand auf einem Stuhl, die kleinen Hände über und über mit Teig beschmiert. Gleiches galt für den Endsechziger, dessen gepflegte graue Haarpracht und vor allem der rasiermesserscharf getrimmte Schnurrbart, von ersten weißen Strähnen durchzogen wurde. Sein dunkle Zweiteiler war bereits komplett mit Mehl und Wasserflecken übersät. Gleiches galt für die schwarze Fliege und auch das einst blütenweiße Hemd hatte seine besten Tage auch hinter sich. Das so adrette und abgestimmte Outfit des offenkundigen Butlers würde viel Liebe und Pflege bedürfen, um jemals wieder in einen passablen Zustand zurückkehren zu können. Dennoch schien das dem Besitzer nichts auszumachen, im Gegenteil: Er lachte lauthals und ließ sich auch gerne von dem Jungen einen Teigbatzen in den Schnurrbart schmieren, was den Kleinen dazu veranlasste breit zu grinsen und dann seine Hände um den Nacken des Ältern zu schlingen.
 

Diese Momente zauberten Luke selbst ein Lächeln ins Gesicht. Er hatte als kleiner Junge mit großen Augen bei Jonathan gewartet, bis der Simnel Cake, wie auch die Hot Cross Burns, fertig waren, selbst gebacken aber noch nie. Seine Kindheit war viel zu steril abgelaufen. Die Küche in ein Schlachtfeld zu verwandeln, wie es sein eigener Sohn tat, wäre undenkbar gewesen. Dennoch hatte Jonathan sich immer um ihn bemüht und war ihm sehr ans Herz gewachsen. Für Luke glich der alte Butler, den er von Klein auf kannte, einem väterlichen Freund. Gedankenverloren kraulte er den weißen Schäferhund, der sich bei ihm auf der Couch niedergelassen, und die Schnauze in seinem Schoß vergraben hatte.
 

Hakim genoss die spärliche Zeit, in der sein Herrchen zuhause war. Natürlich liebte er auch Scott, genauso wie Jaden, doch Luke war eben doch jener Mensch, mit dem er aufgewachsen war. Sein treuester Freund und Gefährte, neben Jonathan. Kurz sah der Hund auf und gähnte lauthals, um es sich dann wieder gemütlich zu machen und die Streicheleinheit wohlig über sich ergehen zu lassen.
 

Luke konnte Sohn und Butler dabei beobachten, wie sie den Teig in die Osterlammform gaben und er wusste genau, dass die Glasur mit Zitronensaft verfeinert werden würde. Er liebte Zitronen und Jaden ebenso. Auch wenn er sich auf das Backwerk freute, so war es ihm weitaus wichtiger, dass Jonathan Zeit mit dem Jungen verbringen konnte, die nicht rein beruflicher Natur war. Gerade wurde ein Löffel zum Probieren aus einer der Schubladen herausgezogen und dem alten Mann, mit etwas Teig, in den Mund geschoben, der ein wenig den Kopf hin und er wiegte, bevor er nickte und Jaden selbst naschte. Auch die Kleidung von Scotts jungen Ebenbild war absolut verdreckt, doch er schien sich genauso wenig daran zu stören wie sein Backhelfer.
 

Luke konnte sich noch gut an den Tag erinnern, als er an Jonathan herangetreten war. Er war am Küchentisch gesessen, durchgeschwitzt vom Training, der Butler damit beschäftigt, ihm eine Tasse Earl Grey mit Zitrone zu servieren, da hatte er ihn einfach gefragt. Ganz simpel und doch war es ihm unendlich schwergefallen, da er Angst gehabt hatte, Jonathan könnte ablehnen.
 

„Jonathan?“
 

„Ja, Master Luke?“ Dabei stellte er die Teetasse mit einem Vegetamotiv vor ihm ab.
 

„Wie Sie wissen, werde ich bald Vater.“
 

„Ich weiß, Master Luke. Gratulation dazu“, antwortete Jonathan nickend.
 

„Scott und ich haben uns auch schon auf einen Namen geeinigt“, ließ Luke durchscheinen und nippte an seiner Tasse Tee, der wie immer köstlich schmeckte.
 

„Ah ja? Das freut mich. Namen sind wichtig.“
 

„Wir möchten ihn Jaden nennen; Gott hat gehört. Sie wissen ja, wie sehr wir uns ein Kind gewünscht haben.“
 

„Natürlich. Wir haben uns einmal bei einer Tasse Tee darüber unterhalten. Ein schöner Name, Master Luke, mit einer genauso tiefen Bedeutung wie der Ihre.“ Jonathan tat ihm mehrere Biskuits auf, von denen sich Luke freizügig bediente.
 

„Wir würden ihm auch gerne einen Zweitnamen geben“, fuhr Luke fort und nippte erneut an seiner Tasse.
 

„Sie und Mister McCall nennen ja auch zwei Namen Ihr Eigen. Wie möchten Sie ihn denn nennen, wenn ich fragen darf?“ Der Grauhaarige strich sich dabei lächelnd und mit sichtlicher Freude über den Schnurrbart.
 

„Darf ich Sie vorher noch fragen, ob es unschicklich ist, den Namensgeber auch als Paten für sein Kind haben zu wollen, Jonathan?“ Nun hielt Luke inne und sah zu seinem Butler auf. „Sie wissen, Ihre Meinung ist mir sehr wichtig.“
 

„Nein, ist es nicht, Master Luke. Haben Sie denn an Mister McCalls besten Freund gedacht, Mister Stilinski?“ Jonathan klemmte sich das Tablett unter den Arm und bekämpfte sichtlich amüsiert das Zucken seiner Mundwinkel. Natürlich wusste er von Lukes Abneigung gegenüber Stiles.
 

„Wo denken Sie hin“, schnaubte Luke entrüstet. „Ich würde mich eher vor einen Zug werfen, als ihn nach Stiles zu benennen. Mein Kind liebe ich schließlich. Stiles wird zwar einer der Patenonkel werden, aber nicht den Namen beisteuern.“
 

„So? Dann denken Sie an Ihren Vater? Oder an den Freund Ihrer Cousine, Mister Lahey? Isaac ist auch ein wunderschöner Name, Master Luke, wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf.“
 

„Wir möchten ihn Jonathan nennen.“
 

Luke ließ vor Schreck sein zweites Biskuit fallen, als mit einem lauten Scheppern das Tablett auf dem Holzboden landete. Rasch machte sich Jonathan daran, es wiederaufzulesen und seinen verknitterten Blazer zu richten.
 

„Aber Master Luke, Jonathan ist doch ein generischer Name, das wissen Sie doch!“
 

„Ich finde den Namen wunderschön, zumal auch Scott der Meinung ist, dass er passt: Jaden Jonathan McCall. Das würde aber bedeuten, dass Sie sein Pate werden, sofern Sie möchten.“ Luke sah rasch weg, als er ein Glitzern in den Augen seines langjährigen väterlichen Freundes bemerkte und zeigte großes Interesse am Biskuit.
 

„Master Luke, das… das kann ich nicht“, setzte Jonathan verlegen an, um sogleich zu verstummen.
 

„Ich möchte es aber. Wir möchten.“ Luke drehte sich um und schenkte dem alten Mann ein breites und warmes Lächeln. „Sie sind einer der wichtigsten Menschen in meinem Leben und werden es auch immer sein. Ich verdanke Ihnen so viel und daher ist es nur richtig, wenn Sie auch am Leben meines Sohnes Anteil haben.“
 

„Ich… von Herzen gerne“, stammelte Jonathan verlegen und zog ein blütenweißes Seidentuch aus der Hosentasche, um sich lautstark zu schnäuzen. „Verzeihen Sie bitte diesen Gefühlsausbruch.“
 

Und damit war Jonathan Davenport der Pate von Jaden Jonathan McCall geworden. Der beste Pate, den man sich wünschen konnte. Deutlich besser als Stiles, der dem Jungen nur Flausen in den Kopf setzte, wie mit fremden Kindern zu spielen und sie auch nach Hause einzuladen, da das für sein Alter vollkommen normal sei. Eine lärmende Bande von Rotzgören suchte ihre Wohnung Tag für Tag heim und obwohl es kaum möglich war, diese Horde zu bändigen, war Jonathan immer zu Stelle und kümmerte sich gerne um die Rasselbande.
 

Das so ungleiche Duo war nun fertig und hatte das Osterlämmchen in den Backofen geschoben. Jaden war sogar so eifrig gewesen, seinen Paten noch zu bitten, ob man nicht irgendwie das Logo von Manchester United einritzen konnte, denn das würde seinem Papa sicherlich gefallen. Jonathan hatte sich redlich bemüht und machte sich daran das Chaos in der Küche zu beseitigen, mit tatkräftiger Unterstützung von zwei kleinen Händchen, die zwar alles verschlimmerten, aber der gute Wille zählte.
 

Die Tür ging auf und Scott war schon bei Luke, um ihm einen Kuss auf die Wange zu drücken, bevor dieser reagieren konnte. Der Kuss wurde mit durch einen auf die Lippen erwidert und dann bedeutete er seinem Gefährten leise zu sein und in die Küche zu lugen.
 

„Oh je, sie haben gebacken. Der arme Jonathan“, murmelte Scott und hockte sich neben ihn. „Du musst ihm viel mehr bezahlen. Das ist ja unmenschlich.“
 

„Ich habe ihm schon eine Gehaltserhöhung angeboten, aber er will nicht.“ Luke zuckte mit den Schultern und wollte gerade etwas anfügen, da hielt er inne.
 

„Jonathan? Können Sie sich einmal runterbeugen zu mir?“, wollte Jaden wissen.
 

„Natürlich, Master Jaden.“ Der Angesprochene tat wie ihm geheißen, um dann erneut umarmt zu werden, aber deutlich inniger und anhänglicher als zuvor. Zwei kleine ARme schlangen sich sichtbar um seinen Rücken und er wurde nun ebenfalls mit einem Kuss auf die Wange beglückt.
 

„Ich habe Sie lieb, Jonathan. In der Schule sagen auch alle, sie wären der beste Pate der Welt, da sie mir immer mein Lieblingsessen und ganz viel Kuchen einpacken.“
 

Jonathan schob die Lippen nach innen und wischte sich dann rasch mit dem Handrücken über die Augen, bevor er die Umarmung erwiderte. „Das mache ich doch gerne. Was möchten Sie denn morgen?“
 

„Dass Sie mit mir in die Schule kommen! Wir müssen nämlich jemanden vorstellen, der uns ganz wichtig ist, also eigentlich einen Aufsatz schreiben, über denjenigen, aber…“ Jaden zog ein wenig den Kopf ein. „Ich weiß gar nicht, was ich schreiben soll. Könnten Sie mir helfen?“
 

„Ich…“ Jonathan wischte sich erneut mit dem Handrücken über die Augen. „Wenn ich hier fertig bin, ja? Natürlich begleite ich Sie morgen in die Schule, Master Jaden.“
 

Jaden verpasste Jonathan noch einen weiteren Schmatzer auf die Wange, bevor er aus der Küche rannte, zu seinen Vätern hin, und sich Scott in die Arme warf. „Daddy!“ Dieser wurde unter einem kleinen Bündel aus Mehl, Teig und Zitronenglasur begraben, wobei beide von zwei lächelnden Männern beobachtet wurden. Als sich ihre Blicke kreuzten und Luke Jonathan zunickte, da wusste er, dass dieses Ostern wunderschön werden würde und das diesjährige Osterlämmchen besser schmecken als alle bisherigen, denn er würde einmal zuhause sein, nicht in einem Trainingslager oder bei einem Fußballspiel seines Vereins: Zuhause, bei seiner Familie, zu der auch Jonathan gehörte. Mehr als sich der alte Mann vorstellen konnte.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück